Geschichte wiederholt sich doch
Als US-Präsident Herbert Hoover am 17. Juni 1930, also vor knapp hundert Jahren, das Dekret zur Einführung der Hawley-Smoot-Zölle unterzeichnete, wurden die Zölle auf über 20.000 Importgüter von einem Tag auf den anderen um durchschnittlich 45-50% erhöht. Die Zollerhöhung für die Uhrenindustrie betrug ca. 50% und stellte für die deutsche und schweizerische Uhrenindustrie eine schier unüberwindbare Handelsbarriere dar. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten, und so kam es bald zu Vergeltungsmaßnahmen anderer Länder, und der internationale Handel zwischen den USA und Europa, der bereits durch die Große Depression geschwächt war, ging nach der Einführung der Zölle um mehr als die Hälfte zurück.
Der Handelskrieg verschärfte die Weltwirtschaftskrise und traf insbesondere die europäische Uhrenindustrie hart. In der Schweizer Uhrenindustrie, die bereits von der Weltwirtschaftskrise stark betroffen war, führten der Handelskrieg und die enormen Zölle zu einer weiteren Verschärfung der Krise und zum zwangsweisen Zusammenschluss zahlreicher Unternehmen in der 1931 gegründeten Allgemeinen Schweizerischen Uhrenindustrie AG (ASUAG). Mehr dazu und was das mit der Gründung der ETA zu tun hat, beschreiben wir hier auf Uhrenkosmos.


Soweit wird es im Jahr 2025 nicht kommen, das lässt sich angesichts der sehr gut aufgestellten und ertragsstarken Uhrenindustrie schon heute sagen. Fakt ist aber, dass die am 2. April 2025, dem von Donald Trump irrwitziger Weise als «Liberation Day» bezeichneten Datum, angekündigten neuen protektionistischen Zölle die Uhrenindustrie in Deutschland und der Schweiz vor große Herausforderungen stellen werden.
Zwar bewahren die Uhrenhersteller in Genf einen kühlen Kopf, und vor allem die großen Konzerne üben sich in der Kunst des Schweigens, schließlich will man Donald Trump und seinen „Kumpanen“ keinen zusätzlichen Anlass zur Verärgerung geben. Dennoch ist man sich einig, dass die angekündigten erratischen Zölle einen stark negativen Einfluss auf die enorm wichtigen Uhrenexporte in die USA, dem weltweit größten Abnehmer von Schweizer Uhren, haben werden.
So beläuft sich der Marktanteil der USA mit einem Volumen von 4,372 Milliarden Schweizer Franken immerhin knapp 17 %. Es ist absehbar, dass sich ein starker Rückgang der Exporte unvermeidlich auf die Unternehmensgewinne auswirken wird. Dies ist umso schmerzlicher, als der chinesische Markt keine Anstalten macht, zu alten Höhen zurückzukehren. Mehr interessante Zahlen zum Schweizer Uhrenmarkt finden sich hier.

Zollerhöhung für die Uhrenindustrie
Natürlich könnte man es mit Breitling-CEO George Kern halten, der laut Schweizer Medien meinte, es sei noch nie etwas so heiß gegessen worden, wie es gekocht wurde. Doch die von Trump angekündigten Strafzölle in den USA haben es in sich. Für Importe in die USA verlangt Trump von der EU einen Aufschlag von 20 Prozent auf die bestehenden Zölle. Für die Schweiz sollen es 31 Prozent sein und für China werden künftig 34 Prozent zusätzliche Zölle fällig.
Einschränkend ist anzumerken, dass trotz der kurzfristigen Einführung der Strafzölle sowie eines weltweiten Mindestzolls von 10% am 5. April um 12.01 Uhr US-Ortszeit bzw. 06.01 Uhr MESZ für die Handelspartner die genauen Details noch nicht abschließend geklärt sind. Kein Wunder bei einem Zolldokument von unglaublichen 4.420 Seiten, das es zu studieren gilt.
Auch die Zollsätze für Uhren werden je nach Wert, Qualität des Uhrwerks, Anzahl der Steine oder Grad der Veredelung variieren. Wer nicht auf diese endgültige Information warten wollte, war China, das bereits am 4. April zusätzliche Zölle in Höhe von 34% auf alle US-Importe erhob. Das klingt nach den besten Voraussetzungen für einen ausgewachsenen Handelskrieg, bei dem niemand gewinnt. Am wenigsten die Uhrenhersteller in der Schweiz und in Deutschland.

Die Massnahmen der Uhrenindustrie
Die Zollerhöhung kam für die großen und kleinen Uhrenmarken nicht überraschend. Einige Unternehmen hatten deshalb im Vorfeld ihre Lieferungen in die USA erhöht. Andere Uhrenhersteller von hochpreisigen Modellen mit geringen Stückzahlen gehen eher davon aus, dass die Käufe nicht zurückgehen, sondern in unverminderter Form – nun aber außerhalb der USA – getätigt werden. Hier werden eher Umsatzrückgänge für den amerikanischen Einzelhandel gesehen.
Eher pragmatisch gehen die Marken vor, die die zusätzlichen Zölle auf mehrere Schultern verteilen wollen. Auch diese Vorgehensweise wurde in Gesprächen genannt. So sollen die 20 % bzw. 32 % zusätzlicher Zölle zum Teil vom Endverbraucher über eine anteilige Preiserhöhung sowie über eine reduzierte Marke des Händlers wie Herstellers aufgefangen werden. Was aber nicht ganz leicht werden dürfte, hatten die Preise von vielen Herstellern in den vergangenen Jahren doch bereits merklich angezogen.
Ein weiterer Ansatz ergibt sich für die Uhrenmarken, die noch interessante Länder und Märkte ohne Markenpräsenz haben. Entsprechend werden die Zölle in den USA zum Anlass genommen, in neue Märkte zu investieren und so die Umsatzeinbußen zu kompensieren.
Welche Lösung die Uhrenindustrie auch sucht – von der Lieferung von Komponenten in die USA mit anschließendem lokalen Zusammenbau ganz zu schweigen – es ist davon auszugehen, dass Investitionen vorerst zurückgestellt und Marketingbudgets eingefroren werden. Was unter dem Strich nur knapp drei Jahre nach Corona erneut zu einem Umsatzrückgang führen wird.
Erfahrene Uhrenmanager mit vielen Jahren Erfahrung bleiben jedoch eher gelassen. Denn die Uhrenindustrie würde bereits seit jeher in Wellen verlaufen und auf jede Krise würde der nächste Umsatzrekord folgen. Dies sei so sicher, „danach könne man die Uhr stellen“.
PS: An dieser Stelle ist kurz zu erwähnen, dass wir auf ein namentliches Zitieren unserer Gesprächspartner verzichtet haben. Dies ist darauf zurückzuführen, dass unisono darauf hingewiesen wurde, dass man auf jegliche öffentliche Kritik verzichte und stattdessen auf Verbandsebene und über politische Interessenvertreter nach einer Entschärfung der amerikanischen Maßnahmen sucht.

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