Zollbedingter Boom
Ein erster Blick auf die kürzlich vom Verband der Schweizer Uhrenindustrie (FHS) publizierten Exportstatistik könnte viele Verantwortliche in der Schweizer Uhrenindustrie zu lautem Jubel verleiten. Aus dem Zahlenwerk der Schweizer Uhrenexporte im April 2025 lässt sich nämlich ein sattes Wachstum von 18,2 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat entnehmen. Summa summarum verließ Ware im Exportwert von 2,5 Milliarden Schweizerfranken die eidgenössischen Fabriken. Indessen stellt sich beim zweiten, differenzierteren Hinsehen sehr schnell Ernüchterung ein.
So hochfliegend wie es bei oberflächlicher Betrachtung der Dinge aussieht, waren die Ausfuhren keineswegs. Die Exportbilanz rettende Einflüsse kamen allein aus den Vereinigten Staaten von Amerika. Wahrhaft außergewöhnlich waren um sage und schreibe 149,2 Prozent angestiegene Ausfuhren ins Land der mittlerweile nur noch scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten. Dieser Wert übertraf das schon im März 2025 zu konstatierende Ausfuhr-Plus von 13,7 Prozent nochmal ganz erheblich.

Wer die aktuellen Markt-Geschehnisse rund um den erratisch handelnden US-amerikanischen Präsidenten und seine Entourage, allen voran sein wirtschaftspolitischer Berater Peter Navarro, halbwegs wach verfolgt, stößt schnell auf des Pudels Kern. Das Damoklesschwert hoher Strafzölle hat die extrem exportorientierte und stark vom USA-Markt abhängige Schweizer Uhrenindustrie das einzig Richtige tun lassen: Sie schickte über den Großen Teich, was immer möglich war, um die Lagerbestände zu im Augenblick den noch moderaten Zoll-Konditionen aufzufüllen.
Wie sich die Dinge nach den exorbitanten Schweizer Uhrenexporten im April 2025 ab dem für die Zölle maßgebenden Monat Juli gestalten werden, vermag gegenwärtig niemand auch nur halbwegs verlässlich vorherzusehen. Bekanntlich wechselt Donald Trump seine Meinung zu Einfuhrzöllen fast schon so schnell wie das Hemd. Und niemand kann prognostizieren, wie die Verhandlungen zwischen den Vertretern der USA und der Schweiz am Ende ausgehen werden. So gehen war es also nur folgerichtig, die Exportschleusen weitestmöglich zu öffnen und vor allem Armbanduhren auf die Reise in Richtung der USA zu schicken. Ganz nach dem Motto: Was weg ist, ist weg.

Starker Einmaleffekt
Sollten die Zölle tatsächlich, wie angedroht, künftig zusätzliche 31 Prozent betragen, würde das die Geschäfte der Branche mit Kundinnen und Kunden in der Neuen Welt zweifellos massiv beeinträchtigen. Bereinigt um die USA-Importe in Höhe von knapp 852 Millionen Schweizerfranken, was einem Anteil von 33,4 Prozent der im April 2025 vollzogenen Uhrenexporte entspricht, wäre das Resultat der FHS-Monatsstatik keineswegs erfreulich. An die Stelle besagten Wachstums wäre ein Minus von 6,4 Prozent getreten. Folglich war der starke Anstieg eidgenössischer Uhrenexporte in erster Linie Ausdruck kurzfristiger und so möglicherweise nur noch einmal im Mai wiederkehrender Reaktionen auf eine unsichere Handelslage.
Als erwartungsvoll stimmendes Zeichen für eine strukturelle Nachfragebelebung kann und darf dieser Einmaleffekt indessen nicht gewertet werden, denn erneut massiv sinkende Ausfuhren nach China (-30,5%) und Hongkong (-22,8%) sowie in Singapur (-9,2%) bieten Anlass, die Stirn mit Sorgenfalten zu überziehen.


Im Vergleich zum Vormonat März verzeichneten diese drei Märkte ein deutlich größeres Export-Minus (China -11,5%, Hongkong -11,3% und Singapur -1,8%). Großbritannien hatte im März sogar noch um 10,6% zugelegt. Inklusive besagter USA-Effekte weist die Schweizer Exportstatistik für die wichtigsten 30 Märkte in den ersten vier Monaten des Jahres 2025 gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Plus von vier Prozent aus. Davon gingen allein 42,3 Prozent auf das Konto der USA.
Unter diesem Vorzeichen ist sogar gegenüber dem extrem starken Jahr 2023 ein Plus von 1,5 Prozent zu konstatieren. Der Import-Sieger von Januar bis April 2025 heißt in Europa Portugal (+20,8%), gefolgt von Spanien (+13%), Belgien (+10,4%) und Italien (+4,3%). Die Exporte nach Deutschland, der Nummer sieben im Ranking, gaben dagegen um 1,6 Prozent nach. 4,3% weniger importierten die Vereinigten Arabischen Emirate.

Edelmetall vorne
Blicken wir nochmals auf den April 2025 und die statistischen Daten der Schweizer Uhrenindustrie. Wertmäßig legten Uhren mit Edelmetallschalen am meisten zu. Plus 23,4 Prozent sind sicher auch dem weiterhin steigenden Goldpreis zuzuschreiben, der sich logischerweise auch in höheren Exportpreisen niederschlägt. Gegenwärtig sieht es auch nicht so aus, dass sich Gold in absehbarer Zeit verbilligen wird. Marktanalysen gehen sogar von weiterhin steigenden Kursen aus.
Eine nicht zu vernachlässigende Einflussgröße ist hier auch der starke Schweizerfranken. Armbanduhren mit Bimetallgehäusen verzeichneten ein Plus von 44,3 Prozent, solche in Edelstahl um 13,8 Prozent. In Stückzahlen gerechnet legten Stahluhren um 18,9 Prozent zu, woraus sich bei dieser Kategorie von Zeitmessern niedrigere Durchschnittspreise errechnen. Demgegenüber verloren Uhren mit Schalen aus anderen Materialien wertmäßig um 9,1 und nach Stückzahlen um 19,1 Prozent.

Schweizer Uhrenexporte im April 2025 mit sinkenden Stückzahlen
Ohne Berücksichtigung des Sondereffekts aus Lieferungen in die USA ging die Gesamtanzahl der exportierten Artikel in der Statistik der Schweizer Uhrenexporte im April 2025 um 5,7 Prozent zurück, was nicht nur den Uhrenfabrikanten selbst, sondern auch deren Zulieferern mächtig zu schaffen macht.
Die Auswirkungen: Bei temporär Beschäftigten erfolgt vielerorts keine Verlängerung der Verträge. Und die Zahl der Kurzarbeiter steigt. Die Swatch Group setzt auf die sogenannte Jahresarbeitszeit. Ihr zufolge reduziert sich der Beschäftigungsgrad von Mitarbeitenden ohne Gehaltskürzung. Wenn die Geschäfte eines Tages wieder besser laufen, ist die nicht erbrachte Arbeitszeit durch unbezahlte Überstunden ausgleichen.



Problemfelder
Dass sich die Situation in absehbarer Zeit durchgängig bessern wird, ist keineswegs ausgemacht. Solange eine nachhaltige Trendwende in China und Hongkong ausbleibt und die dorthin exportierten Stückzahlen sinken, sieht es für Teile der Schweizer Uhrenindustrie nicht wirklich rosig aus.
Die Kluft zwischen hochpreisigen und weiterhin erfolgreichen Marken wie Rolex, Cartier, Patek Philippe, Audemars Piguet oder Richard Mille sowie den vielen anderen Playern am Markt dürfte sogar noch wachsen. Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang sind die gewaltigen Überkapazitäten, welche in den Boomjahren entstanden sind.


Die bekannt hohen Stückzahlen zurückliegender Jahre werden sich indessen nicht mehr einstellen. Dazu tragen auch Millionen von Smartwatches bei, welche die Märkte überschwemmen. Negativ auf das breite Feld der Zulieferer wirkt sich ferner aus, dass Branchengrößen durch weitere Vertikalisierung noch unabhängiger von externen Zukäufen werden. Diese Lücke kann auch eine wachsende Anzahl unabhängiger und durchaus erfolgreicher Microbrands füllen.
Die Zahlen des abgelaufenen schwierigen Jahres 2024 hatten wir hier auf Uhrenkosmos.com bereits vorgestellt.

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