Uhrenmarkt 2024
Gisbert Brunner / Uhrenkosmos: Lieber Georges, der Markt ist kein leichter im Moment. Das zeigen die Zahlen des Morgan Stanley × LuxeConsult Reports zum Uhrenjahr 2024, welche in der Branche eine gewisse Unruhe hervorgerufen haben. Was sagst du dazu? Sie die Zahlen einigermaßen realistisch?
Breitling CEO Georges Kern: Doch, ich denke, die Zahlen sind realistisch. Jene zu der einen oder anderen Marke, haben mich durchaus überrascht. Aber ich würde mal sagen, im Grunde genommen ist das eine gute Analyse, und sie entspricht im Großen und Ganzen den Informationen, die wir auch haben.
Hier finden sich 2024-er Zahlen des Reports von Morgan Stanley x LuxeConsult
Du bist ja bekannt als ein kühler Analytiker und sehr subtiler Kenner der Branche. Wie siehst du denn momentan diese Situation – auch mit Blick auf das Jahr 2024 und aufs bevorstehende Jahr 2025. Ist es eine hausgemachte Situation der Uhrenindustrie?
Es gibt sicherlich Marken, die ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben oder nicht machen, und die glauben, dass man mit versteinerter Kontinuität Markenteile gewinnen kann. Das ist garantiert nicht so. Man muss immer innovativ bleiben. Auch die größten und wichtigsten Uhrenmarken erneuern sich fortlaufend in Bezug auf Design, Technologie wie in anderen Bereichen. Allerdings ist das wirtschaftliche und geopolitische Umfeld derzeit schon sehr anspruchsvoll. Auch in Deutschland, wo der Markt aufgrund der schwierigen politischen Situation stark zurückgeht. Es ist fraglich, ob sich das in den nächsten Jahren verbessern wird.
Die USA sind gegenwärtig der wichtigste Markt für Schweizer Uhren
Natürlich hoffen jetzt alle auf die USA mit einer starken Deregulierung und Entbürokratisierung des Landes. Und auch ich wünsche mir, dass die USA die Lokomotive bleibt, die uns aus dem Tal herauszuziehen vermag. Wobei sie es ja bereits ist, wenn man sieht, dass dort 500 Milliarden US Dollar in künstliche Intelligenz investiert werden. Nur mit Sicherheit weiß man das natürlich nie.
Wie steht es um die Schweiz
Wir sind in der Schweiz in einer Sondersituation, da die Schweiz nicht Teil der EU ist. Aber man darf gespannt sein, ob es z.B. Zölle auf deutsche Produkte gibt und wie sich diese auf die deutsche Wirtschaft auswirken würden.
Habt ihr Sorge vor Zöllen für die Schweizer Uhrenindustrie?
Ich glaube wirklich nicht, dass Donald Trump die Schweiz im Fokus hat. Dafür sind wir viel zu klein. Da mache ich mir jetzt keine größeren Sorgen. Im Gegenteil. Ich glaube oder besser gesagt ich hoffe, dass die Schweiz mit den USA ein Freihandelsabkommen abschießen und sich mehr und mehr auch in Richtung USA orientieren wird.

Starker Anker USA
Du hast ja den US-amerikanischen Markt, der vor deiner Zeit etwas vernachlässigt war, in den letzten Jahren stark entwickelt.
Aktuell haben wir haben 45 Boutiquen in den USA. und dieses Land macht über 20% Prozent unseres Umsatzes aus. Viele Kunden glauben sogar, wir seien eine amerikanische Marke, denn wir sind im Bereich der Aviatik stark mit den USA verbunden. Wir haben auch sehr viele Kooperationsverträge. Zum Beispiel seit neuestem die Partnerschaft mit der NFL. Dazu kommen zahlreiche amerikanische Markenbotschafter wie Kelly Slater und einige Schauspieler. Insofern haben wir in den USA einen ganz starken Anker. In den USA sind wir mit Breitling unter den Top 3 Marken etabliert. Dafür haben wir viel gemacht und sind sehr dankbar.

Bedeutet das auf der anderen Seite, dass du jetzt deine Produktpolitik und die Stückzahl der Produkte noch stärker auf den Markt ausrichtest?
Wir machen das weder für die USA, noch für China. Das haben wir immer schon betont. Wir wollen keine lokale Marke sein und keine Produkte für ein spezifisches Land entwickeln. Es gibt Marken, die waren mit über 50% ihres Umsatzes von China abhängig. Diese haben spezielle chinesische Produkte auf den Markt gebracht, so etwas geht in der Regel schief. Aus dem gleichen Grund wollen wir auch nicht abhängig vom Tourismus sein und waren es zum Glück auch nie. China macht nur 6% unseres Geschäfts aus. Somit wurden wir in den vergangenen Jahren wenig in Mitleidenschaft gezogen. Breitling ist eine globale Marke.

Zurück in die Zukunft
Der große Erfolg von Breitling unter deiner Leitung beruht nicht zuletzt auf einer Fokussierung auf der Markengeschichte. Du hast Schätze, die im Archiv von Breitling ruhten, in die Gegenwart transponiert.
Du bist ebenfalls ein großer Uhrenkenner. Wenn du dir weltweit die zehn Top-Marken anschaust, leben diese großenteils von Produkten, die bereits in den 1930er, 40er, 50er Jahren eingeführt wurden und durch ständige Weiterentwicklung heute teilweise ikonischen Status erlangt haben. Ich sage immer, ein guter Song bleibt ein guter Song. Egal, ob es eine Oper von Mozart oder ein Lied der Beatles ist: Er bleibt gut. Auch gutes Design bleibt gut, insbesondere in einer überdigitalisierten Welt. Man muss laufend modernisieren, das Design folgt aber auch nach 50 Jahren oder mehr den gleichen Grundgedanken.

Gilt das auch für eure neue Marke Universal Genève?
Ja natürlich, wir haben bei Universal Genève fantastische Designs. Schließlich gab es Gründe dafür, dass wir die Marke gekauft haben. Nicht zuletzt aufgrund der bedeutenden Geschichte und den großartigen Designs. Wir beobachten den Markt und diese Marke im Speziellen seit Jahren. Retro war immer in, aber in letzter Zeit hat die Besinnung auf Klassiker, auf Ikonen in meinen Augen nochmals stark an Bedeutung gewonnen.
Es gibt auch Klassik in der Architektur oder Klassiker in der Mode. Aber es gibt bei Uhren wie auch in der Mode einen Riesenunterschied zwischen Retro im Sinne von verstaubt, und einem modern interpretierten Retro. Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir Modern-Retro sind. Nehmen wir etwa den Breitling Chronomat. Sein Design ist aus der Vergangenheit, aber wir setzen das Design der Uhr auf eine moderne Art und Weise um. Warum also sollten wir gutes Design nicht nutzen? Was gut ist, bleibt gut, für immer. Davon bin ich überzeugt.

Aber dein Zugpferd ist nach wie vor der Navitimer?
… und neuerdings ganz massiv die Breitling Chronomat. Wir sind mit der Chronomat auch im Damensegment ganz stark unterwegs, insbesondere das Rouleaux-Armband mit seiner großen Wiedererkennbarkeit hat sich in den letzten sieben Jahren fantastisch entwickelt. Unsere Navitimer ist ein echter All-Time-Uhrenklassiker.
Woher kommt das? Worauf führst du es zurück, dass speziell diese Uhr bei vielen Menschen präsent und ein Synonym für Breitling ist?
Jede Marke braucht ein ikonisches Produkt. Beim Navitimer ist es das unverkennbare Design und dazu gesellt sich die Funktionalität des Rechenschiebers, auch wenn ihn heute kaum noch jemand braucht oder benutzt. In den 1950er-Jahren, als die Navitimer eingeführt wurde, war diese Funktion ein zentrales Hilfsmittel für die Fliegerei. Heute sind das eher Design-Elemente. Niemand braucht zwingend einen Chronographen am Handgelenk, außer man fährt z.B. Fahrrad. Aber ein Chronograph ist ein schönes Produkt, es widerspiegelt einen gewissen Lifestyle und insofern macht das durchaus Sinn.

Du hast den Navitimer inzwischen in unterschiedlichen Formen durchdekliniert, mit und ohne Chronograph. Die Uhr ist ja seit 1952 auf dem Markt und bei Breitling präsent. Siehst du da überhaupt noch Entwicklungsmöglichkeiten?
Doch, durchaus, zum Beispiel bei der Navitimer für Frauen. Es stimmt, wir hatten eine große Diskussion mit oder ohne Chronograph. Aber die Damenversion hat ja diese extrem wiedererkennbare Perlen-Lünette. Sie ist der Grund dafür, dass dieses Produkt in der Damengröße ein so großer Erfolg ist. Es ist die wiedererkennbare Ästhetik der Lünette, welche es in den 50er und 60er Jahren beim Herren-Modell bereits gab.

Man erkennt einen Navitimer wirklich aus 10 Meter Entfernung. Umso erstaunlicher, dass dieser Zeitmesser so wenig Epigonen gefunden hat. Worauf führst du das zurück?
Ich glaube, das wäre schlicht peinlich.

Sportlich und fair: NFL
Der Erfolg der Marke auf den internationalen Märkten ist enorm. Wobei der amerikanische Markt nochmals besonders herausragt. Dabei spielt das Sportmarketing eine besondere Rolle, Breitling ist jetzt etwa Partner der NFL mit individuellen Uhren für jedes NFL-Team. Geht es bei diesem Engagement um die emotionale Aufladung der Marke über den Sport oder die große Reichweite der NFL?
Das ist die berühmte „Chicken or Egg“ Frage. Wir hatten zu Beginn Brad Pitt unter Vertrag. Er hat uns geholfen, die Marke schnell bekannt zu machen. Besser gesagt, den neuen Markenauftritt von Breitling. Dies hat auch in Asien funktioniert. Aber irgendwann wird die Marke stärker als jene Testimonials, welche sie unterstützen. Die NFL in den USA ist ein ganz anderes Thema, NFL ist Teil der amerikanischen Kultur. Wir sind als Partner der NFL die erste Luxusmarke, welche hier präsent ist. Es ist auch ein Riesen-Asset, dass wir mit jedem einzelnen Team verbunden sind. Das hilft uns auch in unseren Boutiquen. Wir sind im amerikanischen Markt flächendeckend und lokal mit jedem Team präsent. Sowas schätzt man in Amerika.
Als ich beim Super Bowl in New Orleans war, war das gigantisch. Man kann sich in Europa das Ausmaß dieses Anlasses kaum vorstellen. Acht Millionen CEOs in den USA verfolgen die NFL, der Super Bowl hat allein in der USA über 100 Millionen Zuschauer und ein Vielfaches dessen weltweit. Das ist gigantisch, aber es ist auch ein kultureller Teil der amerikanischen Lebensweise. Versteht man das Spiel, erkennt man die Power, Energie und Dynamik, des Sports. Das ist für Breitling ein Jackpot.
Die Merchandise ist zu 100% kontrolliert und macht einen super Job. Aktuell bringen sie die NFL auch nach Europa.
Das hilft der Marke definitiv. Ich war in London, da waren 90.000 Zuschauer und das Stadion war voll. Das Interessante dabei ist, dass im Vergleich zum Fußball viel weniger Gewalt oder Aggressivität im Spiel ist.

Ausblick
Du warst ja einer der ersten, der das Thema certified pre-owned systematisch bearbeitet hat. Dabei ist das Thema in der Autoindustrie ja schon lange selbstverständlich. Wie siehst du den CPO-Markt heute? Wie hat er sich entwickelt?
Georges Kern: Der CPO-Markt wird immer professioneller, die Vorarbeit ist gemacht. Es gibt auch immer mehr Vertriebspartner, die offiziell zertifiziert sind. Das ist der einzige Weg, um die Preise stabil zu halten und Konsumenten Sicherheit zu bieten. Ich finde es überraschend, dass sich das erst in den letzten paar Jahren in größerem Umfang entwickelt hat.

Zu guter Letzt: Wie bekommt ihr die Mengenproblematik bei den mechanischen Uhrwerken in den Griff?
Diese Thematik beschäftigt uns natürlich. Wir haben die Preise, insbesondere bei Uhren mit unserem eigenen Breitling Kaliber B01 (detailliertere Informationen zu diesem Werk finden Sie hier) deutlich erhöht, was natürlich zu weniger Volumen führt. Der Morgan Stanley-Report hat aufgezeigt, dass unser Durchschnittspreis bei 7.200 Franken liegt.
In ein paar Wochen kommt unser eigenes Automatikwerk auf den Markt. Das wird den Durchschnittspreis nochmal erhöhen. Entsprechend müssen wir uns überlegen, wie wir vorgehen, um auch jenen Bereich wieder abzudecken, den wir in den letzten Jahren aufgegeben haben. Das betrifft den Quarz-Bereich und die Einstiegspreislage mit Uhren zwischen 2.500 und 4.500 Euro.
Die Entscheidung war grundsätzlich richtig, weil sich der Markt in unsere Richtung bewegt. Aber es gibt in den günstigeren Preislagen ebenfalls ein interessantes Potenzial. Das verdeutlichen Marken, die in diesem Bereich sehr erfolgreich sind.
Wir sind gespannt, wünschen viel Erfolg und bedanken uns für das Interview.

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