Dank Manufaktur zum Kaliber T 521
Mit den ausdruckstarken Tutima Chronographen Saxon One und M2 Pioneer startete man in Glashütte im Jahr 2013 ein weiteres, wiederum sehr illustres Kapitel Uhrengeschichte. Sein auf dem Valjoux/Eta 7750 basierendes Automatikkaliber T 521 mit selbst entwickeltem und vorderseitig montiertem Modul knüpfte an zwei Spezifika des zuvor verbauten, 2002 jedoch eingestellten Lémania 5100. Doch davon später mehr.

Tutima Chronographen
Grundlage für diese exklusive Kreation war die Rückkehr von Tutima in den erlesenen Kreis waschechter Glashütter Uhrenmanufakturen. Nach insgesamt drei Jahren Entwicklung hatte das aufwändige Modell Hommage 2011 als erste Armbanduhr mit Minutenrepetition sächsischer Provenienz einiges Aufsehen erregt. Parallel zu dieser Produktpräsentation feierte Tutima seine Rückkehr ins abgeschiedene Müglitztal, wo die Markengeschichte 1927 ihren Anfang genommen hatte. Nur 25 wohlklingende Exemplare mit Gold- oder Platingehäuse und dem Handaufzugskaliber T 800 sorgten für internationale Anerkennung, sprachen mit Preisen von rund 170.000 Euro aber nur einen sehr elitären Kreis betuchter Uhrenliebhaber an.

In die Fußstapfen dieses luxuriösen Erstlingswerks traten 2014 die Modelle Patria und Patria Dual Time. Mehr zur Patria findet sich hier im Uhrenkosmos.
2017 betrat Tempostopp die Bühne hauseigener Tutima Chronographen-Mechanik. Im Handaufzugskaliber T 659 lebt das von 1941 bis 1945 für militärische Zwecke hergestellte Kaliber 59 fort. Chronographen-Schaltwerk mit klassischem Säulenrad, horizontaler Räderkupplung und Flyback-Funktion, von Tutima Tempostopp genannt, sind die Charakteristika der selbst entwickelten und gefertigten zeitschreibenden Mechanik.

Vom Lémania 5100 zum Tutima 521
Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die eingangs erwähnte Saxon One bereits am Markt etabliert. Ihr Automatikkaliber 521 beseelte auch den extrem markanten, ebenfalls 2013 während der Uhrenmesse Baselworld eingeführten M2 Chronographen.

Diese Armbanduhr verlangt nach einem kurzen Rückblick. In den frühen 1980-er Jahren, gekennzeichnet noch vom Kalten Krieg, benötigte die Deutsche Bundeswehr einen offiziellen Fliegerchronographen. Hierfür legte die militärische Erprobungsstelle ein detailliertes und lückenlos zu erfüllendes Anforderungsprofil fest. Nach Prüfung aller eingegangenen Offerten ging der Zuschlag im Jahr 1985 an Tutima. Im gleichermaßen funktionalen wie ergonomischen Gehäuse tickte das mit 32 Millimetern Durchmesser und 8,2 Millimetern Bauhöhe nicht unbedingt zierliche Automatikkaliber Lémania 5100.

Die auf dem Omega 1045 basierende Konstruktion kam mit einem Minimum an Komponenten aus. Allesamt waren sie jedoch üppig auf Zuverlässigkeit und eine lange Lebensdauer hin dimensioniert.
Zu den damaligen Alleinstellungsmerkmalen dieses Automatikwerks gehörte ein in der Mitte des Zifferblatts drehender 60-Minuten-Zähler. Diesen wussten nicht nur strapazierte Piloten sehr zu schätzen, sondern ab 1985 auch Astronauten sowie und ab 1994 die russischen Kosmonauten. Mit seiner Hilfe ließen sich Stoppvorgänge bis zu 60 Minuten sehr effizient und auf einen Blick sehr präzise überwachen. Das deutlich schwierigere sowie teils auch fehlerbehaftete Ablesen des dezentralen und damit deutlich kleineren 30-Minuten-Zählers gehörte der Vergangenheit an. Mit dem Tutima-Kaliber 521 kehrten die Vorzüge besagten Kalibers 5100 zurück.

Kunststoffteile aus gutem Grund
Ein Kritikpunkt am relativ simpel, aber extrem robust ausgeführten Uhrwerk bezog sich auf die Verwendung von Nylon- und Kunststoff-Komponenten in der Chronographen-Baugruppe. Der gewünschten Zuverlässigkeit tat das freilich keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Selbst Stöße bis zu 7G und heftige Schocks beeinträchtigen die Funktion des Stoppers in keiner Weise. Der Chronographenzeiger drehte sich unbeeindruckt weiter, was speziell für Piloten von Kampfflugzeugen von enormer Bedeutung war.
Deshalb und natürlich auch aus Kostengründen hatten sich die Techniker Mitte der 1970-er Jahre ganz bewusst für derartige Bauteile entschieden. Überdies minimierten diese den Verschleiß, und sie gestatteten das Strecken der Service-Intervalle auf bis zu sieben Jahre. 2002 endete die Produktion dieses Uhrwerks, für dessen Verwendung sich Tutima ganz bewusst entschieden hatte. Nach dem Einbau der verbliebenen Lagerbeständige brauchte es logischerweise einen adäquaten Nachfolger. Bei seiner Entwicklung kam dem traditionsreichen Familienunternehmen die aus der Minutenrepetition resultierende Mechanik-Kompetenz zugute.

Bewährte Basis für das Kaliber T 521
Ein komplett neues Uhrwerk mit Selbstaufzug und integrierter Stoppfunktion hätte den zeitlichen und finanziellen Rahmen gesprengt. Also entschieden sich Tutima-Patron Dieter Delecate und sein Team für ein Modul, welches den bei „12“ positionierten Minutenzähler des seit 1973 hergestellten und bewährten Automatikkalibers Valjoux/Eta 7750 ins Zentrum umlenkt. Auf diesem Weg halbiert das Zahnradgetriebe die Rotationsgeschwindigkeit auf 1/60 Minuten.
Damit alleine war es jedoch nicht getan. Die vorderseitig montierte Zusatzmechanik griff auch ein weiteres charakteristisches Erkennungszeichen des Lémania 5100 auf. Und das war ein kleiner, permanent mitlaufender 24-Stunden-Zeiger zur sofortigen Unterscheidung zwischen den Stunden des Tags und jenen der Nacht. Einen solchen hatten beispielsweise Menschen im Weltraum ebenfalls als sehr hilfreich empfunden. Am Zifferblatt ist die zusätzliche Stundenindikation unterhalb der „12“ angeordnet. Im Nicht angetastet haben die Tutima-Techniker den 12-Stunden-Zähler bei „6“, die bei „9“ positionierte Permanentsekunde und das gegenüberliegende Fensterdatum.


Wahlmöglichkeit
All jene, welche die einzigartigen Spezifika des Automatikkalibers T 521 mit einseitig wirkendem Kugellagerrotor, 48 Stunden Gangautonomie und vier Hertz Unruhfrequenz überzeugen, haben nun die Qual der Wahl. Neben der Saxon One können sie die puristische Tutima M2 oder die markantere Variante mit griffiger Drehlünette ans Handgelenk legen.


Den Saxon One Chronographen, Preise ab 4.800 Euro, gibt es in unterschiedlichen Ausführungen mit 43 Millimeter großem und 15,7 Millimeter hohen Sichtboden-Stahlgehäuse, dessen Wasserdichte bis zu 20 bar Druck reicht. Die Bedienelemente sind in die rechte Gehäuseflanke integriert. Armbänder sind aus Kautschuk, Leder oder edlem Stahl erhältlich.

Aus perlgestrahltem Titan besteht die bis 30 bar druckdichte Schale des Tutima M2 Chronographen, Referenz 6450. Dieser Klassiker mit geschlossenem Boden und Weicheisen-Innengehäuse zur Ableitung schädlicher Magnetfelder misst stolze 46 Millimeter. Am Handgelenk trägt er 15,5 Millimeter auf. Armbänder fertigt Tutima aus Kevlar oder Titan. Die Preise liegen bei ca. 5.000 Euro.

Mit Kevlar- oder Gliederband findet schließlich auch der Tutima Chronograph M2 Pionieer, Referenz 6451, ans Handgelenk. Wegen der in beiden Richtungen verstellbaren Drehlünette klettert der Durchmesser um 0,5 auf 46,5, die Höhe auf 16 Millimeter. Alle anderen Merkmale sind gleich. Der unverbindliche Preis liegt bei 5.600 Euro.

Chronographen mit zentralem Minutenzähler
Erfunden, und das sei zum Schluss dieser Betrachtungen auch noch erwähnt, hat Lémania den zentralen Minutenzähler für Chronographen übrigens nicht. Bei Armbanduhren reicht die Geschichte zurück bis in die 1940-er Jahre. 1936 hatte Longines das 6,05 Millimeter hohe Handaufzugskaliber 13ZN mit Schaltradsteuerung, monometallischer Schraubenunruh, autokompensierender Breguetspirale, 2,5 Hertz Unruhfrequenz und halbspringendem 30-Minuten-Zähler vorgestellt. Verfügbar waren Versionen mit einem Drücker oder deren zwei für Additionsstoppungen.

Weil Stundenzähler zu Beginn der 1940-er Jahre in Mode kamen, machten sich die Longines-Techniker an die entsprechende Weiterentwicklung. Bei der 1942 in den Verkauf gebrachten Variante des 13ZN fand sich der kontinuierlich mitlaufende 12-Stunden-Totalisator bei „3“. Einer besseren Ablesbarkeit wegen drehte der ebenfalls mitgeschleppte 60-Minuten-Zählzeiger prominent im Zifferblatt-Zentrum.


Pionier der zentralen Minutenzählers bei Armbandchronographen war Longines damit allerdings nicht. Diese Rolle kommt Mido zu. 1941 startete dort die Serienproduktion des so genannten Multi-Centerchrono. Der Name kam natürlich nicht von ungefähr. In der Mitte des Zifferblatts drehten die Zeiger zur Anzeige von Stunden und Minuten, dazu die anhalt- und nullstellbare Chronographen-Sekunde sowie der bis zu 60 Minuten reichende Totalisator.

Der Verzicht auf eine Permanentsekunde schaffte Platz für ganz unterschiedliche Skalen wie Tachy-, Tele- und Pulsometer. Überschneidungen gab es nicht. Ein eigenes Kaliber nutzte Mido jedoch nicht. Für den Newcomer modifizierten die Uhrmacher das bekannte und bewährte Valjoux VZ zum Mido 1300.
Dieser kurze Blick in die Genese der Armbandchronographen mit zentralem 60-Minuten-Zähler unterstreicht die bemerkenswerte Leistung der Glashütter Uhrenmanufaktur Tutima auf diesem sehr speziellen Gebiet. Mehr Infos zu Tutima Chronographen gibt es direkt beim Hersteller.


Neuer Chef bei Tutima
Was Matthias Stotz mit den Uhrenlinien Saxon One und M2 sowie den weiteren Modellen der breit gefächerten Tutima-Kollektion vorhat, lässt sich momentan verständlicherweise noch nicht absehen. Mit Wirkung vom 7. Januar 2025 hat der Uhrmachermeister die Funktion des Geschäftsführers der Tutima Glashütte GmbH & Co. übernommen. Damit entlastet der ehemalige Junghans-Chef die Mitglieder der Familie Delecate. Senior Dieter Delecate konnte kürzlich seinen 90. Geburtstag feiern. Dazu gratuliert der Uhrenkosmos nachträglich sehr herzlich. Seine beiden Kinder Ute und Jörg Delecate werden Matthias Stotz als Mitglieder der Inhaberfamilie bei seinem Aufgabenpensum nach besten Möglichkeiten unterstützen.

An einschlägiger Erfahrung mangelt es dem neuen Tutima-Chef übrigens nicht. In gleicher Funktion war er von 2007 bis 2023 bei der Schramberger Uhrenmarke Junghans tätig. Im September 2023 endete diese Mission. Hierüber hat der Uhrenkosmos in diesem Artikel ausführlich berichtet.
Die im Schwarzwald gesammelten Erfahrungen werden Tutima nun in Glashütte zugutekommen. Marke und Manufaktur besitzen nämlich hohes zukunftsweisendes Potenzial.
Der Uhrenkosmos gratuliert zur Ernennung und wünscht Matthias Stotz bei seiner neuen Herausforderung in der deutschen Uhrenindustrie viel Glück und Erfolg.

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