Die Uhrenabsatzkrise des Jahres 2025 wie der disruptive Strukturwandel im Uhren und Schmuck-Einzelhandel hält an. Das zeigen die massiven Chrono24 Entlassungen vom Januar 2025. Bei dieser weitreichenden Umstrukturierung sollen insgesamt bis zu 110 Mitarbeiter, also rund ein Viertel der Belegschaft, das Haus verlassen. Nach dem Vollzug der Reorganisation werden noch rund 350 Mitarbeiter im Headoffice in Karlsruhe wie in den verschiedenen Niederlassungen in Europa, der USA und in Asien sein. Der massive Stellenabbau soll laut Chrono24 durch faire Abfindungspakete für die betroffenen Mitarbeiter jedoch sozial gestaltet werden.
Als Gründe für den Chrono24 Mitarbeiterabbau führt die seit 2024 von CEO Carsten Keller geführte Handelsplattform, er löste Gründer Tim Stracke und Investor Holger Felgner in der Geschäftsführung ab, zwei Gründe an. So ergibt sich durch die Umstrukturierung des Unternehmens sowie die Auslagerung von Service-Bereichen wie dem Kundendienst ein signifikanter Personalüberhang. Überdies möchte man durch die Optimierung verschiedener Abläufe und Prozesse an Effizienz gewinnen.
Chrono24 Stellenabbau
Wichtiger scheint aus neutraler Sicht jedoch die sich verändernde Marktsituation nach dem Ende der Corona-Krise. Denn nach den Rekordjahren 2018 – 2022, die bei Chrono24 mit einem massiven Personalaufbau verbunden waren, befindet sich der Uhrenmarkt in einer heftigen Krise. Die zeigen spätestens die Umsatzzahlen des Jahres 2024. Wobei diese Krise nicht nur den Primärmarkt, sondern verstärkter Form auch den Sekundärmarkt in MItleidenschaft zieht.
So verzeichnet der Markt der (Certified) PreOwned Uhren ein noch stärkeres Minus als der Markt mit Neu-Uhren. Ein Umstand, der nicht erstaunt. Schließlich kaufen viele Käufer speziell aufgrund des günstigeren Preises ihre Uhr bei Chrono24. Diese, nicht ganz so finanzstarke Zielgruppe, ist von der aktuellen Wirtschaftskrise jedoch stärker betroffen. Da hilft es auch nicht viel, dass sich die Preise vieler, auch gesuchter Gebrauchtmodelle um bis zu 30% verbilligt haben.
Chrono24 Krise
Natürlich muss man sich nun keine vorschnellen Sorgen um den Fortbestand von Chrono24 machen. Schließlich wickelt die weltgrößte Plattform für gebrauchte Uhren jährlich Verkäufe im Wert von rund einer Milliarde Euro ab und kassiert dafür eine Vermittlerprovision von ca. 6,5 Prozent bei Privatverkäufen bzw. eine individuell verhandelte Provision von den bei Chrono24 aktiven Händlern.
Ganz zu schweigen von der einen oder anderen Uhrenmarke, die über den diskreten Weg der Uhrenplattform ihr Warenlager reduziert, ohne ihr Ansehen zu gefährden. Entsprechend solide erscheint die zweistellige Ebitda-Marge von Chrono24 und der Unternehmensgewinn in absoluten Zahlen. Allerdings sind Zahlen stets eine Momentaufnahme und blickt man auf die kommenden Jahre, zeigen sich dunkle Wolken am Horizont.

Strukturelle Krise
Kannte Chrono24 Jahr für Jahr nur den Weg von Meilenstein zu Meilenstein und Rekordumsatz zu Rekordumsatz scheint nun die Zeit gekommen, einige kritische Fragen an das Geschäftsmodell zu stellen. Denn natürlich kann man noch in vielen Ländern wachsen und weiteres Brutto-Wachstum erzielen. Aber das grundsätzliche Geschäftsmodell steckt etwas in der Klemme.
So entstand über den Erwerb von Bucherer durch Rolex (hier gibt es alle Hintergründe zu lesen) und die Übertragung des offiziellen Rolex Certified Pre-Owned Bereichs an Bucherer ein mächtiger Wettbewerber, der über beste Beziehungen zu Rolex genießt und Chrono24 an seiner stärksten Schwachstelle angreift: der Menge an verfügbaren Rolex-Uhren wie an der Qualität der angebotenen Ware. Da hilft es nur wenig, dass die bei Bucherer angebotenen gebrauchten Rolex Uhren sehr teuer sind. Im Unterschied zu Chrono24 wissen Kunden bei Bucherer, dass diese Uhren echt und in einem guten Zustand sind.
Spricht man mit Experten, die sich im Handel mit gebrauchten Uhren auskennen, so werden stets die Aspekte der Angebotsqualität und der Echtheit der Produkte kritisch hinterfragt. Hier hat Chrono24 offenbar noch erhebliches Nachholpotenzial. Da dürfte es dem Anspruch an Qualität auch nicht gerade förderlich sein, dass man den Kundendienst extern auslagern möchte. Erschwerend kommt hinzu, dass es einige Anbieter gibt, in Deutschland wäre z.B. Rüschenbeck mit seinem Certified Pre-Owned Bereich zu nennen, bei denen Uhrenliebhaber sowohl für den Ver- wie Ankauf einer Uhr eine qualitativ zuverlässige Anlaufstation in ihrer Region vorfinden und eine gute Vor-Ort-Betreuung erleben.

Ein weiterer potenzieller Wettbewerber ist die Uhrenplattform Chronext. Zwar wurde Chronext nach verlustreichen Jahren im Sommer 2024 insolvent. Durch die angekündigte Übernahme von Chronext durch die The Platform Group AG könnte Chronext jedoch von den technischen Möglichkeiten der vorhandenen Plattformmodelle der Plattform Group profitieren.
Überdies besteht für Chronext die große Chance, dass sich viele Juweliere, die aktuell große Mühe haben, Kunden auf ihre lokalen Shopseiten zu bekommen, dazu entschließen, einem Chronext-Verbund beizutreten. Dadurch könnten sie ihre Neuware über Chronext oder eine vergleichbare Platform Brand Plattform anzubieten und gleichzeitig Chronext als integrierten Partner für den eigenen Certified Pre-Owned Handel zu nutzen.

Chrono24 Investoren
Aber kommen wir zurück zu den Chrono24 Entlassungen und den möglichen Hintergründen. Natürlich dürfte der massive Abbau von Stellen zunächst dazu dienen, den Personalstand der nachgebenden Marktsituation anzupassen und die Rendite zu sichern. Ebenso ist die Optimierung von Strukturen und die damit verbundene Anpassung der Mitarbeiter per se nicht verwerflich.
Gleichwohl kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass Investoren wie General Atlantic, Aglaé Ventures, der Technologiezweig der Arnault-Familie wie weitere prominente Investoren vor dem Hintergrund eines ausnehmend positiven Börsenumfelds einen schnellen Börsengang wünschen. Entsprechend gut müssen die Kennzahlen des Unternehmens sein. Schließlich bestimmen letztlich der Ausblick auf das künftige Wachstum des Unternehmens sowie die erzielte Rendite die Höhe der Börsenbewertung. Vor diesem Hintergrund würde sich auch erklären, warum mehr Wert auf ein schnelles Wachstum als auf einen Ausbau der Angebotsqualität gelegt wird.
Die gekündigten Mitarbeiter wird diese Analyse wenig trösten. Gleichzeitig können sie davon ausgehen, dass im Zuge der im Eiltempo voranschreitenden Digitalisierung und dem Einzug von KI in den Alltag vieler Unternehmen schnell neue Türen aufgehen werden, bei denen solides Know-how über Plattformökonomie und funktionelle Backends gesucht werden.

Background Chrono24
Chrono24 ist ein führender globaler Online-Marktplatz für Luxusuhren, der 2003 gegründet wurde. Die Gründer des Unternehmens sind Tim Stracke, Dirk Schwartz und Michael Krkoska. 2010 stieg Holger Felgner als Investor und Co-Geschäftsführer ein.
Zum 1. Januar 2024 übernahm Carsten Keller die Position des CEO von Chrono24. Tim Stracke und Holger Felgner zogen sich in den Beirat des Unternehmens zurück, wobei Tim Stracke den Vorsitz des Beirats innehat. Keller dürfte neben seiner Erfahrung von einigen Jahren als Unternehmensberater bei McKinsey insbesondere von seiner Erfahrung bei Zalando profitieren, wo er als Zalando-Vice President im Bereich Marketplace Businesses sowie Kooperation Stationärer Handel unterschiedliche Maßnahmen im Bereich Bestandsintegration, Datenanalyse und Wholesale Marketplace einleitete. Allerdings erregten die implementierten Gebührenmodelle nicht unerheblichen Widerstand.
Chrono24 wird aktuell mit rund einer Milliarde bewertet und konnte über verschiedenen Investionsrunden ca. 230 Millionen Euro an Investment einsammeln. Darunter waren.
2015: Insight Venture Partners investierte 21 Millionen Euro
2019: Serie-B-Finanzierungsrunde 43 Millionen Euro unter anderem von Sprints Capital, Gianni Serazzi und Alberto Grignolo
2021: Serie-C-Finanzierungsrunde über 100 Millionen Euro. Diese Runde wurde von General Atlantic angeführt, mit Beteiligung von Aglaé Ventures, Insight Partners und Sprints Capital
Weitere bekannte Investoren sind Fußballstar Cristiano Ronaldo über seine Firma CR7 SA sowie Rennfahrer Charles Leclerc.
Korrektur: In einer früheren Fassung ist uns leider ein Namensfehler unterlaufen. Aktueller CEO ist Carsten Keller und nicht Holger Felgner. Gründer Tim Stracke und Holger Felgner, der nach wenigen Jahren als Investor bei Chrono24 eingestiegen ist, sind mit dem Eintritt von Carsten Keller aus der Geschäftsführung ausgetreten und nun Mitglieder des Chrono24 Beirats. Dieser wird von Tim Stracke geführt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Stand 01 2025
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