Genta und Ziviani
Keine Frage: Bei Gérald Charles und der Uhrenlinie Maestro lebt das Erbe des gleichermaßen genialen wie umtriebigen Designers Gérald Genta, dessen zweiter Vorname Charles lautete. Tief enttäuscht von dem, was ab 1996 mit seiner gestalterischen Kompetenz und seiner 1969 gegründeten Marke nach deren Verkauf an die in Singapur beheimatete Firma Hour Glass passierte, zog er sich aus dem Uhrengeschäft zurück.
Bekanntlich veräußerte Hour Glass das Unternehmen 1998 an die italienische Bulgari Gruppe. Unter dem neuen Dach spielte Gérald Genta keine Rolle mehr. Also widmete er sich zwei Jahre lang seiner Passion für Malerei. Doch 2000 stach ihn, weil Uhren nunmal sein Leben bedeuteten, nochmals der Hafer zbd Gérald Genta startete im Jahr 2000 mit der abermals unabhängigen Marke Gérald Charles erneut durch.
Im Gegensatz zur überragenden Fähigkeit, einzigartige Zeitmesser aus der Taufe zu heben, mangelte es dem Star-Designer jedoch an Geschick für das Kommerzielle. So kam 2003 die Familie Ziviani ins Spiel. Ausgelöst durch Gentas Kontakte zu Franco Ziviani. Der hatte seine Karriere 1974 bei einer traditionsreichen italienischen PR- und Werbeagentur begonnen. Einige Jahre später erwarb er das Unternehmen.
1980 gründete er Intergift, ein Unternehmen für Incentives und Geschenke, das wiederum führte ihn in die Welt der Uhren und dort zu Audemars Piguet. 1995 rief Franco Ziviani die Audemars Piguet Italia S.p.a. als Joint Venture mit der Schweizer Luxusmarke ins Leben.
Giampaolo Ziviani als CEO
Die Verbindung zu Gérald Genta kam 1982 zustande. Man lernte sich kennen und schätzen. Unter diesen Vorzeichen startete 1983 eine Marketingkooperation mit dem italienischen Vertriebspartner der Marke. Auch die Markteinführung in Indien begleitete Franco Ziviani. Zurück zu Audemars Piguet: Gemeinsam entwickelten sie Strategien zur Einführung von Gentas Marke in Italien. Trotz der Tätigkeit für die Familienmanufaktur riss die Beziehung zu Gérald Genta niemals ab. Wegen seiner beruflichen Bindung musste Franco Ziviani 2003 die Offerte geehrt, aber doch bestimmt ablehnen, als Teilhaber bei Gérald Charles einzusteigen. Aber den Hinweis, dass Bruder Giampaolo Ziviani Interesse haben könnte, vernahm Gérald Genta mit großer Freude. Nach dem Erwerb eines Anteils übernahmen die Zivianis 2005 die ganze Firma.
Hier im Uhrenkosmos findet sich ein Interview mit Franco und Federico Ziviani sowie dem deutschen Juwelier Willy Rüschenbeck.
Gérald Charles Masterlink: Eine moderne Stahluhr mit integriertem Armband
Federico Ziviani übernimmt
Bis 2019 fungierte Giampaolo als CEO. Seitdem ist Federico Ziviani am Ruder. Die Tatsache, dass 2018 zum Familienunternehmen Gestoßene im November 2024 mit dem renommierten „Under 30 Forbes Switzerland“ Preis ausgezeichnet wurde, spricht für den studierten Ökonomen und Informatiker sowie sein Wirken als CEO seit 2019.
Ihm und seinen Ideen ist es zu verdanken, dass Gérald Charles nach dem Einstieg der Familie Ziviani die Konzentration auf sehr wenige und komplizierte Uhren zugunsten von Modellen für eine breitere, aber nicht minder anspruchsvolle Klientel sukzessive aufgab. Bis 2011 fungierte Gérald Genta neben Giampaolo Ziviani als Chefdesigner. In dieser Ära entstanden wenige, sehr hochwertige und unterschiedliche Objekte, denn Genta agierte wie ein Künstler, der stets das ganz Besondere im Auge hatte.
Uhr-Zeit im Wandel
Nach Gentas Tod in besagtem Jahr 2011 nahm unter der Leitung von Giampaolo Ziviani die zweite Gérald-Charles-Periode ihren Anfang. Auf der Basis von Gentas Skizzen gelangten weiterhin derartige Armbanduhren auf den Markt. 2018 begann mit Federico Zivianis Eintritt die dritte, bis in die Gegenwart währende Periode. Sie ist geprägt vom passionierten Bestreben, eine breitere Zielgruppe anspruchsvoller Uhrenliebhaberinnen und Uhrenliebhaber anzusprechen.
Die von persönlicher Leidenschaft geprägte Philosophie initiierte ein sehr bemerkenswertes Wachstum auf mehreren Gebieten und so stehen mittlerweile mehr als 30 Mitarbeitende auf der Gehaltsliste und Uhren mit dieser Signatur finden sich in über 80 Verkaufsstellen.
Aus den von Gérald Genta hinterlassenen Kreation für Gérald Charles entwickelten Federico Ziviani und sein Team eine in sich schlüssige Kollektion mit 30 verschiedenen Modellen. Chronographen, Skelettwerk, Tourbillon, Edelsteinbesatz und die wenige Monate alte Kooperation mit Ducati belegen, wozu eine junge aufstrebende Marke unter ambitionierter Leitung fähig ist. Mehr zu Gerald Charles und Ducati findet sich hier im Uhrenkosmos.
Ich bin ein extrem technischer CEO, der das Produkt und den Markt kennt. Das ermöglicht mit die Kreation innovativer Uhren zu kreieren, welche technisch anspruchsvoll und dennoch für das Publikum leicht verständlich sind.
Im Zeichen des Meisters
Trotz des neuen Kurses bleibt das gewaltige Erbe von Gérald Genta, dem Gestaltungs-Maestro natürlich erhalten. Gerald Charles gebietet über alles, was der Picasso des Uhrendesigns in seinen letzten zehn Lebens- und Schaffensjahren hervorgebracht hat. Und auf diesem Fundament lässt sich logischerweise trefflich bauen. Zu den jüngsten Errungenschaften gehören somit Zeitmesser, die wegen ihrer außergewöhnlichen Gehäuseform sowie den ausdruckstarken, handwerklich ausnehmend aufwändigen Zifferblättern ins Auge stechen.
2024 öffnete in Genf nahe der Montblanc-Brücke ein neues Atelier seine Türen. Die dort eingerichtete Uhrmacherwerkstatt und das Konstruktionsbüro sollen im Laufe der nächsten Jahre weiter ausgebaut werden. Darüber hinaus findet sich ganz oben im Gebäude an der Rue du Mont-Blanc 3 auch eine Lounge.
Dort kann man natürlich Uhren mit allen Sinnen erleben und diese bei Gefallen auch erwerben. Darüber hinaus können sich die Gäste über die Markengeschichte informieren und in einem kleinen aber feinen Museum einige Uhren erleben, die der Firmengründer einstmals geschaffen und rückwärtig signiert hat. Zu den Exponaten gehören komplizierte Uhren mit Tourbillon oder Minutenrepetition, sowie kunstvoll skelettierte Modelle. Ganz nebenbei kann sich auch der Gaumen an erlesenen italienischen Delikatessen erfreuen.
Römisches Design und Tourbillon
In der aktuellen Kollektion ist bis auf weiteres alles am Maestro und der nach ihm bekannten Uhrenlinie ausgerichtet. Deren „lächelndes“ Gehäuse besticht am Handgelenk durch einen ganz speziellen asymmetrischen Auftritt, inspiriert von der Architektur des Barock. Konkret geht es um ein Bauwerk in Rom, das Francesco Borromini im 17. Jahrhundert schuf.
Zu seinen Spezifika gehört eine geschwungene Fassade, welche besagtes Lächeln zum Ausdruck bringt. Das Dach ist als Achteck mit geschwungenen Kanten ausgeprägt. Davon leitet sich die einzigartig markante Gestalt der Gerald Genta Maestro Gehäuseschale ab.
Zu den Höhepunkten dieser Kollektion zweifellos das auf 50 Exemplare limitierte Gérald Charles Maestro 9.0 Roman Tourbillon. Grandioser Blickfänger ist das gehämmerte Zifferblatt aus massivem 18-karätigen Roségold. Infolge ausschließlich manueller Arbeit und der daraus resultierenden Textur ist jede der Scheiben, vor der Zeiger für Stunden und Minuten drehen, ein Unikat.
Die Einzigartigkeit unterstreicht der Sachverhalt, dass jedes Zifferblatt allein schon wegen seiner großen Fläche ungefähr achtzig Prozent zum Gesamteindruck dieses Ausnahme-Zeitmessers beiträgt. Nicht minder bestechend sind drei römische Zahlen und bei „6“ das kreisrunde Fenster, in dem sich der „fliegend“ gelagerte Drehgang zeigt. Es passt perfekt zur lächelnden Unterlippe des 39 x 41 Millimeter messenden und bis zu zehn bar wasserdichten Edelstahl-Sichtbodengehäuses mit galvanisch gebläuter Titan-Grad-5-Lünette sowie Schraubkrone.
Die Entwicklung des aus 196 Teilen assemblierten Automatikkalibers GCA 3024/12 erfolgte gemeinsam mit dem Spezialisten Vaucher. Beim Ziehen der Krone stoppt der filigrane Titan-Käfig mit integriertem Sekundenzeiger, in dem die Unruh mit vier Hertz oszilliert. Ebenfalls aus 22-karätigem Roségold besteht der kugelgelagerte und in einer Drehrichtung aufziehende Zentralrotor besteht.
Bereits ausverkauft ist das puristische Pendant mit blauem Zifferblatt. Auf Anfrage noch verfügbar sind jedoch die Ausführungen mit Diamanten oder Saphiren im Glasrand.
Maestro
Bemerkenswerte Farb-Vielfalt bei den Zifferblättern kennzeichnet freilich auch die Maestro 2.0 Ultra-Thin. Bei ihrem 3,7 Millimeter flachen Automatikwerk vom Kaliber GCA 3002 ist ebenfalls Vaucher mit von der Partie. Ais 189 Komponenten besteht das Oeuvre mit einseitig wirkendem Gold-Kugellagerrotor, zwei Federhäusern, 50 Stunden Gangautonomie und vier Hertz Unruhfrequenz.
Exakt diese Mechanik beseelt auch die Maestro GC Sport, deren 35-teiliges Gehäuse aus Titan Grade 5 besteht. Dem Druck des nassen Elements widersteht es bis zu zehn bar Druck. Und bei den Zifferblättern werden beeindruckende Farben ebenfalls großgeschrieben.
Bleibt als viertes Modell im farbenfrohen Uhrenbund der Maestro 3.0 Chronograph. In der 39-teiligen Schraubkronen-Schale, welche Gérald Charles aus Stahl oder Massivgold fertigt, tickt das 6,97 Millimeter hohe Kaliber GCA 3022/12. Die Bezeichnung lässt erkennen, dass es auf dem GCA 3002 basiert. Vorderseitig trägt dieses ein Modul für die Stoppfunktion mit 30-Minuten- und 12-Stunden Totalisator.
Durch die Zusatzfunktion klettert die Zahl der Bauteile auf 351. Einmal mehr besteht die Qual der Wahl im Zifferblatt, das, neben der Gehäuseform, die Persönlichkeit und den Geschmack der Trägerin oder des Trägers dieser Armbanduhr von Gérald Charles unübersehbar unterstreicht.
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