Jérôme Lambert ist zurück bei Jaeger-LeCoultre
Jérôme Lambert ist zurück bei Jaeger-LeCoultre. Und dieser mutige Schritt des früheren CEO ist das Beste, was der hoch integrierten Uhrenmanufaktur im Vallée de Joux geschehen konnte. Schließlich war und ist es besagter Jérome Lambert, der die Tradition, Werte und Kompetenzen des 1833 gegründeten Unternehmens nach Günter Blümlein und Henry-John Belmont wie kein anderer verstanden und während seines Wirkens in ganz unterschiedlichen Zeitmessern umgesetzt hat.
Der deutsche Manager war in Le Sentier 1980 zunächst als Berater und Sanierer an Bord gelangt. Und es dauerte nicht lange, bis der bei hartgesottenen Bewohnern des Vallée de Joux anfangs nicht sonderlich beliebte und deshalb gelegentlich angefeindete Franke die Problemzonen ausgemacht hatte.
Jaeger-LeCoultre operierte damals im Grunde genommen jahrzehntelang immer nahe am Abgrund. Was ich dort vorfand, war ein Konglomerat aus allen möglichen Tätigkeiten. Profitabel arbeitete keiner der Bereiche. Hier brauchte es die radikale Besinnung auf das Kerngeschäft und die Neu-Entwicklung der Marke.
Ab 1984 startete Jaeger-LeCoultre wieder richtig durch. 1986 übernahm Blümlein die operative Führung der Großen Alten Dame. Weil er daneben aber auch noch die Schwester IWC in Schaffhausen zu leiten hatte, holte der CEO den Franzosen Henry-John Belmont ins Haus, welchen er danach auch an die Spitze setzte.

Die Fokussierung auf das Thema Uhrenmanufaktur und den Klassiker Reverso mit Wendegehäuse brachte Jaeger-LeCoultre zurück ins Rampenlicht. Ab 1991 erfolgte schrittweise die Renovierung des alten und über die Jahrzehnte hinweg teilweise reichlich heruntergekommenen Firmengebäudes an der an der Rue de la Golisse.


Karriere bei Richemont
Unter Henry-John Belmont arbeitete der studierte Ökonom Jérôme Lambert ab 1996 zunächst als Finanzcontroller. Drei Jahre später erfolgte die Ernennung zum Chief Financial Officer. Und im Jahr 2002, Henry-John Belmont war als Leiter der Richemont-Uhrendivision in die Fußstapfen des 2001 verstorbenen Günter Blümlein getreten, nahm Jérôme Lambert am Chefsessel von Jaeger-LeCoultre Platz. In den elf Jahren bis 2013 zündete der neue CEO ein Feuerwerk an technischen und gestalterischen Innovationen.


Vier von vielen Beispielen sind die Master Compressor, das Master Gyrotourbillon, die Reverso Tryptique und die Duomètre-Linie.


Bis 2017 verantwortete Jérôme Lambert danach in Hamburg die Geschicke von Montblanc. Ab 2009 agierte er auch als Vorsitzender der Geschäftsführung von A. Lange & Söhne. Im April 2017 startete der Job als Leiter des operativen Geschäfts der Richemont-Gruppe. In dieser Funktion waren auch die zentralen und regionalen Dienstleistungen für alle Maisons mit Ausnahme der Schmuckhersteller und Uhrenspezialisten zu lenken.
Im November 2017 erweiterte Richemont den Verantwortungsbereich des inzwischen zum COO Ernannten auch noch um die Uhrenmaisons. Der nächste Schritt in Lamberts Karriereleiter bestand in einer Beförderung zum Richemont-CEO. Das geschah im September 2018. Vor der Rückkehr zu Jaeger-LeCoultre als CEO im Frühjahr 2025 betätigte er sich ab Juni 2024 vorübergehend nochmals als COO von Richemont.


Le Chalet
Diese umfassende Erfahrung bei mehreren Marken und in vielen übergeordneten Bereichen kommt in Le Sentier gerade zur rechten Zeit. Bekanntlich bewegt sich der Zeiger des Uhrenindustrie-Konjunkturbarometers gerade in Richtung Tief. Und in dieser nicht unbedingt erfreulichen Situation ist genau das gefragt, was Jérôme Lambert mitbringt.
Für den 1969 Geborenen bedeutet das Comeback aber ebenfalls sehr viel. Er liebt und schätzt Kontakte zu Mitarbeitenden, Kunden, Freunden des Hauses sowie zur Presse. Letztere blieben im an der Spitze von Richemont aus konzernpolitischen Gründen leider verwehrt.

Umso mehr freute sich Jérôme Lambert, einen kleinen Kreis von Journalisten für den 30. Juni 2025 zur Eröffnung von Le Chalet nach Le Sentier einladen zu können. Auf 1360 Meter Höhe an einem Nordhang des Mont Tendre gelegen, bietet Jaeger-LeCoultre seinen Gästen ein Erlebnis der Extraklasse. Etwa eine Jahr dauerte es, die die ehemalige Almhütte und Käserei sorgfältig unter Einhaltung aller Umwelt-Auflagen zu sanieren, samt Küche einzurichten und wohnlich zu gestalten. Dass die Architekten bei ihrer Arbeit den historischen Gegebenheiten bestmöglich Rechnung getragen haben, mag sich von selbst verstehen.


Ein leuchtendes Beispiel ist der historische hölzerne Thuyé-Rauchabzug, welcher sich vom Erdgeschoss bis zum Dach erstreckt. Weil die Milch in früheren Zeiten nicht zeitnah nach unten ins Dorf transportiert werden konnte, wurde sie gleich vor Ort zu leckerem Käse verarbeitet. Und dazu brauchte es natürlich ein entsprechendes Holzfeuer.
Holz gibt es im größten zusammenhängenden Waldgebiet Europas selbstverständlich genug. Nachdem die Bäume wegen der Witterungsverhältnisse sehr langsam wachsen, eignet sich der dort wachsende Werkstoff nicht nur zum Verschüren. Wegen seiner Härte bietet er zum Beispiel auch hervorragende akustische Eigenschaften.

Wanderung nach oben
Mehr erfahren die von Jaeger-LeCoultre Eingeladenen während eines halbstündigen Fußmarschs hoch zum Le Chalet. Unterwegs begegnet man logischerweise vielen Kühen, deren Glocken auf die angenehmen Stunden in den Bergen einstimmen. Faszinierend auch die Wanderung durch Wiesen voller gelbem Enzian, aus dessen Wurzeln die so genannte „Gelbe Fee“ entsteht. Wegen der mühsamen Ernte und dem geringen Ertrag gehört dieser Schnaps zu den eher seltenen Destillaten. Aus 100 Kilogramm Wurzeln lassen sich gerade einmal fünf Liter des nicht jedem mundenden Produkts gewinnen.


Oben angekommen, schmecken der Begrüßungstrunk und das getrocknete Rindfleisch natürlich umso besser. Wer nicht gut zu Fuß ist, kann die Hütte auf einer kurvigen Strecke auch mit dem Auto erreichen. Diesen Weg nehmen die Besucher auch für die Heimreise zurück ins malerische Jouxtal.


Wie Jérôme Lambert beim köstlichen aber auch sehr kalorienreichen Käsefondue erzählte, ist das von der Gemeinde gepachtete und von Jaeger-LeCoultre baulich aufgewertete Le Chalet nur von Mai bis Oktober nutzbar. Dann erhält die Natur ihre Ruhe. Wie hoch der Schnee im Winter fällt, lässt sich an der Wuchshöhe der Enzianpflanzen ablesen. Das jedenfalls besagt eine alte Bauernregel. Bis dahin dauert es noch einige Monate, in denen Freunde des Hauses Jaeger-LeCoultre La Chalet besuchen und dort Jérôme Lambert treffen können.




Trotz seines immensen Arbeitspensums, welches auch der gegenwärtig sehr angespannten Marktsituation geschuldet ist, nimmt sich der passionierte Marathonläufer und Springreiter die Zeit für persönliche Begegnungen in den Höhen des Jura. „Volkes Stimme“, um es ganz salopp zu sagen, bedeutet dem alten und neuen CEO immens viel. Trotz seines reichen Erfahrungsschatzes bezeichnet sich der 56-Jährige immer noch als Lernender, der freimütige Meinungsäußerungen, konstruktive Kritik und hilfreiche Ratschläge überaus schätzt.
Ein weiteres interessantes Interview von Jérôme Lambert zu seiner Station bei Montblanc finden Sie hier zu lesen.
Für mich ist es eine große Freude, wieder bei und für Jaeger-LeCoultre zu arbeiten. Bei dieser Maison hat meine Reise in die Uhrenindustrie 1996 begonnen. 17 Jahre bei Jaeger-LeCoultre haben mein Verständnis von Luxus und Uhrmacherei sowie mein diesbezügliches Wertesystem stark geprägt. Unter diesen Vorzeichen betrachte diese Maison und ihre Mitarbeitenden als Familie, welche in der Zeit meiner Abwesenheit in mehrerer Hinsicht stark gewachsen ist.
Das und die während zwölf Jahre konsequent weiterentwickelte Produktpalette bildeten eine höchst attraktive Grundlage für meine Rückkehr ins Vallée de Joux. Nicht minder freue ich mich natürlich, altbekannte Menschen aus dem Kreis des Fachhandels und der Journalisten wiederzusehen und mit ihnen in gewohnter Weise sprechen zu können.








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