Alle zwei Jahre verwandelt sich der ehrwürdige Circuit de la Sarthe in Le Mans in eine Art automotive Operngala – nur mit mehr PS und weniger Pavarotti. Die Le Mans Classic lockt unter anderem jene Spezies von Enthusiasten an, die über genügend Liquidität verfügen, um historische Rennwagen der Jahre 1923 bis 1981 zu sammeln. Die aber auch über die beneidenswerte Gelassenheit verfügen, beim Anblick eines Jaguar D-Type verzückt zu seufzen, ohne zwingend erklären zu können, wie die Mehrscheiben-Trockenkupplung funktioniert, bzw. es nicht tut. Wofür gibt es schließlich Personal.
Das 24 Stunden-Rennen der Le Mans Classic ist ein Biotop der besonderen Art: Rund 750 automobile Preziosen aus den goldenen Dekaden des Motorsports – von den behäbigen Pionieren der 1920er bis zu den turbogeladenen Raketen der frühen 1980er – werden mit ihren meist jüngeren und wohlhabenden Besitzern in sechs chronologisch geordneten Gruppen auf die Strecke geschickt.
Dass diese Herren und gelegentlich Damen der Schöpfung fast immer mehr über Portfoliodiversifikation als über Zündkerzenabstände wissen, schmälert die Sache keineswegs. Im Gegenteil: Ohne ihr honoriges, von Detailkenntnis mitunter ungestörtes Engagement, wären viele diese rollenden Kunstwerke längst auf dem Schrottplatz gelandet.
In dieses erlesene Ambiente hinein präsentiert Richard Mille die RM 30-01 Le Mans Classic. Richard Mille muss man wissen, ist eine Marke, die das Kunststück vollbracht hat, Uhren zu bauen, die nicht nur aussehen wie das Multi-Function Display mit Pitch-, Roll- und Yaw-Fluglagenanzeige eines NASA Orion Spacecraft. Nein, sie sind auch vergleichbar bepreist.
Allerdings geraten Menschen, die 2,5 Millionen Euro für ihren Aston Martin DB4 GT Zagato ausgeben, bei den rund 220.000 Schweizer Franken für diese Armbanduhr jetzt nicht groß ins Grübeln. Entspricht dieses Budget doch den Kosten, die manch Teilenehmer und Teilnehmerin der Le Mans Classic jährlich für die Aufrechterhaltung ihres physischen Wunschzustands aufwendet. So gesehen ist diese Uhr geradezu ein Schnäppchen.

RMAR2 Technik, die wenige verstehen, aber alle haben wollen
Man sollte auch keinesfalls behaupten, dass der Uhrenliebhaber beim Kauf einer Richard Mille nicht Uhrenbau vom Feinsten erhält. Insbesondere das Herzstück der RM 30-01, das automatische Manufakturkaliber RMAR2 beeindruckt. Ist es doch solch ein mechanisches Meisterwerk und von solch hoher Komplexität, dass Richard Mille es nur einer ausgesuchten Schar von Uhrmachern gestattet, Hand an das ausnehmende komplexe, 31,25 mal 29,45 Millimetern große Uhrwerk zu legen.
Erschwerend kommt hinzu, dass trotz der Komplexität der skelettierten Komponenten das bei 4 Hz oder 28.800 Halbschwingungen arbeitende Werk lediglich eine Bauhöhe von 5,41 Millimetern aufweist. Hierbei unterstützen 38 Lagersteine die Präzision und die Leichtgängigkeit des Werks und sorgen zusammen mit dem Federhaus für eine Gangreserve von bis zu 55 Stunden. Ein ordentlicher Wert, der allerdings innerhalb der Phalanx der Richard Mille Modelle bestenfalls als Grundausstattung bezeichnet werden kann.


Beeindruckender ist sicherlich der patentierte Rotor mit variabler Geometrie. Ein Begriff, den Sie mitunter bei Cocktailpartys fallen lassen sollten und der garantiert für ehrfürchtiges Nicken sorgt. Für den Fall, einer Nachfrage: Dahinter verbirgt sich eine auskuppelnde Mechanik, die ein Überdrehen bei voller Gangreserve verhindert, gleichzeitig bei einem niedrigen Gangreservestand von unter 40 Stunden wieder einschaltet. Die damit verbundene Kupplungsanzeige zeigt sich bei 11 Uhr und informiert den Träger darüber, ob sich das System gerade in der aktiven Aufzugphase befindet.
Wir dürfen jedoch nicht verschweigen, dass sich so manche Richard Mille Uhr am Handgelenk von Zeitgenossen befindet, deren Kenntnis der Engagement-Rate und der neuerdings angesagten Fußhaltung beim Instagram-Selfie den technischen Sachverstand über Uhren übersteigt. Ebenso sind nicht all diesen Trägern die Vorteile der Oberflächenstruktur von Keramikkugeln versus Stahlkugeln des Automatik-Rotors ein inneres Anliegen.
Für all jene Tennisspieler, Fußballtrainer, Hollywoodstars und Immobilienmakler, die sich nicht in unnötigen Details verlieren, hat Richard Mille daher zwischen 2 und 3 Uhr eine gut sichtbare Innovation eingebaut, die es in sich hat: einen 24-Stunden-Zähler, dessen grün beflaggte Ziffer „16” auf den traditionellen Starttermin des Langstreckenrennens Le Mans Classic hinweist.



RM 30-01 Le Mans Classic Werkstoffe
Da bei Autos wie Uhren das Ausgangsmaterial nicht unwesentlich über den Verkaufserfolg entscheidet, setzt die Richard Mille RM 30-01 mit ihrem 42 mal 50 Millimeter großen und stattliche 17,59 Millimeter hohen Gehäuse nur auf modernste Werkstoffe. Front und Rückseite bestehen aus leichtem Titan Grad 5 – einer Legierung aus 90 Prozent Titan, 6 Prozent Aluminium und 4 Prozent Vanadium.
Das Mittelteil des Gehäuses hingegen wird aus grünem Quarz TPT gefertigt, einem Verbundmaterial, das durch schichtweise Verarbeitung seine einzigartige Textur erhält und nebenbei auch noch extrem widerstandsfähig ist. Gehäuse, verschraubte Krone und der Saphirglasboden bieten hierbei eine Wasserdichtigkeit von bis zu 50 Meter und sorgen dafür, dass auch der feuchteste Champagner-Empfang im Fahrerlager folgenlos bleibt.

Richard Mille und die Kunst der komplizierten Einfachheit
In gewohnter Weise offerieren Glasboden wie das skelettierte Zifferblatt den spektakulären Blick in das filigrane Innenleben. Wobei die Stundenindexe mit ihren grünen und orangefarbenen Details für bunte Farbtupfer sorgen und die mit nachleuchtender Leuchtmasse versehenen Zeiger und Stundenmarken auch bei schlechten Lichtverhältnissen für eine schnelle Orientierung sorgen – es handelt sich ja schließlich um ein 24-Stunden Rennen.
Optisch reizvoll ist sicher auch die halbkreisförmig integrierte Gangreserveanzeige, erinnert ihre Form eingefleischte Le Mans-Kenner doch an den Streckenverlauf des Circuit de la Sarthe – ein weiteres Detail, das Kenner zu schätzen wissen.
Wie erwähnt gibt es dazu einen Funktionswähler bei 3 Uhr, der es erlaubt elegant zwischen Handaufzug, Zeiteinstellung und Datumsverstellung zu wechseln und jenen Trägern einer Uhr auf die Sprünge helfen werden, die bisher an einer mehrstufigen Kronenbedienung gescheitert sind. Außerdem zeigt ein großdimensioniertes Fenster bei 4 Uhr, umrahmt von einem grün-weißen Schachbrettmuste, das Datum.


Richard Mille RM 30-01 Le Mans Classic
Mit nur 150 weltweit hergestellten Exemplaren ist die RM 30-01 Le Mans Classic eine sehr exklusive Uhr und folgt der Leitlinie des Hauses Richard Mille, das die Jahresproduktion klugerweise auf rund 6.000 Uhren beschränkt. Damit erklärt sich auch ein Teil des Erfolgs von Richard Mille: Geringe Stückzahlen und feine Technik sorgen nun mal für eine hohe Begehrlichkeit – und damit hohe Preise. Ein Argument, das ebenso für die in Le Mans versammelten Oldtimer gilt.
Und wenn auch nicht alle wissen, wie ein variabler Rotor funktioniert – ein Gesprächsthema am Champagnerzelt ist die RM 30-01 Le Mans Classic allemal.
Und eine weitere faszinierende Spielart in Form einen „Butterfly“-Rotors einer Richard Mille Uhr finden Sie hier.










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