Fast 10 Jahre ist es her, dass die berühmte Patek Philippe „Henry Graves Super Complication“ mit einem, seitdem für eine Vintage Uhr nie mehr erreichten Hammerpreis Schlagzeilen machte. Dieser Vintage Weltrekord gerät jetzt ins Wanken. Allerdings nicht in einer öffentlich durchgeführten Auktion, sondern im Private Sale der Monaco Legend Group. Eine neue Ära im Markt klassischer Uhren.
Patek Philippe Henry Graves Super Complication
Als im Jahr 2015 die berühmte Patek Philippe Henry Graves Super Complication bei Sotheby’s versteigert wurde, wunderte der Vintage Uhren Weltrekord von umgerechnet etwa € 19,3 Millionen kaum jemanden. Schließlich handelte es sich bei der Uhr um den bis heute kompliziertesten Zeitmesser, der jemals mit rein handwerklichen Mitteln hergestellt wurde.
Das heißt Planung und Umsetzung der 24 Komplikationen mussten ohne digitale Technik auskommen, denn die war in den 1930er Jahren noch nicht verfügbar. Das Meisterwerk wurde inmitten der großen Wirtschaftskrise an den unermesslich reichen New Yorker Banker Henry Graves geliefert und sorgte so schon damals für Furore.

Rolex Daytona Paul Newman
Als zwei Jahre später aber Paul Newmans eigene Rolex Daytona für 17,8 Millionen US-Dollar den Besitzer wechselte, war das ein Paukenschlag, der die rasante Entwicklung des Marktes für klassische Uhren eindrucksvoll in Szene setzte. Im Vergleich zur Patek ist die Daytona eher low-tech. (Wir haben die Uhr und ihre emotionale Geschichte hier auf Uhrenkosmos bereits vorgestellt.)
Das Uhrwerk ist ein modifiziertes und regliertes Ebauche von Valjoux, das in vielen anderen Uhren in ähnlicher Weise verbaut wurde und schon damals nicht mehr dem Stand der Technik entsprach; das Modell selbst wurde in großer Auflage hergestellt und ist deshalb nicht besonders selten. Treiber des Rekords war die Marke Rolex mit dem markanten „Exotic“ Zifferblatt und der berühmte Vorbesitzer.

Die Patek Philippe symbolisiert dagegen bis heute die technische Überlegenheit des Hauses, dem es gelingt, die von Rolex gewohnte Präzision und Zuverlässigkeit in der Gestalt hochkomplizierter Uhren zu liefern. Dabei wird dem Ästheten Kunsthandwerk in Perfektion geboten.

Mit rund 540 Gramm und 74 mm Durchmesser dürfte die Henry Graves den Smoking leicht ausbeulen. Die Paul Newman macht dagegen bis heute auf jeder Veranstaltung eine gute Figur, auch auf denen der Uhrenwelt selbst. Wenn also die Paul Newman die ultimative Rolex ist, stellt sich die Frage nach der ultimativen Patek Philippe Armbanduhr.
Etwa zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Graves Uhr wurden erstmals Mal mehr Armbanduhren als Taschenuhren aus der Schweiz exportiert. Die Sterns, neue Patronen des Hauses Patek seit 1929, verstanden, dass der Triumph der Super Complication nur Bestand haben würde, wenn er auf das Wachstumssegment der Armbanduhren übertragen würde. Das gelang 1941 mit der Einführung der Referenz 1518. (Mehr über die Übernahme von Patek Philippe durch gibt es hier, in der großen Patek Philippe Saga zu lesen.)

Patek Philippe 1518
Dieses Modell war seiner Zeit um Jahrzehnte voraus und begründete die zweite Blütezeit des Hauses Patek Philippe als unangefochtene Nummer 1 bei komplizierten Armbanduhren. Wir unterschätzen heute leicht, dass Chronographen komplizierte Uhrwerke sind. Das galt natürlich vor 80 Jahren erst recht.
Aber die Patek 1518 war nicht nur ein Chronograph, sondern gleichzeitig ein ewiger Kalender. Dabei wirkt die Uhr mit ihren 35 mm Durchmesser zwar präsent, aber keineswegs ostentativ am Handgelenk. Zum Vergleich: eine Taschenuhr mit denselben Funktionen misst klassischerweise 50 mm und mehr. Als nächster Konkurrent schaffte es Audemars Piguet erst 14 Jahre später einen ewigen Kalender in Form einer Armbanduhr in einer Serie von 9 Stücken zu liefern – zwar mit Schaltjahresindikation, aber ohne Chronographen Funktion.

Die Patek Philippe wurde in einer Auflage von insgesamt 281 Exemplaren produziert und war für die wichtigsten Kunden reserviert. Damals wie heute waren großer Reichtum oder eine erhabene gesellschaftliche Position Voraussetzung, um auf die Warteliste für die besten Stücke zu kommen. Zu den Auserwählten zählte natürlich auch Henry Graves, weitere Exemplare gingen an die Könige von Abdullah I. von Jordanien und Faruk von Ägypten.
Es erscheint logisch, dass als Gehäusematerial nur Edelmetall für eine so außergewöhnliche Uhr in Frage kommen würde. Tatsächlich wurden fast alle bekannten Exemplare in Gold gefertigt, der überwiegende Teil davon in Gelbgold, um die 60 in Roségold.
4 Uhren sind allerdings seit den 1980er Jahren in Stahlgehäusen aufgetaucht. Sie sind nicht nur die seltensten Exemplare dieser Ikone des Hauses Patek schlechthin, sondern auch die einzigen, die über den cleanen, maskulinen Look des weißen Metalls verfügen.

Patek Philippe 1518 in Stahl
In der Öffentlichkeit, jenseits der Welt der Uhrenenthusiasten, wurde kaum wahrgenommen, dass eines dieser Exemplare in Edelstahl, wenn auch nur für kurze Zeit, zur zweitteuersten Uhr der Welt wurde. Im November 2016 erhielt die Patek Philippe 1518 in Stahl mit der Werknummer 863193 im Gehäuse 508473-1 nach einem fieberhaften Bieterwettbewerb den Zuschlag zu einem Preis von 11 Millionen Schweizer Franken.

Private Sale Monaco Legend Group
Eine nahezu identische Uhr mit den Seriennummern 863196/ 508476-3 steht jetzt im Private Sale der Monaco Legend Group zum Verkauf. Es werden Gebote ab 20 Millionen Euro eingeladen, so dass sich der Chronograph mit ewigem Kalender im Stahlgehäuse anschickt, die neue teuerste Uhr der Vintage Uhrenwelt zu werden.
Dem Vernehmen nach ist das Interesse auch zu diesem Reservepreis groß!

Im Vergleich zur Super Complication und der Paul Newman Daytona spielt die Herkunft bei der Bewertung eine geringere Rolle. Von den 4 bekannten Exemplaren wurden 3 mit fortlaufenden Gehäusenummern im Jahr 1943 produziert. Die ersten zwei wurden im Februar 1944 an den Budapester Händler Joseph Lang ausgeliefert.
Die dritte ist die Uhr im Private Sale der Monaco Legend Group. Über Ihren Verbleib seit der Erstauslieferung ist nicht viel bekannt. Öffentlich tauchte sie erstmals wieder im Jahr 1989 auf, als sie in Monaco zu einem Preis von umgerechnet ca. € 270.000 versteigert wurde. Eingeliefert wurde sie damals von dem bekannten Mode Designer Gerolamo Etro, der sie zuvor von einem Mailänder Händler erstand.
Die ersten drei Exemplare der 1518 in Stahl unterscheiden sich nur im Erhaltungszustand voneinander und da geht der Pokal wohl an die Uhr aus der Phillips Auktion. Dennoch ist auch die jetzt angebotene Uhr von großer Schönheit und sie ist die Einzige, die ab Werk mit einem Reiskornband aus Stahl geliefert wurde.

Bei der Patek Philippe Referenz 1518 werden 2 Serien unterschieden, die sich in der Ausführung der Zifferblätter und Gehäuse unterscheiden, aber über das gleiche Uhrwerk verfügen. Interessanterweise stammt das Rohwerk, wie bei der Handaufzugs Daytona von Valjoux. Allerdings wurde es radikal verfeinert und mit einem ewigen Kalendermodul durch das berühmte Atelier Victorin Piguet ausgestattet.

Die Gehäuse der goldenen Uhren stammen vom Genfer Gehäusemacher Vichet und veränderten sich im Zeitablauf im Größenverhältnis zwischen Mittelteil und Lünette, was wiederum die vertikale Lage der Chronographen Drücker, relativ zur Mitte der Carrure beeinflusste. Exemplare aus den 1950er Jahren lassen sich an der vergrößerten Krone erkennen.
Die Gehäuse der ersten drei Exemplare in Stahl stammen vom Genfer Atelier Genevor SA (Georges Croisier). Die durchgelochten Hornbügel wirken länglich und sind vergleichsweise schlank, mit einem Abstand von 19 mm zwischen den Bandanstößen.
Das ist der wichtigste Unterschied zum vierten, bekannten Stück in Stahl. Die vierte Uhr, mit der Werknummer 867080 im Gehäuse 6335561 wurde 1947 ausgeliefert. Das Gehäuse dieser Uhr stammte vom Atelier Wenger SA, das auf wasserfeste Gehäuse spezialisiert war. Die, nicht mehr durchgelochten Hornbügel fallen jetzt kräftiger aus, was allerdings den Abstand zwischen den Bandanstößen auf 18 mm reduziert. Dieser Unterschied verändert den Look der Uhr wahrnehmbar.
Die Entwicklung der Zifferblattgraphik mit leicht vergrößerten Schriftzeichen, verbreitertem „Railway“ und der 1000er Basis zwischen zwölf und ein Uhr fällt dagegen nur auf, wenn man die Uhren nebeneinander betrachtet. Ein Glück, das wenigen vorbehalten bleiben dürfte.

Vintage Weltrekord
Natürlich stellt sich die Frage, ob die Uhr mit dem Wenger Case möglicherweise noch wertvoller sein könnte als die zum Verkauf stehende, zumal sie nach jetzigen Erkenntnissen ein Einzelstück ist („Piece Unique“). Damit bleibt es auch nach dem Private Sale der Monaco Legend Group weiter spannend auf dem Markt für Highend Sammleruhren. Wer weiß – es könnte ja auch noch die Uhr aus der Phillips Auktion zurückkehren!
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