Uhrenexporte im Sinkflug
Die Zahlen haben es in sich. Gab es im August 2024 noch eine leichte Erholung und damit auch einen Funken Hoffnung auf bessere Zeiten, sind die Septemberzahlen ernüchternd. Die Schweizer Uhrenexporte September 2024 des Verbands der Schweizerischer Uhrenindustrie (FH) beenden die kurze Verschnaufpause und die Aussichten trüben sich wieder deutlich ein. Mit minus 12,4 %, welche sich auf einen Gesamtwert von 2,1 Milliarden Schweizer Franken (CHF) beziehen, übertraf der monatliche Rückgang alle bisherigen Werte für das laufende Jahr.
In den ersten neun Monaten des Jahres beträgt das Minus gegenüber 2023 gegenwärtig (noch) relativ moderate 2,7 %. Sollten die Hiobsbotschaften bezüglich China und Hongkong jedoch anhalten, dürfte sich dieser Wert weiter verschlechtern. Über die Probleme im Reich der Mitte hatten wir kürzlich auf Uhrenkosmos in diesem Artikel bereits usführlich berichtet:
China und die Schweizer Luxusuhren-Industrie: Die Talfahrt geht weiter


Schweizer Uhrenexporte September 2024
Festlandchina mit einem Marktanteil von 6,3 % verzeichnete bei den Importen gegenüber dem Vorjahresmonat einen Rückgang von beinahe 50 %. Konkret sind es 49,7 % auf nur noch 128,8 Millionen Schweizer Franken. In den ersten neun Monaten führte China Uhren und Werke für 1,583 Milliarden Schweizer Franken ein. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum sind das 24,6 % weniger. Am Platz zwei im internationalen Ranking der Top-Märkte für die Schweizer Uhrenfabrikanten änderte sich indessen (noch) nichts. Auch für Hongkong, dem einstmals wichtigsten Exportmarkt und nun nur noch der Nummer vier sieht es ziemlich düster aus. Das Minus betrug im September 34,6 und in den ersten neun Monaten 20,4 %.
Mit Importen in Höhe von 128,9 Millionen Schweizer Franken lag der Marktanteil im zurückliegenden Monat ebenfalls bei 6,3 %. Von Januar bis September importierte Hongkong Ware im Wert von 1,42 Milliarden Schweizer Franken. Deutlich nach unten ging es auch in Singapur mit -13,9 % und im Vereinigten Königsreich (-10,7 %). Allein die vier genannten Märkte waren für mehr als 80 % des weltweiten Rückgangs verantwortlich. Signifikante Rückgange sind auch für Südkorea (-19,8 %), Taiwan (-29,8 %) und Thailand (-34,6 %) zu konstatieren. Mit minus 22,6 % verzeichnete Asien das schlechteste Monatsergebnis aller Weltregionen.

Erinnerungen an 2012 bis 2016
Die überaus negative Entwicklung in China und Hongkong erinnert mich an jene, die 2012 einsetzte und bi 2016 reichte. 2012 hatte das Reich der Mitte aus der Schweiz Uhren und Werke für im Wert von 1,65 Milliarden Schweizer Franken bezogen. 2013 waren es noch 1,45, 2014 gut 1,40, 2015 dann 1,34 und 2016 lediglich 1,29 Milliarden. Noch drastischer stürzten damals die eidgenössischen Exporte nach Hongkong ab: 2012 – CHF 4,37 Mrd., 2013 – CHF 4,13 Mrd., 2014 – CHF 4,13 Mrd., 2015 – CHF 3,18 Mrd. und 2016 – CHF 2,38 Mrd.
Ein Grund für besagten Rückgang ab 2012 bestand in überbordenden Lagerbeständen und eine folgerichtige Kaufzurückhaltung des dortigen Fachhandels. Auslöser waren eine massive Antikorruptionskampagne der chinesischen Regierung, Werbebeschränkungen sowie ein langsameres Wirtschaftswachstum im Reich der Mitte, was sich logischerweise auch auf das Uhrengeschäft auswirkte. Zur Schaffung von Liquidität warfen Händler Armbanduhren mit stattlichen Rabatten auf den Markt. Das wiederum behagte Johann Rupert als Chairman des Richemont-Konzerns mit Marken A. Lange & Söhne, Baume & Mercier, Cartier, IWC, Jaeger-LeCoultre, Panerai, Piaget und Vacheron Constantin gar nicht. Also zog er zur Stabilisierung der empfohlenen Publikumspreise ein millionenschweres Rückkaufprogramm durch.
Das Rückkaufprogramm zeitigte natürlich Auswirkungen auf den Gewinn, welcher allein in der ersten Hälfte des am 1. April begonnenen Geschäftsjahrs 2016/2017 von 1,1 Milliarden auf 540 Millionen Euro sank. Bereits Ende Juni 2016 hatte die analog zum Kalenderjahr bilanzierende Swatch Group einen 11,4-prozentigen Umsatzrückgang auf 3,72 Millionen Franken und einen Gewinneinbruch um 52 % auf 263 Millionen Schweizerfranken beklagt. Auch hier spielte das unliebsame Geschehen auf den beiden chinesischen Märkten eine keineswegs unwichtige Rolle.

Wie leert man Lager?
Auf die Korruptionsbekämpfung folgen nun Luxusscham und Luxusaskese. Die Konsequenzen sind ähnlich. Deshalb steht zu befürchten, dass die Warenbestände in China und Hongkong einmal mehr überquellen. Angesichts ungewisser Perspektiven werden sich Mehrmarken-Konzessionäre von den Marken gar nicht oder nur widerwillig solche Uhren aufnötigen lassen, welche anschließend keine Käufer finden. Und das schlägt sich nun massiv in sinkenden Importen nieder. Dem Vernehmen nach sollen die Läger bei den Niederlassungen vor Ort ebenfalls prall gefüllt oder sogar überfüllt sein.
Damit diese Bestände nicht über kurz oder lang zu Dumpingpreisen in mehr oder minder obskuren grauen Kanälen landen, werden sich Marke und Konzerne erneut etwas einfallen lassen müssen. Durch die Transparenz des Internets finden weiterhin interessierte Kunden sehr schnell heraus, wo es attraktive Rabatte gibt. Da helfen dann auch firmeneigene Monobrand-Boutiquen nicht, welche eisern an den vorgegebenen Richtpreisen festhalten. Am Ende bleiben sie auf den Produkten sitzen. Und Uhren werden durch längeres Liegen kaum besser.
Ein Ausweg aus der Misere bestünde in offiziellen Preissenkungen oder konzertierten Abverkauf-Aktionen zwischen Marken und Einzelhandel. Beides könnte helfen, Schwung in die Umsätze zu bringen. Aber es stört schlicht und einfach das Marktgeschehen. Und die Uhr lässt sich danach schwer wieder auf alte Zeiten zurückdrehen. Alternativ bietet sich an, durchgestrichene Preisschilder analog zu Tageszulassungen im Autohandel mit Vorbesitz zu begründen. Aber zur Lagerräumung taugt auch dieses Verfahren nur bedingt.
Selbst der Austausch von Personal erweist sich in solchen Situationen nichts zwangsläufig als heilende Medizin. Sollte die Flaute anhalten, bleiben am Ende nur Disziplin bei den Marken und deutliche Produktionsbeschränkungen. Das kostet war erst einmal Arbeitsplätze und Umsatz, kann mittelfristig aber aus der Misere helfen.


Verhaltene Lichtblicke
Moderater ging es in Europa zu. Das Gesamtminus von nur 3,4 % ist einem erstaunlichen Zuwachs der deutschen (+5,7 %) und spanischen (+5,3 %) Einfuhren zu verdanken. Auch weitere positive Zahlen konnten das das saldierte Minus nicht einmal annähernd auffangen. Die USA als weiterhin wichtigster Markt legte um 2,4 % auf 353 Millionen Schweizer Franken zu und erreichte so einen Marktanteil von 17,2 %. Bisher flossen Uhren und Werke in Höhe von 3,180 Milliarden Franken aus der Schweiz in die Neue Welt.
Als Nummer zwei behauptete sich im September Japan. Hier kletterten die Importe um 2 % auf 173 Millionen Schweizer Franken, Marktanteil 8,4 %. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ein beträchtliches Quantum der importierten Armbanduhren wegen des weiterhin schwachen Yen an Handgelenke von Touristen findet. Stark aufwärts ging es erneut bei den Ausfuhren nach Indien. Im September stiegen sie um 18,4 % auf 24,3 Millionen Schweizer Franken. Verglichen mit 2022 nennen die Statistiken für den bevölkerungsreichen Subkontinent sogar einen Zuwachs von 38,4 %.

Stahl verliert – Plastik auch
Richtet man das Augenmerk auf die exportierten Erzeugnisse, fallen Armbanduhren mit stählerner Schale besonders negativ auf. Wertmäßig lag das Minus bei 19, stückzahlmäßig bei sogar 21,1 %. Auch Uhren mit Edelmetallgehäusen gaben deutlich nach. Gegenüber dem Vorjahresmonat ging der Wert ging 9,1 % auf 756,6 Millionen Schweizer Franken zurück. Die Stückzahlen sanken sogar um 23,5 % auf 30.500 Exemplare. Daraus errechnet sich ein auf 24.806 Schweizer Franken gestiegener Export-Durchschnittspreis, welcher vermutlich auch mit den inzwischen für Gold verlangten Tarifen zusammenhängt.
Ähnlich verhält es sich auch bei Bicolor-Zeitmessern mit Outfit aus Stahl und Gold. Hier gaben die Exporte um 2,3 % auf 360,2 Millionen Schweizer Franken und 16,6 % auf 89.000 Stück nach. Das entspricht einem Durchschnittspreis von 4.047 Schweizer Franken. Uhren mit Schalen aus anderen Metallen verloren beim Wert 25,5 und bei den Stückzahlen 25,2 %. Der Durchschnittspreis lag bei 1164 Schweizer Franken.
Bleiben Zeitmesser mit Gehäusen aus anderen Materialien, wie beispielsweise Kunststoff. Um 8,9 % sank der Exportwert, um 19,3 % die Menge. Somit ergibt sich ein Durchschnittspreis von rund 266 Schweizer Franken. Besagte Exportpreis entsprechen nicht den Publikumspreisen. Wegen der Handelsmarken und Steuern liegen diese in etwa um den Faktor drei höher.

Jahr zum Vergessen
Bleiben schließlich die Preissegmente. Ausnahmslos alle verzeichneten im September mehr oder minder deutliche Rückstände. Uhren unter 500 Schweizer Franken gaben gegenüber der Vorjahresmonat um 20,8, jene im Bereich von 500 bis 3.000 Franken um 33,0 und über 3.000 Franken um 7,3 % nach. Diese Zahlen verdeutlichen den seit Monaten festzustellenden Trend, dass hochpreisige Produkte mit Publikumspreisen jenseits 10.000 Euro von der Misere zwar auch, aber deutlich weniger betroffen sind.
Abschließend fällt der Glaube schwer, dass sich bis zum Jahresende 2024 eine deutliche Trendwende einstellen wird. Zu groß sind die Verunsicherungen angesichts der globalen geopolitischen und ökonomischen Situation. Und nicht nur in den USA erwartet man mit großer Spannung den Ausgang der Präsidentschaftswahl. Er kann durchaus Einfluss auf das Marktgeschehen bei Uhren und anderen Luxusgütern nehmen.
Bei Rolex, dem Markführer in Sachen Schweizer Armbanduhren, kristallisieren sich die Folgen der Übernahme von Juwelier Bucherer zunehmend heraus. Voraussichtlich 2025 wird Bucherer nach China expandieren und in Shanghai eine exklusive Rolex-Boutique eröffnen. Und es ist davon auszugehen, dass es nicht die letzte im Reich der Mitte sein wird. Dort erzielt die Genfer Manufaktur erst circa zehn % ihres Umsatzes. Angesichts des Renommees der Marke und ihrer weiterhin hohen Begehrlichkeit besitzt der chinesische Markt trotz der gegenwärtig rückläufigen Schweizer Uhrenexporte immer noch reichlich Potenzial.

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