Inspiriert von Natur und Kultur
Den Uhren-Herbst bei Grand Seiko kennzeichnen neue Modelle, die eines gemeinsam haben: den Bezug zur japanischen Natur und Kultur. Nanataki, ein gefrierender Wasserfall, Nishikigo also Koi-Karpfen und das malerische Hotaka-Gebirge beeinflussten die Gestaltung von ins Auge stechenden Zifferblättern. Allesamt verfügen sie über die markanten Grand Seiko Design Codes und drücken jene Produkt- und Designphilosophie aus, welche Grand Seiko in den vergangenen Jahren auszeichnet.
Seit 2015 ist die japanische Manufaktur in Europa präsent. 2017 erlangte sie die überfällige Eigenständigkeit. Das sind nur zwei Jahreszahlen aus dem bemerkenswerten Lebenslauf des 1960 von der japanischen Mutter Seiko als höherrangige Untermarke ins Leben gerufenen Labels. Bevor wir auf das farbenfrohe Trio zu sprechen komme, soll ein Mann die ihm gebührende Würdigung finden, der den Grand Seiko-Auftritt auf der japanischen Bühne sehr stark prägte.
Seiko und Taro Tanaka
Nach Abschluss seiner Ausbildung zum Industriedesigner an der Chiba School of Engineering heuerte Taro Tanaka 1959 bei Seiko an. Unter der Ägide seines weder verwandten noch verschwägerten Vorgesetzten und Mentors Ren Tanaka arbeitete er im Tokioter Stadtteil Ginza, wo Seiko seine Firmenzentrale errichtet hatte.
Als erster umfassend ausgebildeter Produktgestalter im Unternehmen sorgte Taro Tanaka und das von ihm initiierte Designstudio für frischen Wind. In diesem Zusammenhang gilt es zu wissen, dass Seiko dem Design seiner Produkte keine sonderliche Bedeutung beimaß. Das zeigte sich 1989 während meines ersten Besuchs bei Seiko in Tokio. Im alten Firmenmuseum fanden sich namhafte europäische Fachzeitschriften. Die dort abgebildeten Armbanduhren dienten oft als Vorlage für das, was sich in der damaligen Seiko-Kollektion vorfand. Eigene Kreativität kam so gut wie nicht zum Tragen.
Diesen tradierten Leitsätzen sollte in den frühen 1960-er Jahren übrigens auch Taro Tanaka folgen, was dem ambitionierten Designer mit vielen eigenen Ideen logischerweise gar nicht gefiel. Aber Schweizer Uhren, die Tanaka in bekannten Einkaufsviertel hautnah erleben konnte, galten in Japan damals noch als Benchmark.
1956 hatte Seiko eine Abteilung zur optischen Aufwertung seiner Zifferblätter und zur Anfertigung der nötigen Druck-Werkzeuge ins Leben gerufen. Mit Taro Tanaka hielt nicht nur ein Designer seinen Einzug, sondern auch ein neuer ganzheitlicher Ansatz. Ihm zufolge richtete Seiko das Augenmerk künftig auf den gesamten Kreations- und Herstellungsprozess.
Angeregt von Taro Tanaka stellte das Unternehmen sein Maßsystem 1962 von den überkommenen Linien auf Millimeter um. In jenem Jahr, Einarbeitungsphase endete, richtete sich das neue Denken und Handeln auch auf die Uhren mit der zusätzlichen Signatur Grand Seiko. Neben King Seiko zeugte speziell diese Linie von einem höheren uhrmacherischen Anspruch des Hauses Seiko. Dieser zeigte sich einmal bei den inneren Werten, also bei den verbauten Uhrwerken. Daneben rückte aber auch die gesamte Optik der Newcomer deutlich stärker in den Vordergrund.
Auf diese Weise sollten sich die 1960 vorgestellten Grand Seiko-Zeitmesser mit ihren ersten Design Codes in der Werbung, in den Schaufenstern und auf den Verkaufstischen der Konzessionäre deutlicher von konkurrierenden Produkten japanischer, aber vor allem auch eidgenössischer Provenienz abheben.
Design-Grammatik
Beim Dienstantritt zeigte sich, dass die Kunst des Schleifens von Edelsteinen Taro Tanakas Wirken zumindest in Ansätzen inspirierte. Aber sehr schnell entwickelte er eine eigene und sehr umfassende Philosophie der Gestaltung von Armbanduhren. Die von ihm bis 1962 für Seiko, Grand Seiko und King Seiko entwickelte Grammatik des Designs basierte auf vier grundsätzlichen Regeln. Ihr gemäß mussten alle Schalen durch einzigartigen Charakter punkten. Bloßes Rund ohne besondere Attitüde genügte fortan nicht mehr.
Hochglanzpolierte ebene Oberflächen, bekannt als Zaratsu, ausgeprägte Kanten, ausgeklügelte Winkel und ausgewogene Geometrie bewirkten eine optimale Reflexion des Lichts. Diese Prämisse bezog sich auch auf die Zifferblätter, aufgesetzten Indizes und Zeiger. Zwei- und nicht dreidimensionale Kurven zeichneten die Glasränder aus. Schließlich tolerierte der Designchef optische Verzerrungen beim Betrachten aus unterschiedlichen Perspektiven nicht.
Keine Frage, dass sich diese Maximen nicht nur auf die Designs auswirkte, sondern auch auf die Herstellungsprozesse und die Kontrolle der fertigen Produkte. Solches was unabdingbar, um Grand Seiko auf Augenhöhe mit Schweizer Armbanduhren beispielsweise von Omega oder Rolex zu heben. Das Taro Tanaka den richtigen Weg einschlug, demonstrierte Seiko erstmals 1967 mit der Grand Seiko Referenz 44GS mit dem Handaufzugskaliber 4420.
Viele weitere Beispiele unterstrichen das gut 15 Jahre währende erfolgreiche Wirken von Taro Tanaka und seiner gestalterischen Handschrift für Seiko und Grand Seiko. Und es steht außer Frage, dass seine Design-Philosophie bis in die Gegenwart wirkt und voraussichtlich auch noch in die Zukunft strahlen wird.
Japanische Herbst-Zeitlose
Damit kommen wir zu neuen Armbanduhren, welche Grand Seiko seit dem Oktober 2024 in eigenen Boutiquen und bei ausgewählten Konzessionären anbietet und die natürlich alle die typischen Grand Seiko Design Codes aufweisen. Allesamt demonstrieren sie die Kunst, Zifferblätter im Einklang mit der japanischen Natur, Geographie und Kultur zu gestalten sowie Uhren auf hohem handwerklichen Niveau zu fertigen
Diesem Anspruch stehen die unabhängig des Materials, aus dem die Gehäuse gefertigt werden, keinen Deut nach. Und die Qualität der Uhrwerke, egal ob rein mechanisch oder, wie im Fall der Spring Drive-Kaliber, mit elektronischem Gangregler kombiniert, sind ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Hervor geht das aus zahlreichen Artikeln hier im Uhrenkosmos.
Eisblau: Grand Seiko Heritage SBGH347
Nanataki, ein 30 Meter hoher Wasserfall in der Stadt Hachimantai, welcher in sehr kalten Wintern lange Eiszapfen bildet, lieferte die Inspiration zum eisblauen Zifferblatt der stählernen Referenz SBGH347 aus der Grand Seiko Heritage Kollektion. Gespeist wird das im Zifferblatt nachempfundene Naturschauspiel von einem Bach, der im nordjapanischen Berg Iwate entspringt. Musterung und Farbe spiegeln die Formationen des bläulich-weißen Eises wider. Die drei Zeiger im Dauphin-Stil treibt das Automatikkaliber 9S85 mit 55 Stunden Gangautonomie und fünf Hertz Unruhfrequenz an. Nur 37 Millimeter misst das Gehäuse aus so genanntem Ever-Brilliant Stahl, dessen Wasserdichte bis zu zehn bar Druck reicht. Bei 7.400 Euro liegt der unverbindliche Publikumspreis.
Nishikigoi: Grand Seiko Heritage SBGW321
Japanische Teichgärten, Chisen Teien genannt, begeistern viele Besucherinnen und Besucher des Lands der aufgehenden Sonne. Schillernde Koi-Karpfen, Nishikigoi, die derartige Teiche zu beleben pflegen, deren augenfällige Farbe und Schuppung regten Grand Seiko zur Gestaltung des Zifferblatts der auf 300 Exemplare limitierten Referenz SBGW321 an. Vom Zentrum nach außen erstreckt sich das radiale, spiralförmige Muster.
In der 36,5 Millimeter messenden Schale tickt das natürlich hauseigene Handaufzugskaliber 9S64. Jede Stunde vollzieht seine Unruh 28.800 Halbschwingungen. Und das ohne weiteren Energienachschub 72 Stunden lang. Wasser bleibt bis zu zehn bar Druck außen vor. Bei unverbindlichen 6.100 Euro liegt der Preis.
Hotaka: Grand Seiko Elegance SBGA499
Seit 20 Jahren nutzt Grand Seiko in einem Teil seiner Armbanduhren die innovative Spring Drive-Technologie (mehr technische Details zum Spring Drive Kaliber finden Sie hier). Das mechanische Uhrwerk mit elektronisch gesteuertem Tri-Synchro-Regulator benötigt keine Batterie. Die monatliche Gangabweichung beträgt höchstens 15 Sekunden. Wer nicht mit schöner Regelmäßigkeit an der Krone drehen möchte, kommt bei der Edelstahl-Referenz SBGA499 aus der Elegance Kollektion auf seine Kosten.
Im Sichtboden-Gehäuse mit 40,2 Millimeter Durchmesser, 12,8 Millimetern Bauhöhe und bis zu zehn bar reichender Wasserdichte findet sich das 2004 vorgestellte Automatikkaliber 9R65. 72 Stunden beträgt die Gangautonomie. Bis zu zehn bar Druck reicht die Wasserdichte. Von dieser Armbanduhr entstehen 1.300 Exemplare à 6.300 Euro. Ihr markantes Zifferblatt erinnert an das japanische Hotaka-Gebirge bei Sonnenaufgang und an farbiges Herbstlaub, welches inzwischen fast vollständig von den Bäumen gefallen ist.
Lieber Gisbert, vielen Dank für diesen so schön geschriebenen Artikel und die Einblicke in die Design Codes von Grand Seiko