Abgetaucht in die Grand Seiko Historie

Grand Seiko Evolution 9 Diver Spring Drive Ushio: Hohe Präzision mit Vorgeschichte

Bis 1977 reicht die Genese des auf Nachhaltigkeit bedachten Spring Drive-Systems bei Seiko und Grand Seiko zurück. Der Uhrenkosmos präsentiert die Taucher-Armbanduhr Grand Seiko Evolution 9 Diver Spring Drive Ushio und erklärt in diesem Zusammenhang auch die Hintergründe der Spring Drive-Technik

von | 28.07.2023

Grand Seiko Taucheruhr

Grand Seiko entwickelt sich stürmisch. Und das nicht zuletzt auch wegen der auf Vielfalt bedachten Modellpolitik. Zu den besonders ausdruckstarken Modellen gehört die Grand Seiko Evolution 9 Diver Spring Drive Ushio. Die gestalterische und technische Genese der neuen Taucher-Armbanduhr erfuhr das bekannt hohe Maß an Sorgfalt. Somit blieb dem Genossen Zufall blieb beim 43,8 Millimeter großen und 13,8 Millimeter hoch bauenden Titan-Zeitmesser mit inwändig entspiegeltem Saphirglas und Schraubkrone logischer Weise nichts überlassen.

Von selbst mag sich verstehen, dass die Taucheruhr hinsichtlich Wasserdichte, Handling und Ablesbarkeit den Kriterien der entsprechenden ISO-Norm gehorcht. Zum Tragen über einer Tauchermontur lässt sich die Faltschließe des dreireihigen Gliederbands verlängern. Abhängig von der Länge des Armbands bringt die Referenz SLGA023 es etwa 150 Gramm auf die Waage. In Stahl wäre sie deutlich schwerer.

Grand Seiko Evolution 9 Diver Spring Drive Ushio SLGA023 Titan

Grand Seiko Taucheruhr Evolution 9 Diver Spring Drive Ushio, SLGA023

Grand Seiko Evolution 9 Diver Spring Drive

Augenfälligstes Merkmal der 2023-er Grand Seiko Evolution 9 Diver Spring Drive Ushio Edition, Preis 12.300 Euro, ist die Farbe Blau im Gegensatz zum Schwarz der ein Jahr älteren Schwester.  Neben der natürlich nur einseitig verstellbaren Tauchzeit-Lünette mit kratzfestem Keramik-Inlay sticht vor allem das Zifferblatt ins Auge.

Bekanntlich lenkt Grand Seiko die Blicke gerne auf die japanische Kultur und Natur. Zu letztgenannter gehören auch die ausgedehnten Küstengebiete. Umspült werden sie vom Kuroshio-Strom, einer der weltweit ausgeprägtesten Meeresströmungen der Welt, sowie vom nährstoffreichen Oyashio-Strom. Dieses Faktum führt zu einem der artenreichsten Meeresgebiete überhaupt. In diesem Sinne spiegelt das auffallende Zifferblattmuster die dynamische Wellenbewegung der beiden Ströme wider.

Evolution 9 Diver Spring Drive

Evolution 9 Diver Spring Drive Ushio: Wellenmuster und Gangreserveanzeige des Spring Drive-Kalibers 9RA5

Vor der imposanten Scheibe mit Fensterdatum drehen sehr markante und damit bestens ablesbare Leuchtzeiger für Stunden und Minuten. Passend dazu füllt Grand Seiko auch die Indexierung des Zifferblatts mit reichlich LumiBrite-Leuchtmasse aus. Der Funktions- und Genauigkeitskontrolle dient eine Zentralsekunde.

Mit von der Partie ist bei „9“ schließlich auch noch eine Gangreserveindikation für das im Gehäuseinneren agierende Automatikwerk vom Kaliber 9RA5. Selbiges ist Mitglied der auf höchste Präzision getrimmte Spring-Drive-Familie, auf die ich später noch ausführlich eingehen werde. Der milde Hybrid verfügt über circa zehn Tage Gangautonomie und weicht monatlich nur ±10 Sekunden von der astronomischen Zeit-Norm ab. Die Symbiose aus traditioneller Mechanik und durchaus nachhaltiger Elektronik agiert hinter einem massivem Schraubboden.

Grand Seiko Evolution 9 Diver Spring Drive Ushio SLGA023 Rückseite

Massive Rückseite der Evolution 9 Diver Spring Drive Ushio, Referenz SLGA023

Grand Seiko Spring Drive Automatic 9RA5

Spring Drive Automatic 9RA5 mit 120 Stunden Gangautonomie

Langer Weg zum Erfolg

Spätestens jetzt verlangt die exklusive Spring-Drive-Technologie nach differenzierter Auseinandersetzung und Erläuterung. Ökologie wird hierbei in der Tat großgeschrieben. Und um die drehen sich die Dinge bei der federkraftgetriebenen Elektronik aus dem Land der aufgehenden Sonne. Deren Entwicklung gehorchte dem Motto, dass auch die Realisierung bestechender Ideen schlichtweg Weile braucht.

Yoshikazu Akahane , Erfinder der Spring Drive-Technik im Hause Seiko Epson

Die Spring Drive Technik geht bei Seiko auf den Ingenieur Yoshikazu Akahane zurück

1977 war es, als Yoshikazu Akahane eine Quarzuhr ohne chemisches Speichermedium für die elektrische Energie durch den Kopf schoss. Der für Seiko Epson tätigen Ingenieur dachte an eine Synthese aus der Langlebigkeit mechanischer Getriebeketten und der Präzision elektronischer Zeitmessung. Und das im Gehäuse einer Armbanduhr. Um sein Gedankengut verständlich zu machen, sprach der ambitionierte Erfinder von einem Radler, der mit konstanter Geschwindigkeit auf abschüssiger Straße fährt und dabei ein voraushoppelndes Kaninchen als Schrittmacher im Auge hat.

Indessen bereitete die technische Umsetzung der mit Metaphern einprägsam beschriebenen Idee zunächst einmal jede Menge Probleme. Nach mehreren Anläufen funktionierten 1982 erste Prototypen auf der Basis eines klassischen Seiko-Handaufzugswerks. Obwohl sie nur vier Stunden am Stück liefen, bekam das Projekt 1983 einen offiziellen Anstrich. Erklärtes Ziel waren zwei Tage Gangautonomie.

Seiko Epson Spring Drive Prototyp 1988

Seiko Epson Spring Drive Kaliber-Prototyp von 1982

Nicht aufgeben

Weil es im eigenen Haus an der dazu nötigen Kompetenz mangelte, bat das Management die Universität Tokio um technische Hilfestellung. Bedauerlicherweise waren die Resultate überaus enttäuschend. Deshalb wanderte die Angelegenheit 1984 mangels wegweisender Fortschritte fürs Erste zu den Akten.

Wichtige Impulse zum Weitermachen lieferten schließlich Erfahrungen aus dem 1988 eingeführten AGS, einem autogenerierenden System mit Rotor, Kondensator und konventionellem Quarzwerk. Auf dieser Grundlage entstand bis 1993 ein zweiter Prototyp mit zehn Stunden Gangautonomie. Eine noch höhere Leistung hätte extrem aufwändige Spulen bedingt, welche sich nicht zu akzeptablen Kosten industrialisieren ließen. Damit kam es 1994 zum zweiten Aus.
Doch Yoshikazu Akahane glaubte an seine Idee. Mit der Beförderung zum CEO der Seiko Uhrendivision fiel 1997 der Startschuss zum krönenden Abschluss des 1977 geborenen Gedankenguts.

Seiko Epson Spring Drive Prototyp Handaufzug 1993

Seiko Epson Spring Drive Prototyp-Kaliber mit Handaufzug, 1993

Auf diese Weise entstanden u.a. ein neuer, erstmals in Uhren verwendeter Mikrochip mit niedriger Spannung und äußerst geringem Energieverbrauch von 25 nW. Will heißen: Drei Milliarden Spring Drive-Uhren würden nicht mehr Strom konsumieren als ein einziger Laptop-Computer.

Im Rahmen der Basler Uhrenmesse 1998 präsentierte Seiko hinsichtlich des zeitbewahrenden Innenlebens beinahe serienreife Prototypen.

Seiko Spring Drive Prototyp 1998

1998 zeigte Seiko während einer Pressekonferenz in Basel diesen Armbanduhr-Prototyp mit Spring Drive-Handaufzug

Im folgenden Jahr 1999 gab es drei limitierte Editionen exklusiv für den japanischen Markt, Auflagen von 500, 300 und 100 Exemplare, ausgestattet mit den Handaufzugskalibern 7R68 oder 7R78. Deren Gangautonomie lag bei etwa 48 Stunden. Gemeint sind die Referenzen SBWA001 (Stahl), SBWA002 (Gold/Leder) bzw. GBLG999 (Credor Kal. 7R78, Platin/Leder).

Seiko Spring Drive Handaufzug 1999 SBWA001 Kaliber 7R68

Basler Uhrenmesser 1999: Seiko Spring Drive Handaufzug, Referenz SBWA001, Kaliber 7R68

Seiko Spring Drive Handaufzug 1999 SBWA001 Kaliber 7R68 mood

Seiko Spring Drive Handaufzug SBWA001, Kaliber 7R68, 1999

Danach war die komfortablere Automatik-Variante 9R65 mit 72 Stunden Gangautonomie nur noch eine Frage der Zeit. Ihre Stunde schlug im Jahr 2004 in Gestalt der sportiven Referenz SBGA001 mit 72 Stunden Gangautonomie.

Grand Seiko Spring Drive Automatic SBGA001 Kaliber 9R65

2004: Spring Drive Automatic, Referenz SBGA001

Grand Seiko Spring Drive Automatic SBGA001 RS Kaliber 9R65

Grand Seiko Spring Drive Automatic 1999. Hinter dem Sichtboden agiert das Kaliber 9R65

Als erste Komplikation machte 2007 der für unverbindliche 5.500 Euro erhältliche Grand Seiko Spring Drive Chronograph von sich reden. (Mehr interessante Grand Seiko Modelle stellen wir hier vor)

Grand Seiko Spring Drive Chronograph 2007 mit Kaliber 9R86

Erster Grand Seiko-Chronograph: Spring Drive-Kaliber 9R86, 2007

Grand Seiko Spring Drive Chronograph,  Automatikkaliber 9R86

Grand Seiko Spring Drive Chronograph, Automatikkaliber 9R86

Sein Automatikkaliber 9R86 mit integriertem Schaltrad-Stopper und praktischem Zeitzonen-Dispositiv besteht aus 416 Komponenten. Dazu gehören fünfzig funktionale Steine. Gerade einmal zehn Bauteile gehen aufs Konto der innovativen Regel-Elektronik. Quasi unverzichtbar war die vertikale Reibungskupplung, welche Seiko schon beim ersten Selbstaufzugs-Chronographen von 1969 verwendet hatte.

Grand Seiko Spring Drive Funktionsprinzip (C) Uhrenkosmos

Keine Hemmung, keine Unruh. Das Seiko Spring Drive System funktioniert mit einer quarzgesteuerten Magnetbremse

Grand Seiko Spring Drive Stator Rotor Zeichnung

Grand Seiko Spring Drive: Stator und Rotor

Grand Seiko Spring Drive Automatik Elektronik-Baugruppe

Elektronik Baugruppen der Grand Seiko Spring Drive: oben Platine mit integrierter Schaltung und Regelquarz, unten der Stator

Spring Drive

In Sachen Technik funktioniert beim Spring Drive-System zunächst einmal alles wie bei traditionellen mechanischen Uhrwerken. Eine hochelastische, natürlich Seiko-eigene Zugfeder namens Spron 510 speichert inzwischen Kraft für damals 72 Stunden Gangautonomie. Energienachschub liefern entweder einige Drehungen an der Krone oder die Rotationen der Schwungmasse.

Der 1959 erfundene Magic Lever, eine Art Exzenterwechsler bewirkt die Gleichrichtung der Rotordrehungen. Bemerkenswert ist die Aufzugsleistung mit einer beachtlichen Relation von 1:3,16 vorweisen. Will heißen, dass eine Stunde Aufzug eine Gangautonomie von mehr als drei Stunden bewirkt.

Grand Seiko Spring Drive Automatik Magic Lever

Grand Seiko Spring Drive Automatik mit dem Magic Lever

Grand Seiko Spring Drive Automatik Magic Lever Detail

Grand Seiko Magic Lever zur Polarisierung der Rotorbewegungen

Das anschließende Getriebe gehorcht gleichfalls überlieferten uhrmacherischen Gesetzen, indem es die langsamen Federhaus-Drehungen in schnellere, aber kraftärmere Rotationen umformt. Gleichförmig drehende Zeiger stellen die Zeit auf dem Zifferblatt dar. Auch der Selbstaufzug mit beidseitig wirkender Schwungmasse wirkt –wie üblich- auf das Federhaus. Allein beim Gangregler ist mit Spring Drive eine neue Zeitrechnung angebrochen. In mechanischen Uhrwerken unterteilen Ankerhemmung, Unruh und Unruhspirale die Zeit durch beständiges Schwingen in exakt definierte Abschnitte.

Grand Seiko Spring Drive Automatik Komponenten 2

Grand Seiko Spring Drive Automatik: Komponenten, rechts der Elektromagnet des Tri-Synchro-Regulators

Der Name von Seiko-Epsons intelligentem Tri-Synchro-Regulator resultiert aus der Tatsache, dass drei verschiedene Arten von Energie im Spiel sind:

– kinetische Energie, geliefert von der Zugfeder,

– aus der kinetischen Energie umgewandelte elektrische Energie zum Ansteuern des Quarzoszillators und drittens

– elektromagnetische Energie zum Betätigen der Zeiger-Ablaufbremse mit Hilfe von Magneten.

Im übertragenen Sinn könnte man auch von einer modernen Straßenbahn mit Wirbelstrombremse sprechen. Angetrieben von der Zugfeder bewegen sich ein kleines Gleitrad samt Magnet-Rotor konstant in einer Richtung. Dabei generiert das Duo unmittelbar Energie für die quarzgesteuerte elektromagnetische Bremse. Letztere sorgt für überaus gleichmäßigen Ablauf des gesamten Räderwerks und die sanft gleitende Bewegung des Sekundenzeigers, welche das kontinuierliche Verstreichen der Zeit perfekt simuliert.

Grand Seiko Spring Drive Automatic Explosionsdarstellung

Explosionsdarstellung einer Grand Seiko Spring Drive Automatic

Grand Seiko Spring Drive Federhäuser

Federhäuser für Grand Seiko Spring Drive-Kaliber

Grand Seiko Spring Drive Automatik Assemblage

Montage eines Spring Drive-Uhrwerks

Anfangs lag die Präzision bei ±15 Sekunden monatlich. Nur noch ±10 Sekunden weicht das Spring Drive Automatikkaliber 9RA5 monatlich von der astronomischen Norm ab. Und das Uhrwerk der neuesten Grand Seiko Taucheruhr Generation läuft sogar 120 Stunden am Stück. Alles wie gesagt, ohne jeglichen elektrischen Energiespeicher.

 

Grand Seiko Spring Drive Finissage Mastery Studio

Grand Seiko Spring Drive: Komponenten-Finissage im Mastery Studio

Grand Seiko Spring Drive Automatik 9R65A 2004

Grand Seiko Spring Drive Automatik, Kaliber 9R65A, 2004

Grand Seiko Spring Drive Automatic 9RA2 (C) Uhrenkosmos

Kaliber 9RA2 mit rückwärtiger Gangreserveanzeige

Grand Seiko Spring Drive Automatic 9RA5

Grand Seiko Spring Drive Automatik, Kaliber 9RA5mit Gangreserveindikation am Zifferblatt

Grand Seiko Spring Drive Chronograph Automatic 9R86

Schaltradkaliber 9R86 mit vertikaler Reibungskupplung

Kommentare zu diesem Beitrag

6 Kommentare

  1. Herr Brunner, ich habe jeden Moment Ihres Berichtes über die Spring Drive Technologie genossen. Ihre unfassbar breitgefächerte Expertise ist eine Wohltat in der heutigen Zeit, wo viele Berichte oberflächlich und schlecht recherchiert sind. Man nennt sie nicht umsonst ‚Uhrenpapst‘.

    Antworten
    • Gisbert L. Brunner

      1000 Dank für Ihre wunderbaren Worte. Sie haben mich sehr gefreut und motivieren mich, weiterhin mein Bestes zu geben. Alles Gute für Sie

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  2. Ein wirklich großartiger Bericht über eine Uhr. Dank Ihrem Beitrag bin ich heute dem Kauf einer Spring Drive näher als dem Kauf einer Omega. Kurzum. Ich bin schon seit einigen Jahren Träger einer Seiko allerdings in einem zivilisierten Preissegment. Seit heute werde ich diese Maxime überdenken. Vielen Dank für diesen klasse Beitrag.
    Gruß Matthias Sitzler

    Antworten
    • Gisbert L. Brunner

      1000 Dank für Ihre freundlichen Zeilen. Das motiviert uns sehr.

      Antworten
  3. Sehr geehrter Herr Brunner

    Wie Herr Matthias Sitzler bin ich Träger von bereits zwei Seiko-Uhren der gemäßigten Preisklasse.
    Auch mich hat diese Online-Präsentation des Modells beeindruckt. Darauf gestoßen bin ich allerdings
    durch die Interpretation zu Rolex-Vergleichsuhren von: UHRMACHER empfiehlt: 5 Uhren günstiger/
    besser als eine ROLEX | auf Youtube
    Die Spring-Drive-Technik inspiriert mich jedoch besonders mir auch ein solches Modell zulegen zu wollen.
    Allerdings werde ich dafür noch etwas Zeit benötigen. Herzlichen Dank.

    Beste Grüße von Rainer Herrmann

    Antworten
    • Wolfgang Winter

      Sehr geehrter Herr Herrmann,
      vielen Dank für das Feedback und den Hinweis.
      Und viel Glück bei der Suche nach einer Grand Seiko mit Spring Drive Technologie.

      Viele Grüße
      wolfgang winter

      Antworten

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