Deutsche Armbandchronometer
Im Unterschied zur Schweiz, wo offizielle zertifizierte Armbandchronometer fast schon zum guten Ton gehörten, bildete dieser Uhrentyp in Deutschland eher die Ausnahme. In einer Retrospektive stellt der Uhrenkosmos zwei durchaus rare Chronometer deutsche Provenienz vor: den Bifora unima Chronometer und den Laco Chronometer. Zuvor jedoch einige grundlegende Aspekte.
Nach den Bezeichnungs- und Prüfvorschriften des Bundesausschusses für Lieferbedingungen war ein Chronometer `eine Uhr, die eine den internationalen Normen oder Vorschriften entsprechende amtliche Prüfung bestanden und darüber ein amtliches Prüfungszeugnis erhalten hat. In Deutschland beschäftigten sich das Deutsche Hydrografische Institut in Hamburg und die Physikalisch-technische Bundesanstalt in Braunschweig mit ihrer Außenstelle, der Uhrenprüfstelle des Landesgewerbeamts in Stuttgart, mit der amtlichen Prüfung der Armbandchronometer. 1959 erkannte die internationale Chronometerkommission die deutschen Prüfbedingungen, welche ohnehin immer schon eng mit den schweizerischen und den französischen korrespondiert hatten, auch ganz offiziell an.
In den Bedingungen für die amtliche Prüfung von Armbanduhren, herausgegeben vom Landesgewerbeamt Baden-Württemberg, Uhrenprüfstelle, stand u.a. folgendes zu lesen:
Zur Prüfung sind alle Armband- und Taschenuhren zugelassen, die folgende Voraussetzungen erfüllen: Die Angabe des Herstellers (Fabrikmarke) muss an sichtbarer Stelle angebracht sein. Die Werknummer muss auf dem Werk deutlich lesbar eingraviert sein; eine Gehäusenummer kann außerdem angebracht werden. Es muss eine vollständige, mindestens von Minute zu Minute geteilte Skala für die Minutenablesung und eine vollständige, mindestens von Sekunde zu Sekunde geteilte Skala für die Sekundenablesung vorhanden sein. Bei Uhren mit Zentralsekunde können diese beiden Skalen zusammenfallen. Der Sekundenzeiger soll das Ablesen der Fünftelsekunden ermöglichen.
Der Zeitvergleich bei der Prüfung wird im Normalfall während vier aufeinanderfolgender Wochen durchgeführt und beginnt jeweils montags. Die Prüfung der Armbanduhren erfolgte während 15 Tagen in fünf Lagen bei den drei Temperaturen 4, 20 und 36 Grad Celsius.
Zum Erhalt eines Zertifikats mussten die eingereichten Uhren exakt definierte Prüfgrenzen einhalten. Uhren, welche die Werte der darin festgeschriebenen Klasse 1 erreichten, durften als „Chronometer mit besonders guten Gangleistungen“, diejenigen, welche die Werte der Klasse II erreichten, als „Chronometer mit guten Gangleistungen“ bezeichnet werden. Nur unter diesen Voraussetzungen war der Zifferblattaufdruck „Chronometer“ gestattet. Die Geschichte deutscher Armbandchronometer endete 1970. Nachdem die Marke Junghans, deren Signatur auf etwa 90 Prozent aller geprüften Uhren zu finden war, das Aus dieses relativ überschaubaren Geschäftsfelds beschlossen hatte, gab es keinen Grund mehr zur Fortführung der Aktivitäten.
Bifora unima
In Schwäbisch Gmünd produzierte die 1900 von Josef Bidlingmaier gegründete Uhrenmanufaktur Bifora eine breite Palette unterschiedlicher Zeitmesser. Zum Spektrum gehörten natürlich auch Armbanduhren mit manuellem oder automatischem Aufzug. Streckenweise galt das Familienunternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sogar als größter deutscher Uhrenhersteller. Die Quarz-Revolution in den 1970-er Jahren bekam Bifora jedoch alles andere als gut. Auf diesem Gebiet konnte die Traditionsmarke nicht wirklich punkten. So kam es 1984 durch Einstellung der Produktion zum Aus.
Beim Blick zurück in die Biographie der mittlerweile wederbelebten Marke Bifora sticht ein verkanntes Spitzenprodukt ins Auge. Gemeint ist der mit dem 12-linigen Handaufzugskaliber 120 ausgestattete unima Chronometer aus den späten 1950-er Jahren. 1975 lag er immer noch unverkauft bei einem Konzessionär. Schon damals fiel das Fehlen der Seriennummer einer Seriennummer am Uhrwerk auf. Der Grund dafür lässt sich leider nicht nachvollziehen.
Den Erwerb für reduzierte 70 Deutsche Mark oder umgerechnet rund 35 Euro verhinderte das Defizit jedenfalls nicht. Immerhin handelte es sich bei der seinerzeit schon nostalgisch anmutenden Armbanduhr um eine durchaus rare Angelegenheit. Genaue Zahlen liegen keine vor. Aber nach aktuellem Kenntnisstand dürfte Bifora jährlich etwa 100 Armbanduhren zur Chronometerprüfung eingereicht haben. Summa summarum liegt das Quantum bei gut 1.000 Exemplaren.
Übrigens verbaute Bifora das 28,2 Millimeter messende Top-Kaliber 120 auch ohne amtliche Prüfung. Eine Version mit kleiner Sekunde war ebenfalls erhältlich. Wie damals noch vielfach üblich, vollzieht die Glucydur-Schraubenunruh stündlich moderate 18.000 Halbschwingungen. Für grundsätzlich hohe Ganggenauigkeit sorgen beispielsweise aufwändige Trompetenzapfen bei der Welle des Gangreglers. Auf dem Unruhkloben ist eine langgestreckte Schwanenhals-Feinregulierung für den Rücker zu erkennen. Der Antrieb des zentralen Sekundenzeigers erfolgt außerhalb des Kraftflusses.
Mit 34 Millimetern entsprach der Gehäusedurchmesser den damals bei Herrenuhren üblichen Dimensionen. Das Gehäusemittelteil besteht aus verchromtem Metall, der Boden aus Edelstahl. Über dem Zifferblatt und den Zeigern wölbt sich ein Plexiglas. Als absolute Spitzenprodukte waren die Bifora unima Chronometer auch mit massivem 14-karätigem Goldgehäuse erhältlich.
Laco Chronometer
Besagte Gehäusemaße gelten auch für einen Laco Chronometer aus der gleichen Epoche. Allerdings besteht die Schale in diesem Fall komplett aus Edelstahl. Etwa 35 Jahre zuvor, exakt 1925 konnte das Gewerbeamt in Pforzheim, dem auf Expansion bedachten Mekka der deutschen Schmuckindustrie, die Gründung eines neuen Uhrenbetriebes namens Laco verzeichnen. La stand für Erich Lacher, und hinter der Co verbarg sich sein Kompagnon Josef Hummel.
Lange währte das unternehmerische Bündnis jedoch nicht. Schon Anfang der 1930-er Jahre, möglicherweise unter den Vorzeichen der heraufziehenden Weltwirtschaftskrise, trennten sich die beiden wieder. Lacher nahm das Ruder alleine in die Hand. Er führte den Firmenverbund, der aus der Uhrenfertigung Lacher & Co. (Laco) sowie der Rohwerkefabrikation Durowe (Deutsche Uhren Rohwerke) bestand, durch die Krisen jener Zeit in eine Blütephase. In den 1940-er und 1950-er Jahren erreichte sie ihren damaligen Höhepunkt. Aus der Laco‑Durowe‑Produktion, welche primär Taschen‑ und Armbanduhren umfasste, erlangten u.a. die großen Flieger‑Armbanduhren Bekanntheit. Ausgestattet waren sie mit dem 22-linigen Kaliber D 5.
Auf Sammlerinteressen stoßen aber auch Armbandchronometer. Auf diesem Gebiet spielten deutsche Uhrenproduzenten ab den 1950-er Jahren keine gewaltige, aber doch eine nicht zu unterschätzende Rolle. 1950 durchliefen in Deutschland weniger als 100 Armbanduhren ein amtliches Prüfverfahren. Demgegenüber brachte es die Schweiz auf etwa 30.000 Exemplare. 1956 kletterte die Zahl in Deutschland auf rund 10.000 Stück. Im Nachbarland Schweiz standen die Zähler bei ca. 80.000. Der Löwenanteil deutscher Armbandchronometer stammte von Junghans in Schramberg.
Deutlich seltener war das, was Laco ab 1955 für präzisionsbewusste Kunden lieferte. Zwei Jahre präsentierte die Firma das 13-linige Kaliber Durowe 630 mit knapp 29,5 Millimeter Durchmesser, wiederum 2,5 Hertz Unruhfrequenz und direkt angetriebener Zentralsekunde. Dieses deutsche Handaufzugswerk tickt im abgebildeten Armbandchronometer. Die Seriennummer findet sich auf der Platine unterhalb der Unruh. Mit von der Partie ist eine speziell ausgeführte Feinregulierung für den Rücker.
Bei Laco führte die Übernahme durch den amerikanischen Stückzahlgiganten Timex im Jahre 1959 zum schrittweisen Aus der Präzisionsuhrenfertigung. Geld hatte sich damit nämlich nur wenig verdienen lassen. Am 1. September 1965 gelangte Durowe unter das Dach des Schweizer Rohwerkegiganten Ebauches S.A. (die ganze Geschichte der Ebauches S.A. finden Sie hier.)
Lacher & Co. sowie Laco behielten ihre Firmennamen. Wie auch bei Bifora zeitigte die Quarz-Revolution negative Folgen für Laco. Das Unternehmen geriet in Vergessenheit, musste 2009 Insolvenz anmelden und kehrte 2010 zurück in die Szene.
Fazit
Zugegeben: Mit 34 Millimetern Durchmesser besitzen die beiden deutschen Bifora unima und Laco Chronometer nicht mehr jene Dimensionen, welche aktuelle Herrenuhren kennzeichnen. Folglich schauen sie an kräftigeren Handgelenken etwas „verhungert“ aus. Den Reiz dieser Oldtimer mindert das nicht, denn sie gehören zur Crème de la Crème dessen, was die deutsche Uhrenindustrie hervorgebracht hat.
Im Gegensatz zu den recht gut verfügbaren Junghans Chronometern sind gut erhaltene Pendants von Bifora und Laco durchaus selten. Entsprechend hoch sind die Preise, denn unter 1.000 Euro sind sie kaum zu bekommen. Mehr Infos zu Bifora gibt es beim Bifora Freundeskreis e.V.
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