Uhrmacher aus Passion
Die Manufaktur Roger Dubuis feiert 2025 das Jubiläum 30 Jahre Roger Dubuis. Anlass genug zurückzublicken auf die nicht unbedingt lange, dafür aber reichlich bewegte Firmenbiographie, welche untrennbar mit Monsieur Roger Dubuis verbunden ist. Wer ihm in den frühen 1990er-Jahre prophezeit hätte, dass sein Name eines Tages hochfeine und -komplizierte Armbanduhren zieren würde, wäre von dem bescheidenen Uhrmacher sicher laut ausgelacht worden. Wie viele kompetente Meister seines Fachs zeichnete er sich eher durch persönliche Zurückhaltung denn durch großspuriges Auftreten aus. Großes Publikum mochte er ebenso wenig wie die glitzernde Welt des internationalen Jet-Sets.
Zeitlebens war dasn Metier von Roger Dubuis der chronometrische Mikrokosmos, in dem präzise gefertigte und intelligent miteinander kombinierte Metallteile der stetig und gleichförmig fließenden Zeit ein tickendes Antlitz verleihen. Dazu brauchte Roger Dubuis im Grunde genommen keine Claqueure, keine neugierigen Zuschauer, kurzum: eigentlich gar keine anderen Menschen. Traditionsbewusste Uhrmacher wie er waren sich eigentlich selbst genug und werkelten am liebsten allein in ihrem Atelier. Irgendwann, wenn alles richtig funktionierte, gelangten die Resultate ihres Schaffens dezent an die Öffentlichkeit. Aber manchmal laufen die Dinge dann aber doch ganz anders.

Wie andere Uhrmacher auch hatte der 1938 im abgeschiedenen Corbeyrier, Kanton Waadt, Geborene seinem Vater in dessen Atelier viele Stunden bei der Arbeit zugeschaut. Das festigte die Gewissheit, diesen Beruf ebenfalls ergreifen zu wollen. Ergo startete der 15-Jährige 1953 seine Ausbildung als Absolvent Nummer 208 an der Genfer Uhrmacherschule. Vier Jahre später war das erste Ziel erreicht. Neun Jahre lang arbeitete er danach in der Kundendienstabteilung von Longines, bevor er 1966 zu Patek Philippe wechselte und sich dort bis 1980 intensiv mit Komplikationen beschäftigte.



Seine nicht unbedingt üppige Entlohnung besserte Roger Dubuis durch die Reparatur und Restaurierung kleiner und großer Zeitmesser auf. Mit diesem Metier machte er sich 1980 durch die Einrichtung eines eigenen Ateliers selbständig. Daneben entstanden auch uhrmacherisch anspruchsvolle Kadraturen. 1977, also inmitten der durch die große Quarzkrise gekennzeichnete Dekade, gehörte Roger Dubuis zu den Gründern von Le Groupement Genevois des Cabinotiers.
Der Zusammenschluss erfahrener Meister ihres Fachs engagierte sich für die Bewahrung überlieferter Handwerkskünste und die entsprechende Weiterbildung junger Graveure, Goldschmiede, Edelsteinschleifer und natürlich auch Uhrmacher. Das von gegenseitiger Achtung, Geselligkeit, Zusammenhalt und auch Freundschaft geprägte Miteinander entsprach voll und ganz dem Naturell des Genfers.

Weg zur Manufacture Roger Dubuis SA
Als Intermezzo in der Karriere von Roger Dubuis lässt sich die Kooperation mit Jean-Marc Wiederrecht und seiner Frau Catherine-Esther bezeichnen. Das Miteinander führte zur Gründung der kleinen Firma P.M.E. Die drei Buchstaben stehen für Placide, den in seinen Kindheitstagen als Pfadfinder erworbenen Spitznamen von Roger Dubuis, Marc und Esther.

Gemeinsam entwickelte das Trio aufwändige Mechanismen, darunter auch patentierte retrograde Zeitanzeigen. 1983/84 machte das System Biretrograde mit rückspringenden Zeigern zur Darstellung von Wochentag und Datum erstmals von sich reden. Zur Basler Uhrenmesser 1989 entstand für Harry Winston eine Armbanduhr mit ewigem Kalender und retrograden Anzeigen von Wochentag und Datum. Es handelte sich um die weltweit erste ihrer Art und verkörperte nach Aussagen von Roger Dubuis „einen völligen Bruch mit der üblichen Symmetrie herkömmlicher Modelle.“

Der wichtigste Schritt in die berufliche Zukunft erfolgte am 19. Mai 1995, dem Hochzeitstag von Roger Dubuis. Nicht zuletzt wegen der Kreation für Harry Winston hatte sich sein umfassendes Talent herumgesprochen und schon gegen 1993 den erfolgreichen portugiesischen Unternehmer Carlos Dias auf den Plan gerufen. Im Genfer Ortsteil Carouge entstand die gemeinsame Société Genevoise des Montres, kurz SOGEM SA, welche ihre Produkte mit Roger Dubuis signierte.
Die beiden Gründerpersönlichkeiten, zu denen sich als stiller Partner noch der Syrer Akram Aljord gesellte, brachten unterschiedliche und sich ergänzende Aspekte ein: Roger Dubuis seine umfangreiche Erfahrung in der Arbeit mit mechanischen Zeitmessern und breites Wissen über alte europäische Uhrmachertraditionen, Carlos Dias Geschäftssinn, Enthusiasmus, Unternehmergeist und Risikobereitschaft.

Von eigener Manufaktur war damals noch keine Rede. In den Gehäusen tickten zugekaufte Werke wie beispielsweise das hochwertige Chronographenkaliber Lémania 2310 mit Schaltradsteuerung, horizontaler Räderkupplung und 2,5 Hertz Unruhfrequenz. Biretrograd-Module von P.M.E. werteten das Ensemble auf. Nachdem Jean-Marc Wiederrecht 1996 das Atelier Genevois d’Horlogerie (AGENHOR) ins Leben gerufen hatte, zeichnete dieses ab 1998 für technische Entwicklungen verantwortlich.

Von Anbeginn legte Roger Dubuis größten Wert auf das imageträchtige Genfer Siegel, dessen hohe qualitative Messlatte den Uhrmacher schon während seiner Zeit im Haus Patek Philippe beschäftigt und fasziniert hatte. Diese Punze verkörperte für den ambitionierten Uhrmacher und Unternehmer eine elementare Voraussetzung in die Welt des Luxus und die damit verknüpfte obere oder gar höchste Preiskategorie.
Rückblickend bemängelte Roger Dubuis die nicht immer optimale Präzision der verbauten Komponenten. Für ihn bedeutete ein Hundertstelmillimeter Abweichung bei Komponenten für komplizierte Kalenderwerke schlichtweg eine uhrmacherische Katastrophe.


Am Anfang steht die Hommage
1996 debütierten runde, ganz bewusst im Retro-Stil gehaltene Armbanduhren namens Hommage. Die verschiedenen Ausführungen zum Beispiel des Biretrographe mit dem 2310 der Nouvelle Lémania beschränkten sich jeweils auf 28 Stück. Dieses Quantum, welche keine Limitierung im üblichen Sinn, sondern vielmehr Exklusivität zum Ausdruck bringen sollte, kam natürlich nicht von ungefähr. Es leitete sich ab von besagter Studentennummer 208 an der Genfer Uhrmacherschule und der Tatsache, dass Roger Dubuis die 8 als Glückszahl betrachtete. Sie führten zu Editionen von 8, 28 oder 88 Exemplaren.
Nachdem die damals gebräuchliche Version des Genfer Siegels kein Reglement hinsichtlich der zu erzielenden Ganggenauigkeit beinhaltete, schickte Roger Dubuis einen Teil der fertigen Uhren in die französische Uhrenmetropole Besançon. Am 1882 gegründeten Observatoire National de Chronométrie stellten sie ihre hohe Ganggenauigkeit unter Beweis, was ein entsprechendes Zertifikat bestätigt. Eben jene Hommage gehörte zu den Lieblingsstücken von Roger Dubuis, wie der Uhrmacher zu Lebzeiten einmal bekannte:
Ich selbst trage immer meine alten Teile, die klassischen. Mein Lieblingsmodell ist die Hommage. Dem Designer ist etwas Wunderbares gelungen. Ich liebe dieses Stück. Das hat sehr emotionale Gründe. Am Anfang war ich ‚Roger Dubuis Horloger Genevois’: Roger Dubuis, Genfer Uhrmacher. Ich habe alle meine Studien in Genf gemacht, meine ganze Karriere, ich habe das Genfer Siegel, ich wollte immer ein Genfer Produkt. Und das Gehäuse der Hommage ist das typische Genfer Gehäuse. Ich liebe diese Form.

Das Rund der Hommage erinnerte und erinnert daran, dass frühe tragbare Uhren stets derartige Schalen besaßen. In diesem Sinne betrachtete es Roger Dubuis förmlich als seine Pflicht, der klassischsten aller Gehäuseformen seine Reverenz zu erweisen. Folglich verbeugte er sich mit der Hommage seinen eigenen Worten nach vor den Uhrmachern der Vergangenheit, vor den renommierten ebenso wie vor den öffentlich namenlos gebliebenen. Seiner Meinung nach hatten alle ihren Anteil an der Genese mechanischer Räderuhren.

Sympathie und andere Armbanduhren
Eben jene Hommage entdeckten Zeit-Genossinnen und -Genossen mit einem Blick fürs Besondere 1997 erstmals in zwei kleinen Vitrinen des Genfer Salon International de la Haute Horlogerie (SIHH). Ein eigener Stand war Roger Dubuis jedoch aus Platzgründen verwehrt geblieben. Sympathie, die zweite Kollektion setzte einen echten gestalterischen Kontrapunkt.
1998 schützte das quadratische Gehäuse mit kunstvollen, aber durchaus auch eigenwillig geschwungenen Kanten einen Handaufzugschronographen mit ewigem Kalender und horizontal angeordneten Indikationen für Wochentag und Datum. Beide in retrograder Form. Für denjenigen, dem der Ausdruck gerade entfallen ist: Bei dieser Anzeige wandern die jeweiligen Zeiger über ein Kreissegment. Am Ende der Skala angekommen, springen sie blitzschnell in ihre Ausgangsposition zurück.

Nach der Vorstellung der Sympathie mit ewigem Kalender und zwei retrograden Indikationen wuchs ihm diese ebenfalls so sehr als Herz, dass er die Ausführung mit champagnerfarbenem Zifferblatt sehr oft am Handgelenk trug.

Daneben läuteten 1998 zwei eigene Uhrwerke den Manufakturstatus von Roger Dubuis ein: Das aus 225 Komponenten assemblierte Chronographen-Handaufzugskaliber RD 28 mit 24,25 mm Durchmesser, 5,05 mm Bauhöhe, Schaltradsteuerung, Kronendrücker und 30-Minuten-Zähler. Hinzu gesellte sich das RD 9S gleichfalls mit manuellem Aufzug und dazu einem Minutentourbillon, welches anschließend zahlreiche Uhrenmodelle beseelte.

Im gleichen Jahr erhielt Roger Dubuis nach intensiven Bemühungen endlich einen Messestand beim renommierten SIHH. Dieses freudige Ereignis zelebrierte die Manufaktur durch die Präsentation von mehr als 100 Neuheiten. Dazu gehörte die bereits 1997 angedachte und in ihren Grundzügen auch schon konzipierte Kollektion MuchMore.


Ihr Auftritt erinnerte an die legendären Roaring Twenties des 20. Jahrhunderts. Das auf Individualität bedachte, ergonomisch gewölbte und in fünf Größen verfügbare Rechteckgehäuse sorgte auf Anhieb für Furore. Bestes Zeichen für gelungenes Design: Nachahmungen ließen nicht lange auf sich warten. 1999 stand im Zeichen einer Umbenennung der nunmehr vier Jahre alten Firma in Manufacture Roger Dubuis S.A.

Auch beim 2000er SIHH wartete Roger Dubuis mit einer ganzen Reihe neuer Modelle auf, darunter eine neue Generation von Uhren mit biretrogradem ewigem Kalender. Das Tourbillon dieses Typs verfügte über mehr als 100 Stunden Gangautonomie. Aufsehen erregte ferner die verblüffende Kollektion Too Much. 2001 stand schließlich im Zeichen einer kontinuierlichen Steigerung der Fertigungstiefe zur Erlangung größerer Unabhängigkeit von externen Zulieferern.


Manufakturgebäude vom Feinsten
2002 zelebrierten Roger Dubuis und Carlos Dias die Einweihung des nach modernsten Aspekten gestalteten und eingerichteten Fabrikgebäudes im Genfer Vorort Meyrin. Die Errichtung und Ausstattung der lichtdurchfluteten Fabrikationsstätte hatte rund 30 Millionen Schweizerfranken verschlungen. 2003 gesellt sich direkt nebenan ein zusätzlicher Gebäudekomplex hinzu. Maschineller Höhepunkt war das eigens für die MRD entwickelte Fertigungszentrum Modell 5000 der Société Genevoise d’Automates de Physique (SIP), Stückpreis 1,2 Millionen Schweizerfranken.


Mit Fug und Recht konnte die neue Fertigungsstätte als markanter Wendepunkt in der kurzen, aber dynamischen Firmengeschichte betrachtet werden. Den weiteren Weg in die Zukunft skizzierte auch die Kollektion GoldenSquare vor. Das leicht gewölbte Gehäuse in den Dimensionen 34, 40 oder 43 mm beeindruckte ebenso wie beispielsweise das Manufakturkaliber RD 29, welches Uhrmacher aus 240 Einzelteilen montierten.
Das Basis-Automatikwerk steuerte unterschiedliche Module an, darunter auch eines mit gleich drei retrograden Anzeigen für Stunden, Minuten und Datum. Dieses schützte das erste von vielen späteren Patenten des Unternehmens.


2004 brachte Roger Dubuis in Gestalt der Sympathie EasyDiver ihre erste Sport Activity Watch mit Titanschale und Tourbillon auf dem Markt. Sportlich präsentierten sich auch die kantigen Modelle Aqua Mare und Sea More.


Und ab 2005 beschäftigten sich Handwerker bei Roger Dubuis mit der überlieferten Art kunstvoller Skelettierung.

Richemont übernimmt
2007 beschäftigte das Unternehmen rund 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der 70-jährige Roger Dubuis selbst war zu diesem Zeitpunkt nach Differenzen mit Carlos Dias und seinen Mitstreitern allerdings nicht mehr dabei. Seine Philosophie und die in nur zwölf Jahren erreichte Größe hatten einfach nicht mehr zusammengepasst und 2005 zur Trennung geführt. Damals bedauerte er es sehr, seinen Namen zehn Jahre zuvor verkauft zu haben.

40 Prozent der hergestellten Uhren verfügten im Jahr 2007 über eine wie auch immer geartete Komplikation. In diesem Zusammenhang besaßen Tourbillons schon damals einen besonderen Stellenwert. Die im gleichen Jahr lancierte Excalibur Ex 45 01 mit dem 16-linigen Kaliber RD 01 brachte gleich zwei fliegend montierte und per Differenzial miteinander gekoppelte Drehgestelle.

Im September besagten Jahres kaufte die Manufacture Genevoise de Haute Horlogerie SA, eine hundertprozentige Tochter der Richemont Gruppe, die Produktionsstätte für mikromechanische Komponenten. Am Status der Marke Roger Dubuis änderte sich vorerst nichts. Mit dieser Übernahme wanderten rund 200 Personen auf die Gehaltsliste des neuen Arbeitgebers. Im Paket befanden sich ferner das unübersehbare Gebäude, etwa 120 Produktionsmaschinen der neuesten Generation und ein Spektrum von 28 unterschiedlichen Kalibern.
Allerdings, und auch das gilt es ehrlich zu bekennen, erwies sich nur ein Teil davon als wirklich zukunftstauglich. Am 11. August 2008 verkündete die Richemont SA schließlich den Erwerb von 60 Prozent der Manufaktur Roger Dubuis. Der Rest verblieb bis 2016 beim Minderheitsaktionär Akram Aljord. Diese Transaktion ergab Sinn, denn deren gleichermaßen markante wie unkonventionelle Produkte deckten schon damals ein völlig anderes Marktsegment ab, als die anderen Maisons des Luxuskonzerns. Nach gründlichen Aufräum- und Optimierungsarbeiten konnte die Manufaktur Roger Dubuis in eine strahlende, von uhrmacherischer Exotik geprägte Zukunft starten.

Ikone namens Excalibur Spider
Mit dem Neubeginn unter Richemont-Ägide gewannen augenfällig skelettierte Uhrwerkskonstruktionen zunehmend an Bedeutung. Deren Optik erinnert spontan an filigrane Spinnweben, weshalb der Begriff Spider im Zusammenhang mit den markanten Excalibur-Modellen auf jeden Fall Sinn ergibt.
Im Gegensatz zur traditionellen Skelettierung entsteht die durchbrochene Struktur jedoch bereits im Zuge der Entwicklung entsprechender Kaliber. Bei der Konstruktion achten die Techniker strikt auf perfekte Kongruenz der tragenden Teile, in deren Lager sich das Räderwerk bewegt. Natürlich geht optimaler Durchblick nicht zulasten der Stabilität dieser lichten Strukturen, über die der Uhrenkosmos schon oft berichtet hat. Hier gibt es mehr dazu zu lesen.

2011 kehrte Monsieur Roger Dubuis als eine Art Gallionsfigur in nicht-operativer Funktion wieder zur Manufaktur zurück.
Ich bin sowohl glücklich als auch bewegt, mich in den Mauern dieses Unternehmens wiederzufinden, dem ich alles samt meinem Namen gegeben habe, und das Projekt der Erneuerung dieses bemerkenswerten Hauses zu begleiten.
Durch die Rückkehr wurde dem 2017 verstorbenen Mitgründer jene Ehre zuteil, welche ihm und seinem Lebenswerk definitiv gebührt. Sein Name wird für immer und ewig weiterleben, denn Uhren mit der Signatur Roge Dubuis sind aus der Uhrenszene schlichtweg nicht mehr wegzudenken.


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