Die Sache mit der Wasserdichtigkeit von Uhren ist im Grunde genommen schon ein ziemliches Ärgernis. Denn wie oft stehen die Nutzungsrichtlinien der Uhrenhersteller im Widerspruch zur angegebenen Wasserdichtigkeit auf dem Gehäuseboden oder den Papieren der Uhr. Insbesondere bei Uhren, die nicht speziell für das Tauchen entwickelt wurden, will man daher den eingravierten Angaben der Hersteller nicht trauen.
Ich habe mich deshalb in der profunden Vorbereitung auf diesen Artikel mit einer Vielzahl unterschiedlicher Experten unterhalten. Diese kannten das Problem aus ihrer täglichen Arbeit in Servicezentren, Auktionshäusern und aus der Bewertung von Wasserschäden. Außerdem habe ich mit den Uhrenmarken Nomos und Tudor, sowie mit METAS gesprochen, einer der wenigen wirklich unabhängigen Stellen, die Uhren zertifizieren.
Ein weiterer Gesprächspartner war ISO, die International Organization for Standardization, die in den 1980er Jahren die Kriterien für die Zertifizierung von Taucheruhren und die Prüfung der Wasserdichtigkeit von Nicht-Taucheruhren festgelegt hatte und deren Standards in aktualisierter Form bis heute als Leitlinie dienen. Und zu guter Letzt habe ich mich mit einer überraschenden Studie beschäftigt, die vieles des Gesagten über die Wasserdichtigkeit von Uhren in einem ganz neuen Lichte erscheinen lässt und mir zeigt, dass das Problem nicht zuletzt bei den Uhrenmarken liegt.
Denn Sie alle kennen die alte Ente vom „dynamischen Druck“, also die Vorstellung, dass die Bewegung unter Wasser einen extrem hohen „dynamischen Druck“ erzeugt, der Ihre Uhr auf eine Weise gefährdet, wie es der „statische Druck“ nicht tut. So wurde mir auch mit Bestimmtheit gesagt, dass eine 30-Meter-Wasserdichtigkeit Bewertung nur bedeutet, dass eine Uhr spritzwassergeschützt ist, weil die Uhr nicht wirklich im Wasser getestet wurde.
Ebenso sagt man mir, dass man mit einer Uhr, die für 100 m Tiefe ausgelegt ist, nicht tauchen kann. Es sei denn, es handelt sich um eine zertifizierte Taucheruhr. Mir wurde überdies und ernsthaft gesagt, dass die Angabe in atm nicht bedeutet, dass eine Uhr diesem Druck tatsächlich standhalten kann. Und so weiter und so fort. Ganz zu schweigen, vom großen Unsinn, der auf Foren und in den sozialen Medien zu lesen ist. Zeit, manches richtigzustellen.
Nicht richtig informiert
Bevor Sie nun den Kopf schütteln – ich meine es ernst. Wir alle sind meist falsch informiert. Einschränkend ist allenfalls ein wichtiger Artikel von Andrea Martel zu erwähnen, die vor wenigen Wochen in der NZZ (leider hinter der Bezahlschranke) eine Story über die Wasserdichtigkeit von Uhren schrieb. Sie unterstreicht meine Aussage. Denn im Artikel bestätigt keine geringere Autorität als der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH), dass viele Hinweise und Herstellerangaben völliger Unsinn sind. Denn der Uhrenverband schafft dahingehend Klarheit, als der bestätigt, dass eine Uhr, die als wasserdicht, étanche oder wasserfest deklariert ist, kann problemlos zum Duschen, Schwimmen oder Schnorcheln getragen werden kann.
In der NZZ-Geschichte heißt es weiter:
„Wenn ein Hersteller eine Uhr als wasserdicht bezeichnet, kann er im Garantiefall nicht behaupten, er habe dem Kunden empfohlen, die Uhr beim Schwimmen abzunehmen. Die Fédération Horlogère wird in Kürze eine Informationskampagne starten, um ihre Mitglieder und die Öffentlichkeit besser über dieses Thema aufzuklären.“
Ich verstehe, dass niemand von der FH direkt für die NZZ-Geschichte zitiert werden wollte. Aber ich kann es kaum erwarten, diese Informationskampagne zur Wasserdichtigkeit der Uhren zu sehen und die Verrenkungen zu beobachten, die Marken und Experten gleichermaßen anstellen werden, wenn sie lang gehegten Positionen und vorangegangenen Aussagen aufgeben.
Schwammige Aussagen zur Wasserdichtigkeit
Um das Problem zu verstehen, ist ein Blick in die Vergangenheit notwendig. Als Rolex 1926 das Oyster-Gehäuse entwickelte – wir haben darüber berichtet, bezeichnete das Unternehmen es als die erste wasserdichte Uhr der Welt. Nur stimmt das nicht.:
Wie es der Zufall will, hat Jose Perez, der Betreiber der Website perezcope.com, gerade in einer pointierten Kritik an Nick Foulkes, dem Autor der von Rolex autorisierten Geschichte der Rolex Submariner II, profund dargelegt, dass diese Aussage falsch ist.
Uhrmacher wie Tavannes, Waltham und Depollier stellten bereits deutlich vor Rolex wasserdichte Uhren her. Es gab auch einen Gehäusemacher namens Borgel, der bereits 1911 die Grundprinzipien des Oyster-Gehäuses entwickelt hatte.
Wasserdichte Uhren
Mir geht es jedoch nur um die Aussage „wasserdicht“. Denn insbesondere in den 1940er- und 50er-Jahren gab es eine Vielzahl leichtfertiger Werbeaussagen, in denen auch für recht bescheidene Uhren eine Wasserdichtigkeit angepriesen wurde. Dies führte dazu, dass in den 1960er Jahren die Federal Trade Commission (FTC), Amerikas Wettbewerbsbehörde, gegen die missbräuchliche Verwendung von „proof“-Beschreibungen durch Uhrenhersteller vorging. Sei es gegen das „proof“-Ausloben von Wasserdichtigkeit, Stoßfestigkeit wie anderen physikalischen Eigenschaften der Superlative.
Das strenge Vorgehen wie die Bedeutung des US-Marktes führte so dazu, dass zunächst FTC-konforme Formulierungen verwendet wurden und zu guter Letzt aus Gründen der Einheitlichkeit und Einfachheit weltweit die gleichen Formulierungen verwendet wurden.
Angaben zur Wasserdichtigkeit
So kam das Thema auch in meinem Gespräch mit Tudor zur Sprache, da sowohl Tudor wie Rolex und Tudor stets den Begriff, „wasserdicht“ statt „wasserfest“ verwenden. Wobei sich die Marken natürlich an die Vorschriften des jeweiligen Marktes halten müssen, auf dem sie tätig sind.
An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass Rolex, obwohl man bei mit den historischen Behauptungen geschummelt hat, in der realen Welt so ziemlich den besten, um nicht zu sagen, einen absolut wasserdichten Ruf hat! Dies gilt auch für Rolex Vintage-Uhren, die sich gut in ihren ursprünglichen Zustand der Wasserdichtigkeit zurückversetzen lassen. Wie es ebenso wahr ist, dass auch moderne Rolex Stahluhren, sind deren Dichtungen einmal hinüber, keinen Schutz gegen eindringendes Wasser bieten.
So gilt letztendlich der schlichte Grundsatz, dass wenn auf einer Uhr eine Wasserdichtigkeit von 30 m Wassertiefe, respektive 3 atm steht, es unbedeutend ist, mit welchen zusätzlichen Hinweisen die Uhr versehen wird. Die Uhr hat der Angabe und dem damit verbundenem Druck zu widerstehen. Was zumindest der von der Federation Horlogerie in Richtung NZZ getätigten Aussage entspricht.
Herstellerhinweise zur Wasserdichtigkeit
Dagegen könnte man nun natürlich einwenden, warum dann noch nie jemand eine Uhrenmarke wegen irreführender Angaben verklagt hat, wenn dies offensichtlich so ist? Dafür gibt es gute Gründe: Für die meisten Menschen wären die Kosten einer solchen juristischen Vorgehens im Vergleich zum entstandenen Schaden zu hoch.
Selbst im Falle einer Jacob & Co. Opera Godfather zum Verkaufspreis von 400.000 Euro mit Ihrer Wasserdichtigkeit von 30 Meter Tiefe, bei der man einen Prozess in Betracht ziehen könnte, wäre dies wenig sinnvoll. Die Marke wäre wahrscheinlich in der Lage, sich auf ihren vorbeugenden Rat zu berufen, die Uhr trotz der Wasserdichtigkeit von 30 Meter vor dem Schwimmen auszuziehen. Zusammen mit einem Team guter Anwälte sollte das wahrscheinlich ausreichen. Aber das sind alles Hypothesen.
Die Wahrheit über die Wasserdichtigkeit von Uhren und warum diese Beschwerden nicht häufig auftreten, hat jedoch mit eben jener Angabe der Wasserdichtigkeit zu tun: Denn Uhren mit einer Einstufung von 30 m oder 50 m Wasserdichtigkeit sind in Wirklichkeit meist leistungsfähiger, als ihre Hersteller angeben. Die Einschränkungen der Angaben dienen nur zur Absicherung der Uhrenhersteller für den Fall der Fälle.
Unschärfe
Stellt man sich nun die Frage, warum eine Branche wie die Uhrenindustrie, die so sehr auf Präzision und Genauigkeit bedacht ist, sich in puncto Wasserdichtigkeit solch umständlicher und vager Aussagen bedient, nennen vielen Experten zwei, sehr schweizerischen Eigenheiten als Gründe: Die Risikoscheu und den Wunsch nach Exzellenz.
Es deutet vieles darauf hin, dass in den 1990er Jahren, als Uhren zu Luxusgütern wurden, der Zeitraum gewesen sein muss, als die konservative Einstufung „spritzwassergeschützt“ als Angabe der Wasserdichtigkeit Einzug hielt. Was konträr zu Vintage-Ara stand, in der Marken das meinten, was sie auf das Zifferblatt schrieben.
So erwähnte ein Fachmann in einem Gespräch, dass Blancpain seine Taucheruhr „Fifty Fathoms“ deshalb so taufte, weil man fest daran glaubte, dass dies die größte Tiefe sei, die man jemals erreichen müsste. Auch Rolex zeigte mit dem Zifferblatthinweis 50 m = 165 ft auf der Rolex Datejust von 1953, dass man kurz nach Einführung der Twinlock-Krone, die angegebene Wasserdichtigkeit bis zur angegebenen Tiefe garantierte.
Interessanterweise fallen die ungenauen Angaben genau mit der Zeit zusammen, in der Institute wie ISO erstmals verbindliche Vorgaben für die Wasserdichtigkeit machten. Die Wasserdichtigkeit von Uhren ist nämlich verblüffend einfach durch Spezifikationen und notwendige Fähigkeiten zu beschreiben. Einschränkend muss man allerdings darauf hinweisen, dass eine stoßfeste Uhr zwar eine nahezu unendlichen Anzahl von Stößen standhalten kann, solange diese Erschütterungen innerhalb von Grenzen liegen. Die Wasserdichtigkeit einer Uhr aber alles andere als unveränderlich ist.
Wasserdichtigkeit ist keine Konstante
Der Knackpunkt der Wasserdichtigkeit von Uhren ist, dass ihre Wasserdichtigkeit nur zu dem Zeitpunkt garantiert ist, zu dem die Uhr eingeschalt und getestet wird. Ab diesem Zeitpunkt nimmt ihre Dichtigkeit stetig ab. Wie schnell oder wie langsam die Wasserdichtigkeit abnimmt, ist eine Variable, die der Hersteller nicht kontrollieren kann.
Entsprechend sehen sich Uhrenhersteller gezwungen, in ihren Empfehlungen unglaublich konservativ zu sein. Denn die Materialien, die die Wasserdichtigkeit einer Uhr ausmachen, sind bei weitem nicht so widerstandsfähig, wie der Rest der Uhr. Gummi, egal wie ausgeklügelt die Gummimischung auch ist, ist potenziell anfällig für Temperatur, Lösungsmittel, Säuren, Salze, in Wasser gelöste Schleifpartikel – und viele weitere Faktoren.
Selbst wenn man seine Uhr im Schrank liegen lässt, verliert sie nach und nach ihre Wasserdichtigkeit. Noch schlimmer sieht es laut Vintage-Experten bei alten Uhren aus. Ihre Dichtungen ähneln häufig der schwarzen, körperlosen und seifigen Masse der Venom-Filme.
Die Liste der Einflussfaktoren ist riesig. Wobei in aller Regel kein einziger der obengenannten Störfaktoren das zerstörerische Kryptonit für Ihre Uhr ist. Aber wiederkehrende externe Belastungen untergraben die Wasserdichtigkeit Ihrer Uhr. Und Uhrenhersteller können diese schlecht vorhersehen.
Womit wir zum nächsten, gravierenden Problem kommen – den empfohlenen Wartungsintervallen. Wir alle kennen Menschen, die ihre Uhren viel seltener als empfohlen warten. Normalerweise ist das kein Problem. Aber wenn bei Ihrer Uhr ein Problem auftritt und Sie sich im Recht fühlen und reklamieren. Wie lautet dann die erste Frage, die der Hersteller stellen wird? „Wann haben Sie sie das letzte Mal die Uhr warten lassen, Sir?“
Uhrenmarken haben deshalb zwei Möglichkeiten: Sie können wenig versprechen oder viel konstruieren. Womit wir ausreichend über das knappe Versprechen der Uhrenhersteller gesprochen haben. Stattdessen können wir uns dem Thema der Wasserdichtigkeit von Uhren auch von einer anderen, technischen Seite nähern.
Taucheruhrennorm ISO 6425
Wenn Sie bis schon mal einen Artikel über Wasserdichtigkeit gelesen haben, kennen Sie wahrscheinlich die internationale Norm für Taucheruhren ISO 6425. Dieses Dokument wurde zuletzt 2018 aktualisiert. Allerdings wird diese Taucheruhren-Norm offenbar immer noch nicht von allen verstanden. So stößt man häufig auf die Ansicht, dass eine Wasserdichtigkeit von 100 m für eine echte Taucheruhr nicht „ausreicht“. Es handelt sich hier um schlichte Unkenntnis, denn die ISO-Norm erachtet diese Tiefen- und Druckangabe durchaus als ausreichend.
Offenbar scheint vielen auch nicht klar zu sein, worum es bei der Norm ISO 6425 geht und worum nicht: Ausschlaggebend ist nicht nur die Wasserdichtigkeit einer Taucheruhr. Vielmehr gehören zu einer ausgewiesenen Taucheruhr, die die ISO Norm erfüllen soll, weitere wichtige Aspekte, wie eine gute Ablesbarkeit im Dunkeln, eine drehbare Taucherlünette, eine Laufzeitanzeige und einige andere Vorgaben zu Stoßfestigkeit etc.
Wenn Sie nur eine Uhr mit einer Wasserdichtigkeit von 100 m Wassertiefe oder mehr herstellen, dann dürfen Sie zwar bis 100 Meter wasserdicht auf das Zifferblatt oder den Gehäuseboden Ihrer Uhr drucken. Aber wenn diese Uhr keine Leuchtmasse, keine drehbare Lünette oder nur eine kleine Sekunde hat, dann ist die Norm ISO 6425 nicht erfüllt und es handelt sich trotz erfüllter Wasserdichtigkeit um keine Taucheruhr.
ISO 6425 Zertifizierung
Ein weiterer vielerorts gänzlich missverstandener Punkt betrifft die ISO 6425 Zertifizierung. So wird eine sogenannte ISO-zertifizierte Taucheruhr nicht individuell darauf geprüft, ob die Uhr wirklich wasserdicht ist und auch alle sonstigen Anforderungen der Norm ISO 6425 erfüllt. Vielmehr handelt es sich um eine ungeprüfte Aussage, dass die Leistungswerte und Konstruktionsmerkmale der Uhr der ISO 6425 für Taucheruhren entsprechen. Was der Fall sein kann, aber nicht muss.
METAS
Will man also eine echte Zertifizierung und nicht das machen, was die Uhrenindustrie in 99 von 100 Fällen tut, nämlich die eigenen Hausaufgaben zu bewerten, ist hierfür eine unabhängige Stelle, wie z.B. das Prüfinstitut METAS damit zu beauftragen. So verweist man seitens METAS nicht ohne Stolz auf die eigene Unabhängigkeit, etwa bei der Verwaltung der Master-Chronometer-Zertifizierung.
Weniger verbreitet scheint es, dass die gemeinsam mit Omega entwickelte METAS Master Chronometer Zertifizierung, deren Hauptkriterien Genauigkeit und magnetische Widerstandsfähigkeit sind, auch einen Wasserdichtigkeitstest umfasst. Kurioserweise legt die METAS Wasserdichtigkeit jedoch keine bestimmte Messgröße als Wasserdichtigkeit fest. Vielmehr überprüft METAS lediglich, ob die Angabe der Wasserdichtigkeit des Uhrenherstellers korrekt ist.
Wasserdichtigkeit ISO 22810
Die Testverfahren zur Wasserdichtigkeit richtet METAS hierbei an der ISO-Norm aus. Nicht an der einfachen ISO-Norm 6425, sondern an der umfassenderen Norm für Wasserbeständigkeit – der Vorgabe ISO 22810 (das vollständige PDF finden Sie hier). Diese Norm ist viel umfassender als ISO 6425. Sie wurde 1984 eingeführt, also zwei Jahre nach ISO 6425. Beide Standards wurden mehrmals aktualisiert, und heute stützt sich die Norm ISO 6425 bei der Festlegung grundlegender Protokolle zur Wasserbeständigkeit auf ISO 22810.
Was die notwendige Wasserdichtigkeit betrifft, so schreibt die ISO 22810 Norm vor, dass eine Uhr, um als „wasserdicht“ gekennzeichnet zu werden, ein Eintauchen in Wasser bei einem Druck von mindestens 2 bar überstanden haben muss. Um mit einer bestimmten Tiefen- oder Druckstufe gekennzeichnet zu werden, muss die Uhr zusätzlich in einer Tiefe von 10 cm in Wasser eingetaucht und dann dem auszuweisenden Druckniveau ausgesetzt worden sein.
ISO 22810 schreibt außerdem vor, dass Uhren durch abwechselndes Eintauchen in 40 Grad und 20 Grad warmes Wasser einen leichten Temperaturschock aushalten sollen. Ebenso müssen wasserdichte Uhren einen Aufenthalt in seichtem Wasser, d. h. in einer Tiefe von 10 cm und ohne Überdruck, eine Stunde lang überstehen. Überdies müssen die Uhren einer Kraft von 5 N standhalten, die ohne weiteren Überdruck, aber unter Wasser auf Krone und Drücker ausgeübt wird.
War es damit mit dem trockenen Dokument über die ISO 22810? Leider nein. Denn in Abschnitt 3.1 der Norm heißt es zwar: „Jede wasserdichte Uhr muss die folgenden Anforderungen erfüllen“ – also die beschriebenen einzelnen Tests. Aber laut ISO gilt die Prüfanforderungen der ISO 22810 nicht für jede einzelne produzierte Uhr. Vielmehr reichen Stichprobenprüfungen des Herstellers. Wie hoch der Prozentsatz der Stichproben ist, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Insgesamt kein sehr befriedigender Zustand, meine ich.
Erste Erkenntnisse
Fasst man die unterschiedlichen Punkte zusammen, so lässt sich Folgendes festhalten:
Es gibt historische Vorbilder, die regelmäßige Wartung vorausgesetzt genau so leistungsfähig sind, wie sie behaupten.
Trotz der Einführung zweier, recht präziser ISO-Norm-Dokumente in den frühen 1980er Jahren, wird die Situation in den Folgejahren unklarer. Wobei die ISO-Standards, sollten Uhren vom Hersteller als wasserdicht bezeichnet werden, bei Einhaltung der Standards bei der Herstellung, die erforderliche Wasserdichtigkeit im Neuzustand aufweisen sollten.
Außerdem gibt es Prüfinstitute wie METAS, die messen und bestätigen, dass eine Uhr, wenn sie zertifiziert wird, die angegebene Funktion erfüllt.
Und schließlich gibt es wie immer das große Internet, voller Verwirrung, Fehlinformationen und mancher Halbwahrheit.
Wasserdichtigkeit von Uhren
Und trotz des aufgeführten, etwas unbefriedigenden Zustands bin ich sehr zuversichtlich. Warum? Nun, es hat viel mit der Tatsache zu tun, dass es vor 14 Jahren tatsächlich zwei Ingenieure, Fabien Blondeau und Pierre-Alain Vuille, die für ETA arbeiteten, auf sich nahmen, die vielen vorherrschenden Fehlinformationen und Halbwahrheiten zu entkräften.
NZZ-Autorin Andrea Martel bezieht sich wie folgt auf ihre Analyse:
„In der Zusammenfassung der Veröffentlichung heißt es: „Sie (die Tests) zeigen, dass in all diesen Situationen die tatsächlichen Belastungswerte der Uhr unter den Mindestkriterien liegen, die von der ISO 2281 (Vorgänger der ISO 22810) gefordert werden. Die Tests widersprechen den bisher allgemein veröffentlichten Informationen.“ Mit anderen Worten: Die Prüfung einer Uhr bei 2 bar, also 20 Meter, reicht aus, um sie für alle Wasseraktivitäten (außer Tauchen) sicher zu machen.
Der vollständige Text des Berichts von 2007, er wurde auf dem Internationalen Kongress für Chronometrie vorgestellt, lässt sich nachlesen. Ich musste ihn zwar aus dem Französischen übersetzen, also nehmen Sie ihn nicht zu wörtlich, aber die darin geäußerte Faktenlage ist eindeutig.
Die Autoren, Fabien Blondeau und Pierre-Alain Vuille, schrieben:
„Aufgrund unserer Markterfahrung und unseres physikalischen Verständnisses können wir bestätigen, dass es tatsächlich möglich ist, mit einer Uhr, die als „wasserdicht bis 30 m“ gekennzeichnet ist, bis zu 30 Meter tief zu tauchen.“
Der Test, den die beiden ETA-Ingenieure vornahmen, betraf zwar nur die Druckfestigkeit, also nicht die Korrosion oder andere Nebeneffekte, die durch den Kontakt mit Flüssigkeiten entstehen können. Die Uhren wurden jedoch mit Sensoren an den Seiten, der Vorderseite und der Rückseite ausgestattet und in den folgenden Szenarien getestet: Schwimmen, Poolspielen, Gerätetauchen, tägliche Aktivitäten mit Wasserkontakt (Wasserhahn, Duschen, Wasserschlauch) und Springen wie Tauchen aus einer Höhe zwischen einem und zehn Metern ins Wasser.
Die Wahrheit über Wasserdichtigkeit
Die von den Ingenieuren gewonnenen Ergebnisse waren erstaunlich. Hier einige der wichtigsten Erkenntnisse:
Es wurde festgestellt, dass das Spielen und Planschen in einem Swimmingpool eine Uhr einem Aufpralldruck aussetzen können, der dem Eintauchen in 4 bis 5 m Wassertiefe entspricht.
Beim Eintauchen ins Wasser entsteht ein Druckstoß von bis zu 1,5 bar, was einer Tiefe von 15 m entspricht. Es wurde außerdem dabei festgestellt, dass „die dynamischen Belastungen, denen die Uhr während der Umweltveränderung ausgesetzt ist, nicht einfach durch eine Äquivalenz des statischen Drucks simuliert werden können“. Aber Fans des Mythos vom dynamischen Druck sollten sich die Höhe des erzeugten Drucks vor Augen führen: Der genannte Druck liegt in aller Regel weit unter der Wasserwiderstandsfähigkeit einer Uhr.
In Bezug auf das Gerätetauchen heißt es in der Studie: „Diese Aktivität findet immer bei langsamen Geschwindigkeiten statt, daher ist der dynamische Aspekt vernachlässigbar.“ Der Bericht enthält auch ein Foto des Testtauchers, der die beiden Testuhren in einer Tiefe von 30 m trägt.
In seiner Schlussfolgerung hält sich der Bericht gleihwohl ein wenig zurück, vielleicht in Anbetracht ihrer Rolle als Ingenieure der Uhrenindustrie, die eine Studie durchführen. Entsprechend vorsichtig stellten sie final fest: „Es ist die Aufgabe der Marken, anzugeben, ob eine bestimmte Aktivität in den Nutzungsbereich einer bestimmten Uhr fällt. Ebenso die Garantiebedingungen sowie die Vorsichtsmaßnahmen festzulegen, die der Kunde ergreifen muss, um die Qualität seiner Uhr über einen längeren Zeitraum zu erhalten.“
Aber sie sagen auch: „Die in der Norm ISO 2281 vorgeschriebenen Basistests bei 2 bar oder 20 Metern decken alle gängigen Aktivitäten und Situationen in aquatischen Umgebungen ab“, und schließen mit der Aussage – ich formuliere hier etwas freier –, dass alles, was ein Mensch aushalten kann, eine Uhr mit einer Einstufung von 30 m und mehr mit Sicherheit auch aushält.
Was lässt sich daraus lernen
Die Studie ging davon aus, dass eine Uhr, die gemäß ISO 2281 (wie sie damals genannt wurde) für eine Tiefe von 20 m ausgelegt war, die ISO-Tests bestanden hatte. Die Studie sollte überdies zwei Dinge widerlegen:
Erstens, dass eine 30-Meter-Bewertung für den Einsatz im und unter Wasser unzureichend ist.
Zweitens, dass Aktivitäten des realen Lebens einen weitaus größeren Druck auf eine Uhr ausüben würden als ein statischer Labortest, der, wie so viele Menschen behaupten, den Unterschied zwischen einer Laborbewertung von 30 Metern und der tatsächlichen Verwendbarkeit ausmacht.
Meiner Meinung nach war die Studie in beiden Punkten erfolgreich war.
Wenn Sie mich nun fragen, warum die vorliegenden Ergebnisse nichts an den vorherrschenden branchenweiten Empfehlungen geändert haben, kann ich nichts dazu sagen. Außer der gewonnenen Erkenntnis, dass einmal angelernte Risikoscheu ein zu starker Impuls ist, um ihn im Nachhinein zu korrigieren.
Fazit
Sie sollten sich, alle Informationen im Hinterkopf behaltend, künftig sorgsam um ihre Uhr und die Pflege der Wasserdichtigkeit kümmern. Außerdem müssen Sie auch nicht gleich losziehen, um mit Ihrer Minutenrepetition mit angegebener 20-Meter-Wasserdichtigkeit einen kühnen Sprung ins Wasser zu wagen.
Aber es wäre durchaus zu begrüßen, wenn Sie, der Kunde, die Entscheidung darüber, wie stark Sie Ihrer Uhr dem feuchten Element aussetzen, künftig auf der Grundlage zutreffender und genauer Angaben der Uhrenhersteller treffen könnten, die diese Uhren herstellen und verkaufen.
Damit würde sich vielleicht wenig an unserem Verhalten im echten Leben ändern – schließlich sind wir fast alle Schreibtischtaucher. Aber es würde Klarheit in eine wässrige Informationslage bringen und Uhrenliebhaber in die Lage versetzen, ihre Entscheidung rational und verantwortungsvoll zu treffen.
Meinen englischsprachigen Blog Fourth Wheel finden Sie übrigens hier.
Interessanter Artikel, danke!
Ich habe unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
Eine Raymond Weil die ständig undicht war, und laut Juwelier doch sowieso alle zwei Jahre zum Service muss, und die man in feuchtem Umfeld auf keinen Fall tragen darf.
Sowie eine Citizen EcoDrive, die mich seit 2002 bei unzähligen Tauchgängen begleitet hat, und nach über 20 Jahren letztes Jahr das erste mal zum Akkuwechsel war. Bei der wollte ich die Dichtungen das erste mal gewechselt haben, diese sind leider nicht mehr lieferbar. Deshalb wurden die alten Dichtungen wieder eingebaut, und seit dem war sie auch wieder mit mir tauchen.
🙂