Hans Wilsdorfs Weg von Kulmbach nach La Chaux-de-Fonds
Über den Wert von Marketingaktionen oder Produktbezeichnungen kann man trefflich streiten. So ist Rolex sicher eine schöne, intuitive Marke. Bei der Produktbezeichnung Rolex Oyster wird es schon schwieriger. Am Ende zählt jedoch stets das Ergebnis.
Einer der dieses schwierige Metier Marketing nachweislich vorzüglich beherrschte, war der Rolex Gründer Hans Wilsdorf. Was viele nicht wissen, Wilsdorf wurde am 22. März 1881 im eher ländlichen oberfränkischen Ort Kulmbach geboren. Lange hielt er es in seiner bayerischen Heimat bekanntlich nicht aus. Nach dem Abitur und dem Abschluss einer kaufmännischen Lehre im nahe gelegenen Bayreuth zog es den 19-Jährigen in die Schweiz. In Genf arbeitete Hans Wilsdorf dabei zunächst kurz bei einem Perlenhändler, bevor es ihn weiter ins Jura trieb. Diese Region, seiner fränkischen Heimat landschaftlich nicht unähnlich, war zwar ärmlich, hatte aber eine prosperierende Uhrenindustrie. Dessen Zentrum war La Chaux-de-Fonds und hier fand Wilsdorf einen Job bei einem erfolgreichen Uhrenexporteur Cuno Korten. Der zahlte dem sprachenkundigen jungen Mitarbeiter immerhin 80 Franken monatlich für die Erledigung der Korrespondenz in Englisch und die Besorgung allgemeiner Büroarbeiten.
Zudem hatte Wilsdorf allerdings auch täglich mehrere 100 Uhren aufzuziehen und deren Gang zu kontrollieren. Mit diesen Uhren erlöste Cuno Korten einen für damalige Verhältnisse ungeheuren Umsatz von jährlich mehr als 1 Million Franken. Dieser Umsatz und die daraus resultierende Gewinnspanne mit keineswegs selbst produzierten Uhren faszinierte Wilsdorf ungemein. Denn der Aufwand schien überschaubar. Die Lieferanten der Handelsware saßen ja alle im nahen Deutschland, Frankreich und in der Schweiz. Der Moment war gekommen und Hans Wilsdorf sah seine Chance.
London und Innovationen – das war die Basis des Wilsdorf Erfolgs
Wilsdorf zog es nach London und ab 1903 begegnete man dem 22-Jährigen in London. London war zur damaligen Zeit ein führendes Zentrum des Handels, der Produktion, der Kultur und des Sports. Der junge Kulmbacher spürte dieses Ambiente und wollte sich selbständig machen. Weil ihm während einer Schiffsreise allerdings sein beträchtliches Erbteil von 33.000 Deutschen Goldmark entwendet wurde, musste er eine Anleihe bei seinen beiden Geschwistern nehmen und den deutlich älteren Alfred James Davis als Geschäftspartner akzeptieren. Ein ausgemachter Filou, wie sich später zeigen sollte.
1905 startete der Uhrenhandel Wilsdorf & Davis seine Aktivitäten. 1908 war es dann soweit. Wilsdorf ließ sich für seine Zeitmesser einen gleichermaßen wohlklingenden wie einprägsamen Namen schützen: Rolex. Es war ein Kürzel für jenen „rolling export“ nach England, den sein Schweizer Uhrenlieferant Aegler ab 1905 praktizierte. Trotz aller Qualität dauerte es allerdings nicht weniger als 19 Jahre, bis Wilsdorfs Erzeugnisse ausnahmslos die Signatur „Rolex“ auf Zifferblatt, Werk und Gehäuse trugen. Ab dem Jahr 1925 förderte er auch die Bekanntheit seiner Marke durch gezielte Werbeaktionen.
Wilsdorf kann jedoch die Nachteile der damaligen Uhren. Bereits 1923 hatte der ambitionierte Uhr-Unternehmer ein Patent auf ein hermetisch verschlossenes Uhrengehäuse mit innen liegendem Werkscontainer erworben. Die Entwicklung stammte vom Schweizer Fabrikanten Francis Baumgartner, besaß jedoch einen gravierenden Nachteil: Zum Spannen der Zugfeder musste der Glasrand abgeschraubt werden. Dem pragmatischen Nichttechniker waren auch die Probleme elastischer Dichtmaterialien aufgefallen. Deshalb suchte er weitere Lösungen, idealerweise eine rein mechanische Konstruktion.
Eine exklusive Innovation für die Rolex Oyster
Der ganz große Erfolg begann für Rolex mit der genialen Erfindung aus dem Jahr 1925. Georges Ulysse Perret und Paul Perregaux hatten in der Schweiz eine mit dem Gehäusemittelteil verschraubte Krone ersonnen. Das passte genau in Wilsdorfs Konzept. Er erwarb diese Idee und stellte am 21. September 1926 den Antrag auf Patentierung eines verschraubten Gehäuses. Am 18. Oktober ließ er sich die Schraubkrone rechtlich schützen. Wasserdichtigkeit war bis dahin stets der größte Feind der Uhren und entsprechend groß war der Innovationssprung der neuen Technik. Die Erfindung basierte dabei auf drei Faktoren:
- Ein hermetischer Gehäuseverschlusses durch wasserresistentes Verschrauben der Einzelteile gegeneinander
- Ein neues, formschlüssiges, genau passendes Glas aus synthetischem Material
- Eine dicht abschließende Aufzugs- und Zeigerstellkrone.
Parallel zur Uhr hatte Rolex neuartige Prüfapparate entwickelt, mit deren Hilfe man selbst winzige 0,5 Milligramm schwere Wassertropfen in den Gehäusen augenblicklich feststellen konnte. Wilsdorf überlegte nicht lagen und fand den dafür passenden Namen. „Oyster“ verkörperte die Idee ideal und bildete die beste Voraussetzung für einen echten Welterfolg. Nicht genug damit – Wilsdorf wusste um die Kraft der Bilder und Botschaften. Entsprechend suchte er nach einem großen Auftritt für die neue Rolex Oyster.
Die große Chance für die robuste und wasserfeste Rolex Oyster „Auster“ kam schnell. Am 7. Oktober 1927 begleitete sie Mercedes Gleitze bei ihrem Versuch, den Ärmelkanal in Weltrekordzeit zu durchqueren. Was die junge Londoner Stenotypistin nicht schaffte, gelang der Rolex Oyster problemlos. Sie hielt 15 Stunden, 15 Minuten im Meer trockenen Uhrwerks durch und tickte hinterher, als wäre nichts geschehen. Das war Hans Wilsdorf eine flächendeckende Anzeige auf dem Titelblatt der Londoner Daily Mail wert. Der einmalige Auftritt vor mehr als zwei Millionen Lesern am 24. November 1927 kostete die gewaltige Summe von rund 25.000 Euro. Aber er war sein Geld wert und die Rolex Oyster mit einem Schlag bekannt!
Verkaufen, verkaufen, verkaufen
Die Bekanntheit war da, nun begab sich Rolex auf die Suche nach geeigneten Konzessionären. Klar, dass die wasserdichte Rolex Oyster nur den jeweils besten Fachhändlern angeboten wurden. Damit die Passanten den sensationellen Newcomer auch tatsächlich adäquat wahrnahmen, offerierte Wilsdorf kleine patentierte Aquarien für die Schaufenster. Darin konnte eine „Auster“ unbeeindruckt von staunenden Goldfischen die exakte Zeit zeigen. Das war Marketing wie es vorher kaum vorkam.
Über den Point of Sale hinaus ersann Rolex aber auch Anzeigenmotive, die die geniale Aquarium-Idee weitertrugen.
Die gezeigte einprägsame Kampagne erstreckte sich bis in die 1930-er Jahre. Das abgebildete Inserat erschien 1936 auf der Rückseite des Schweizer Branchenblatts „Journal Suisse d’Horlogerie“, bei dem Rolex sozusagen Stammkunde war.
Diese Vorliebe für Magazin-Rückseiten ist bis heute geblieben. Ebenso wie der außerordentliche Erfolg der Rolex Oyster – gut zu sehen beim Run auf die neue Rolex Oyster Perpetual Submariner 124060.
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