Armbanduhren und die Sekunde
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts startete die langsame aber stetige Entwicklung der Armbanduhr zum Volks-Zeitmesser. Frühe, oftmals mit einfachem Zylinderwerk ausgestattete Exemplare, welche sich hauptsächlich an technisch weniger interessierte Frauen wandten, besaßen nicht nur keine kleine Sekunde, sondern hatten oft überhaupt keinen Sekundenzeiger.
Für viele Fachhändler war das ihrer Überzeugung nach auch gar nicht nötig. Die Vorliebe für Armbanduhren betrachteten sie eher als Verirrung des weiblichen Geschmacks. Schließlich dominierten zu Beginn des Jahrhunderts noch die Taschenuhren und das Handgelenk wurde ob seiner exponierten Position als unpassendster Ort zur Befestigung einer Uhr angesehen.
Das Übel mangelnder Ganggenauigkeit sei für die auf dem Gebiet der Unpünktlichkeit dominierenden Frauen auch nicht sehr groß, so lautete die irrige Meinung, deshalb müssten Frauen die Uhrzeit ohnehin nicht sekundengenau ablesen können.
Weil Frauen im Alltag jedoch konkreten Bedarf an einer Sekundenanzeige hatten, gab es gegen 1915 auch schon Damen-Armbanduhren mit Zentralsekunde. Adressatinnen waren z.B. Krankenschwestern, welche mit Hilfe des Sekundenzeigers die Pulsfrequenz ihrer Patienten feststellten.
Zu den frühen Protagonisten der Präzisions-Armbanduhr zählte zweifellos Hans Wilsdorf. Eine kleine Sekunde war für den Rolex-Gründer daher ein Muss. Ab den 1930-er Jahren gehörte sie zumindest bei Herrenarmbanduhren zum guten Ton. Und zwar aus zwei Gründen: Einmal gestattete der Sekundenzeiger die Überprüfung der Ganggenauigkeit. Zum anderen diente er als unübersehbare Funktionskontrolle. Seine unentwegte Rotation überzeugten auch Skeptiker.
kleine Sekunde
In jener Epoche spielten rechteckige Gehäuse mit Formwerk und kleiner Sekunde die überragende Rolle. Manche Fabrikanten offerierten aber auch schon Armbanduhren mit Zentralsekunde.
Nachdem es noch keine speziell konstruierten Uhrwerke mit Zentralsekunde gab, verlangte die mittige Anzeige nach zusätzlichem Aufwand. Ähnlich der horizontalen Räderkupplung beim Chronographen leitete ein Rädersatz die Kraft ins Zifferblatt-Zentrum. Wie auch beim Stopper bewirkte eine kleine Friktionsfeder möglichst ruckfreie und gleichförmige Drehbewegungen.
Zentrale Sekunde
Zunehmende Beliebtheit führte dazu, dass ab Mitte der 1930-er Jahre mehr und mehr Werkehesteller ihre Basiskaliber mit kleiner Sekunde mit einer indirekten Zentralsekunde ausstatteten. Logischer Weise kostete der Antrieb außerhalb des eigentlichen Kraftflusses Kraft. Das wiederum beeinträchtigte sie Unruh-Amplitude und den Isochronismus.
Zu Beginn der 1940-er Jahre beschäftigten sich die Konstrukteure daher verstärkt auch mit direkt angetriebener Zentralsekunde.
Zukunftsweisende Kaliberfamilie der Eta
In Gestalt des Handaufzugskalibers 1080 präsentierte der Rohwerkefabrikant Eta 1944 ein wegweisendes Uhrwerk. Seine Bedeutung für die Produktpalette unterstreichen die 22-jährige Produktionsdauer und und die immense Menge von knapp sechs Millionen Exemplaren der Kaliberfamilie, zu der u.a. auch das größere 1081 und Versionen mit anhalt- aber nicht nullstellbarem Sekundenzeiger gehörten. Durch Addition einer beidseitig wirkenden Schwingmasse entstand 1950 die 5,9 mm hohe Version 1256 Etarotor.
Mit früheren Handaufzugswerken hatte das von Heinrich Stamm und seinem Team völlig neu konstruierte Eta 1080 nur noch wenig gemein. Die üblichen Brücken und Kloben suchte man vergebens. An ihre Stelle trat rückwärtig ein signifikanter dreieckiger Räderwerkskloben. Ferner montierten die Uhrmacher unter dem Zifferblatt einen Minutenrad-Kloben.
Der Antrieb des Minutenrads direkt vom Federhaus und die gleichfalls direkt angesteuerte Zentralsekunde entwickelten sich in den 1950-er Jahren quasi zum Standard. Beim ansonsten baugleichen Kaliber 1081 wuchs der Durchmesser von 23,3 auf 26,6 Millimeter. Auf dem gleichen Konstruktionsprinzip basierte beispielsweise die 1945 lancierte Kaliberfamilie 1100 mit 26,6 Millimetern Durchmesser.
Die Ausstattung mit 17, 19 oder 21 funktionalen Steinen, die Art des Rückermechanismus und die Dekoration des Uhrwerks definierten die jeweiligen Eta-Kunden.
Im dritten und letzten Teil dieser Geschichte geht es um aktuelle Automatik-Armbanduhren mit Eta-/Sellita-Kalibern und kleiner Sekunde.
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