Kaliber Eta 2892

Vom Automatik Kaliber Eterna 1466U zum Automatik Kaliber Eta 2892

Zweifellos gehört das Kaliber Eta 2892 zu den am längsten produzierten und deshalb auch am meisten verbreiteten Automatikwerken eidgenössischer Provenienz. Seine Geschichte reicht zurück bis ins Jahr 1961, als Heinrich Stamm das Eterna Automatik Kaliber 1466 U entwickelte. So entstand eines der erfolgreichsten Eta Kaliber.

von | 05.01.2021

Die Geschichte vor der Geschichte

Wer sich intensiv mit dem Automatikkaliber Eta 2892 beschäftigt, stößt irgendwann ganz zwangsläufig auf Heinrich Stamm. Von 1938 bis 1939 leitete der 1898 geborene Uhrentechniker eine staatliche Schweizer Institution für langjährig arbeitslose Uhrenarbeiter.

Nach der Auflösung des besagten Berufslagers startete die eigentliche Karriere von Heinrich Stamm am 16. Dezember 1939 bei der Eta SA. Hierbei handelte es sich um die 1932 zwangsweise in die Ebauches SA eingegliederte Rohwerke-Fabrikation der 1856 gegründeten Eterna SA. Im Auftrag des mächtigen Eterna-/Eta-Chefs Dr. Rudolf Schild-Comtesse entwickelte Heinrich Stamm hier in rascher Reihenfolge bemerkenswerte Mechanik-Kaliber.

Zu seinem nachhaltigen Schaffen gehörten neben der effizienten Eta-Verzahnung die im Jahr 1948 vorgestellte Eterna-Matic mit Kugellagerrotor.

Wegen seines Einfallsreichtums und seiner hohen technischen Kompetenz trug Heinrich Stamm bei Eterna und Eta den Spitznamen Daniel Düsentrieb. Als quasi unverzichtbarer Mitarbeiter konnte er es sich durchaus leisten, dem allgewaltigen Chef zu widersprechen. Und das geschah auch mit schöner Regelmäßigkeit. 

Bereits in der ersten Eterna-Matic von 1948 mit den 5,35 mm hohen Kalibern 1198 (Durchmesser 20,9 mm) und 1199 (Durchmesser 23,12 mm, abgeschrägte Kanten) steckten mit dem Kugellagerrotor und dem Klinken-Gleichrichter zur Nutzung der Rotorbewegungen in beiden Drehrichtungen bereits Elemente, welche sich auch im Kaliber Eta 2892 wiederfinden.

Einen weiteren Schritt in Richtung dieses Uhrwerks verkörperte das 13-linige Automatikkaliber 1429U (Durchmesser 29, Höhe 4,5 mm). Es debütierte 1956 in der zum 100. Eterna Geburtstag vorgestellten Centenaire.

Die Ur-Mutter des Kalibers Eta 2892

Auf Anraten von Heinrich Stamm, der seine Gedanken zum Selbstaufzug 1976 wörtlich und bildlich in zwei unveröffentlichten Broschüren „Die automatische Uhr“ festgehalten hat, erteilte Dr. Rudolf Schild-Comtesse 1961, also vor exakt 60 Jahren die Order zu Entwicklung eines ultraflachen Automatikwerks. Und bei diesem Eterna-Matic Kaliber 1466U handelte es sich um das eigentliche Ur-Kaliber des Kalibers Eta 2892.

Mit einer Bauhöhe von nur 3,6 Millimetern inklusive springendem Fensterdatum markierte die 1963 lancierte Armbanduhr Eterna-Matic 3000 Dato in der Tat einen echten Superlativ. Nie zuvor hatte es ein derart flaches Kaliber mit Zentralrotor und Fensterdatum gegeben. Bereits am Premierentag stellte man oft die Frage, ob es sich um einen Trick oder sagenhafte uhrmacherische Raffinesse handelt.

Natürlich galt Letzteres. Das Team um Heinrich Stamm hatte nämlich seine gesamte Kompetenz eingebracht, um folgende Innovationen in die uhrmacherische Praxis umzusetzen:

  1. ein sehr stark angeschrägtes Basis-Uhrwerk,
  2. auf engem Raum zusammengeführte Komponenten ohne nennenswerte Reduktion der Größe, um einen wannenförmigen leeren Platz zu erhalten,
  3. Montage des Automatik-Räderwerks in dieser Mulde,
  4. geändertes Profil der Schwungmasse, welche aus einer flachen Platte im Zentrum und einem nach außen hin getreppten Schwermetall-Segment besteht,
  5. Kugellager mit größerem Durchmesser und sieben statt bislang fünf Kugeln, Reduzierung des Kugel-Durchmessers von 65 auf 60 Hundertstelmillimeter.

Durch diese Veränderungen verminderte sich die Gesamthöhe gegenüber der vorangegangenen Kaliberfamilie Eterna Centenaire um enorme 25 Prozent. Während die insgesamt 3,1 Millimeter Stärke des Basiskalibers 1438 beibehalten wurden, sank der Höhenbedarf von Rotor und Automatik-Baugruppe auf nur einen halben Millimeter. Zu den weiteren Kennzeichen dieses revolutionären Kalibers gehörten eine direkt angetriebene Zentralsekunde, ein außerhalb des Kraftflusses liegender Minutenzeiger und Zahnräder aus Berylliumbronze. Aber erst die von Heinrich Stamm entwickelte und 1951 eingeführte Evolventen-Verzahnung ermöglichte das ehrgeizige Unterfangen. Mit von der Partie waren logischer Weise die federlosen Klinkenräder zur Gleichrichtung der Rotorbewegungen sowie die Abkopplung des manuellen Aufzugs beim selbsttätigen Spannen der Zugfeder.

Dabei konnten Service-Uhrmacher nach dem Lösen dreier Schrauben die versenkte Automatik-Baugruppe komplett vom eigentlichen Uhrwerk abheben. Den Zahlenring und das Schaltwerk der digitalen Datumsindikation versenkten die Techniker höhenneutral in eine vorderseitige Ausfräsung der Platine. Der nie zur Debatte stehende Verzicht auf die Zentralsekunde hätte die Werkshöhe um weitere 0,3 Millimeter reduziert.  

Beim Debüt der Eterna-Matic 3000 Dato sprach die Presse von einem Meilenstein in der Uhrengeschichte. Besonders lobenswerte Erwähnung fand die Möglichkeit einer rationellen und somit kostengünstiger Großserienproduktion. Somit verkörperten das für Eterna reservierte Kaliber 1466U und die Nachfolge-Version 1504 mit drei statt 2,5 Hertz Unruhfrequenz einen maßgeblichen Schritt in die Automatik-Neuzeit.

Start in schlechten Zeiten

1975 betrat das aus den Kalibern Eterna 1466U und 1504 abgeleitete und logischer Weise konsequent fortentwickelte Kaliber Eta 2892 die Uhrenbühne. Die Techniker, darunter vor allem der 1929 in Solothurn geborene Urs Giger hatten sich intensiv mit der Basis und dem daraus abgeleiteten Produkt beschäftigt. Stündlich 28.800 Unruh-Halbschwingungen erleichterten nun das Regulieren. Außerdem gewährleistete die neue gut beherrschbare Frequenz von vier Hertz eine längere Beibehaltung der Anfangspräzision als die ursprüngliche Frequenz von drei Hertz.

Nicht gerüttelt hatten die Entwickler an den bewährten Eta-Konstruktionsprinzipien wie Kugellagerrotor, Klinkenrad-Wechsler zur Polarisierung der Rotorbewegungen, Servicefreundlichkeit durch modularen Aufbau sowie der klugen Selbstbeschränkung auf möglichst wenige Komponenten. Nach Vollaufzug betrug die Gangautonomie des 11½-linigen Automatikwerks (Durchmesser 25,6 Millimeter) rund 42 Stunden. Zur Standardausstattung gehörten ferner eine Datumsanzeige mit Schnellschaltung, Zentralsekunde im Kraftfluss, Exzenter-Feinregulierung für den Rücker, Unruhstopp zum sekundengenauen Einstellen der Uhrzeit, Nivarox-Flachspirale, 21 funktionale Steine und die unangetastete Bauhöhe von 3,6 Millimetern.
Dem stürmischen Vordringen schwingender Quarzwerke vermochte der fortan Eta 2892 genannte Newcomer zwar nicht Einhalt zu gebieten, gleichwohl hielt das Kaliber Eta 2892 die Mechanik-Fahne wacker im Wind. 

Von der Ur-Version des Kaliber 2892 fertigte Eta zwischen 1975 und 1983 insgesamt 342.123 Exemplare. Verglichen mit den Stückzahlen anderer vier-Hertz-Kaliber war das allerdings kein sonderlich aufregender Wert.

Weitaus höhere Stückzahlen erreichten etwa frühere Eta-Automatikkaliber, wie zwei Beispiele verdeutlichen:

Eta 2892

1984, als die Ebauches SA eines der tiefsten Täler ihrer Geschichte durchschritt, gelangte die trotz aller wirtschaftlichen Probleme gründlich überarbeitete Nachfolgeversion des ersten Kalibers auf den Markt. Dieses Werk firmierte als Eta Kaliber 2892-2. Das Jahr 1998 brachte dann das nochmals optimierte Automatik-Kaliber Eta 2892-A2, welches seitdem unzählige Armbanduhren verschiedener Marken mit Leben erfüllt.

In der gehobenen Ausführung „élaboré“ inklusive Incabloc Stoßsicherung und Basisdekor schlug ein Uhrwerk ab 1998 mit 51,13 Franken zu Buche. Höhere Ansprüche wie zum Beispiel vergoldete Platine, Brücken und Kloben kosteten extra. Gleiches gilt für nicht standardgemäße bedruckte Datumsringe. Der Preis bezog sich auf eine Abnahme von 1.000 Stück. Für Mindermengen wurde Aufschlag von 490 Franken fällig. Unter 100 Exemplaren erfolgte keine Lieferung.

Übrigens produzierte Eta im quasi überschäumenden Geschäftsjahr 2001 mehr als eine Million fertiger Mechanik-Werke. Hinzu gesellten sich rund 1,3 Millionen Werke-Bausätze. Zu Kreis der größten Abnehmer für derartige Schablonen zählte damals Sellita in La Chaux-de-Fonds.

2002 war der Preis für ein Kaliber Eta 2892-A2 elaboré auf 74,20 Schweizerfranken geklettert. Für die Spitzen-Ausführung Top mit amtlicher COSC-Chronometerprüfung verlangte Eta bei Abnahme von 1.000 Stück. jeweils 108,40 Franken.

Damit bot und bietet das Automatikklaiber Eta 2892-A2 für relativ kleines Geld zuverlässige Mechanik auf wenig Raum. Natürlich gibt es auch Kritiker, die sich an zu geringer Aufzugsleistung stören und die nicht hinreichend optimierte Automatik-Baugruppe dafür verantwortlich machen.

Nicht zuletzt aus diesem Grund bevorzug(t)en manche Etablisseure das als „Panzer“ titulierte, dafür allerdings auch einen Millimeter höher bauende Kaliber Eta 2824-2. Selbiges war 2006 in der Standardausführung normalisé für 44,50, in elaboré für 49,30 und als Top für 92,40 Schweizerfranken erhältlich. Im Vergleich dazu kostete ein Eta 2892-A2 elaboré 75,00 und ein 2892-A2 Top 109,50 Schweizerfranken. In allen Fällen bei Abnahme von 1.000 Stück.

Eta 2892-A2 

2003, als man diese vier Armbanduhren kaufen konnte, war der Streit um die Lieferung von Eta-Uhrwerken an Kunden außerhalb der Swatch Group bereits entbrannt. Mehr dazu findet sich hier.  Die missliche Situation, dass viele Hersteller auf das Eta Kaliber 2892-A2 angewiesen waren, veranlasste Sellita zur Entwicklung der garbarisierten, also passgenau verwendbaren Klon-Kaliberfamilie SW300. Dieser Umstand, die verschiedenen Derivate des Kalibers Eta 2892-A2 und modulare Zusatzfunktionen wie die aktuellen Entwicklungen sind es wert, bei Gelegenheit näher unter die Lupe genommen zu werden. Stay tuned.

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