Satz und Sieg Swatch Group
Die Swatch Group hat sich durchgesetzt. Noch im Dezember 2019 hatte die eidgenössische Wettbewerbskommission (WEKO) im Zuge eines lange währenden Streits verkündet, dass die ETA SA Manufacture Horlogère Suisse ab dem 1. Januar bis auf weiteres keine mechanischen Uhrwerke an konzernfremde Marken liefern darf. Nur, das passte keineswegs ins Konzept der Swatch Group. Weil die Produktionsmaschinen bei Eta laufen müssen, um auf die gewünschten Stückzahlen und wettbewerbsfähige Preise zu kommen, mochte sich Nick Hayek, der 65-jährige Konzernchef, mit diesem Edikt nicht abfinden.
Nach weiterer eingehender Prüfung des Markts für mechanische Swiss made Uhrwerke, entschied die WEKO Behörde im Juli 2020 schließlich, dass es für die ETA keine weiteren Lieferbeschränkungen mehr geben werde. Auch die Lieferverpflichtungen an Dritte fallen ab sofort weg, weil die Uhrenfabrikanten außerhalb der Swatch Group auf andere Quellen zurückgreifen können. Mit diesem Votum kann die Swatch Group fortan prinzipiell frei entscheiden, mit wem sie Geschäfte machen möchte oder auch nicht.
Die WEKO wird bei ETA weiter die Augen offen halten
Weil die WEKO Behörde der ETA weiterhin eine marktbeherrschende Stellung bescheinigte, muss sich das Unternehmen allerdings auch künftig eine kartellrechtliche Kontrolle gefallen lassen. Damit soll verhindert werden, dass die Eta ihre starke Position zu Lasten anderer Werkefabrikanten und Mitbewerber wie beispielsweise Sellita, Soprod oder Concepto ausnutzt.
Sinngemäß untersagen die Aufseher der ETA SA mögliche missbräuchliche Verdrängungsstrategien, unangemessene Preise unterhalb des allgemeinen Marktniveaus oder die Koppelung von Kaufverträgen für mechanische Eta-Kaliber mit der Verpflichtung, bei der Swatch Group auch andere Erzeugnisse zu kaufen. Denn die Swatch Group und ihr Werkelieferant Eta besitzen durchaus das Potenzial, den Markt mit Dumpingpreis-Produkten zu fluten und die Konkurrenz dadurch massiv zu schädigen oder sie gar gänzlich auszuschalten. Würde dies geschehen, könnte der Werkegigant, dessen Potenzial jenes der Sellita SA als Nummer zwei beträchtlich übersteigt, nämlich anschließend die Preise nach Belieben diktieren. So verlockend dieser marktaggressive Gedanke auch ist, eine derartige Strategie wäre definitiv missbräuchlich und würde die WEKO abermals auf den Plan rufen.
Diese letztendlich durchaus bemerkenswerte Entscheidung der WEKO ist letztlich das Resultat detaillierter Marktanalysen. Diese finden sich auf mehr als 20.000 Seiten in rund 1.500 Akten. Insgesamt fielen für die Studien so seit dem Jahr 2011 beträchtliche Kosten in Höhe von 1,2 Millionen Schweizerfranken an. Diese gehen nun zu Lasten der Schweizer Steuerzahler.
WEKO sieht ETA und Schweizer Uhrenindustrie in der Krise
Wenn man sich die offizielle Verlautbarung und Begründung der Wettbewerbskommission bis zu Ende durchliest, stellt sich die Frage, ob dieses von der Neuen Zürcher Zeitung als zweifelhaft bezeichnetes Votum eine endgültige Klärung der seit vielen Jahren heftig umstrittenen Angelegenheit bringen wird. Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil die Schweizer Uhrenindustrie bedingt durch das neuartige Coronavirus in eine veritable Krise geschlittert ist. Für viele Protagonisten geht es nun ums nackte Überleben.
Nach dem Auslaufen der Kurzarbeitsregelung ist bereits ein beträchtlicher Stellenabbau im Gange. Betroffen ist logischer Weise auch die Swatch Group. Schon seit Jahren kennt deren Aktienkurs tendenziell nur eine Richtung – nach unten. Im ersten Krisen-Halbjahr 2020 brachen die Nettoumsätze gar um 43 Prozent auf nur noch 2,20 Milliarden Schweizerfranken zusammen. Erstmals musste der Swatch Group Multibrand-Konzern einen hohen operativen Verlust vermelden und als Konsequenz schließt die Swatchgroup über alle Marken hinweg sogar 260 ihrer Geschäfte. So verlieren 2000 Menschen in der Krise ihren Arbeitsplatz.
Staatlich gewünschtes Monopol in der Schweizer Uhrenindustrie
Wer das Zustandekommen der heutzutage marktbeherrschenden Eta-Position verstehen möchte, muss nur in die Geschichtsbücher blicken. Mitte 1921 waren in der Schweizerischen Uhrenindustrie über 30.000 Menschen ganz oder teilweise ohne Beschäftigung. Zur Stärkung der Solidarität untereinander entstand 1924 die „Fédération Horlogère“ (FH) als erster Spitzenverband, in dem sich mehr als 80 Prozent der Schweizer Uhren-Fabrikanten fertiger Uhren organisierten.
Als weiterer Schritt folgte 1926 die Gründung der Ebauches SA. Beim unbestreitbar größten Rohwerketrust der Uhr-Schweiz handelte es sich nicht um ein natürliches Gebilde, sondern um ein Konglomerat aus verschiedener Rohwerkefabrikanten. Unter Beibehaltung einer weitestgehenden wirtschaftlichen Selbständigkeit trachteten sie danach, die Konkurrenz untereinander auszuschalten, den Rohwerkeverkauf zu koordinieren, die Produktpalette zu straffen sowie Spezialisierungen und sinnvolle Neuentwicklungen zu fördern.
1950 verzeichnete Chronik der mächtigen Holding so unglaubliche 68 ganz oder teilweise übernommene Uhrenindustrie-Unternehmungen. Zu den drei Gründungsfirmen gehörten die Adolf Schild AG (AS), die Fabrique d‘horlogerie de Fontainemelon S.A. (FHF) und die Adolf Michel S.A. (AM). Neun weitere Mitglieder, wie zum Beispiel der Chronographenspezialist Landeron gesellten sich 1927 hinzu. Die übrigen folgten im Laufe der Jahre, den Notwendigkeiten der sich wiederholenden Uhrenkrisen oder des eidgenössischen Dachverbands gehorchend.
All das genügte allerdings noch nicht, um Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln wirkungsvoll zu ahnden und solche Fabrikanten in ihre Schranken zu weisen, die aus egoistischen Überlegungen gegen das Wohl der gesamten Uhrenindustrie handelten. Nun sah sich der Staat gezwungen, auf doppelte Weise einzugreifen: Zum einen unterstützte er mit 25 Millionen Schweizer Franken die 1931 geschaffene Superholding ASUAG (Allgemeine Gesellschaft der schweizerischen Uhrenindustrie AG), welche die Rohwerkefabriken und die Hersteller der regulierenden Bestandteile unter einem Dach vereinte, ohne jedoch deren ökonomische Autonomie anzutasten. Zum anderen schützte er die Schweizer Uhrenindustrie mit Hilfe des berühmt gewordenen, protektionistischen Uhrenstatuts von 1934 vor Auswanderung und inneren Zersetzungstendenzen.
ETA
Die Rohwerkefabrik ETA, welche in den frühen 1980-er Jahren als einiges Mitglied überlebte, ist, wie der Name schon erkennen lässt, aus der Uhrenmanufaktur Eterna hervorgegangen. Bereits im Gründungsjahr hatten die Ebauches SA und die Eterna SA einen Freundschaftsvertrag unterzeichnet. 1928 entstanden erstmals mehr als eine Million Eta-Rohwerke. Einen Teil nutze die Eterna für ihre Uhren, der Rest wurde an Etablisseure verkauft. Trotz dieses Erfolgs stimmte Firmenchef Theodor Schild 1932 nolens volens der geordneten Aufteilung seiner „gemischten Uhren- und Ebauchesfabrik“ in zwei getrennte Aktiengesellschaften zu.
Jene namens Eta begab sich infolge dieser Maßnahme unter das Dach der Ebauches SA. 1946 offerierten die verschiedenen Mitgliedsfirmen der Ebauches SA ihren Kunden insgesamt 810 verschiedene Kaliber. Dreihundert davon waren Basiskaliber und 510 Derivate. Während der Nachkriegs-Blütephase hatte die Eta beinahe unzählige Kaliber mit manuellem oder automatischem Aufzug für Damen- oder Herrenuhren im Angebot. Nur komplizierte Uhrwerke suchte man bei der Eta vergebens. Solche anspruchsvollen Kaliber bewerkstelligten im Firmenverbund der Ebauches SA beispielsweise Landeron, Venus oder Valjoux.
Im Zuge der einer überfälligen Sanierung gingen schließlich die bereits 1930 ins Leben gerufene SSIH (Société suisse pour l’industrie horlogère S.A.), die ASUAG und damit auch alle ehemaligen Tochterfirmen der Ebauches SA in dem von Nicolas G. Hayek und namhaften Banken gegründeten SMH-Konzern (Société Suisse de Microélectronique et d’horlogerie), der heutigen Swatch Group, auf. Dabei wurden sämtliche Rohwerke-Aktivitäten in der neuen SMH-Tochter ETA SA gebündelt. Von allen Ebauches SA-Mitgliedern hatte sich die ETA SA auch im Zusammenhang mit der Quarz-Revolution als die kreativste, finanzstärkste und damit letztlich auch als durchsetzungsstärkste Firma erwiesen.
Die Uhrwerke sind zu billig
2000 brachte der im Oktober 2001 verstorbene Günter Blümlein die Dinge aus damaliger Sicht auf den Punkt. Unverblümt wie immer erklärte der Chef der Richemont Luxusuhren-Division, dass etwas nicht stimmen könne, „wenn ein mechanisches Automatikwerk der Eta im Einkauf weniger kostet als ein feines Etui für Luxusuhren.“
Dessen war sich natürlich auch Nicolas G. Hayek bewusst. Nicht nur einmal unterstrich der Swatch Group-Boss die Bedeutung eines gesunden Wettbewerbs bei frei verkäuflichen mechanischen Uhrwerken. Ein solcher würde manchen Druck von der Eta nehmen. Im frühen 21. Jahrhundert produzierte der Eta Gigant rund drei Viertel aller tickenden Kaliber eidgenössischer Provenienz. Eta Uhrwerke fanden sich in den Armbanduhren nahezu aller Etablisseure (Fertigsteller).
Aus Kostengründen oder in Ermangelung geeigneter Alternativen setzten selbst renommierte Manufakturen auf Produkte der Eta. Im Jahr 2001 hatten so rund 1,8 Millionen Fertigwerke die verstreuten Fabrikationsstätten verlassen. Hierzu gesellten sich etwa 1,3 Millionen Rohwerke-Kits. In rund 80 Prozent aller „Swiss made“-Fertiguhren tickten die Eta Automatikkaliber Eta 2824-A2, 2892-A2 sowie das Valjoux 7750 mit Chronograph.
Lieferbeschränkungen
Folglich erschien es irgendwie logisch, dass die Eta ihrem Kundenkreis der Schweizer Uhrenindustrie im Juli 2002 schriftlich eröffnete, die Ebauches-Lieferungen ab Januar 2003 zu reduzieren, ab Januar 2006 einzustellen und stattdessen nur noch fertig montierte Uhrwerke mit deutlich höherer Wertschöpfung zu verkaufen. Verständlicherweise löste diese Ankündigung einen echten Schock aus. Mehrere Betroffene wandten sich daraufhin an die Schweizer Wettbewerbskommission WEKO.
Am 8. November 2004 konnte sie eine einvernehmliche Regelung mit der Swatch-Group-Tochter ETA SA Manufacture Horlogère Suisse verkünden. Vorausgegangen waren eine differenzierte Analyse und der Erlass vorsorglicher Maßnahmen. Ihnen zufolge besaß die Eta eine marktbeherrschende Stellung auf dem Sektor mechanischer Ebauches bis 300 Schweizerfranken Stückpreis. Ihr zufolge musste sie die Bausätze bis Ende 2008 in den bisherigen Quantitäten und danach zwei weitere zwei Jahre lang in reduziertem Umfang liefern.
Diese sechs Jahre ab 2004 sollten ausreichen, um kompetitive Produkte zu entwickeln und alternative Fertigungsstätten zu errichten. Die Reduzierung bzw. vollständige Beendigung der Ebauches-Lieferungen erachtete man als unzulässige Verweigerung von Geschäftsbeziehungen und missbräuchlich im Sinne des Schweizer Kartellrechts zu werten. Mangels alternativer Lieferanten hätte das konsequente phasing-out in derart kurzer Zeit für zahlreiche Etablisseure (den Unterschied von Manufaktur zu Etablisseur erklären wir hier) und Werke-Aufrichter faktisch den unmittelbaren Entzug der Basis ihrer Geschäftstätigkeitsbasis bedeutet.
Neue Einigung erforderlich
Indessen bereinigte das 2004 getroffene Übereinkommen mit der Swatch Group die Situation keineswegs. Auch nach 2010 musste die WEKO im Streit immer wieder eingreifen. Sehr zur Freude der Schweizer Uhrenfabrikanten hatte ihr Sekretariat Mitte Juli 2013 vorschnell eine Regelung abgelehnt, wonach die Swatch Group die Quantitäten 2013 auf 85 Prozent und 2014 auf 75 Prozent der Menge des Jahres 2010 beschränken kann. Hinfällig wäre demnach auch gewesen, die Eta ab 2021 von ihren vereinbarten Lieferverpflichtungen für mechanische Uhrwerke an Dritte komplett zu befreien. Schließlich sei auch ein 30-prozentiger Abschlag bei externen Firmen mit eigener Werkproduktion nicht statthaft gewesen.
Am 25. Oktober 2013 publizierte die Weko eine weitere Entscheidung, wonach die Swatch Group ihre Werkelieferungen an Dritte bis Ende 2019 schrittweise auf Null zurückfahren durfte. 2014 konnte eine Reduktion auf den Durchschnittswert der zwischen 2009 bis 2011 bezogenen Mengen erfolgen. 2016 konnte der Wert auf 65 und ab 2018 auf 55 Prozent sinken. Eine selektive Unterscheidung zwischen verschiedenen Kunden war der Eta untersagt. Unabhängig davon, ob sie eigene Werke produzierten oder nicht, mussten alle gleich behandelt werden.
Verglichen mit der ursprünglichen, dann jedoch abgelehnten Vereinbarung verkürzte sich die Lieferpflicht um zwei Jahre von 2021 auf 2019. Im Gegenzug fielen die prozentualen Kürzungen weniger stark aus. Ab 2020 sollte das Management seinen Kundenkreis und die gelieferten Mengen völlig eigenständig bestimmen können. Endgültig war aber auch dieser Reduktions-Fahrplan für die WEKO nicht. Für den Fall, dass bis 2019 nicht genügend alternative Werke-Bezugsquellen zur Verfügung stehen, hielt sie sich als Hintertür eine Verlängerung der Lieferpflicht offen.
Im Gegenzug konnte die Swatch Group eine Fristverkürzung beantragen, wenn in hinreichendem Umfang anderweitige Lieferkapazitäten zur Verfügung standen. Betroffen von dieser Auseinandersetzung waren etwa 80 Eta-Kunden, darunter als größter die Sellita mit einem Umsatzvolumen von mehreren hundert Millionen Schweizerfranken. Bis zum Start der eigenen Werkeproduktion in La Chaux-de-Fonds verdiente das Unternehmen Sellita sein Geld primär mit dem Zusammenbau und dem Verkauf gängiger Eta-Kaliber.
Zurück auf Start
Nach zahlreichen Protesten und Klagedrohungen lag der Ball wieder im Feld der WEKO. Weil sie ihre komplizierten Untersuchungen nicht fristgerecht bis 2019 abschließen konnte, sah sich die Eta ab Beginn des Jahres 2020 mit einem kompletten Lieferstopp konfrontiert. Und dagegen opponierte Nick Hayek in lautstarker Weise. Die gescholtene Wettbewerbskommission sah die Dinge jedoch ganz anders. „Die Swatch Group weiß genau, dass sie ihre bisherigen Kunden im Umfang der vergangenen Jahre weiter beliefern darf.“ konstatierte WEKO Direktor Patrik Ducrey. „Sie weiß auch, dass sie mit KMU-Kunden (kleine und mittlere Unternehmen) sogar neue Lieferverträge eingehen kann unter dem Vorbehalt, dass alle Kunden gleichbehandelt werden.“ Untersagt seien aber neue Liefervereinbarungen mit großen Unternehmenskunden aus dem Portfolio des Richemont- oder LVMH-Konzerns.
Die WEKO verdrängt uns aus dem Markt für mechanische Uhrwerke. Bereits 2019 konnten wir Bestellungen weder annehmen noch bestätigen, und nun wird das noch bis Mitte 2020 so weitergehen. Da wir neun bis zwölf Monate Vorlauf brauchen, bedeutet das, dass wir frühestens im Herbst 2021 wieder Uhrwerke an Dritte werden liefern können.
Gedankenspiele und Überangebot
Infolge unklarer Formulierungen in den unveröffentlichten WEKO-Dokumenten konnte man sie Dinge tatsächlich so oder so interpretieren. Nun herrscht, wie eingangs zu lesen war, erst einmal Klarheit. Wie die Swatch Group, Eta und Nick Hayek mit der neu gewonnen Freiheit umgehen werden, bleibt abzuwarten. Klar ist jedenfalls, dass der im Gefolge des fast 20 Jahre währenden Gerangels neu entstandene Kreis von Eta-Konkurrenten die Lücke von jährlich rund 500.000 mechanischen Werken auch in den vergangenen Jahren schon problemlos ausfüllen konnte. Und damit war das Ziel eines belebenden Wettbewerbs irgendwie erreicht.
Für Uhrenliebhaber hatten die teilweise mit harten Bandagen geführten Auseinandersetzungen auf jeden Fall einen positiven Begleiteffekt: Der von Eta ausgeübte Druck förderte die Entwicklung eigener oder zumindest exklusiver Kaliber ohne und mit Zusatzfunktionen. Und die Zahl der Manufakturen ist gewachsen. Die ungemeine Werkevielfalt aus der Zeit bis etwa 1970 wird es nie mehr geben. Aber wer über das nötige Budget verfügt, kann definitiv aus dem Vollen schöpfen und die kostbare Zeit etwas anderem als den Kalibern Eta 2824, 2892, 7750 oder den daraus abgeleiteten Klons anvertrauen. Weil alle mechanischen Uhrwerke unabhängig von ihrer Provenienz ohne das sogenannte Assortiment, also Anker, Ankerrad, Unruh und Unruhspirale nicht ticken, muss die Swatch Group infolge der marktbeherrschenden Stellung des Mitglieds Nivarox-FAR solches weiterhin an die gesamte Branche liefern. Sollte es diesbezüglich Beschwerden geben, kann und darf die WEKO den Aspekt zentraler Werkekomponenten neu aufrollen.
Ob es so weit kommen wird, steht einstweilen in den Sternen. Sars-CoV-19 hat die Absatz- und damit Produktionszahlen massiv einbrechen lassen. Während von Januar bis Juli 2019 noch 4.166.125 mechanische Armbanduhren und 457.980 tickende Werke die Schweiz verließen, sanken die entsprechenden Stückzahlen im gleichen Zeitraum des laufenden Jahres 2020 auf nur noch 2.606.180 mechanische Armbanduhren bzw. 305.671 Werke. Die mit Fertiguhren erzielten Umsätze gaben von 9,841 auf 6,907 Milliarden Schweizerfranken nach. Bei den Werken sanken die Erlöse von 67,2 auf 50,7 Millionen Franken. Aus diesen Zahlen lässt sich unschwer auf ein Überangebot an mechanischen Uhrwerken schließen.
Probleme bei Smartem
Zu allem Überfluss setzen auch noch Smartwatches und Wearables den mechanischen Armbanduhren im unteren Preissegment massiv zu. Trotz umfassender Elektronik-Aktivitäten hat die Swatch Group auf diesem zukunftsweisenden Gebiet bislang noch nichts Weltbewegendes zu bieten. Die mit Millionenaufwand entwickelte und im September 2020 vorgestellte Tissot-Uhr T-Touch Connect Solar kann dem starken Mitbewerb in Sachen Funktionalität nicht das Wasser reichen. Deshalb räumt der einschlägig erfahrene Tech-Unternehmer Philippe Kahn aus Kalifornien diesem Produkt auch keine Chancen ein. „Es ist fast so, wie wenn man Rechenschieber verkauft, wenn es Taschenrechner gibt.“ Weil in der Swatch Group auch die Namensgeberin Swatch von Schwächeanfall zu Schwächeanfall taumelt, möchte man die überlieferten Kaliber verständlicher Weise sehr gerne nach eigenem Gutdünken wieder an einen breiten Kundenkreis liefern.
Es geht bergab mit der Schweizer Uhrenindustrie
Diese Annahme untermauern auch die Zahlen der Fédération Horlogère (FH). Sie lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Auf breiter Front gaben und geben die Exporte der einst so erfolgsverwöhnten eidgenössischen Uhrenindustrie schon seit einigen Jahren keinen Grund zum Jubeln. Aber nun hat Sars-CoV-2 die Lage in erschreckender Weise verschärft.
Die deshalb im Frühjahr 2020 nicht hergestellten, somit auch nicht verkaufbaren Uhren haben in der gesamten Industrie ein kaum zu füllendes Loch gerissen. In den USA, einem der wichtigsten Exportmärkte für Schweizer Uhren, wütet Covid-19 mit geballter Kraft. Kein Wunder, dass die Ausfuhren in die Neue Welt von Januar bis Juli gegenüber dem Vorjahreszeitraum um knapp 27 Prozent sanken. Schwer prognostizieren lässt sich auch die Entwicklung in Hongkong. Die unsichere politische Situation hat den Markt für Luxusuhren schon 2018 und 2019 massiv beeinträchtigt. Im ersten Halbjahr 2020 ist er förmlich zusammengebrochen. Mit akkumulierten 51,5 Prozent Minus weist die ehemalige Kronkolonie beinahe die höchsten Verluste aller Exportmärkte auf. Und ein Ende ist hier wegen der höchst umstrittenen Gesetzeslage eher nicht in Sicht.
Mit minus 27,3 Prozent behauptete sich Deutschland nicht zuletzt auch wegen der geringeren Abhängigkeit von Verkäufen an Touristen erstaunlich gut. Frankreich und Italien, wo diese Umsätze beim Fachhandel deutlich stärker zu Buche schlagen, bescherten der Schweiz mit jeweils mehr als 41 Prozent einen deutlich höheren Rückgang. Auch in Japan und Großbritannien macht sich das Fehlen, insbesondere der chinesischen Touristen bei den Einfuhren Schweizer Uhren bemerkbar. Für das Land der aufgehenden Sonne verzeichnete die Exportstatistik 34,9 und für das Vereinigte Königreich 38,1 Prozent weniger Ausfuhren. Um 47,7 Prozent gegenüber dem Juni und 59,1 Prozent gegenüber Juli 2019 gestiegene Exporte ins Reich der Mitte, wo sich das Leben allmählich wieder normalisiert, konnten die Verluste indessen nicht wettmachen. In den ersten sieben Monaten 2020 gaben die Uhrenverkäufe der Schweiz nach China um 4,2 Prozent nach.
Lage schwierig, aber nicht hoffnungslos
Bezogen auf alle Exportmärkte summiert sich der Umsatzrückgang bis Ende Juli 2020 auf 32,8 Prozent. Wie abhängig die Uhrenindustrie der Schweiz von Asien ist, ergibt eine Zusammenschau. Summa summarum nimmt die Region inklusive Mittlerem Osten auf direktem Exportweg bemerkenswerte 53 % aller Erzeugnisse der Schweizer Uhrenindustrie ab. Nach Schätzungen der Schweizer Bank Vontobel erzielen die eidgenössischen Uhrenmarken circa vier bis fünf Prozent ihres Umsatzvolumens am Heimatmarkt.
Ein nicht unbeträchtlicher Teil davon verlässt das Land an den Handgelenken von Touristen. Speziell Chinesen tendieren dazu, Uhren und andere Luxusaccessoires von Trips nach Europa, in die USA oder zugkräftige asiatische Metropolen mitzubringen. Rund 35 Prozent des globalen Luxusgüter-Erlöses geht so auf das Konto chinesischer Konsumenten. Nur etwa ein Drittel der luxuriösen Produkte wandert dabei in Festland-China über Ladentische. Wegen des breiteren Angebots und der Ersparnis heimischer Luxussteuer erwirbt man die begehrten Objekte merklich preisgünstiger im Ausland.
Kein Wunder also, dass die beinahe zum Erliegen gekommenen Flugreisen aus chinesischen Großstädten nach Europa die Bilanz vieler Juweliere, beispielsweise des großen Rolex-Konzessionärs Bucherer, gründlich verhageln. Der Top-Juwelier und weltweit größte Rolex-Händler streicht weltweit 370 Stellen, darunter 220 in der Schweiz.
Warten und sehen
Veranstaltungen wie die jüngste Messe Watches & Wonders in Schanghai und die daran anschließende Veranstaltung in Sanya können das missliche Geschehen für die Marken etwas abmildern, aber keineswegs aus der Welt schaffen. Wenn überhaupt, dürfte erst das Jahr 2021 eine Wende zum Besseren bringen. Vorausgesetzt es gibt keine zweite Corona-Monsterwelle und einen wirksamen sowie auf breiter Front verfügbaren Impfstoff.
Folglich lassen sich Einschnitte bei den Uhrenfabrikanten und ihren zahlreichen Zulieferern kaum vermeiden. Große Player wie Rolex, Patek Philippe, Audemars Piguet oder die Mitglieder der LVMH-, Richemont- und Swatch-Gruppe werden die gegenwärtig schwere Kost wahrscheinlich mit Blessuren, aber doch relativ unbeschadet überstehen. Deutlich schlechtere Karten haben viele kleine und mittlere Marken-Protagonisten. Obwohl unter dem Dach des Kering-Luxuskonzerns angesiedelt, verkündeten Girard-Perregaux und Ulysse Nardin Anfang September die Entlassung von 100 ihrer 390 Angestellten. Zu Konsolidierung sei dieser Schritt unabdingbar nötig gewesen.
Vermutlich ist diese Maßnahme erst der Anfang einer Kettenreaktion, welche zuerst einmal kleinere Zulieferer, Uhrenfabrikanten und damit auch etliche der rund 8.000 Grenzgänger treffen wird. Täglich fahren sie mit ihren Autos aus Frankreich zum Arbeiten in die Schweizer Jura-Region. Wenn es dort nichts mehr oder weniger zu tun gibt, wird man über kurz oder lang auf ihre Dienste verzichten.
Keineswegs aus der Luft gegriffen ist schließlich auch die Prognose, dass etwa zehn Prozent der Schweizer Marken die heftigste Krise der vergangenen Jahrzehnte nicht überleben werden.
Indessen dürften sich die Großen der Branche am Ende des Spuks voraussichtlich stärker als zuvor präsentieren. Trotz Corona-Misere sind Uhren von Rolex so schwer zu bekommen wie eh und je. Das gilt auch für viele Patek Philippe- und Audemars Piguet-Modelle.
Alle versprechen nicht nur Qualität und Prestige, sondern auch Zukunftssicherheit und jene Wertstabilität, auf die viele Kunden in problematischen Zeiten wie diesen ganz besonders achten. Es wird spannend werden zu sehen, was die kommenden Monate der Uhrenindustrie bringen.
Ein richtig guter Artikel. Leider hemmen die zahlreichen Rechtschreibfehler sehr den Lesefluss. Auch erklärt der Autor manche Sachverhalte nicht, bzw. setzt beim Leser zu viel Vorwissen voraus. Beispielsweise wird nicht erläutert warum die eingebrochene. Absatz- und Umsatzzahlen der Swatch Group 2019 auf ein Überangebot von Rohwerken schließen lassen.
Es freut uns, dass der Artikel gefallen hat. Und ja, es stimmt, ganz ohne Vorwissen sind vielleicht nicht alle Passagen verständlich. Gleichzeitig gilt es, die Balance zwischen umfassender Erklärung und Inhalten für passionierte, kundige Leser zu finden – was gerade bei diesem Thema nicht leicht ist.
Was immer wieder vorkommende Tippfehler oder Kommafehler betrifft: Als kostenloser Service für unsere Leser versuchen wir unser Bestes, wissen aber darüber, dass die existenten automatischen Rechtschreibprogramme nicht fehlerlos sind. Wobei wir dieses Schicksal in heutiger Zeit alle Seiten betrifft. Gleichwohl freuen wir uns über jeden konkreten Hinweis und verbessern gerne.
Mit besten Grüßen
Wolfgang Winter