Zahlen Ende 2024
Blickt man am Ende 2024 in die Führungsebenen der Schweizer Uhrenindustrie, insbesondere der Richemont Führungsriege, lassen sich einige Wachablösungen, Rochaden und natürlich auch Jobverluste konstatieren. Ein derart starkes Stühlerücken war selbst während der zwei Jahre währenden Corona-Pandemie nicht zu verzeichnen. Grundsätzlich sind neue Köpfe nicht ungewöhnlich, aber das Geschehen lässt doch aufhorchen.
Der Uhrenkosmos hat die wichtigen personellen Veränderungen während eines wirtschaftlich schwierigen Jahres zusammengefasst, das die 2023er-Rekorde definitiv nicht erreichen, geschweige denn knacken wird. Bekanntlich war 2023 für die Schweizer Uhrenindustrie und ihre Exporte in alle Welt das beste Jahr aller Zeiten. Ende Dezember 2024 wird sich das Minus aller Voraussicht auf rund drei Prozent saldiert haben.
Grundsätzlich ist das kein Drama, denn der Rückgang bezieht sich auf die immense Summe von 26,7 Milliarden Schweizerfranken. Mit Ausfuhren in Höhe von geschätzten 25,9 Milliarden Franken könnte die eidgenössische Industrie immer noch auf das zweitbeste Exportjahr ihrer Geschichte zurückblicken.
2022 hatte die Schweizer Uhrenindustrie Ware im Wert von 24,9 Milliarden Franken in alle Welt verschickt. Bei differenzierter Betrachtung gestalten sich die die Dinge teilweise jedoch weitaus weniger rosig. Zunächst einmal vermögen Außenstehende nicht nachvollziehen, ob die ins Ausland versandten Zeitmesser tatsächlich an wie auch immer geartete Kunden abgeflossen oder bis auf weiteres in ein Lager gewandert sind und zu einem späteren Zeitpunkt auf die Schweizer Bilanzen drücken werden. Insider jedenfalls sprechen von teilweise rapide steigenden Lagerbeständen. Und beim Fachhandel kann von Euphorie auch keine Rede sein.
Blickt man in die Geschäftsberichte der großen börsennotierten Konzerne, welche im Uhr-Geschehen eine maßgebliche Rolle spielen, sind besagte drei Prozent ein eher euphemistischer Wert. Insbesondere das Geschäft mit Uhren trübte die verschiedenen Zahlenwerke. Und diese Fakten blieben nicht ohne Einfluss auf das personelle Geschehen.
Richemont und die jüngsten Zahlen
Bei Richemont, wo das Geschäftsjahr am 1. April beginnt, lag der Umsatz aus fortgeführten Aktivitäten in den sechs Monaten bis zum 30. September 2024 zu tatsächlichen Wechselkursen um ein Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Ohne Berücksichtigung von Wechselkurseffekten blieb der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stabil. Mit Ausnahme von Asien-Pazifik erzielten alle Regionen ein solides Wachstum.
In Europa und Nord- sowie Südamerika kletterten die Verkäufe um 4 % bzw. 10 % zu tatsächlichen Wechselkursen, was in beiden Fällen auf die robuste lokale Nachfrage und auf gestiegene Tourismusausgaben in Europa zurückzuführen ist. Demgegenüber gingen die Verkäufe in der Region Asien-Pazifik summa summarum um 19 % zurück.
Das Wachstum in Ländern wie Südkorea und Malaysia konnte massive zweistellige Umsatzrückgänge in China, Hongkong und Macau nicht kompensieren. Dieser Negativtrend setzte sich, wie aus der Exportstatistik des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH) hervorgeht, auch im Oktober unvermindert fort. Gegenüber dem Vorjahresmonat reduzierten sich die Uhr-Ausfuhren nach Festlandchina China abermals um 38,8 und die nach Hongkong um 14,8 Prozent.
Die Gründe sind einmal in geringeren Konsumausgaben zu suchen, zum anderen aber auch in der Tatsache, dass chinesische Touristen, angelockt vom schwachen Yen, entsprechend Einkäufe in Japan tätigen. Nachdem der Wechselkurs in jüngster Zeit angezogen und das Shoppen im Land der aufgehenden Sonne verteuert hat, wird sich die japanische Sonderkonjunktur womöglich dem Ende neigen. Bei den Richemont-Marken machten die Einzelhandelsumsätze etwa 70% der gesamten Erlöse aus. Während der Direktvertrieb unter Umgehung des traditionellen Mehrmarken-Fachhandels mittlerweile etwas mehr als drei Viertel des Konzernumsatzes ausmacht, gingen die Großhandelsaktivitäten um sieben Prozent zurück. Auch hier vermochten höhere Umsätze in Amerika, Japan sowie im Nahen Osten und in Afrika den Rückgang in der Region Asien-Pazifik nicht auszugleichen.
Schmuckhäuser wie Buccellati, Cartier sowie Van Cleef & Arpels verzeichneten in fast allen Regionen ein solides Wachstum. Hingegen brach der Umsatz im Bereich spezialisierte Uhrenmarken um 17 Prozent förmlich ein.
Der globale Uhrenmarkt erlebt eine Verlangsamung, insbesondere in China, die alle Uhrenmarken weltweit betrifft, wobei die High-End-Segmente eine größere Widerstandsfähigkeit zeigen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit von Disziplin und Vorsicht in Bezug auf Überproduktion und verdeutlicht, wie wichtig es ist, sich an die sich ändernden Marktbedingungen anzupassen, was letztlich dazu beitragen wird, eine höhere Produktbegehrlichkeit zu erhalten. Wenn wir auf die erste Hälfte unseres Geschäftsjahres zurückblicken, waren unsere Uhrmacher-Maisons auf unterschiedliche Weise betroffen, beeinflusst durch ihre regionale Präsenz und ihren Produktmix.
Vor allem aufgrund ihres starken Engagements in der Region Asien-Pazifik verzeichneten unsere Uhrmacher-Maisons einen Umsatzrückgang von 17% gegenüber dem Vorjahr auf 1,7 Mrd. €. Als Folge eines tieferen Umsatzes bei den operativen Fixkosten und eines starken Schweizer Frankens belief sich das operative Ergebnis auf 160 Millionen Euro, was einer operativen Marge von 9,7 Prozent entspricht.
Richemont Gruppe – Van Cleef & Arpels – Jaeger-LeCoultre
Angesichts dessen kann es nicht verwundern, dass Richemont seinen langjährigen, aus der Uhrenbranche stammenden CEO Jérôme Lambert mit Wirkung vom 1. Juni 2024 durch Nicolas Bos ersetzte. Der 1971 Geborene ist Absolvent der ESSEC Business School. 1992 stieß er zu Richemont. Dort arbeitete er zunächst für die Fondation Cartier pour l’art contemporain in Paris. 2000 wechselte er als internationaler Marketing Direktor zu Van Cleef & Arpels. Im Jahr 2009 erfolgte die Ernennung zum Vice President und Creative Director, 2010 zum Präsidenten von Van Cleef & Arpels, Americas.
Im Januar 2013 ging der Aufstieg zum Präsidenten und CEO von Van Cleef & Arpels über die Bühne. Von 2017 bis 2021 war er auch als Executive Director im Vorstand von Richemont tätig und im gleichen Zeitraum Mitglied des Senior Executive Committee. Daneben leitete das Allround-Talent ab September 2019 auch Buccellati und seit 2021 die Creative Academy. Die bei Van Cleef & Arpels sowie Buccellati erzielten Erfolge prädestinierten ganz offenbar für die Spitzenposition im Genfer Hauptquartier.
An ihn berichtete Jérôme Lambert, der vorerst als Chief Operating Officer (COO) im Richemont-Vorstand verblieb. Nun verschlägt es den pferdebegeisterten Franzosen dorthin zurück, wo er seine märchenhafte Karriere im Richemont-Konzern begonnen hat: auf den Sessel des CEO von Jaeger-LeCoultre. Der Traditionsmanufaktur wird die Rückkehr guttun, denn angestammte Märkte beispielsweise in Europa waren unter der Vorgängerin Catherine Rénier und ihrer Luxusstrategie eher zu kurz gekommen. Durch den Wechsel auf die Kommandobrücke von Van Cleef & Arpels machte die Französin den Platz frei für Jérôme Lambert.
Es ist davon auszugehen, dass Nicolas Bos diese Rochade maßgeblich mit beeinflusst hat. Vor ihrem Job bei Jaeger-LeCoultre hatte Renier Erfahrungen bei Cartier North America und anschließend Van Cleef & Arpels gesammelt. Bei Jaeger-LeCoultre maß sie künstlerischen und kulturellen Kooperationen sowie sehr komplizierten Armbanduhren hohe Bedeutung zu. In Deutschland, so berichten Konzessionäre, büßte die Manufaktur Marktanteile durch starke Preissteigerungen, die weniger ausgeprägte Pflege von Klassikern sowie die Verlagerung gut verkaufter Modelle in eigene Boutiquen ein. Der neue alte CEO wird dieses Manko hoffentlich in absehbarer Zeit wieder ausbügeln, denn er wusste von Anbeginn sehr genau, wie man eine altehrwürdige Uhrenmanufaktur in die richtige Richtung steuert. Vor seinem Wechsel in die Konzernzentrale demonstrierte er, wie man Montblanc auf einen vielversprechenden Kurs bringt. Bei Van Cleef & Arpels wird der gleichermaßen erfolgreiche wie umfassend erfahrende Nicolas Bos aus der Ferne vorgeben, wohin sich die Marke und ihre Produkte zu bewegen haben.
Cartier
Nach acht erfolgreichen Jahren als CEO der mit Abstand wichtigsten Richemont-Maison Cartier, welche mehr als die Hälfte zum Gesamtumsatz beisteuert, zieht sich Cyrille Vigneron aus dieser Leitungsfunktion zurück in den Ruhestand. Während seiner aktiven Jahre beendete Vigneron das nicht unbedingt rühmliche Kapitel große Komplikationen im Uhrenportfolio. Er rückte klassische Modelle wie Panthère, Santos oder Tank in den Vordergrund und erzielte damit bemerkenswerte Erfolge.
Nicht zuletzt auch attraktive Preise sorgten dafür, dass Cartier im Ranking der Schweizer Uhrenmarken 2021 an Omega vorbeizog und auf Platz zwei hinter Rolex vorrückte. In seine großen Fußstapfen tritt Louis Ferla zum 1. September 2024. Bereits von 2006 bis 2017, als er die Führungsrolle bei Vacheron Constantin übernahm, hatte sich Ferla als Teil der Richemont Führungsriege in verschiedenen Positionen bei Cartier verdient gemacht.
Hierzu gehörte auch die Leitung von Cartier China. Fortan kann er bei Cartier seine breit gefächerten Fähigkeiten erneut unter Beweis stellen. Dabei kommt ihm sehr zugute, dass in Paris keine größeren Baustellen auf ihn warten. Cyrille Vigneron hat das große Cartier-Terrain hervorragend beackert. Bei Vacheron Constantin hatte der Chief Commercial Officer Laurent Perves zum 1. September die Leitung ad interim übernommen. Inzwischen wurde er zum Markenchef gekürt.
Buccellati und Roger Dubuis
Schon Anfang April hat Nicolas Luchsinger, der frühere Präisdent von Van Cleef & Arpels Asia Pacific am Pilotensessel des Schmucklabels Buccellati Platz genommen. Für seine Aufgabe bringt der neue CEO nunmehr 17 Jahre währende Erfahrungen beim französischen Juwelier mit.
Einen neuen CEO hat auch die vorübergehend von Emmanuel Perrin geleitete Manufaktur Roger Dubuis (MRD). Dort war Nicola Andreatta schon im Juni 2023 überraschend und ohne Angabe von Gründen mit sofortiger Wirkung aus dem Amt geschieden. Ohne großes Aufsehen ist David Chaumet ins dortige Chefbüro eingezogen. Um die MRD hatte sich der charismatische Manager bereits von Juni 2008 bis Mai 2019 verdient gemacht. Zunächst im Kundendienst, dann als Verantwortlicher für den westeuropäischen Markt und schließlich als Geschäftsführer für die Aktivitäten in der Region Asien-Pazifik. Für das Engagement und die Erfolge belohnte ihn Richemont mit der schwierigen Führungsposition beim Sorgenkind Baume & Mercier.
Der Relaunch des Klassikers Riviera bescherte der kleinsten Konzern-Uhrenmarke einen Aufwind, welcher David Chaumet innerhalb der Richemont Führungsriege an die Spitze von Roger Dubuis trug. Ein Zuckerschlecken ist das, was er dort leisten muss, beileibe nicht, denn die Maison Roger Dubuis bewegt sich mit ihren optisch ausgefallenen und teilweise polarisierenden Zeitmessern in einer Nische. Noch offen ist derzeit, wer bei Baume & Mercier künftig das Sagen haben wird.
Bleibt Montblanc, die große Hamburger Maison des Richemont Konzerns. Dort war die Stelle des CEO nach dem Ausscheiden von Nicolas Baretzki im September 2023 längere Zeit vakant. Das Vakuum füllt seit dem 15. November Giorgio Sarné, ein Absolvent der Bocconi-Universität in Mailand und der Hautes Etudes Commerciales (HEC) in Paris. Der neuen Montblanc-CEO kommt von der Tapestry-Group. In den vergangenen vier Jahren leitete er die Luxus-Schuhmarke Stuart Weitzman. Insgesamt bringt Sarné mehr als 20 Jahre Erfahrung in leitenden Funktionen von Marken der Luxusbranche mit. Unter anderem war er bei LVMH für Veuve Clicquot und TAG Heuer tätig.
Im zweiten Teil dieser Personal-Betrachtungen beschäftigt sich der Uhrenkosmos mit dem Geschehen bei LVMH, der Swatch Group und anderen Marken.
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