Wenn man den CEO von Parmigiani Fleurier Guido Terreni zum Interview trifft, so ergibt sich schnell ein Gespräch, dass die hochwertige Uhrmacherei von Parmigiani Fleurier in einen spannenden Kontext von zeitgemäßem Luxus, die Erwartungshaltung einer anspruchsvollen Zielgruppe, aber auch die handwerkliche Kunstfertigkeit traditioneller Uhrmacherei setzt.
Denn Guido Terreni, der über viele Jahre einen substanziellen Beitrag zum Erfolg der Uhrenlinie von Bulgari beitrug, hat einen klugen Blick auf den Markt von heute, wie auf die je nach Marke ganz unterschiedliche Erwartungshaltung der Kunden. Uhrenkosmos gibt Guido Terreni einen gibt Einblicke in seine Vision einer Luxusmarke, die sich über den langsamen jedoch substanziellen Aufbau des Produktportfolios wesentlich von anderen Marken unterscheidet. Dabei spielen die Details eine große Rolle.

Lieber Guido, der YouTuber alias Tanner Leatherstein zerschneidet und seziert Luxushandtaschen, um deren oft erstaunlich geringe Qualität zu entlarven. Hätten Sie Angst, dass jemand eine Parmigiani Fleurier-Uhr auseinanderbaut und auf ihre Qualität und Feinheit prüft – oder würden Sie sich das sogar wünschen, damit mehr über die Qualität der Zifferblätter und Uhrwerke gesprochen wird?
Guido Terreni: Ganz im Gegenteil, ich würde es sogar begrüßen! Wir haben absolut nichts zu verbergen, im Gegenteil: Unsere Uhren sind bis ins kleinste Detail durchdacht, entwickelt und mit Hingabe gefertigt. Wenn jemand wirklich tief in die Konstruktion und Verarbeitung unserer Zeitmesser eintauchen würde, wäre das eine wunderbare Gelegenheit zu zeigen, was unsere Handwerkskunst ausmacht.
Nehmen Sie nur die Materialien: Unsere Zeiger, Indexe und Gehäuse bestehen aus Massivgold, nicht aus mit Gold beschichtetem Messing, wie es bei vielen anderen Marken der Fall ist. Das sorgt dafür, dass die Farbkonsistenz und Wertigkeit der Uhr auf Jahrzehnte hinweg gewährleistet ist. Und wenn wir schon beim Thema sind: Die Feinbearbeitung unserer Uhrwerke, die handgefertigten Guillochierungen auf den Zifferblättern und das gesamte Finish unserer Werke sind auf einem Niveau, das man einfach fühlen muss. Ich wäre also sehr gespannt, wie eine solche Untersuchung ausfallen würde!

Ich persönlich habe eine gewisse Neigung für gut gemachte Hemden und achte dabei auf kleine, für mich sehr wichtige Details wie Stichlänge, Fadendichte oder die Qualität der Knopflöcher. Was sind die feinen, kleinen, aber wichtigen Details, die Parmigiani Fleurier Uhren auszeichnen?
Ah, Wolfgang, Sie achten auf die feinen Details? Genau das ist es, was uns verbindet. Bei uns geht es um Details, die auf den ersten Blick vielleicht unauffällig sind, aber bei genauerem Hinsehen oder Fühlen den Unterschied machen. Ein Beispiel: Wir setzen auf höchste Präzision bei der Verarbeitung unserer Zifferblätter. Die in der speziellen „grené main“ Technik ausgeführten, sandgestrahlten Zifferblätter der neuen Toric-Modelle werden von Hand ausgeführt, was unzählige Stunden an feinster Handwerkskunst erfordert. Ebenso sind unsere Zeiger nicht einfach nur funktionale Elemente, sondern kunstvolle Werke, deren Proportionen perfekt ausbalanciert sind, um Harmonie mit dem gesamten Design der Uhr zu schaffen.
Die Geometrie, die Art des Polierens, selbst die Art und Weise, wie das Licht auf ihnen spielt – all das wird sorgfältig geplant. Und dann gibt es natürlich noch die Ganggenauigkeit. Unser Ziel ist es, eine Uhr zu bauen, die nicht nur optisch überzeugt, sondern auch technisch perfekt ist.


Uhrenkosmos: Den allgemein gültigen Begriff für Luxus gibt es heutzutage nicht. Auch das Luxussegment unterteilt sich in verschiedene Bereiche und Zielgruppen. Wen möchte Parmigiani Fleurier gezielt ansprechen und wie äußert sich das in der Gestaltung der Uhren?
Guido Terreni, Parmigiani Fleurier: Luxus ist in der Tat ein weitläufiger Begriff geworden. Es gibt Marken, die Luxus rein als Prestigesymbol sehen, und dann gibt es uns. Wir möchten Menschen ansprechen, die wahre Qualität erkennen und schätzen. Unsere Kunden sind keine Menschen, die eine Uhr als Statussymbol tragen, sondern echte Kenner, die die Substanz und die Geschichte hinter dem Produkt verstehen.
Das drückt sich auch in unserem Design aus: Wir verzichten bewusst auf übertriebene Ornamente oder unnötige Extravaganz und setzen stattdessen auf klare Linien, edle Materialien und eine Verarbeitungsqualität, die man spürt. Unsere Uhren sind leise, aber präsent. Ein bisschen wie ein perfekt geschnittenes italienisches Sakko – man muss es nicht laut bewerben, denn die Qualität spricht für sich.

Gibt es Unterschiede in der Wahrnehmung von Parmigiani Fleurier als gehobene Luxusmarke in den verschiedenen großen Märkten? Oder etwa auch unterschiedliche Prioritäten in der Entwicklung der internationalen Märkte seitens Parmigiani Fleurier
Ja, und das macht es für uns besonders spannend. In Japan etwa gibt es eine lange Tradition der Perfektion, die tief in der Kultur verwurzelt ist. Dort wird jedes Detail geschätzt, was unsere Uhren sehr attraktiv macht. In Europa gibt es viele Connaisseure, die eine tiefe Leidenschaft für Haute Horlogerie haben. Die USA wiederum sind ein zweigeteilter Markt: Einerseits gibt es eine starke Nachfrage nach auffälligen Luxusgütern, andererseits existiert dort eine stetig wachsende Gruppe von Sammlern, die genau wie wir denken: Qualität vor Quantität.

Ich persönlich bewundere Marken, die sich nicht von kurzlebigen Trends treiben lassen, sondern konsequent ihrer Linie folgen und einen echten Mehrwert schaffen.

Luxus ist bei vielen Marken davon geprägt, dass das Angebot kleiner als die Nachfrage ist. Gilt das auch für Parmigiani Fleurier? Uns wurde etwa von längeren Wartezeiten auf die Toric Modelle berichtet. Auf welche Wartezeit soll sich ein Interessent einstellen, der ein neues Toric-Modell kaufen will, bzw. wie geht Parmigiani dieses Thema an?
Guido Terreni: Wir produzieren keine Uhren in riesigen Mengen, sondern bewusst exklusiv, um unsere Qualitätsstandards zu halten. Jede Uhr, die unser Haus verlässt, durchläuft eine Vielzahl von manuellen Arbeitsschritten und strengen Qualitätskontrollen. Das braucht Zeit, und genau diese Zeit nehmen wir uns.
Die neue Parmigiani Fleurier Toric wurde 2024 vorgestellt und es kam aufgrund der Nachfrage zunächst zu Wartelisten. Gerade auf besonders nachgefragte Modelle muss man auch heute bisweilen noch etwas Geduld aufbringen. Aber das ist keine künstliche Verknappung – wir sind keine Marke, die Hypes erschafft, sondern setzen stattdessen auf natürliche Exklusivität. Es gibt eine bestimmte Anzahl an erfahrenen Handwerkern, die unsere Zeitmesser fertigen, und jeder von ihnen hat nur eine begrenzte Kapazität. Qualität und Sorgfalt stehen bei uns über der Produktionsgeschwindigkeit.
Eine Parmigiani Fleurier Uhr zu erwerben, bedeutet nicht nur, eine Uhr zu kaufen, sondern es bedeutet auch, eine Geschichte und ein Erbe zu tragen. Daher ist es uns wichtig, dass der gesamte Prozess – von der Herstellung bis zur Auslieferung – mit Bedacht geschieht. Kunden, die auf eine unserer Uhren warten, haben oft eine sehr bewusste Entscheidung getroffen und wissen, dass sie etwas Außergewöhnliches erhalten.

Es geht nicht nur um die Vergangenheit, sondern auch darum, wie diese die Zukunft beeinflusst.

Nicht zuletzt getrieben durch die Entstehungsgeschichte der Marke und das Wirken von Michel Parmigiani gibt es regelmäßig technische Innovationen zu bestaunen. Wo sehen Sie noch Raum für Innovation und gibt es eine Komplikation, die Parmigiani Fleurier noch entwickeln und aufnehmen möchte?
Innovation ist der Motor, der die Haute Horlogerie antreibt, und das gilt natürlich und insbesondere für Parmigiani Fleurier. Gleichzeitig sehen wir Innovation nicht als Selbstzweck, sondern als ein Mittel, um das Uhrmacherhandwerk weiterzuentwickeln, ohne die traditionelle DNA zu verlieren.
So arbeiten wir etwa kontinuierlich daran, neue Wege zu gehen – sei es in der Materialwahl, in der Verfeinerung bestehender Komplikationen oder in der Weiterentwicklung mechanischer Konzepte. Besonders spannend ist für uns die Weiterentwicklung unserer Chronographenwerke und der Tourbillon-Technologie, die wir immer wieder verbessern. Zudem gibt es traditionelle Komplikationen, die durch moderne Ansätze optimiert werden könnten. Immer verbunden mit unserem Anspruch, in jeder Uhr eine Balance zwischen mechanischer Raffinesse und funktionaler Eleganz zu schaffen.

Das Modell Parmigiani Fleurier Toric wurde von Beginn an ausgesprochen gut besprochen und sehr positiv aufgenommen. Gleichzeitig hat Parmigiani mit dem Modell Tonda PF eine wunderbar funktionierende Modellreihe. Warum also nicht das Erfolgskonzept von Audemars Piguet übernehmen und auf Basis dieses ausnehmend erfolgreichen Entwurfs eine Vielzahl von Derivaten, statt weiterer echter Neuheiten zu lancieren? Ist das für Parmigiani Fleurier eine Option?
Guido Terreni: Eine spannende Frage! Natürlich beobachten wir den Markt und die Strategien anderer Hersteller. Viele Marken setzen darauf, ein einziges Erfolgsmodell in zig Varianten aufzulegen. Das mag für manche funktionieren, aber das ist nicht unser Weg. Parmigiani Fleurier steht für Authentizität und Unabhängigkeit. Wir wollen nicht einfach bestehende Designs immer wieder leicht variieren, sondern echte Originalität bewahren.
Die Tonda PF-Kollektion ist ein großer Erfolg, zweifellos. Aber unsere Philosophie besteht darin, Kollektionen mit Substanz und Tiefe zu erschaffen, nicht nur eine Vielfalt eines Modells. Jede neue Uhr muss daher ihren eigenen Charakter haben und eine Geschichte erzählen. Entsprechend stolz sind wir, dass unsere Uhren nicht einfach auf kurzfristige Trends setzen, sondern über Jahrzehnte hinweg bestehen und bestehen werden. Um Ihre Frage also kurz zu beantworten: Wir könnten, aber wir wollen nicht.

Gibt es Marken, die Sie inspirieren?
Es gibt viele beeindruckende, erfolgreiche Marken. Aber ich denke, Inspiration kommt oft aus unerwarteten Richtungen. Ich persönlich bewundere Marken, die sich nicht von kurzlebigen Trends treiben lassen, sondern konsequent ihrer Linie folgen und einen echten Mehrwert schaffen. Ich denke da an einige Mode- und Möbelhersteller, die mit kompromissloser Qualität und zeitloser Eleganz arbeiten.
In der Uhrmacherei bewundere ich vor allem Handwerkskunst und Mut zur Innovation. Die großen unabhängigen Manufakturen, die trotz aller Herausforderungen ihre Eigenständigkeit bewahren, sind für mich eine große Inspiration. Es geht letztlich nicht darum, jemandem nachzueifern, sondern darum, aus unterschiedlichen Disziplinen zu lernen und die eigene Handschrift weiterzuentwickeln.

Unser Ziel ist es, eine ikonische Marke zu schaffen, die für Exzellenz, Authentizität und feinstes Handwerk steht
Michel Parmigiani gilt als einer der besten Uhren-Restauratoren der Welt. Wie wollen Sie diese große Kompetenz und diesen für eine Luxusmarke wichtigen Aspekt sicherstellen und dem Unternehmen erhalten?
Wissen und Handwerkskunst sind für uns essenziell. Michel Parmigiani selbst hat nicht nur eine unvergleichliche Restaurierungsexpertise, sondern auch ein Verständnis für Uhrmacherkunst, das weit über die aktuelle Industrie hinausgeht. Diese Kenntnisse müssen erhalten und weitergegeben werden.
Deshalb haben wir eine tief verwurzelte Ausbildungskultur in unserem Haus etabliert. Junge Talente, die bei uns arbeiten, haben die Möglichkeit, von den besten Uhrmachern zu lernen. Wir haben eine Werkstatt, in der restauriert, erforscht und gelehrt wird – und genau diese Denkweise macht uns so besonders.
Unsere Restaurationsabteilung gibt uns zudem die Möglichkeit, traditionelle Techniken zu erforschen und in die Entwicklung neuer Modelle einfließen zu lassen. Es geht nicht nur um die Vergangenheit, sondern auch darum, wie diese die Zukunft beeinflusst. Dieses Erbe ist für Parmigiani Fleurier wie für mich als CEO des Unternehmens von unschätzbarem Wert.

Parmigiani Fleurier
Die großen Luxusmarken sind alle nicht über Nacht entstanden. Wie wird der kurzfristige und wie der langfristige Weg von Parmigiani Fleurier aussehen?
Guido Terreni: Parmigiani Fleurier ist eine Manufaktur, die aus einer tiefen Leidenschaft für Handwerkskunst entstanden ist, und genau das wird auch unser künftiger Weg sein. Wachstum ist wichtig, aber nicht um jeden Preis.
Unser Ziel ist es, eine ikonische Marke zu schaffen, die für Exzellenz, Authentizität und feinstes Handwerk steht. Der kurzfristige Plan ist es, unsere bestehenden Kollektionen zu verfeinern und zu optimieren, anstatt sie inflationär zu erweitern. Jede neue Uhr, die wir auf den Markt bringen, muss eine Bedeutung haben und in unser Gesamtbild passen.
Langfristig setzen wir auf ein gesundes, nachhaltiges Wachstum. Es gibt viele Marken, die sich durch aggressive Expansion und hohe Produktionszahlen auszeichnen. Wir aber glauben, dass wahre Exklusivität darin liegt, beständig zu sein, sich treu zu bleiben und qualitätsbewusste Kunden zu bedienen.
Uhrenkosmos: Die Zahlen zeigen, dass Sie hier offenbar richtig liegen. Wir wünschen weiterhin viel Erfolg und bedanken uns für das interessante Gespräch.

Guido Terreni CEO Parmigiani Fleurier
Sein Werdegang: Guido Terreni ist seit 2021 CEO von Parmigiani Fleurier. Zuvor war er über zwei Jahrzehnte bei Bulgari tätig, wo er maßgeblich zur Transformation der Marke vom Juwelier zum innovativen Uhrenhersteller beitrug und Kollektionen wie Serpenti und Octo einführte. Unter seiner Führung hat Parmigiani Fleurier die Tonda PF Kollektion erfolgreich etabliert und das Markenprofil geschärft.
Geboren und aufgewachsen ist Guido Terreni in Mailand. Hier erwarb er auch einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der Università Cattolica del Sacro Cuore und einen Master of Business Administration (MBA) an der Eliteuniversität SDA Bocconi School of Management.
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