Patek Philippe Cubitus, die Dritte im Bunde
Auf das, was Patek Philippe und Präsident Thierry Stern am 16. und 17. Oktober 2024 in München vorstellte, hat die Uhrenwelt mit größter Spannung gewartet. Bekannt war allein, dass die neue Uhrenlinie Cubitus heißen wird. Nun also hat die Genfer Nobelmanufaktur den Schleier über den Referenzen 5821/1A-001, 5821/1AR-001 und 5822P-001 gelüftet.
Und das damit Verknüpfte bestätigt, dass es sich um letztlich um eine Erweiterung des Spektrum sportlich-eleganter Armbanduhren in der Kollektion von Patek Philippe handelt. Neben der Aquanaut und den weiterhin existierenden Nautilus-Modellen mit Ausnahme der 2021 eingestellten Referenz 5711 wird es als Dritte im Bunde künftig eben auch Cubitus geben.
Die Nachfrage nach Aquanaut und Nautilus ist bei Patek Philippe sehr hoch oder fast schon zu hoch. Das gefällt mir nicht, das bereitet mir in gewisser Weise auch Angst. Dabei denke ich an einen Mitbewerber. Der hat eine wunderbare Uhr, aber auch ein Problem, weil das Geschäft fast nur an dieser einen Uhr hängt. Das hat mich bewogen, die Nautilus 5711 einzustellen. Diese Uhr stellte für mich und Patek Philippe eine echte Gefahr dar. Natürlich bot sie eine fantastische Gelegenheit, sehr viele Uhren zu verkaufen.
Aber ich sehe die Dinge halt etwas anders. Ich denke langfristig und entwickle Patek Philippe für die nächste Generation. Es ist nicht meine Firma, denn ich bin nur für einige Jahre an Bord und ich versuche, das Unternehmen stärker als vorher zu machen. Nach mir muss es in der bestmöglichen Art und Weise überleben. Wenn ich Patek Philippe an die nächste Generation übergebe, dann möchte ich auch sehr viele Möglichkeiten übergeben. Daher war es für mich ein Risiko, allein auf die Nautilus zu setzen. Irgendwann lässt der Erfolg beinahe zwangsläufig nach.
Cubitus
An den Start gehen besagte drei Patek Philippe Cubitus Referenzen 5821/1A-001 und 5821/1AR-001 als Drei-Zeiger-Modelle mit Automatikwerk und Datum das Zeug haben, in die Fußstapfen der Nautilus Referenz 5711 zu treten. Daher konzentrieren sich diese Betrachtungen zunächst einmal auf das uhrmacherisch Reduzierte. Die Platin-Referenz 5822P-001 mit augenblicklich springendem Großdatum und Wochentagszeiger verlangt wegen der hohen technischen Komplexität des Automatikkalibers 240 PS CI J LU nach genauem Studium und differenzierter Auseinandersetzung mit den sechs Patenten, welche die ausgeklügelte Mechanik schützen.
Wer die Referenz-Systematik von Patek Philippe kennt, sieht auf den ersten Blick, dass es sich bei der 5821/1A-001 um ein puristisches Stahlmodell handelt, während die Manufaktur bei der 5821/1AR-001 die Materialien Stahl und Rotgold kombiniert. Die Form, welche das Trio eint, besitzt durchaus das Zeug zur Polarisierung. Bei der Gestaltung des Newcomers lag Thierry Stern, dem geistigen Vater der Cubitus das Quadrat sehr am Herzen.
Ich hatte immer die quadratische Form im Fokus. Aber die Herausforderung ist groß, denn es handelte sich um keine gewöhnliche, von der wir ja etliche im Museum haben, sondern eine sehr spezielle. Mein Ziel bestand darin, eine quadratische Uhr mit sportlicherem Auftritt zu entwerfen. Natürlich hätte ich auch eine quadratische Uhr im Calatrava-Stil gestalten können. Aber das hat mir nicht behagt. Mir war von Anbeginn klar, dass ich eine trendigere Armbanduhr aus der Taufe heben möchte, die sich täglich tragen lässt. Mit der man ist Wasser springen und die man auch zum T-Shirt tragen kann. Ein Design auch für jüngere Menschen.
Ich wusste, das wird nicht leicht, denn 80 Prozent aller verkauften Uhren sind rund. Also führt der leichteste Weg zu einer neuen Uhr logischerweise über das Rund. Aber genau das wollte ich eben nicht. Ich wusste, dass ich das hinbekomme. Es war jedoch eine Frage der Zeit. Patek Philippe hatte so viele Projekte in der Pipeline, dass keine Kapazitäten zur Verfügung standen.
Vom Wert des Quadrats
Ganz bewusst hat sich die Cubitus-Optik recht weit entfernt vom klassischen Quadrat mit vier gleich langen Seiten. Aber über die Bedeutung des Quadrats ganz generell und im Universum der Armbanduhren hat sich Thierry Stern sicher auch grundsätzlich seine Gedanken gemacht. Auf den Punkt gebracht hat die Angelegenheit bereits Konfuzius. „Sich nach dem Quadrat zu richten heißt, recht zu handeln!“, lautet eines der erkenntnisreichen Postulate des großen chinesischen Lehrmeisters.
Diese Aussage kommt freilich nicht von ungefähr. Unter allen geometrischen Formen gibt es wohl nur eine, die statische Ausgewogenheit so klar repräsentiert und zudem Maßstab harmonischer Proportionen ist. Die vier gleichlangen Seiten des Quadrats verweisen auf die Äquivalenz der vier Jahreszeiten und der vier Himmelsrichtungen. Sie erinnern an die vier von Empedokles als unveränderlich erachteten Elemente Feuer, Luft, Wasser und Erde.
Und auch die auffälligsten Erscheinungen des Mondes, die Mondphasen, sind gekennzeichnet durch die Zahl vier: Neumond – erstes Viertel – Vollmond – letztes Viertel. Die Fläche des Kreises ist übrigens auch nur durch eine Quadratur zu ermitteln. Schließlich stand das Quadrat als Symbol formaler Ordnung schon immer der Architektur, dem Städtebau und dem Gebrauchsdesign Pate.
Das Quadrat kann also zurecht für sich in Anspruch nehmen, zugleich Ausdruck statischer Perfektion, Symbol ausgewogener Vollkommenheit und Maßstab der harmonischen Proportion zu sein. Im Gegensatz zur unaufhaltsamen Dynamik der Zeit strahlt es Ruhe und Ausgeglichenheit aus, Faktoren die für den modernen Menschen höchst bedeutsam sein können.
Quadrat am Handgelenk
Nachdem das Quadrat die Vier geradezu idealtypisch verkörpert, liegt es nahe, auch die Zeit als vierte Dimension in quadratische Gehäuse zu verpacken. Seit jeher vereinen quadratische Armbanduhren statische und dynamische Elemente in eleganter Synthese zu einem ausgeglichenen Ganzen, das dem Wesen der Zeit optimal gerecht zu werden vermag. Schon mehr als 100 Jahre begleitet das Quadrat die Uhr durch ihre Geschichte am Handgelenk. Erste Modelle wie die Cartier Santos besaßen aus technischen und ästhetischen Gründen abgerundete Ecken. Einen respektablen Durchbruch schaffte diese Gehäuseform in den 1940-er und 1950-er Jahren, als kantige Alternativen zum Rechteck.
Damals fanden sich auch in der Kollektion des Hauses Patek Philippe zahlreiche quadratische Modelle. Die Referenzen 457 von 1935 und die 1945 vorgestellte und in einer Mini-Auflage von nur sechs Exemplaren produzierte Referenz 1572 mit dem Handaufzugskaliber 10‘‘‘110 besaß sogar abgeschrägte Ecken, wie das bei der neuen Cubitus der Fall ist. Streng genommen könnte man also auch von einer Art Achteck sprechen, welches Gérald Genta sehr am Herzen lag. Bezüge zum Gestalter der Patek Philippe Nautilus weist Thierry Stern im Zusammenhang mit Cubitus allerdings kategorisch zurück.
Zu keinem Zeitpunkt nutze ich das, was Gérald Genta einst vorgegeben hat. Natürlich kann man das sagen, um die Geschichte zur neuen Cubitus aufzuhübschen. Wenn ich Genta im Kopf gehabt hätte, wäre das Design eher altmodisch und klassischer geworden. Und genau das wollte ich nicht. Aber das Design unserer Nautilus war nicht in der Gedankenwelt, die ich im Zusammenhang mit der neuen Cubitus hatte.
Mein Ziel bestand in einer flacheren und wasserdichten Armbanduhr mit einem Design, das ausgesprochen schwer zu kopieren ist. Die Winkel des Gehäuses, wie Politur und Satinierung, die flache Bauweise, nur 9,6 Millimeter hoch, das ist nicht viel. Alles zusammen ist das ausgesprochen schwierig und anspruchsvoll. Ich wünsche all jenen viel Glück, die versuchen werden, das zu kopieren. Auf unserem Level ist das eine immense Herausforderung.
Automatikwerk
Daran, dass es eines Tages Plagiate gibt, bestehen nicht die geringsten Zweifel. Aber in der Tat wird es extrem schwierig sein, die Komplexität der Cubitus Sichtbodenschale und auch deren handwerkliche Vollendung auch nur halbwegs anständig in den Griff zu bekommen. Konstruktiv folgt sie dem zweiteiligen Nautilus-Gehäuse. In den Drei-Zeiger-Modellen tickt das das Kaliber 26-330 S C, welches auch die Nautilus 5811 mit ebenfalls zweiteiliger Schale beseelt.
Durch seine patentierte Stellhebel-Wippe lässt sich das Automatikwerk mit einseitig aufziehendem Rotor aus 21-karätigem Gold zifferblattseitig aus dem Gehäuse nehmen. Nach Vollaufzug stehen mindestens 35 Stunden Gangautonomie zur Verfügung. Maximal tickt das 3,3 Millimeter hoch bauende, aus 212 Komponenten montierte Uhrwerk 45 Stunden am Stück ununterbrochen mit vier Hertz. Zur Gyromax-Unruh mit variabler Trägheit gesellt sich eine Spiromax-Spirale aus temperaturstabilisiertem Silizium. Ein Unruhstopp gestattet sekundengenaues Stellen der Zeiger.
Patek Philippe Cubitus
Spätestens jetzt gilt es auf ein kleines Problem der neuen Cubitus hinzuweisen. Zwischen den Fotos und der Uhr selbst bestehen beträchtliche Unterschiede. Man muss sie ans Handgelenk legen, um die Werte des Ganzen richtig beurteilen zu können. Nur dann lassen sich die haptischen Qualitäten und auch der hohe Tragekomfort dieser Armbanduhr richtig ermessen. Am Stahlmodell werden sicher auch Nautilus-Fans Gefallen finden, die bei der vorletzten Edition mit moosgrünem Zifferblatt zu kurz gekommen sind. Die Kombination aus Stahl und Gold ist derzeit ohnehin hoch im Kurs.
So gesehen steht zu erwarten, dass die erste Edition sehr schnell vergriffen sein wird. Mit einem Diagonalmaß von 45 Millimetern ist die neue Cubitus nicht eben klein. Aber erstaunlicherweise passt sie auch recht gut an weibliche Handgelenke. Dem Druck des nassen Elements widersteht die Schraubkronenschale bis zu drei bar. Zum Tauchen ist das Modell also nicht geeignet. Die Bauhöhe beträgt sehr moderate 8,3 Millimeter.
Auch beim Gliederband bestand für Thierry Stern keine Veranlassung, von dem vollendeten Vorbild an der Nautilus-Referenz 5811 abzuweichen. In meinen Augen handelt es sich tatsächlich um eines der geschmeidigsten Gliederbänder am Markt. Zu seinen bemerkenswerten Eigenschaften gehört die Butterfly-Faltschließe.
Üblicherweise gestattet sie keine Verlängerung, was bei Hitze oder am Ende eines arbeitsreichen Tags, wenn das Handgelenk angeschwollen ist, recht unangenehm sein kann. In diesem Fall lassen sich die letzten Bandglieder nahe der Schließe nach Betätigung rückwärtiger Federelemente um jeweils etwa zwei Millimeter auseinanderziehen. Das Zusammenschieben gelingt auch bei geschlossenem Band ohne Knopfdruck.
Gut Ding braucht Weile
Natürlich ist die neue Patek Philippe Cubitus nicht von heute auf morgen entstanden. Nach dem Motto, dass gut Ding einfach Weile braucht, ließen sich Therry Stern und seine Equipe reichlich Zeit.
Von den ersten Ideen bis zum endgültigen Produkt zogen vier Jahre durchs Land. Das ist eine lange Zeit. Doch die brauchte es. Anfangs war die Uhr zu konventionell, zu klassisch. Irgendwann waren wir bei unserer Referenz 5033, die auch etwas quadratisch ist, aber nicht wirklich quadratisch. Ich mochte das nicht. Diese Entwürfe waren zu dick, sie machten mich einfach nicht glücklich. Es musste sportlicher sein. Also sagte ich, lasst uns die DNA von Patek Philippe nutzen, lasst uns das machen was wir am besten können. Lasst uns die sportliche Nautilus und Aquanaut als Vorbild nehmen.
Diese Uhren mag ich wirklich. Lasst uns zurückkehren zu den Regeln von Patek Philippe für sportlich-elegante Uhren. Das bereitete mit dann wirklich Freude. Mit der Nautilus verbindet mich schon seit meiner Kindheit unendlich viel. Warum sollten wir an diesen Grundsätzen rütteln. Wir nutzen einfach das Beste vom Besten und machen es noch besser oder besser gesagt anders.
Erstaunlich aber wahr: Schon vor den ersten Designstudien stand der Name dessen fest, was bei den internationalen Patek Philippe-Konzessionären ab sofort erworben werden kann.
Den Namen hatte ich bereits, bevor ich mit irgendwelchen Zeichnungen zur Uhr begonnen habe. Mir schwebte eine quadratische Armbanduhr vor, und ich nenne sie Cubitus. Alle haben mich gefragt, warum. Ich antwortete, dass ich das in meinem Kopf hatte. Das kam von Cube, was französisch quadratisch bedeutet. In diesem Zusammenhang fiel mir Nautilus ein, was ein schöner Name ist. Cubitus war eine Art logische Konsequenz. Also bevor wir irgendwas angefasst haben, war der Name bereits da. Ein Name, den man sich rund um den Globus gut merken, den man in allen Sprachen gut aussprechen kann. Natürlich ist dieser Name rechtlich geschützt.
Mit Blick auf das Lancement hat die Genfer Manufaktur (die ganze Patek Philippe Markengeschichte wie die neuen Produktionsstätten stellen wir hier vor) nicht eben wenige Exemplare hergestellt. Das Stahlmodell kostet unverbindliche 40.557 Euro. In Stahl und Gold ist die Cubitus für 60.300 Euro zu haben. Es ist davon auszugehen, dass der Handel seine besten Kunden bevorzugt mit den Patek Cubitus Armbanduhren bedient. Vermutlich werden sehr schnell auch erste Exemplare im Parallelmarkt zu deutlich höheren Preisen auftauchen.
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