Angetrieben von einer Feder
Genau zwanzig Jahre liegt sie nun zurück, die Einführung der Grand Seiko Spring Drive Kaliber 9R Werkfamilie. Und diese runde Zeitspanne nimmt die japanische Luxusmanufaktur zum Anlass, zwei neue Modelle mit sehr speziellem Auftritt vorzustellen. Die beiden Referenzen SBGY035 und SBGA499 gehören nicht nur der Grand Seiko Elegance Kollektion an, sondern sie sind auch mit exklusivem Spring Drive-Innenleben zum Messen und Anzeigen der Zeit ausgestattet.
Als besagte Grand Seiko Kaliberfamilie 9Rxx im Jahre 2004 an den Start ging, blickte Seikos mechanisch-elektronische Hybrid-Technologie bereits auf knapp drei Jahrzehnte Entwicklungszeit zurück. Wie so oft im Leben begann alles mit einer Idee. Und die hatte Yoshikazu Akahane im Jahr 1977 geboren, als die Quarzrevolution mehr und mehr um sich griff. Ein Problem der elektrischen Zeitmesser bestand in ihrem Stromverbrauch. Um diesen zu befriedigen, brauchte es Batterien. Und diese mussten logischerweise mit schöner Regelmäßigkeit ausgetauscht werden. Von mehrjähriger Gangautonomie war damals noch nicht die Rede.
Also schwebte dem in jenen Jahren für Seiko Epson tätigen Ingenieur ein neuartiges Quarzwerk ohne chemisches Speichermedium für die unabdingbar nötige elektrische Energie vor. Seine Gedanken zielten auf eine Synthese aus überlieferter mechanischer Getriebekette und präziser Hochfrequenz-Elektronik. Selbige sollte und musste so klein sein, dass sie in ein Armbanduhrgehäuse passt. Ein passendes Bild hatte der Japaner dabei auch vor Augen. Es zeigte einen Radfahrer, der mit konstanter Geschwindigkeit bergab fährt und dabei auf ein Kaninchen blickt, das als Schrittmacher vor ihm hoppelt.
Diese Vision war eine Sache, ihre technische Umsetzung eine ganz andere. Deshalb dauerte es ganze fünf Jahre, bis der erste Prototyp auf der Basis eines klassischen Seiko-Handaufzugswerks ganze vier Stunden am Stück lief. Die Kalender zeigten 1982.
Das ermutigte die Chefetage, dem ambitionierten Projekt im Jahr 1983 offiziellen Charakter zu verleihen. Ein Ziel bekam der Erfinder auch mit auf den künftigen Weg: zwei volle Tage Gangautonomie.
Das jedoch verlangte nach technologischer Kompetenz, die bei Seiko niemand vorweisen konnte. Auch die zu Rate gezogene Universität Tokio konnte keine zufriedenstellende Lösung des Problems liefern. Daher wanderte das Projekt vor vierzig Jahren, sprich 1984, ins Archiv. Es gab schlichtweg keine Zukunftsperspektive. Stattdessen präsentierte Seiko 1988 ein autogenerierendes Energiesystem mit Rotor, Kondensator und konventionellem Quarzwerk.
Wege zum Ziel
Eben jenes Seiko A.G.S. Kinetic lieferte Impulse, Akahanes Pläne doch wieder aus der Mottenkiste zu holen. Danach strichen weitere fünf Jahre durch die japanischen Lande. Fortwährende Bemühungen, dem hoch gesteckten Ziel näher zu kommen, führten 1993 zu einem neuen Prototyp mit nunmehr zehn Stunden Gangautonomie. Mehr war mit vertretbarem Kostenaufwand nicht zu machen. Also brachte 1994 ein abermaliges Aus für das Projekt eines batterie- oder kondensatorlosen Uhrwerks mit elektronisch angeregtem Schwingquarz als Gangregler.
An Aufgeben dachte Yoshikazu Akahane indessen keine Sekunde. 1997 erfolgte seine Beförderung zum Chef der Seiko Uhrendivision. Also solcher gab er das Signal zum Weitermachen. Gleich mehrere Abteilungen machten sich ans Werk. Gemeinsam entwickelten sie einen neuartigen Mikrochip mit niedriger Spannung und äußerst geringem Energieverbrauch.
25 nW bedeutete, dass drei Milliarden Spring Drive-Werke so viel Strom verbrauchen wie ein Laptop-Computer. Mit dieser Botschaft konnte sich Seiko definitiv sehen lassen. 1998 gab es während der Basler Uhrenmesse beinahe serienreife Prototypen zu sehen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren im Hause Seiko rund 200 Spring-Drive-Prototypen entstanden.
Bereits im Folgejahr konnten japanische Kunden zwischen drei limitierten Editionen mit den Handaufzugskalibern 7R68 oder 7R78 wählen. 48 Stunden Gangautonomie ließen aufhorchen. Einen Grund, sich auf diesen Lorbeeren auszuruhen, sah das Seiko-Management nicht. 2004 debütierte wiederum während der Basler Uhrenmesser die Spring Drive Kaliber 9R Familie. Sie war technisch derart vollkommen, dass sie bis in die Gegenwart Bestand hat.
Grand Seiko Spring Drive Kaliber 9R
Tri-Synchro-Regulator
Die Funktion der Spring-Drive-Kaliber ist schnell erklärt. Der Antrieb gleicht dem eines mechanischen Uhrwerks. Antriebsenergie liefert ein manuell oder automatisch befüllter Federspeicher. Eine konventionelle Getriebekette transformiert die langsamen Rotationen des Federhauses in schnellere, aber kraftärmere Drehungen. Am Ende des Räderwerks findet sich weder Hemmung noch Unruh. An die Stelle des mechanischen Gangreglers tritt ein ausgeklügelter Tri-Synchro-Regulator, welcher ähnlich einer Wirbelstrombremse agiert. Angetrieben vom Energiespeicher bewegen sich ein kleines Gleitrad samt Magnet-Rotor konstant in einer Richtung.
Dabei generiert das Duo unmittelbar Energie für die quarzgesteuerte elektromagnetische Bremse. Letztere bewirkt einen sehr gleichmäßigen Ablauf des gesamten Räderwerks. Manche Kaliber weichen monatlich ±15 Sekunden von der astronomischen Norm ab. Die moderneren Varianten bringen es auf eine monatliche Präzision von ±10 Sekunden.
Jubiläumsmodelle
Nach diesen Erklärungen mag es sich von selbst verstehen, dass Grand Seiko das 20-jährige Jubiläum der Kaliberfamilie 9Rxx gebührend feiert. Beide Kreationen sind der Elegance Collection zuzuordnen. Inspirieren ließen sich die Produktgestalter von der Harmonie des Hotaka-Gebirges in der zentraljapanischen Shinshu-Region. Dort befindet sich der Ausgangspunkt aller Grand Seiko Spring Drive-Kreationen. Bei Sonnenaufgang präsentiert sich der Bergzug in einer rötlichen Farbe. Sie ist dem Zifferblatt ebenso zu eigen wie der Farbton, welchen Laubbäume im Herbst anzunehmen pflegen.
In der Referenz Grand Seiko SBGY035 findet sich das Spring Drive Kaliber 9R31 20th Anniversary mit manuellem Aufzug und 72 Stunden Gangautonomie. Die bis drei bar wasserdichte Sichtboden-Schale aus Edelstahl misst 38,5 Millimeter. Am Handgelenk trägt sie 10,2 Millimeter auf. Eine Dreifach-Faltschließe besitzt das Armband aus farblich zum Zifferblatt passenden Alligatorleder. Jedes der insgesamt 700 Exemplare schlägt mit unverbindlichen 9.200 Euro zu Buche.
(Eine weitere spannende Grand Seiko Taucheruhr mit Spring Drive Kaliber stellen wir hier vor.)
Wer nicht mit schöner Regelmäßigkeit an der Krone drehen möchte, kann zur Referenz Grand Seiko SBGA499 greifen. Sie findet mit dem automatischen Spring Drive Kaliber 9R65 20th Anniversary ans Handgelenk. Auch hier liegt die Gangautonomie bei 72 Stunden. Der Boden der 40,2 Millimeter großen und 12,8 Millimeter hohen Schale ist mit einem runden Saphirglas-Fenster ausgestattet. Bis zu zehn bar Druck reicht die Wasserdichte. Von dieser Armbanduhr fertigt Grand Seiko 1.300 Stück. Der unverbindliche Preis liegt bei 6.300 Euro.
Hinsichtlich ihrer Präzision sind beide Werke gleich: Die monatliche Gangabweichung höchstens ±15 Sekunden. Und damit können Frau oder Mann bestens leben.
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