Zurück zur Manufaktur
Oris startet mit der Produktion und Lieferung des neuen Oris Calibre 400. Nach dem Management-Buyout durch Dr. Rolf Portmann und Ulrich Herzog und Neustart im Jahr 1982 setzte die 1904 gegründete Uhrenmarke in erster Linie auf Uhrwerke von Eta und aktuell Sellita. Und das nicht zuletzt aus Kostengründen, denn die Oris-Philosophie zielte und zielt auf erschwingliche Zeitmesser fürs Handgelenk.
Ab dem Jahr 2014 leiteten das exklusive Oris Kaliber 110 und seine Derivate einen Richtungswechsel ein. Nicht um 180 Grad, aber dennoch höchst bemerkenswert. Handelt es sich doch bei den 34 Millimeter großen Handaufzugswerken mit zehn Tagen Gangautonomie und ausgeklügelter Gangreserveanzeige um eine viel beachtete Eigenentwicklung, welche Oris zusammen mit einschlägig erfahrenen Partnern fertigt.
Speziell das auf 110 Stück limitierte Erstlingswerk mit 34-Millimeter-Stahlgehäuse war im Handumdrehen ausverkauft. Seitdem ist der Markt leergefegt. Auch gebrauchte Exemplare sind so gut wie nicht zu finden.
Drei Generationen Oris Automatik
Ein Jahr nach dem Debüt dieser Armbanduhren, die es übrigens auch mit goldener Gehäuseschale gab, starteten CEO Rolf Studer und COO und Chefentwickler Beat Fischli bei Oris mit der Kreation eines hauseigenen Automatikwerks.
Nicht zur Debatte stand von Anbeginn ein wie auch immer gearteter Klon eines nicht mehr geschützten Eta-Kalibers, wie beispielsweise dem Kaliber 2824 oder 2892. Auch an die eigene Automatik-Vergangenheit knüpften die Oris Konstrukteure nicht.
Diese startete im Jahr 1952 mit den Kalibern 601 und 605. Weil das 1934 erlassene und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verlängerte Uhrenstatut die Manufaktur weiterhin einschränkte, verfügte das 27 Millimeter große Oeuvre mit ca. 35 Stunden Gangautonomie über eine Stiftankerhemmung. Auf dem Weg über Zwillings-Klinkenräder spannte der Rotor die Zugfeder in beiden Drehrichtungen. Stündlich 18.000 Halbschwingungen vollzog die Unruh. Einen Vorteil hatten die Kaliber schon – nach dem Lösen von nur drei Schrauben konnten Uhrmacher die Automatik-Baugruppe entfernen.
Die Besonderheit des Oris Kalibers 605 bestand in einer Gangreserveanzeige. Hierfür montierten die Techniker auf dem Federhaus ein kleines Differentialgetriebe, welches den bei „12“ positionierten Zeiger antrieb. Bei diesem Uhrwerk handelte es sich übrigens um das einzige seiner Art.
Nach dem Ende der lähmenden Konvention gab 1966 das neue, ebenfalls 12-linige Oris Kaliber 645 mit Steinankerhemmung, 2,5 Hertz Unruhfrequenz, 40 Stunden Gangautonomie und direkter Zentralsekunde seinen Einstand. Dessen Produktion währte zwanzig Jahre lang, reichte also bis in die Zeit des Neubeginns. In diesem Fall polarisierte ein mittig gelagerter Hebelwechsler die Rotorbewegungen. Die Ausführung mit Fensterdatum baute 6,25 Millimeter hoch. Oris verbaute sie unter anderem in dem Modell Oris Star. 0,6 Millimeter mehr maß das 648 mit zusätzlicher Wochentagsindikation und Datums-Schnellschaltung. Man findet es zum Beispiel in der Oris Twen Automatic.
Die dritte Automatik-Generation von Oris
Seit knapp 40 Jahren verknüpft man Oris in erster Linie mit den Kalibern Eta 2824-A2 und Sellita SW 200. Beide sind nahezu baugleich und bekannt für ihre robuste Zuverlässigkeit. Von wirklicher Exklusivität kann hingegen keine Rede sein. Die Produktionszahlen bewegen sich im siebenstelligen Bereich, denn im frei verkäuflichen Kaliber-Einstiegsbereich bietet die Schweizer Uhrenindustrie so gut wie keine Alternativen.
Oris Calibre 400
Am 29. Oktober 2020 bricht bei der in Hölstein beheimateten Familien-Manufaktur Oris eine neue Zeitrechnung an. Dann nämlich gelangen die ersten Oris Armbanduhren mit dem hauseigenen automatischen Kaliber 400 auf den Markt.
Ganz anders der von Oris Calibre 400 getaufte Newcomer. Er tickt schon seit Monaten zu allseitiger Zufriedenheit. Mit Fug und Recht kann man von einem der preisgünstigsten exklusiven Automatikwerke auf dem Schweizer Uhrenmarkt sprechen. Es tritt in einen spannenden Wettbewerb mit den Manufakturkalibern der Schwestern von Alpina und Frédérique Constant zum einen, sowie Tudor zum anderen.
Gut Ding braucht Weile
Fünf Jahre lang forschte und entwickelte Oris COO Beat Fischli mit seinem Team, um die im Pflichtenheft definierten Kriterien zu erfüllen. Und die zielten eindeutig auf eine komplette Neuentwicklung fernab von Eta, Sellita & Co.
Die hervorstechendsten Merkmale des 30 Millimeter großen und 4,75 Millimeter hoch bauenden Mikrokosmos bestehen in
- einer langen Gangautonomie von fünf Tagen,
- besonderer Widerstandsfähigkeit gegen Magnetfelder,
- Ganggenauigkeit im Delta der offiziellen Schweizer Chronometernorm sowie
- hoher Servicefreundlichkeit und langen Wartungsintervallen.
Überzeugt von der eigenen Qualität stattet Oris alle Calibre 400 Armbanduhren nach entsprechender Registrierung auf MyOris mit einzigartigen zehn Jahren Garantie aus. Nach dieser langen Zeitspanne empfiehlt sich auch der erste Kundendienst. Vorher sollte man, falls erforderlich, jedoch stets die Wasserdichtigkeit der damit ausgestatteten Armbanduhr prüfen lassen.
Weniger ist mehr
Nun zum Uhrwerk selbst. Seine Konstruktion erfolgte nach dem Prinzip, dass nicht Vorhandenes auch nicht kaputt gehen kann. Deswegen besteht das Calibre 400 aus nur rund 150 Komponenten inklusive der Schrauben und funktionalen Steine. Weil Oris auf das Wechselgetriebe verzichtete, spannt der Rotor die zwei seriell geschalteten Federhäuser nur in einer Drehrichtung. Das jedoch tut er sehr effizient.
Auch Schreibtischtäter sollten es so schaffen, einen hinreichend großen Energievorrat aufzubauen. Ist das aus medizinischem Bioflex-Material gefertigten Zugfeder-Paar voll gespannt, reicht die Gangautonomie fünf Tage lang. Dieser beruhigende Wert dürfte all jenen sehr gelegen kommen, die mehrere Uhren zu tragen pflegen.
Möglich wurde dieser Wert auch durch die energetische Effizienz des gesamten Räderwerks. Gepaart mit der Hemmung aus Silizium-Komponenten gewährleistet die neu konzipierte Verzahnung geringen Energieverlust. Auf dem Weg von den Federhäusern zum Gangregler mit vier Hertz Unruhfrequenz gehen nur 15 anstelle der allgemein üblichen 30 Prozent verloren.
Den heutzutage als Weltstandard zu bezeichnenden Kugellagerrotor sucht man beim Kaliber 400 vergebens. Die Reparatur-Erfahrungen mit Eta 2824 und Sellita SW 200 haben gelehrt, dass neben dem Wechselgetriebe zur Polarisierung der Rotorbewegungen vor allem besagtes Kugellager häufig Probleme bereitet. Daher dreht die Schwungmasse um einen Zapfen. Dessen Bruch müssen Normalsterbliche nicht fürchten, denn er hält, wie Belastungsversuche gezeigt haben, Stöße von 5000 G ohne Probleme aus.
Kaliber 400 und der Kampf dem Magnetismus
Weil heutzutage insbesondere über die Digitalisierung und elektrische Geräte Magnetfelder omnipräsent sind, stattet Oris das 400 Kaliber neben den Silizium-Komponenten im Assortiment mit weiteren rund 30 Bauteilen aus amagnetischem Material aus. Chronofiable-Tests im anerkannten Laboratoire Dubois haben gezeigt, dass das Kaliber 400 einen Tag nach der Belastung mit 2.250 Gauss um weniger als 10 Sekunden in 24 Stunden von der Norm abweicht. Demgegenüber darf eine Uhr nach der aktuellen ISO-764-Norm schon dann als antimagnetisch zu gelten, wenn sie nach der Belastung mit 200 Gauss pro Tag bis zu 30 Sekunden falsch gehen. Mit anderen Worten: Das Calibre 400 erreicht nach einer Strapaze mit der elffachen Magnetfeldstärke nur ein Drittel dieses Werts.
Weitere Merkmale sind eine direkt angetriebene Zentralsekunde, Unruhstopp zum sekundengenauen Stellen der Uhrzeit und ein halbspringendes Fensterdatum. Zur COSC schickt Oris seine neuen Kaliber 400 übrigens nicht. Gleichwohl werden sie in den Ateliers so reguliert, dass sich die tägliche Gangabweichung zwischen minus drei und plus fünf Sekunden bewegt. Und das ist besser als die amtliche Schweizer Chronometernorm.
Mehr zu den Hintergründen des Kalibers 400 demnächst an dieser Stelle bein Interview mit Oris-COO Beat Fischli, der die Konstruktion zusammen mit seinem Team verantwortete.
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