Ein Stoff, um Uhrengeschichte zu schreiben
Die Herstellung von Porzellan und Keramik war längst kein Thema mehr und die Herstellung weitgehend geklärt. Im Jahr 1789 entdeckte allerdings Martin Klaproth das Element Zirkonium. Der deutsche Chemiker stellte umfangreiche Mineralanalysen an, in denen er das zu den Metallen gehörende Element erforschte. Klaproth stellte unter anderem fest, dass bei der Verarbeitung von Zirkonium – also beim Brennen von Keramik – eine chemische Umwandlung in Gang gesetzt wird. Mit dem Brennvorgang wird Sauerstoff aufgenommen. Dadurch wird Zirkonium zu Zirkoniumdioxid, dem Ausgangsstoff für seit dem späten 19. Jahrhundert bekannte „Zirkon“-Produkte.
Diese Produkte haben bemerkenswerte Eigenschaften: Sie sind antiallergisch, leicht, kratz- und verschleißfest. Alles Eigenschaften, um eigentlich Uhrengeschichte zu schreiben. Allerdings fanden die Vorteile des Zirkons in der Verwendung bei Keramik-Uhrengehäuse erst in den 1980er Jahren Verwendung.
Keramik-Gehäuse Pioniere: IWC und Rado
Die ersten Hersteller, die das vielseitige Material bei hochwertigen Uhren einsetzten, waren IWC und Rado. Die Schaffhauser Manufaktur lancierte im Herbst 1986 ihre schwarze IWC „Da Vinci“ mit Keramikgehäuse. Um das Modell zu entwickeln, hatten die Produktentwickler mit erfahrenen Firmen zusammengearbeitet. Aufwändiger als die Herstellung des keramischen Gehäuserings gestaltete sich anschließend das Montieren der verschiedenen „Armaturen“, zu denen auch die beweglichen Bandanstöße gehörten.
Ebenfalls im Jahr 1986 stellte Rado seine Uhr „DiaStar Integral“ vor. Die Manufaktur spendierte ihrer Uhr zunächst nur ein Armband aus kratzfesten Keramik-Komponenten. Erst drei Jahre später gelang auch die Fertigung eines entsprechenden Keramik-Uhrengehäuses.
Übrigens hat die Uhrenindustrie Keramik nicht nur als Material für ihre Uhrengehäuse entdeckt. 1.200 Vickers Härte oder mehr prädestinieren den Stoff förmlich zur Herstellung winziger Kugeln für wartungsfreie Rotor-Kugellager.
Präzision, haargenau!
Bei der Herstellung von Zirkon unterscheidet man zwischen Oxiden (beispielsweise Aluminium- oder Zirkonoxidkeramiken), Karbiden (etwa Sililiumkarbidkeramik) sowie Nitriden (Silizium- oder Aluminiumnitridkeramik).
Wichtige Grundvoraussetzung für die Verarbeitung zu Hochleistungskeramik bildet die Reinheit des jeweiligen Pulvers und seine Korngröße. Gebräuchlich sind Körner von einem Tausendstel Millimeter. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar ist fünfmal so dick.
Pressen, Brennen und Polieren des Keramik-Gehäuses
Die anschließende Verarbeitung erfolgte zunächst mit Hilfe von Pressverfahren und anschließendem Sintern oder per CIM. Sintern lässt sich vereinfacht gesagt mit dem Backen eines Kuchens vergleichen: Es ist ein Verfahren, bei dem die winzigen Teile bei hohen Temperaturen jenseits von 1.400 Grad Celsius verdichtet und zusammengehaftet werden. Wichtig: Die Gehäuseteile der Uhr schrumpfen während des Sinterns.
CIM steht für Ceramics Injection Molding, damit können Experten komplexere und präzisere Formen fertigen. Dafür homogenisieren sie Keramikpulver zuerst, dann verarbeiten sie es zu Granulat. Anschließend können sie es mit Hilfe eines Spritzgussverfahrens in Form bringen. Den Grundmaterialien sollten möglichst wenige Fremdstoffe beigemengt werden.
Nach dem anschließenden Sintern wird das Produkt mit Diamantstaub poliert. Dadurch bekommt das Material einen seidigen Glanz. Spätestens jetzt zeigen sich größere Poren und kleinste Fehler – die Keramik verzeiht nichts.
Grelles Gelb oder verwaschenes Weiß?
Von Natur aus präsentiert sich das Hightech-Material in einem schmutzigen Weiß – nicht gerade attraktiv für hochwertige Uhrenschalen. Sobald jedoch Metalloxide beigemischt werden, leuchtet das Material in den schönsten Farben. Schwarze und weiße Keramiken sind mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Für ein Kolorit jenseits von Schwarz und Weiß waren allerdings drei Jahre intensiver Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig. Erst Hublot gelang es im Jahr 2013, Keramikschalen in Ferrari-Rot, strahlendem Gelb oder leuchtendem Blau herzustellen.
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste
Egal an welchem Ende der Farbskala die Keramik-Uhrenschale rangiert. Fakt ist: sie hält einiges aus. Unsanfte Berührung mit scharfen Gegenständen nehmen Keramikuhren ebenso gelassen hin wie den schabenden Kontakt anderen harten Materialien.
Kehrseite der Medaille: Abhängig von der Farbgebung ist das Keramikgehäuse mehr oder minder spröde. Stürzt die Uhr auf harte Flächen, kann ihr das den Garaus machen. Im Gegensatz zu duktilen Metallgehäusen, die einen Riss auffangen, bricht Keramik ohne jede Vorwarnung. Für Keramikuhren gilt also wie sonst auch:
Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.
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