Chrono Sapiens: Chabi Nouri, Piaget CEO im Interview

Chabi Nouri: Ich setze auf Luxus!

In einer Männerwelt kann man auch als Frau durchaus Erfolg haben. Chabi Nouri, CEO der Uhren- und Schmuckmanufaktur Piaget, setzt mit Piaget kompromisslos auf Luxus. Das sind Ihre Pläne und deshalb ist Genf für sie so wichtig.

von | 09.06.2020

Gut gerüstet für große aufgaben

Am 1. April 2017 fand bei Piaget ein Wachwechsel statt. Chabi Nouri wird Piaget CEO, so lautete die überraschende Personalie. Das Überraschende daran lag wohl daran, dass es eine Frau war, die die Leitung der Richemont Marke übernahm. Denn Frauen gab es trotz gegenteiliger Bemühungen von Johann Rupert noch nicht viele in den Führungsetagen des Konzern. Doch Nouri war gut gerüstet für diese Aufgabe. Zum einen arbeitete sie bereits seit 2014 bei Piaget. Zum anderen hatte sie zuvor viele Jahre bei der Konzernschwester Cartier zugebracht. Den internationalen Schliff holte sich die gebürtige Schweizerin jedoch bei British ­American Tobacco als Global Director der Vogue-Zigaretten Linie in London. 
Die Uhren- und Schmuckexpertin Nouri konnte all diese Erfahrungen wie ihre kreativen Fähigkeiten gut brauchen. Zum einen trat sie die Nachfolge von 
Philippe Léopold-Metzger an, der immerhin 17 Jahre lang die Marke Piaget führte. Zum anderen musste Sie Piaget sicher durch das Auf- und Ab der Märkte führen. Dabei galt und gilt es unverändert das Produktportfolio und die Piaget Marke zu verjüngen und neuen Glanz und weiteren Umsatz für die sehr hochpreisigen Piaget Uhren und Schmuckstücke zu generieren. Sicher nicht einfach, da es zwar absolute Top-Produkte gibt, die Anzahl der Top-Seller allerdings noch übersichtlich ist.

Dies dürfte Chabi Nouri jedoch nicht schrecken. Sie bringt viel Verhandlungsgeschick und eine hohe Durchsetzungsfähigkeit für ihre Rolle als CEO Piaget mit. Diesen frischen Wind spürt man in Plan-les-Ouates in Genf und die Chancen stehen gut, dass ihr Beispiel Schule macht und weitere Frauen in die Führungsriege der Richmont Marken aufsteigen. Uhrenkosmos hat mit Chabi Nouri gesprochen.  

Chabi Nouri, Piaget CEO im Interview

Uhrenkosmos: Wie geht es Ihnen persönlich in diesen ungewöhnlichen Zeiten?

Ich halte meinen Geist aufrecht! In schwierigen und herausfordernden Zeiten gibt es immer etwas Positives zu lernen. Wir alle haben so viele verschiedene Arten gelernt, zu leben, zu arbeiten und belastbar zu sein. Ich glaube daran, immer vorwärts zu gehen, und ich bin zuversichtlich, dass die Zeiten bald wieder besser werden.

 Und wie geht es der von Ihnen geleiteten Marke Piaget?

 Ich muss sagen, dass ich sehr stolz auf die Familie Piaget bin, dass sie sich so schnell an die Situation angepasst hat und weiterhin eine erstaunliche Arbeit leistet. Alle Mitarbeiter arbeiten sehr hart daran, sich auf diese neue Situation einzustellen und sich den neuen Anforderungen anzupassen. Mit anderen Worten, jeder von ihnen demonstriert die Kultur des Unternehmens. Sie sind belastbar, sie helfen sich gegenseitig und finden natürlich ein starkes Unterstützungssystem innerhalb von Piaget. Wir haben gerade mit Watches & Wonders trotz des aktuellen Kontexts mit Stolz außergewöhnliche Neuheiten auf den Markt gebracht.

Hat die Marke besonders unter dem Lockdown in China gelitten?

Am Anfang war es eine schwierige Zeit für unsere Kollegen in China, aber sie waren stark. Jetzt ist die Situation in China viel besser geworden, und die Aktivität hat sich wiederbelebt, auch wenn nicht alle Boutiquen in Asien geöffnet sind. Wir sind weiterhin eng mit unseren Kunden verbunden – das ist auf jeden Fall sehr ermutigend.

Dieses Jahr werden die Produktpräsentationen zusammen mit Watches & Wonders (ehemals SIHH Anm. d. Red.) abgesagt. Was sind die kurz- und mittelfristigen Folgen dieser krisenbedingten Maßnahme?

Die physische W&W-Uhrenmesse wurde zwar abgesagt, aber die FHH hat eine wunderbare digitale Plattform geschaffen, so dass wir weiterhin mit Journalisten, Händlern, Uhrenliebhabern und sogar einem noch größeren Publikum in Kontakt bleiben können!

Auf dieser Plattform können Journalisten, Einzelhändler und ein großes Publikum einige unserer spannenden Neuheiten entdecken. Auch wenn dies nicht die persönlichen Interaktionen ersetzt, die wir normalerweise während des SIHH (jetzt W&W genannt) haben, so ist dies doch ein großartiger Ersatz, und es ermöglicht sogar mehr Menschen, unsere Neuheiten zu entdecken als während der physischen Uhrenmesse

 Piaget stellt Schmuck und Uhren her. Gibt es einen Bereich, der stärker von der Krise betroffen ist?

Es tut mir sehr leid, aber wir können diese Frage nicht beantworten. Fragen im Zusammenhang mit der Covid-Krise dürfen nicht beantwortet werden – dies ist eine Richemont-Richtlinie.

In den letzten Jahren hat sich Piaget stark auf die fernöstlichen Märkte konzentriert. Welche Bedeutung messen Sie dem alten Europa bei, wenn es um die mechanische Uhrmacherei geht?

Europa war schon immer ein sehr wichtiger Markt für Piaget und ist es auch heute noch. Wir werden sowohl unsere ultradünne Kollektion Altiplano als auch unsere Piaget Polo-Kollektion weiter vorantreiben. Piaget ist ein Maison, das mit mehr als 100 Boutiquen weltweit sehr gut vertreten ist.

Ich freue mich zu sehen, dass Genf zum Epizentrum des High Watchmanking wird und wo wir unsere Leidenschaft und Liebe für die Uhrmacherei gut teilen können.

Chabi Nouri

Fortschritt und neue Produkte

Als Frau haben Sie sich in den letzten Jahren verstärkt auf Damenuhren konzentriert. Welche Rolle werden Herrenuhren in Zukunft im Piaget-Produktportfolio spielen?

Piaget konzentriert sich auf edle Uhren für Damen und Herren. Und wenn ich kostbare Uhren sage, dann meine ich sowohl ultradünne Komplikationsuhren (wie unsere Altiplano Tourbillon) als auch High Jewellery Uhren. Herrenuhren waren schon immer Teil des Piaget-Portfolios mit unserer ikonenhaften Kollektion Altiplano und unserer sportlich-schicken Kollektion Piaget Polo. Auch in Zukunft werden wir weiterhin Uhren für Damen und Herren herstellen, und Sie werden mit Sicherheit außergewöhnliche Herrenuhren sehen!

Die Kultur der ultraflachen Uhren mit hauseigener Mechanik geht bei Piaget bis ins Jahr 1960 zurück, als das legendäre Mikrorotorkaliber 12P auf den Markt kam. Das Altiplano Ultimate Concept trat in diese Fußstapfen. Welche Zielgruppe sprechen Sie mit dieser ultradünnen Uhr an?

Die Altiplano Ultimate Concept, AUC, die dünnste auf dem Markt erhältliche mechanische Uhr, wendet sich an Uhrensammler. Es können nur drei bis vier Stück pro Jahr produziert werden, da diese Uhr außergewöhnlich komplex in der Herstellung ist.

Ich muss jedoch betonen, dass es sich bei der Altiplano Ultimate Concept nicht mehr um ein Konzept, sondern um eine ausgereifte, erprobte und getestete Uhr handelt. Nur zwei mm dick, die Dicke einer 1-Euro-Münze oder von zwei Kreditkarten zusammengestapelt, mit fünf  verschiedenen Patenten und einer neuen, völlig neu durchdachten Out-of-the-Box-Konstruktion (weit entfernt von der üblichen Uhrenkonstruktion).

Welche Grenzen sehen Sie in der Entwicklung und Herstellung von ultradünnen Weltrekorduhren?

Mit dem Altiplano Ultimate Concept haben wir die Grenzen der extremen Ultradünnheit definitiv schon überschritten, aber wie Sie wissen, lag das Streben nach Ultradünnheit schon immer in der DNA von Piaget… dafür stehen wir ein, das verdanken wir diesem Namen. Auch wenn wir vor einigen Jahren nicht glaubten, dass die Machbarkeit einer tragbaren und verkaufsfähigen zwei Millimeter dünnen Uhr machbar sei, so ist es uns doch gelungen! Und wir werden auch in Zukunft weitere technische Fortschritte entwickeln… Aber erst die Zukunft wird zeigen, wie dünn wir noch werden können.

Mit dieser neuen Uhr kultivieren Sie auch das Thema Individualisierung. Wie wichtig ist heute die Möglichkeit, über das Outfit einer persönlichen Uhr mitzubestimmen?

Die Individualisierung ist sehr wichtig, vor allem in einer Welt, in der die Menschen immer mehr nach ganz besonderen Kreationen suchen. Auch die Personalisierung ist für Piaget nichts Neues, in den 1960er Jahren hatten wir bereits den Piaget Style Selector, mit den Männer und Frauen ihre Uhr kreieren und verschiedene Zifferblätter, Armbänder usw. wählen konnten.

Mit der AUC wollten wir nicht nur ein technisches Wunderwerk, sondern auch eine personalisierbare Uhr mit über 10’000 Permutationen anbieten. Deshalb haben wir eine Online-App entwickelt – das Piaget Infinitely Personal-Konzept. Dieses hilft Ihnen, Ihre Traumuhr zu entwerfen. Mit der App können Sie die Farben (grün, blau, violett, silber, schwarz) der Zeigerbrücke und der Hauptplatine sowie verschiedene Armbänder auswählen. Sie können sogar Ihre Initiale auf einer dafür vorgesehenen Fläche eingravieren, was angesichts der extremen Dünne der Uhr sehr aufregend ist.

Künftig wird eine ganze Reihe neuer Marken die Genfer Messeszene bereichern. Was halten Sie davon?

Es ist eine großartige Nachricht, ich freue mich zu sehen, dass Genf zum Epizentrum des High Watchmanking wird, wo wir unsere Leidenschaft und Liebe für die Uhrmacherei gut teilen können. Wir werden in der Lage sein, mit unseren Kunden, unseren Partnern, der Presse und im weiteren Sinne mit allen Uhrenliebhabern in Kontakt zu treten.

Chopard ist ein wichtiger Wettbewerber in allen Bereichen, in denen auch Piaget tätig ist. Ist das ein Konfliktpotenzial, wenn Chopard und Chanel im Palexpo in Genf ausstellen?

Great Maisons kommen ins Palexpo, wir alle sind stolz auf unsere Branche, die Dynamik, die Kreativität und die Innovation. Der Wettbewerb ist stimulierend, er fordert einander heraus und verschiebt die Grenzen der Uhrmacherei!

Vielen Dank für dieses inspirierende Gespräch.

Aktuelle Ergänzung der Redaktion:
Anfang Juni 2021 informierte Richemont darüber, dass Chabi Nouri von Ihrer Position bei Piaget abberufen wurde und an anderer Stelle im Konzern eingesetzt werden soll. 

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