Präzise geschwungen
Die meisten der modernen Kaliber für Armbanduhren wie die Regulierung von Uhren sind so berechnet, dass sich die Unruh pro Stunde 28.800 Mal in jede ihrer beiden Drehrichtungen bewegt. Jene 28.800 Halbschwingungen entsprechen einer Frequenz von vier Hertz. Bei einer absolut genau gehenden Uhr müsste der Gangregler pro Tag, welcher sich bekanntlich aus 86.400 Sekunden zusammensetzt, exakt 691.200 isochrone Halbschwingungen à einer Achtelsekunde Dauer vollziehen.
Jegliche Abweichung von der exakten Unruhfrequenz, egal ob diese nun vier, drei, fünf oder sogar acht Hertz beträgt, lässt die Uhr entweder vor- oder nachgehen. Folglich besteht die Kunst beim Regulieren einer Uhr darin, dem Uhrwerk einen – im Rahmen der jeweiligen Vorgaben und Möglichkeiten – optimalen Gang zu verschaffen. Dabei soll, ja muss die Unruh tunlichst isochron schwingen.
Für den Uhrmacher sind die Schwingungen dann isochron, wenn deren Dauer von der Schwingungsweite unabhängig ist. Die ganze Kunst des Feinstellens beruht darin, beim Regulierorgan der Zeitmessinstrumente den Isochronismus der Schwingungen zu erreichen. Die Hauptfaktoren, die den Isochronismus der Unruh-Spiralfeder zerstören, sind: die Hemmung, die Gleichgewichtsfehler der Unruh und der Spiralfeder, der Einfluss des Befestigungspunkts der Spiralfeder an der Spiralrolle, das Spiel der Spiralfeder zwischen den Rückerstiften, die Zentrifugalkraft, das Magnetfeld etc.
Bereits 1860 hatte der französische Ingenieur Eduard Phillips die wissenschaftliche Untermauerung der entscheidenden Symbiose von Unruh und Spirale vorgenommen.
Jede Spirale besitzt – in Verbindung mit der dazugehörigen Unruh – eine bestimmte Länge, bei der alle Schwingungen, egal ob groß oder klein, gleich lange dauern. Wurde diese richtige Länge einmal gefunden, wirkt sich jede Veränderung auf das Schwingungstempo aus. Bei Verkürzung vollziehen sich die großen Schwingungen schneller, bei Verlängerung die kleinen. Geht ein Uhrwerk bei großen Amplituden nach, muss die Spirale logischerweise verkürzt werden. Eilt es bei großen Amplituden vor, ist eine Verlängerung geboten.
Beide Statements legen nahe, dass die Schwingungen in der uhrmacherischen Praxis stets nur annähernd isochron sein können. Trotz größter Sorgfalt lässt sich die Summe aller schädlichen Einflüsse niemals komplett eliminieren. Bei allen Werken in tragbaren Uhren ist das äußere Ende der Unruhspirale mit Hilfe des Spiralklötzchens am Unruhkloben befestigt. Das innere Spiralende steht über eine – möglichst kleine – Spiralrolle mit der Unruhwelle in Verbindung. Im Zusammenspiel mit dem Trägheitsmoment des Unruhreifens bewirkt der dazwischen liegende Teil, aktive Länge genannt, die gewünschte Unruhfrequenz. Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten zur Veränderung der Unruhfrequenz:
- Variation der aktiven Spirallänge und/oder
- Modifikation des Trägheitsmoments.
Uhrwerke mit Rücker-Mechanismus Regulierung
Über viele Jahrzehnte hinweg gehörte der Rücker-Mechanismus zum Regulier-Standard mechanischer Uhrwerke. Bei ihm verläuft die Spiralfeder zwischen zwei parallel nach unten stehenden Stiften. Selbige befinden sich am hinteren Ende des so genannten Rückers.
Mit anderen Worten: Stimmt der Abstand der Stifte nicht exakt oder stehen diese krumm, wirkt die Spiralfeder bei kleinen Amplituden – ausgehend vom Spiralklötzchen – in ihrer gesamten Ausdehnung. Im Falle großer Schwingungsweiten arbeitet sie mit verkürzter Länge, d.h. ab der Begrenzung durch die Rückerstifte. Die Bedeutung der richtigen aktiven Länge einer Spiralfeder ergibt sich aus der Tatsache, dass bei Armbanduhren schon eine Veränderung um einen Millimeter den täglichen Gang um eine Minute beschleunigen oder verlangsamen kann.
Idealer Weise darf die Spiralfeder im Rückerschlüssel keinen Spielraum besitzen. Trotzdem muss sie frei sein zwischen besagten Stiften. Außerdem darf die äußerste Spiralwindung beim Verstellen des Rückers ihre Lage nicht verändern – und das ist eine echte Gratwanderung.
Ein fehlerhaftes Einpassen der Spiralfeder zwischen diesen Stiften ist in 80 Prozent aller Fälle die Ursache des schlechten Gangs einer Uhr und vor allem der Unbeständigkeit in der Regulierung.
Regulierung von Uhren
Zum fein dosierten Bewegen und Stabilisieren des Rückerzeigers ersannen Uhrmacher im Laufe der Jahrhunderte ganz unterschiedliche Konstruktionen.
Besonders elegant tritt die Schwanenhals-Feinregulierung in Erscheinung.
Am weitesten verbreitet ist die vom Rohwerkefabrikanten Eta entwickelte Feinregulierung mit Exenterschraube. Hierbei umschließt das gabelförmige Ende des Rückerzeigers einen Schraubenkopf. Ein Vorteil dieser Etachron genannten Vorrichtung besteht in der Möglichkeit automatisierter Justage.
Unruh mit variabler Trägheit
Als alternative Reguliermethode bietet sich die Veränderung des Unruh-Trägheitsmoments an. Und zwar entweder durch die Steigerung des Gewichts oder des Durchmessers.
Bereits 1950 erkannten Uhrmacher bei Patek Philippe, dass die Eliminierung der radial eingesetzten Masse- und Regulierschrauben einen größeren Unruhreif und damit ein höheres Trägheitsmoment bei annähernd gleichem Gewicht bewirken würden. Aus dieser Entdeckung leitete sich die Gyromax-Unruh ab, bei der asymmetrisch geformte und geschlitzte Regulierscheiben drehbar auf axial angeordneten Stiften gelagert sind. Am 31.12.1951 erhielt diese Erfindung den Segen der Patentbehörden. Der Frequenzabgleich erfolgte durch ausgewogenes Verstellen besagter Masselots.
Pro Rücker: Nomos
“Nomos hat sich bei seinen neuen Automatikwerken für ein Reguliersystem mit Rücker entschieden. Und zwar aus mehreren Gründen:
- Mit dem Rücker ist für den Fall der Fälle ein guter Service garantiert: Die meisten Uhren am Markt besitzen ein System mit Rücker, so kennt sich jeder Uhrmacher auch damit aus; dieses Reguliersystem ist einfach und ohne spezielle Werkzeuge einstellbar.
- Besonders für flache Uhren ist dieses System in aller Regel besser geeignet als andere Reguliersysteme. Alternative Reguliermöglichkeiten am Unruhreif erfordern oft eine größere Bauhöhe der Uhr.
- Mit dem Rücker-Reguliersystem gelangt man einfach, sicher, wirtschaftlich und schnell zu hervorragenden Gangergebnissen: Kein anderes Reguliersystem ist unseres Erachtens funktionaler. Für Nomos ist es daher genau richtig.
Trotz seiner hervorragenden Eigenschaften hat der Rücker natürlich auch Nachteile. Kaum ein anderes Bauteil stört den Isochronismus der Unruhschwingungen so stark wie der Rücker.”
Pro variable Trägheit: A. Lange & Söhne
“Bei unseren neuen Kalibern sind wir zu rückerlosen Schwingsystemen übergegangen. Bei ihnen wird das Trägheitsmoment der Unruh durch radiales Verschieben von Masse-Elementen – Regulierschrauben oder Regulier-Exzenter – verändert. Je nachdem, ob man ihren Schwerpunkt nach innen oder außen dreht, wird das Trägheitsmoment der Unruh kleiner oder größer – wie bei einer Pirouette drehenden Eiskunstläuferin, die durch Anlegen der Arme an den Körper ihre Drehgeschwindigkeit erhöht und durch Ausbreiten verlangsamt.
Allerdings ist es beim rückerlosen System etwas komplizierter, Isochronismus-Abweichungen zu korrigieren. Unsere Konstruktion ist darauf ausgerichtet, die Gangabweichung innerhalb äußerst enger Toleranzen zu halten. Dazu tragen das rückerlose Schwingsystem mit seiner großen Exzenter-Unruh und die aus eigener Fertigung stammende Spirale maßgeblich bei. Mit der in mehrjähriger Forschungsarbeit entwickelten optimalen Abstimmung dieser Bauteile ist es uns gelungen ein System zu schaffen, das nur minimale Isochronismus-Abweichungen aufweist. Fertig einreguliert lassen sich damit äußerst präzise Gangergebnisse erreichen.”
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