Uhrentechnik: Feinregulierung

So funktioniert die Regulierung von Uhren – und die verschiedenen Reglage-Formen

Nicht zu Unrecht wird das Regulierorgan der Uhr da und dort mit dem menschlichen Herzen verglichen. Die rhythmischen Schwingungen der Unruh samt ihrer Spiralfeder zerteilen die Zeit in messbare Abschnitte. Die möglichst akkurate Regulierung von Uhren entscheidet über die Ganggenauigkeit. Uhrenkosmos klärt auf, was es mit Reglage und Feinregulierung auf sich hat.

von | 13.09.2021

Präzise geschwungen

Die meisten der modernen Kaliber für Armbanduhren wie die Regulierung von Uhren sind so berechnet, dass sich die Unruh pro Stunde 28.800 Mal in jede ihrer beiden Drehrichtungen bewegt. Jene 28.800 Halbschwingungen entsprechen einer Frequenz von vier Hertz. Bei einer absolut genau gehenden Uhr müsste der Gangregler pro Tag, welcher sich bekanntlich aus 86.400 Sekunden zusammensetzt, exakt 691.200 isochrone Halbschwingungen à einer Achtelsekunde Dauer vollziehen.

Die Kaliber Sellita SW300-1 wie L.U.C 03.03-L

Zwei Automatikwerke mit vier Hertz Unruhfrequenz: das Sellita SW300-1 besitzt eine Ringunruh und einen Rücker System Etachron. Zu den Merkmalen des Chopard L.U.C 03.03-L gehört eine Variner-Unruh mit variabler Trägheit. Der Rücker ist hier entbehrlich.

Jegliche Abwei­chung von der exakten Unruhfrequenz, egal ob diese nun vier, drei, fünf oder sogar acht Hertz beträgt, lässt die Uhr entweder vor- oder nachgehen. Folglich besteht die Kunst beim Regulieren einer Uhr darin, dem Uhrwerk einen – im Rahmen der jeweiligen Vorga­ben und Möglichkeiten – op­timalen Gang zu verschaf­fen. Dabei soll, ja muss die Unruh tunlichst isochron schwingen.

Für den Uhrmacher sind die Schwingungen dann iso­chron, wenn deren Dauer von der Schwingungsweite unabhängig ist. Die ganze Kunst des Feinstellens beruht darin, beim Regulierorgan der Zeitmessinstrumente den Isochronismus der Schwingungen zu errei­chen. Die Hauptfaktoren, die den Iso­chronismus der Unruh-Spiralfeder zerstören, sind: die Hemmung, die Gleichgewichtsfehler der Unruh und der Spiralfeder, der Einfluss des Be­festigungspunkts der Spiralfeder an der Spiralrolle, das Spiel der Spiral­feder zwischen den Rückerstiften, die Zentrifugalkraft, das Magnetfeld etc.

Georges-Albert Berner

ehemaliger Direktor, Uhrmacherschule Biel

Bereits 1860 hatte der französische Ingenieur Eduard Phillips die wissen­schaftliche Untermauerung der entscheidenden Symbiose von Unruh und Spirale vorgenommen.

Jede Spirale be­sitzt – in Verbindung mit der dazuge­hörigen Unruh – eine bestimmte Länge, bei der alle Schwingungen, egal ob groß oder klein, gleich lange dau­ern. Wurde diese richtige Länge ein­mal gefunden, wirkt sich jede Verän­derung auf das Schwingungstempo aus. Bei Verkürzung vollziehen sich die großen Schwingungen schneller, bei Verlängerung die kleinen. Geht ein Uhrwerk bei großen Amplituden nach, muss die Spirale logischerweise verkürzt werden. Eilt es bei großen Amplituden vor, ist eine Verlängerung geboten.

Eduard Phillips

Ingenieur, Mathematiker

Beide Statements legen nahe, dass die Schwingungen in der uhrmacherischen Praxis stets nur annähernd isochron sein können. Trotz größter Sorgfalt lässt sich die Summe aller schädlichen Einflüsse nie­mals komplett eliminieren. Bei allen Werken in tragbaren Uhren ist das äußere Ende der Unruh­spirale mit Hilfe des Spiralklötzchens am Unruhkloben befestigt. Das innere Spiralende steht über eine – möglichst kleine – Spiralrolle mit der Unruhwel­le in Verbindung. Im Zusammenspiel mit dem Trägheitsmoment des Unruhreifens bewirkt der dazwischen lie­gende Teil, aktive Länge genannt, die gewünschte Unruhfrequenz. Daraus ergeben sich zwei Möglichkeiten zur Veränderung der Unruhfrequenz:

  1. Variation der aktiven Spirallänge und/oder
  2. Modifikation des Trägheitsmo­ments.
Aufbau einer Glucydur-Ringunruh mit Flachspirale

Eine klassische Glucydur-Ringunruh mit Flachspirale

Uhrwerke mit Rücker-Mechanismus Regulierung

Über viele Jahrzehnte hinweg gehörte der Rücker-Mechanismus zum Regulier-Standard mechanischer Uhrwerke. Bei ihm verläuft die Spiral­feder zwischen zwei parallel nach unten stehenden Stif­ten. Selbige befinden sich am hinteren En­de des so genannten Rückers.

 

Das Rückersystem eines mechanischen Uhrwerks

Bei Rücker-Systemen zur Regulierung mechanischer Uhrwerke verläuft das äußere Ende der Unruhspirale durch zwei Stifte, Schlüssel genannt

Mit anderen Wor­ten: Stimmt der Abstand der Stifte nicht exakt oder stehen diese krumm, wirkt die Spiralfeder bei kleinen Amplituden – ausgehend vom Spiralklötzchen – in ihrer gesamten Ausdehnung. Im Falle großer Schwin­gungsweiten arbeitet sie mit verkürz­ter Länge, d.h. ab der Begrenzung durch die Rückerstifte. Die Bedeutung der richtigen aktiven Länge einer Spi­ralfeder ergibt sich aus der Tatsache, dass bei Armbanduhren schon eine Veränderung um einen Millimeter den täglichen Gang um eine Minute beschleunigen oder verlangsamen kann.
Idealer Weise darf die Spiralfeder im Rückerschlüssel keinen Spielraum besitzen. Trotzdem muss sie frei sein zwischen besagten Stiften. Außerdem darf die äußerste Spiralwin­dung beim Verstellen des Rückers ihre Lage nicht verändern – und das ist eine echte Gratwanderung.

Regulierung von Uhren

Das Funktionsprinzip des Rücker-Mechanismus

Mit anderen Wor­ten: Stimmt der Abstand der Stifte nicht exakt oder stehen diese krumm, wirkt die Spiralfeder bei kleinen Amplituden – ausgehend vom Spiralklötzchen – in ihrer gesamten Ausdehnung. Im Falle großer Schwin­gungsweiten arbeitet sie mit verkürz­ter Länge, d.h. ab der Begrenzung durch die Rückerstifte. Die Bedeutung der richtigen aktiven Länge einer Spi­ralfeder ergibt sich aus der Tatsache, dass bei Armbanduhren schon eine Veränderung um einen Millimeter den täglichen Gang um eine Minute beschleunigen oder verlangsamen kann. Idealer Weise darf die Spiralfeder im Rückerschlüssel keinen Spielraum besitzen. Trotzdem muss sie frei sein zwischen besagten Stiften. Außerdem darf die äußerste Spiralwin­dung beim Verstellen des Rückers ihre Lage nicht verändern. Und das ist eine echte Gratwanderung.
Schwanenhals-Feinregulierung und einfache Rücker-Regulierung

Im Vergleich: links einfacher Rücker und rechts Rücker mit Schwanenhals-Feinregulierung

Ein fehler­haftes Einpassen der Spiralfeder zwi­schen diesen Stiften ist in 80 Prozent aller Fälle die Ursache des schlechten Gangs einer Uhr und vor allem der Unbeständigkeit in der Regulierung.

Georges-Albert Berner

Buchautor

Regulierung von Uhren

Zum fein dosierten Bewegen und Stabilisieren des Rückerzeigers ersannen Uhrmacher im Laufe der Jahrhunderte ganz unterschiedliche Konstruktionen.

Besonders elegant tritt die Schwanenhals-Feinregulierung in Er­scheinung.

Am weitesten verbreitet ist die vom Rohwerkefabrikanten Eta entwickelte Feinregulierung mit Exenterschraube. Hierbei umschließt das gabelförmige Ende des Rückerzei­gers einen Schraubenkopf. Ein Vorteil dieser Etachron genannten Vorrich­tung besteht in der Möglichkeit automatisierter Justage.

Etachron Feinregulierung des Kaliber Eta 2824

Weit verbreitet: Etachron Feinregulierung für den Rücker. Hier im Automatikkaliber Eta 2824-A2

Beim Triovis-System wirkt eine Schraube mit Mikrogewinde auf die Außenverzahnung der Rückerscheibe ein. Auch das gestattet exaktes Verstellen des Rückers.
Rücker einer Triovis-Feinregulierung (Kaliber Lemania 8810)

Die Triovis-Feinregulierung, hier im Automatikkaliber Lémania 8810

Übrigens bewirkt keine Feinregulierun­g für den Rücker eine höhere Ganggenauigkeit.
Patek Philippe Gyromax Unruh Modell Kaliber 23 300 C Uhrenkosmos

Erfindung und Patent Patek Philippe: Gyromax-Unruh mit variabler Trägheit

Unruh mit variabler Trägheit

Als alternative Reguliermethode bietet sich die Veränderung des Unruh-Trägheitsmoments an. Und zwar entweder durch die Steigerung des Gewichts oder des Durchmessers.

Bereits 1950 erkannten Uhrmacher bei Patek Philippe, dass die Eli­minierung der radial eingesetzten Masse- und Regulierschrauben einen größeren Unruhreif und damit ein hö­heres Trägheitsmoment bei annähernd gleichem Gewicht bewirken würden. Aus dieser Entdeckung leitete sich die Gyromax-Unruh ab, bei der asymmetrisch geformte und ge­schlitzte Regulierscheiben drehbar auf axial angeordneten Stiften gelagert sind. Am 31.12.1951 erhielt diese Erfin­dung den Segen der Patentbehörden. Der Frequenzabgleich erfolgte durch ausgewogenes Verstellen besagter Masselots.

 

Chopard L.U.C Variner Unruh C Uhrenkosmos

Funktionsprinzip der Unruh mit variabler Trägkeit am Beispiel Variner von Chopard

Dieses System macht den Rücker entbehrlich und lässt die Unruhspirale völlig frei atmen. Ohne Rücker besagten Rücker kommen auch die Kaliber von Rolex aus. Zur Veränderung des Trägheitsmoments der Unruh nutzt die Genfer Ma­nufaktur so genannte Microstella-Schrauben.
Rolex Unruh Microstella Regulierschrauben Breguetspirale

Rolex Unruh mit Microstella-Regulierschrauben und Breguetspirale

Diesen Beispielen sind mittlerweile zahlreiche Uhrenhersteller gefolgt. Zum Bespiel haben sich Audemars Piguet, Breguet, Jaeger-LeCoultre, L.U.C – Chopard (Variner) oder Omega ganz oder teilweise vom Rücker verabschiedet.
Bei Silizium Unruhspiralen Rolex Syloxi ohne sich ein Rücker-System mit variabler Trägheit

Bei Silizium Unruhspiralen, hier Rolex Syloxi, verbietet sich ein Rücker-System. Es kommt nur eine Unruh mit variabler Trägheit in Betracht.

Bei den neuen Sili­zium-Unruhspiralen verbieten sich überlieferte Rückermechanismen ohnehin. Im Gegensatz zu Rücker-Uhrwerken verlangen die „Freischwinger“ allerdings in der Regel nach speziellem Werkzeug zum synchronen Verstellen der Masselots.
Nomos Automatikkaliber DUW 6101 eigenes Swing System

Eigenes Swing-System mit Rücker: Nomos Automatikkaliber DUW 6101

Pro Rücker: Nomos

„Nomos hat sich bei seinen neuen Automatikwerken für ein Reguliersystem mit Rücker entschieden. Und zwar aus mehreren Gründen:

  • Mit dem Rücker ist für den Fall der Fälle ein guter Ser­vice garantiert: Die meisten Uhren am Markt besitzen ein System mit Rücker, so kennt sich jeder Uhrmacher auch damit aus; dieses Reguliersystem ist einfach und ohne spezielle Werkzeuge einstellbar.
  • Besonders für flache Uhren ist dieses System in aller Regel besser geeignet als ande­re Reguliersysteme. Alternative Reguliermöglichkeiten am Unruhreif erfordern oft eine größere Bauhöhe der Uhr.
  • Mit dem Rücker-Reguliersystem gelangt man einfach, sicher, wirtschaftlich und schnell zu hervorragenden Gangergebnissen: Kein anderes Reguliersystem ist unseres Erachtens funktionaler. Für Nomos ist es daher genau richtig.

Trotz seiner hervorragenden Eigenschaften hat der Rücker natürlich auch Nachteile. Kaum ein anderes Bauteil stört den Isochronismus der Unruhschwingungen so stark wie der Rücker.“

 

Rückerloses Kaliber A. Lange & Söhne Richard Lange Kaliber L044.1

A. Lange & Söhne Kaliber L044.1. Die Unruh besitzt eine variable Trägheit. Die Schwanenhals-Feinregulierung dient zum Einstellen eines gleichmäßigen Tick-Tack.

Pro variable Trägheit: A. Lange & Söhne

„Bei unseren neuen Kalibern sind wir zu rück­erlosen Schwingsystemen übergegangen. Bei ihnen wird das Trägheitsmo­ment der Unruh durch radiales Verschieben von Masse-Elementen – Regulierschrauben oder Regulier-Exzenter – verändert. Je nach­dem, ob man ihren Schwerpunkt nach innen oder außen dreht, wird das Trägheitsmoment der Unruh kleiner oder größer – wie bei einer Pirouette drehenden Eiskunstläuferin, die durch Anlegen der Arme an den Körper ihre Drehgeschwindigkeit er­höht und durch Ausbreiten verlangsamt.

Allerdings ist es beim rückerlosen System et­was komplizierter, Isochronismus-Abweichun­gen zu korrigieren. Unsere Konstruktion ist darauf ausgerichtet, die Gangabweichung innerhalb äußerst enger Toleranzen zu halten. Dazu tragen das rückerlose Schwingsystem mit seiner großen Exzenter-Unruh und die aus eigener Fertigung stammende Spirale maßgeblich bei. Mit der in mehrjähriger Forschungsarbeit entwickelten optimalen Ab­stimmung dieser Bauteile ist es uns gelungen ein System zu schaffen, das nur minimale Isochronismus-Abweichungen aufweist. Fertig einreguliert lassen sich damit äußerst präzise Gangergebnisse erreichen.“

 

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