Hochtechnologie in Neuenburg
Architektonischen Charme darf man bei Patek Philippe in Neuchâtel nicht erwarten. Schließlich geht es hier nicht um größtmöglichen Eindruck, sondern darum, die hochkomplexe Spiromax Silizium Unruh aus invariablem Silinvar herzustellen. Entsprechende Bedeutung genießt eine größtmögliche Präzision und Reinheit in der Herstellung der Silinvar Unruhspirale. Die Ehre, Patek Philippe Technologies SA im Haus Nummer 1 an der Rue Jaquet-Droz besuchen zu dürfen und einen Blick auf die Herstellung der Silizium Unruhspiralen zu werfen, wird überdies nur wenigen zuteil.
Vorort in Neuchâtel erlebt man hautnah die Funktionalität eines Hightech-Campus. Repräsentieren ist hier ein Fremdwort. Im Schweizer Zentrum für Elektronik und Mikrotechnologie (CSEM), das die noch junge Tochter des 1839 gegründeten Genfer Familienunternehmens Patek Philippe beherbergt, dreht sich alles um die uhrmacherische Zukunft. Es gilt das Motto: „Wer aufhört, besser zu werden, hat sich davon verabschiedet, gut zu sein“. Exakt dieser Leitspruch beseelte auch das 1984 ins Leben gerufene CSEM. Wer ihn ernst nimmt, kann durchaus technische Innovationssprünge bewirken.
2001 brachte Silizium in mechanische Uhrwerke
Ausgelöst durch Ulysse Nardin nahm die auf tickende Armbanduhren zielende Revolution zu Beginn des 21. Jahrhunderts ihren Lauf. Im 2001 lancierten Ulysse Nardin Freak agieren zwei Hemmräder aus Silizium. Und das ließ die Branche tatsächlich aufhorchen. Ohne diesen Werkstoff funktioniert weder Smartphone noch Computer. Aber in klassischen Uhren, welche traditionsgemäß aus Messing, Stahl, Metalllegierungen und synthetischen Steinen bestehen, wirkte dieses Material anfänglich wie ein Sakrileg.
Als Ulysse Nardin kurz darauf auch noch eine Unruhspirale aus Silizium präsentierte, gab es für Patek Philippe, Rolex und die Swatch Group kein Halten mehr. Zur Entwicklung innovativer Silizium-Komponenten für überlieferte mechanische Kaliber verbündete sich das mächtige Trio im Jahr 2003 mit besagtem CSEM und dazu dem Institut für Mikrotechnik der Universität Neuenburg.
Spiromax
An intensiver Materialforschung führte auf dem Weg zur Spiromax Unruh kein Weg vorbei. Monokristallines Silizium, und nur solches kam wegen der Homogenität in Betracht, besitzt die gleiche Kristallstruktur wie Diamant. Folglich ist es 60 Prozent härter und 70 Prozent leichter als Stahl. Zudem ist es vollkommen amagnetisch und korrosionsfest. Auch ohne Nachbearbeitung verfügen die Komponenten über eine extrem glatte, ergo reibungsmindernde Oberfläche.
Weil solch Silizium Öl entbehrlich macht, eignet sich Silizium vorzüglich zur Herstellung von Anker und Ankerrad. Schließlich ist Silizium, obwohl es sich nicht plastisch verformen lässt, hoch elastisch. Und das prädestiniert förmlich zur Herstellung von Unruhspiralen. Solche aus Silizium vertragen Stöße bis zu 5000 G. Demgegenüber können bei metallischen Invar-Spiralen Kräfte von nur 1000 G, also dem Tausendfachen des Eigengewichts zu makroskopischen Verformungen führen.
Silinvar
Natürlich gibt es auch eine Achillesferse: Wie Metalle dehnt sich auch Silizium bei Erwärmung aus, Kälte bewirkt Schrumpfung. Bei Hemmungsteilen, sprich Anker und Ankerrad lässt sich damit leben. Unruhspiralen hingegen verlangen zwingend nach thermischer Stabilisierung, wenn man sie zusammen mit Glucydur-Unruhn, also zum Beispiel der „Gyromax„-Unruh von Patek Philippe verwenden möchte. Durch eine dünne Oxidschicht, haben kluge Köpfe herausgefunden, entsteht invariables Silizium, kurz „Silinvar“ genannt.
So geht die Produktion weiter – Teil 2 des Patek Philipp Werksbesuchs
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