Rekordjahr 2022
Eigentlich soll man den Rekord der Schweizer Uhrenexporte 2022 nicht zu früh zu vermelden, wie man den Tag ja nicht vor dem Abend lobt. Denn die Publikation der abschließenden Schweizer Exportstatistik für das Uhrenjahr 2022 durch die Fédération Horlogère Suisse (FHS) steht noch aus. Aber selbst ohne die Ausfuhren im Dezember 2022 hat die Eidgenössische Uhrenindustrie bereits ein absolutes Rekordjahr erreicht.
Saldiert von 1.1. bis 30.11.2022 erreichten die Schweizer Uhrenexporte sagenhafte 22,81 Milliarden Schweizerfranken. Am Ende dürften es rund 25 Milliarden sein. Und das gab es in der Geschichte noch nie. Für 2015 zeigte die Statistik 20,24 Milliarden, für 2019 dann 20,5 und für 2021 schließlich 21,22 Milliarden Franken auf. Im November 2022 verließen Uhren und Werke im Wert von 2,4 Milliarden Franken das vergleichsweise kleine Land, was einem Plus von 10,9 % gegenüber dem Vorjahresmonat bedeutet. Während der ersten elf Monate 2022 ist ein Wachstum von 11,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu verzeichnen.
Besonders stark zum Novemberwachstum trugen Uhren mit Edelmetallgehäusen bei. Hier lag das Plus bei 15,9%, was mehr als der Hälfte des gesamten Wachstums entspricht. Nachdem die Gesamtzahl der Zeitmesser leicht um zwei Prozent sank, lässt sich ein höherer Durchschnittspreis errechnen. Übers Jahr stieg das Volumen der exportierten Ware jedoch um 1,7 Prozent. Verlierer waren Uhren mit stählernen Schalen. Wertmäßig gaben sie im November um 16,4% nach. Um sagenhafte 43,8 Prozent stiegen Uhren der Kategorie sonstige Materialien, also auch Plastik.
Wachstum dank MoonSwatch
Dieser Trend ist insbesondere auf den Erfolg der im Frühjahr 2022 lancierten MoonSwatch zurückzuführen. Darüber berichtete der Uhrenkosmos unter anderem in diesem Artikel. Nach wie vor übersteigt hier die Nachfrage das in den Boutiquen sofort erhältliche Angebot, was höhere Preise am Parallelmarkt nach sich zieht. Aber die sind im Laufe der Monate kontinuierlich gesunken. Mit etwas Glück kann man im Internet eine ungetragene Moonswatch schon für 300 Euro erwerben. Das sind 50 Euro mehr als im offiziellen Handel.
Für die Swatch Group ist dieser Quarz-Chronograph mit Eta Standardkaliber dank immenser Marge ein lohnendes Geschäft. Diese Armbanduhr trägt auch einen guten Teil dazu bei, dass das Einstiegspreissegment bei den Exporten im Laufe des Jahres 2022 nicht abgestürzt ist. Beflügelnd wirkte sie auch auf das Thema Quarz. 2016 hatte die Schweiz noch gut 18,4 Millionen Uhren mit elektronischem Innenleben ausgeführt. Der Exporterlös lag bei 3,59 Milliarden Franken. Bis 2021 sanken die Quantitäten auf rund 9,4 Millionen Einheiten mit einem Wert von rund 2,78 Milliarden Franken.
Von Januar bis November 2021 waren es exakt 8.406.935 Stück. In gleichen Zeitraum des Jahres 2022 sind 8.901.284 Exemplare zu verzeichnen. Aus diesen Zahlen lässt sich der Einfluss elektronischer Smartwatches unmissverständlich ablesen. Auf diesem Gebiet dominieren bekanntlich Apple, Garmin & Co. Dem haben die Uhr-Schweiz und dort insbesondere die Swatch Group herzlich wenig entgegenzusetzen. Das nachlassende Interesse an der klassischen Swatch spricht Bände. Ob die MoonSwatch das Defizit auf Dauer kompensieren kann, wird sich spätestens dann zeigen, wenn der gegenwärtige Hype nachlässt und die Uhr unmittelbar verfügbar ist.
Ambivalenz
Besagtem Einstiegspreissegment machen natürlich auch der Ukrainekrieg, die Energiekrise und die hohe Inflation speziell in Europa zu schaffen. Angesichts rasant steigender Kosten für Energie, Lebensmittel und auch Mieten haben um ihre Existenz besorgte Menschen, welche für ihre Armbanduhr sparen müssen, anderes im Sinn als einen neuen Zeitmesser fürs Handgelenk. Für diese Annahme sprechen auch die eidgenössischen Exportzahlen.
Nicht nur im November 2022 zeigten sich in den verschiedenen Preiskategorien recht gegensätzliche Resultate. Uhren mit einem Exportpreis von weniger als 200 Schweizerfranken, und dazu gehört zweifellos die MoonSwatch, verzeichneten eine stetige Verbesserung. Nach Wert waren es im November plus 15,6%. Die Stückzahlen kletterten um 3,2%. Hingegen war das Exportpreis-Segment von 200 bis 500 Franken, was Publikumspreisen im Spektrum zwischen etwa 600 und 1.500 Euro entspricht, wie schon in den Vormonaten stark rückläufig. Die Ausfuhr-Erlöse gaben um 30,3 Prozent nach. Weitgehend stabil blieb die Kategorie 500 bis 3.000 Schweizerfranken.
Den stimulierenden Ton gaben eindeutig Uhren jenseits von 3.000 Franken Exportpreis an. Hier lag das Wachstum bei 15,7%. Wer sich beispielsweise eine Rolex (die neue Rolex Deepsea Challenge RLX Titanium Supertaucheruhr stellen wir hier vor), eine Audemars Piguet, eine Parmigiani Fleurier oder eine Patek Philippe leisten kann, dessen chronometrischer Hedonismus ist von den unangenehmen wirtschaftlichen Begleiterscheinungen geopolitischen Machstrebens deutlich weniger oder meist gar nicht tangiert. Apropos Rolex: Wertmäßig trägt der verschwiegene, aber weiterhin wachsende Gigant etwa ein Drittel zu den Schweizer Uhrenexporten 2022 bei.
Gewinner und Verlierer
Blickt man auf die Märkte, entpuppen sich die USA seit zwei Jahren als zugkräftige Lokomotive. In den ersten elf Monaten des Jahres 2022 importierten sie Uhren und Werke im Wert von ca. 3,58 Milliarden Franken. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum ist das ein Plus von 27,7 Prozent. Verglichen mit 2022, als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten im internationalen Einfuhrranking noch auf Platz zwei lag, beträgt die Steigerung sogar fast 100 Prozent.
Auf Platz zwei der Schweizer Uhrenexporte 2022 abgerutscht ist China nicht zuletzt auch wegen der restriktiven Coronapolitik. Hongkong, einst unangefochtene Nummer 1, hält bei sinkender Tendenz den dritten Rang. Hier machen sich die politisch bedingte Abwanderung namhafter Firmen und zahlungskräftiger Kunden sowie der fragwürdige Kampf gegen das Coronavirus deutlich bemerkbar. Auf den weiteren Plätzen in der Exportstatistik folgen Japan, Großbritannien, Singapur, Deutschland, Frankreich, die Vereinigten Arabischen Emirate und Italien.
Gegenüber 2021 haben die deutschen Uhrenimporte um knapp 22 Prozent zugelegt. Betrachtet man die Exporte bezogen auf Regionen, liegt der riesige fernöstliche Raum vor der Europäischen Union und danach den USA.
Ausblick
An der Schwelle zum Jahr 2023 stellt sich damit die Frage nach der Zukunft. Geht es weiter so rasant aufwärts wie bislang oder müssen die Schweizer Fabrikanten mit einer Verlangsamung des Wachstums rechnen. Kein Zweifel besteht am Faktum, dass hochrangige mechanische Armbanduhren wie auch andere Luxusgüter en vogue sind und auch bleiben werden. Analysten rechnen jedoch mit einer Abschwächung des Geschäfts. Ungewisse Konjunkturaussichten in den USA können sich vorübergehend negativ auswirken.
Langfristig ist die Konsumlaune in der Neuen Welt aber ungebrochen. Ein nicht kalkulierbarer Aspekt ist der weitere Verlauf des von Russland angezettelten Ukrainekriegs. Speziell in Europa können die Auseinandersetzung und ihre nachhaltigen Auswirkungen auf die Energiepreise durchaus negative Spuren beim Export hinterlassen. Andererseits kann die Öffnung der chinesischen Grenzen den wegen des Coronavirus zum Erliegen gekommenen Tourismus in die Alte Welt beflügeln.
Wie immer dem auch sei, dürfte sich alles in allem nach dem Rekord der Schweizer Uhrenexporte 2022 auch bei den Uhrenexporten 2023 gleichwohl ein wertmäßiges Wachstum ergeben. Die Inflation hat auch diese Industrie erfasst. Preiserhöhungen sind an der Tagesordnung. Und das treibt logischerweise die Umsätze. Keine Rolle spielt übriges der russische Markt. Bedingt durch die Sanktionen ist er praktisch zum Erliegen gekommen. Das lässt sich allerdings verschmerzen, denn schon vor dem Krieg steuerte die Russische Föderation nur ein Prozent zu den eidgenössischen Exporterlösen bei. Kurzum: Es bleibt so spannend, wie es in der Uhrenindustrie eigentlich schon immer war.
So oder so wünschen wir vom Uhrenkosmos Ihnen, unseren geschätzten Leserinnen und Lesern nur das Allerbeste für das kommende Jahr 2023. Viel Glück, Freude und insbesondere Gesundheit. Bleiben Sie uns bitte gewogen.
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