Turmbau zu Fleurier
Seinen Namen trägt der Ferdinand Berthoud Chronomètre FB 3SPC mit Fug und Recht. Bei dieser neuen Armbanduhr handelt es sich in der Tat um einen offiziell zertifizierten Chronometer. Überdies verkörpert der Zeitmesser die dritte Säule in der Kollektion des 2015 von Karl-Friedrich Scheufele wiederbelebten Labels mit Manufakturcharakter.
Die Inspiration zu diesem Oeuvre lieferten Ferdinand Berthouds 1754 geborener Neffe, Schüler und spätere Nachfolger Pierre-Louis samt dessen Dezimaluhr N°26. Nachdem es die künftige Einstiegspreislage des kleinen aber hochfeinen Unternehmens repräsentiert, sind Tourbillon, Kette-Schnecke-Antrieb, Konstantkraft-Mechanismen und andere mechanische Raffinessen beinahe selbstverständlich. Gleichwohl beinhaltet das weitgehend handgefertigte Handaufzugskaliber FB-SPC eine echte uhrmacherische Delikatesse, welche in Armbanduhren nur äußerst selten zum Einsatz kommt.
Gemeint ist eine zylindrisch geformte Unruhspirale, wegen ihrer Optik auch Turmspirale genannt. Zum besseren Verständnis der Zusammenhänge verlangt dieses aufwändige Bauteil einen Blick zurück in jenes 18.Jahrhundert, in dem der 1727 nahe Fleurier geborene Ferdinand Berthoud seine Meisterstücke höchstpersönlich fertigte. In Paris, einem Nabel der damaligen Welt, publizierte der Franzose mit Schweizer Wurzeln 1755 erste Artikel und 1763 ein zweibändiges Werk über sein Metier. Sein Engagement für die Präzisionsuhrmacherei trug ihm eine assoziierte ausländische Mitgliedschaft in der Royal Society ein.
Geschichtliche Aspekte
In Sachen uhrmacherische Präzision war man in England und dort ganz speziell London der Grande Nation einige Schritte voraus. 1714 prägte Jeremy Thacker in seinen Abhandlungen über das Longitudinalproblem den Begriff Chronometer. Damit meinte der Uhrmacher besonders genau gehende Uhren. 1782 verwendete John Arnold das anspruchsvoll klingende Wort erstmals bei einer Taschenuhr mit Chronometerhemmung.
Letztere hatte der Engländer schon 1771 in seinem ersten Marinechronometer verwendet. Die Folge war ein heftiger Patentstreit mit dem Landsmann Thomas Earnshaw, der die Erfindung für sich reklamierte. In Frankreich war es Pierre Le Roy, der sich ab 1848 mit freien Hemmungen zur weitgehenden Entkopplung von der Unruh beschäftigte. Wegen seiner wegweisenden isochronen Unruhspirale lag Le Roy im Streit mit Ferdinand Berthoud, dessen Arbeiten sich in Frankreich höherer Wertschätzung erfreuten. Das spiralige Maß aller Dinge in Marinechronometern war damals jedoch wiederum John Arnold zu verdanken.
1776 verwendete er erstmals eine zylindrische Unruhspirale. Beide Enden besaßen eine speziell gebogene Kurvenform, welche er sich 1782 patentieren ließ. Damit erreichte der Uhrmacher einen nahezu perfekten Isochronismus. Will heißen: Unabhängig von ihrer Amplitude dauert jede Halbschwingung gleich lange. Als weniger verbreitete Alternativen dazu gab es kugelförmige oder konische Spiralfedern. Wegen ihrer beträchtlichen Bauhöhe eigneten sie sich allerdings nicht unbedingt für Taschenuhren.
Dieses Manko beseitigte Abraham-Louis Breguet durch eine Art Kompromiss, Intensiver Studien führten 1795 zu sogenannten Breguetspirale. Ihr hochgebogenes äußeres Ende lässt die Spirale deutlich konzentrischer „atmen“.
Uhrmacherei vom Feinsten
Im Andenken an besagten Pierre-Louis Berthoud besann sich Ferdinand Berthoud beim neuen Chronomètre FB 3SPC auf die in Armbanduhren bislang nur äußerst selten gebrauchte Turmspirale.
Am Handgelenk debütierte sie 2008 im Gyrotourbillon 2 von Jaeger-LeCoultre. 2011 stellte Montblanc das Tourbillon Bi-Cylindrique vor.
Vier Jahre später lancierte wiederum Jaeger-LeCoultre das Duomètre Sphérotourbillon Moon.
Einen Drehgang besitzt der vergleichsweise schlichte Newcomer aus dem Hause Ferdinand Berthoud wie gesagt nicht, sondern einen klassischen Gangregler mit Ankerhemmung. Als Filetstück kann die im Laufe von zwei Jahren entwickelte zylindrische Spirale mit manuell geformten Berthoud-Endkurven gelten, angesteckt an der Unruh mit variabler Trägheit, vier Regulier- und zwölf Gewichtsschrauben sowie dem Spiralklötzchen des Unruhklobens. Ein Rückerzeiger ist also nicht erforderlich. Die Anfertigung einer derartigen Unruhspirale ist ein Kunstwerk das nur erfahrenen Spezialisten mit Hilfe geschickter Hände, geschulter Augen und eines 20 mal vergrößernden Mikroskops gelangt.
Bis ein Exemplar seine Aufgaben im 37,3 mm großen Kaliber FB-SPC zufriedenstellend, kann schon eine Woche durchs Val de Travers ziehen. Wegen seiner zylindrischen Spirale baut das Handaufzugswerk mit 72 Stunden Gangautonomie und drei Hertz Unruhfrequenz beachtliche 6,84 Millimeter hoch.
Vonnöten sind insgesamt 230 sorgfältig finissierte und Komponenten, dazu gehören 47 funktionale Steine sowie 16 Brücken und Kloben aus sandgestrahltem Neusilber. Dem Abreißen der Zugfeder beim manuellen Spannen wirkt ein Gleitzaum entgegen, den man von Uhrwerken mit Selbstaufzug kennt. Das Ziehen der Aufzugs- und Zeigerstellkrone aktiviert den Unruhstopp zum sekundengenauen Stellen der Uhrzeit.
Von selbst mag sich verstehen, dass alle händischen Dekorationen der Ferdinand Berthoud Chronomètre FB 3SPC nach den Kriterien höchster Uhrmacherkunst erfolgen.
Ebenso selbstverständlich ist die offizielle COSC-Zertifizierung vor dem Einbau des Uhrwerks ins 24-Millimeter-Sichtbodengehäuse aus ethischem Roségold. Alternativ gibt es auch eine Ausführung in Weißgold (mehr zu den verschiedenen Gold-Sorten und ihre Herstellung erklären wir hier). Bis zu drei bar widersteht die 9,43 Millimeter hoch bauende Schale dem Druck des nassen Elements. Das Aufziehen nach spätestens drei Tagen gestattet eine Krone mit 8,5 Millimeter Durchmesser. Ein Guckloch bei „9“ gestattet das seitliche Beobachten der Turmspirale.
Limitiert ist die Edition dieser Armbanduhr nicht. Jährlich können die Uhrmacher im Hause Ferdinand Berthoud jedoch nur 25 Exemplare der Ferdinand Berthoud Chronomètre FB 3SPC Uhren fertigen. Der unverbindliche Preis liegt bei 141.210 Euro.
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