Blick in die Archive
Die besondere Vorgeschichte der Montblanc Heritage Small Second Limited Edition 38 begann mehr als eine Dekade vorher. Die Kalender zeigten das Jahr 2007, als die bis dahin getrennt verlaufenden Wege von Minerva und Montblanc in einen gemeinsamen mündeten. 2006 hatte der von Norbert Platt geleitete Richemont-Konzern die die traditionsreiche Schweizer Manufaktur mit anerkannter Chronographen-Kompetenz unter sein Dach gebracht. Minerva passte nämlich perfekt ins Portfolio des auf uhrmacherischen Luxus spezialisierten Unternehmens.
Mit Minerva bekamen wir eine faszinierende Geschichte und unter anderem auch sehr interessante Uhrwerke. Die vorherigen Eigentümer hatten sich finanziell ein wenig übernommen. Und deshalb bekam Richemont die Minerva zu einem attraktiven Preis. Ganz zu schweigen von einem Stab qualifizierter und deshalb ungemein wertvoller Uhrmacher.
Von Revolutionen war im Jurastädtchen Villeret seit der Minerva-Gründung durch Charles-Yvan und Hyppolite Robert im Jahr 1858 keine Rede. Wie es sich für passionierte Uhrmacher gehört, hatten die konservativ denkenden Eigentümer ihr einschlägiges Knowhow stets von einer Generation an die nächste weitergereicht. Und die Nachfahren entwickelten das Erbe weiter. Schnell beschrieben ist die ursprüngliche Intention: Zusammenbau von Uhrwerken aus der Ebauchesfabrikation in Fontainemelon (FHF). 1878 traten Charles und Georges Robert in die Fußstapfen der Gründergeneration. Yvan Robert gesellte sich 1885 als Dritter im Bunde hinzu. Das signifikante Punzen und Markenzeichen, die v-förmig angeordneten sowie durch einen Pfeil getrennten Buchstaben RF und V standen für Robert Frères Villeret.
Minerva Manufaktur Villeret im Jahr 1905
Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert starteten die Gebrüder Robert mit der Fertigung von Manufaktur-Kalibern für Taschenuhren. Für 1908 verzeichnen die Archivbücher das erste Uhrwerk mit Chronograph, 19/9CH genannt. 19 stand in diesem Fall für den Durchmesser von 19 Linien, 9 für die Nummer des Werks in den Musterbüchern und CH für die zusätzliche Stoppfunktion mit Schaltradsteuerung.
Anfang 1909 standen erstmals kleine Handaufzugskaliber für Armbanduhren zu Verfügung. Zunächst mit einem Durchmesser von 12 Linien, was 27 Millimetern entspricht. Daraus leitete Minerva auch eine kleinere, sprich 10½-linige Ausführung ab. Diese beseelte in erster Linie Zeitmesser für weibliche Handgelenke.
Minerva Damenarmbanduhr, 1909, Kaliber 10 1/2 Linien
Das Handaufzugskaliber 48 „Pythagore“
Genau dieses kleinere Uhrwerk diente André Frey als Grundlage für das außergewöhnlich gestaltete Kaliber 48. 1943 setzte sich der Uhrmacher höchstpersönlich ans Reißbrett. Dort brachte er erste Skizzen zu Papier.
Vom Minerva-Kaliber 10 1/2 Linien zum Kaliber 48
Bei seiner schöpferischen Tätigkeit ließ sich der damalige Minerva-Inhaber von den Vorgaben des „Goldenen Schnitts“ leiten. Dieses Fundament idealer harmonischer Proportionen teilt eine Strecke in zwei Abschnitte. Aber nicht irgendwie, sondern so, dass sich die Länge der kleineren zu derjenigen der größeren verhält wie die der größeren zum Ganzen. Herausragende Beispiele für die Perfektion von dementsprechenden Kreationen sind Bienenwaben oder die Fassade des Pantheon im Herzen Roms. Die Erfindung dieser Proportionslehre geht zurück bis in die griechische Antike. Bekanntheit erlangte der „Goldene Schnitt“ indessen erst durch die 1509 erschienene Publikation „De divina proportione“ von Luca Pacioli, deren Illustrationen kein geringerer als Leonardo da Vinci beisteuerte.
Eigentlich wäre damit zum 10½-linigen Minerva-Handaufzugskaliber 48 fast schon alles gesagt. Aber eben nur fast. Wegen seiner unverkennbaren Architektur, den geradlinig geformten Brücken und Kloben sowie den gewählten Winkeln gehört es bei vielen Liebhabern mechanischer Uhrwerke zu den echten Klassikern. Der in Anlehnung an den griechischen Philosophen Pythagoras gewählte Beiname „Pyathagore“ kommt also nicht von ungefähr. Bei 10½ Linien oder 23,6 Millimetern Durchmessern beträgt die Bauhöhe 3,8 Millimeter. Stündlich geruhsame 18.000 Halbschwingungen vollzieht die Schraubenunruh. In der Ur-Version speicherte die Zugfeder speichert Kraft für 45 Stunden Gangautonomie.
Neuinterpretation
Derartiges still und leise in der Versenkung verschwinden zu lassen, wäre ein echtes Sakrileg gewesen. Diese Auffassung teilte zu Beginn des 21. Jahrhunderts auch Demetrio Cabbidu (siehe links). Schon vor der Übernahme durch Richemont bestimmte der ambitionierte und mit allen Wassern gewaschene Uhrmacher die Geschicke in Villeret. Mit Blick in die bis 1909 zurückreichende Geschichte entstand unter seiner Ägide eine Ausführung mit elegant geschwungenen Brücken und Kloben.
Handaufzugskaliber Montblanc MB-M62.00
Und von der ruhten 38 Exemplare versteckt in einer der vielen Schubladen des Minerva-Archivs in Villeret.
Dieser Fund führte zur limitierten Edition einer klassischen Edelstahl-Armbanduhr mit 39 Millimeter Durchmesser und lachsfarbenem Zifferblatt. Wer es genau betrachtet, entdeckt zwischen „4“ und „5“ den kleinen Schriftzug Minerva. Dieses einmalig verwendete Detail weist hin auf besagtes Handaufzugskaliber, welches sich durch den Sichtboden mit spezieller „Historical Minerva movement“-Gravur zeigt und die Bezeichnung MB-M62.00 trägt. Wie gehabt agiert der Gangregler mit 2,5 Hertz. Und das nach manuellem Vollaufzug etwa 50 Stunden am Stück. Auf dem Unruhkloben zeigt sich eine Feinregulierung für den Rückerzeiger.
Der speziell gestaltete Schwanenhals besitzt am hinteren Ende den typischen Pfeil der Minerva. Seine Form erinnert ein wenig an die 2016 im Kaliber MB-M62.48 verwendete Bauweise. Hierbei handelte es sich um die durchbrochene Titan-Version des Kalibers 48 in der „TimeWalker Pythagore Ultra-Light Concept“. Die ursprünglichen Ausführungen des Kalibers 48 besaßen übrigens noch keinen Schwanenhals.
Montblanc TimeWalker Ultra-Light Concept, 2016
Die Montblanc Heritage Small Second
Natürlich genügt beim Kaliber MB-M62.00 die Feinbearbeitung in Gestalt von Kantenanglierungen, Polituren und Schliffen höchsten handwerklichen Ansprüchen. Durch die Verwendung dreier gepresster Chatons für die Lagersteine klettert die Bauhöhe des Uhrwerks von 3,8 auf 3,9 Millimeter. Zum Schluss muss sich jede der bis fünf bar wasserdichten Armbanduhren beim „Montblanc Laboratory Test 500“ qualifizieren. Logischer Weise hat Seltenes in derartiger Vollendung seinen Preis. Und der liegt bei 17.000 Euro.
Montblanc Heritage Small Second Limited Edition 38, Zifferblatt-Detail
Uhrenkosmos Modell-Steckbrief
Hersteller |
Montblanc |
Name |
Heritage Small Second Limited Edition 38 |
Referenz |
124781 |
Premiere |
November 2019 |
Uhrwerk |
Manufakturkaliber MB M62.00 |
Aufzug |
Manuell |
Durchmesser |
23,6 Millimeter |
Bauhöhe |
3,9 Millimeter |
Gangautonomie |
ca. 50 Stunden |
Unruhfrequenz |
2,5 Hertz |
Komponenten |
162 |
Anzeige |
Stunden, Minuten, Sekunden |
Zusatzfunktionen |
Keine |
Gehäuse |
Edelstahl mit speziell dekoriertem Sichtboden |
Durchmesser |
39 Millimeter |
Höhe |
9,45 Millimeter |
Wasserdichte |
fünf bar |
Armband |
Alligatorleder mit Faltschließe |
Preis |
17.000 Euro |
Limitierung |
38 Exemplare |
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