Die Gunst, mit Ferdinand Alexander Porsche ein Interview führen zu dürfen, war sicher nicht alltäglich. Denn der Industriedesigner und Gründer des Porsche Design Studios in Zell am See ließ lieber sein Design für sich sprechen. Um so interessanter war es, den ältesten Sohn von Ferry Porsche im Jahr 1998 in Ruhe über seine Vision guten Designs befragen zu können.
Dieses Vergnügen wiegt insofern umso höher, als die Gestaltungsideen von F. A. Porsche noch heute das Design des Porsche 911 als auch das der Porsche Design Uhren prägt.
Gisbert L. Brunner: Herr Porsche, wie überhaupt kamen Sie denn auf die Idee, sich nach einem wahrhaft einzigartigen Sportwagen wie dem Porsche 911 auf das glatte Parkett des Uhrendesigns zu begeben?
Ferdinand Alexander Porsche: Nach dem Entschluss, dass sich die Familie Porsche aus dem Autogeschäft zurückziehen würde, entstand 1972 in Stuttgart das Design Studio. Sein Umzug nach Zell am See erfolgte erst 1974. Der Gedanke, verdienten Mitarbeitern zu einem runden Jubiläum oder zum Abschied eine Armbanduhr zu schenken, war damals keineswegs neu. Und daraus erwuchs die Idee, etwas Eigenes im Zusammenhang mit Porsche aus der Taufe zu heben. Es war übrigens der erste nennenswerte Auftrag für das Studio.
Hat Sie die Rückzugsentscheidung damals persönlich getroffen oder vielleicht in Ihrer Ehre gekränkt?
Nein. Keineswegs. Diese geschäftlich bedingte Entscheidung deckte sich vollauf mit meinem persönlichen Verlangen nach gestalterischer Freiheit.
Schon die frühen 1970er-Jahre, in denen Sie als Nicht-Uhrmacher Ihre erste Armbanduhr kreierten, waren gekennzeichnet von einigen gestalterischen Exzessen. Manche resultierten aus dem unförmigen Quarz-Kaliber Beta 21. Sie jedoch blieben konsequent beim Rund.
Mein Credo, dass sich die Form aus der Funktion ergibt, ist Ihnen bekannt. Uhrwerke sind in der Regel rund. Außerdem laufen die Zeiger nun mal im Kreis. Und auch daraus ergibt sich logischer Weise ebenfalls die runde Form.
Welche Gedanken lagen Ihrer ersten chronographischen Kreation noch zu Grunde?
Nun, nach meiner Auffassung ist jedes Produktdesign fast schon zwingend funktional begründet. Ansonsten würden wir nicht von Design reden, sondern von vordergründigem und keineswegs nachhaltigem Styling. Mit besagtem funktionalen Anspruch einher geht freilich auch eine klare Verpflichtung hin zur Formgebung.
Wie sehen Sie die Relation von Form und Funktion?
Ferdinand Alexander Porsche: In meinen Augen darf die formale Lösung nie so dominant werden, dass sie die Bedeutung der eigentlichen Funktion des zu gestaltenden Gegenstands in den Hintergrund drängt. Und diesen Leitsatz haben wir im Porsche Design-Studio über die Jahre hinweg konsequent beachtet.
Denken Sie doch bitte mal an die Vorstellung Ihres ersten Chronographen zurück. Ich persönlich kann mich noch gut an die polarisierende Wirkung erinnern, als ich mir 1975 ein Exemplar gekauft habe. Die Bandbreite der Kommentare erstreckte sich von fantastisch bis ungemein hässlich. Können Sie sich denn auch noch an Reaktionen erinnern?
Darf ich vorwegschicken, dass ich nicht die Absicht hatte, eine Uhr zu gestalten, die jedem auf Anhieb gefallen würde. Meine Intention bestand darin, eine Uhr passend zum Tachometer und Drehzahlmesser des 911er zu kreieren. Und damit kam zwangsläufig die Farbe Schwarz ins Spiel. Schwarz, weil das beim Ablesen nicht blendet. Dazu stark kontrastierende Ziffern und Zeiger. Das vermeidet Missverständnisse zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Damit ist meine Frage nach den Reaktionen aber noch nicht beantwortet.
Sie erwähnten das Wort polarisierend. So ging es mir auch. Neben viel Zustimmung für den klaren, von unbedingter Sachlichkeit geprägten Auftritt erfuhr ich aber auch einiges an ablehnender Häme.
Zum Beispiel?
Die meiner Erinnerung nach bissigste Kritik stand in einer britischen Zeitung zu lesen. Dort schrieb man, dass der schwarze Porsche Design Chronograph allenfalls bei Beerdigungen tragbar sei. Außerdem sollte man als Schuster bei seinen Leisten, ich also beim Design sportlicher Autos bleiben sollte.
Hat Sie das ins Mark getroffen?
Wenn ich ehrlich bin, kein bisschen. Damals trugen anerkannte Rennsport-Größen wie Clay Regazzoni, Emerson Fittipaldi oder Ronnie Peterson den schwarzen Porsche Design Chronographen am Handgelenk. Die wussten doch genau, warum. Für mich war das eine großartige Bestätigung. Ganz abgesehen davon, dass unser Schwarz ziemlich spontan einen Trend bei Uhren auslöste. Eine bessere Bestätigung für richtiges Handeln gibt es doch kaum.
Apropos Schwarz. Wenn ich mich an meine Uhr zurückerinnere, kommt mit sehr schnell das Verblassen und Abblättern der charakteristischen Farbe in den Sinn.
Ferdinand Alexander Porsche: Am Handgelenk ist eine Uhr naturgemäß einigen Belastungen ausgesetzt. Ärmel scheuern, Unachtsamkeit können zu unsanften Begegnungen mit Türgriffen oder Kanten führen. Aber mal im Ernst. Wir schrieben das Jahr 1973. Und da war die Beschichtungs-Technologie noch weit von dem entfernt, was heute möglich ist. Mit dem Jubiläumsmodell, das Porsche Design und Eterna zum 25. Geburtstag auf den Markt bringen, wird so etwas nicht mehr passieren. Auch wir sind damals aus Erfahrung klug geworden.
Wenn Sie spätere Uhren betrachten, die zusammen mit der IWC entstanden, wird sehr schnell klar, dass ich es genieße, Dinge besser zu machen.
Wenn ich die breite Palette von der Kompassuhr über den Titan-Chronographen bis hin zur Ocean 2000 betrachte, kann ich dem nur beipflichten.
Abgesehen von Ausnahmen, also beispielsweise Sammlern oder Enthusiasten, besitzen Menschen eine oder vielleicht zwei Armbanduhren, die sie regelmäßig tragen. Und jetzt frage ich Sie: Soll man von Objekten, die man jeden Tag am Handgelenk tragen und regelmäßig anschauen will, weniger verlangen, als ein Höchstmaß an funktionalem Design, Komfort und Funktionalität, kurz ein Optimum an Format?
Wie sind Sie denn bei der Gestaltung und Formgebung Ihrer ersten Armbanduhr vorgegangen?
Nicht anders als bei Auto. Zunächst habe ich meine Ideen als Skizzen zu Papier gebracht. Auf diese Weise konnte ich mir die beabsichtigte Linienführung ruhig zu Gemüte führen. Danach übertrug ich das Ganze schnell in ein dreidimensionales Modell, um die Formgebung besser visualisieren zu können. Daraus resultierten dann konkrete Konstruktionszeichnungen. Speziell in einem Uhrengehäuse stecken so viele Details, die es zu beachten gibt. Das perfekte Zusammenspiel von Rundungen, Ecken und Kanten bestimmt Haptik, Ergonomie und Tragekomfort.
Was Motor und Getriebe beim Auto, ist das Uhrwerk bei der Uhr. Dachten Sie damals schon an das zu verbauende Uhrwerk?
Wenn ich ehrlich sein soll, nein. Es ging um einen Chronographen, weil dieser Typ Uhr einmal die Sportlichkeit unterstreicht, dazu die besondere Funktion der Kurzzeitmessung besitzt und außerdem sehr beliebt war. Das galt es zu bedenken bei der Kreation dieser Armbanduhr. Im Zuge der Arbeiten zeigte sich, dass Designer teilweise auch Ingenieure sein müssen. Gutes Design gibt es nämlich nur in enger Abstimmung mit der Technik. Bei ihrer Arbeit konzentrieren sie sich auf die Funktion und geben dem Objekt dann eine passende Form. Ich kann nur immer wieder betonen, dass Design nicht einfach Kunst ist. Design verleiht der Funktion ihre Eleganz. Aber Design muss stets funktional sein…
Sie haben dem Chronographenzeiger schon damals eine rote Farbe verpasst. Warum eigentlich?
Schauen sie sich den Drehzahlmesser oder auch Tachometer des 911er an. Dann wissen sie es. Die hatten rote Zeiger vor schwarzem Hintergrund. Beim Chronographen spielt der große anhaltbare Zeiger aus der Mitte hinsichtlich der Funktion eine elementare Rolle. Wenn ich mich recht erinnere, gab es aber auch Porsche Design Chronographen mit weißem Stoppzeiger.
Mitte der 1970-Jahre wurde Ihnen die chronographische Welt anscheinend zu eng. Für IWC war das ein echter Glückfall, denn Ihr Einfallsreichtum führte 1978 zur legendären Kompassuhr und zu einer Kooperation mit der Schaffhauser Manufaktur.
Bedingt durch die rasche Verbreitung von Quarzuhren war dieses Jahrzehnt für die Schweizer Uhrenindustrie ein Desaster. Aber das war nur ein Grund. Irgendwie war traditionalistisch denkenden Marken, wozu auch IWC gehörte, die einstige Dynamik abhandengekommen. 1978 hieß der Retter für die angeschlagene IWC ähnlich kurz VDO. Ohne diese Entwicklung hätte es weder die Kompassuhr noch den Titan-Chronographen gegeben. 1980 gelangte außerdem Günter Blümlein ins Boot.
Der deutsche Ingenieur war ein Macher und er war ein Glücksfall für mich, stets offen für neue Ideen. In seiner Ära entstanden unter anderem die bahnbrechenden Taucheruhren Ocean 2000 und Ocean 500. Ich möchte mich nicht zur Behauptung versteigen, dass ich einen Beitrag zur Rettung der IWC geleistet habe. Letztendlich ist die in erster Linie Günter Blümlein zu verdanken. Aber zusammen ist damals mit der Porsche Design-Linie ein wichtiges und über 20 Jahre hinweg sehr erfolgreiches zweites Standbein entstanden.
Wie kam es zur Kompassuhr?
Woher rührt die Faszination einer Armbanduhr? Ist es ihre Funktionalität als Instrument zum Messen der Zeit? Oder ist es ihre Optik, also ihr Design? Meiner Meinung nach sind es auf ihre Weise beide Aspekte. Und die kamen zum Tragen als die gerade von VDO übernommene IWC und ich im Jahr 1978 zusammenfanden. Wir brachten Kompetenzen auf unterschiedlichen Gebieten in diese Kooperation ein. Diese Fähigkeiten des Uhrenfabrikanten auf der einen und des Künstlers andererseits nutzten wir, um zu einem alten Thema etwas gänzlich Neues auf die Beine zu stellen.
Wer braucht denn heutzutage eine Kompassuhr?
Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole, denn ich habe es schon ein paar Mal gesagt: Natürlich benötigt nicht jedermann jeden Tag einen Kompass. Aber es kann durchaus Situationen geben, in denen man dringend auf ein solches Gerät angewiesen ist. Zum Beispiel wenn der Weg zum schützenden Hafen oder zur nächsten Oase nicht ausgeschildert ist. Dann ist es doch gut, einen Kompass einfach am Handgelenk bei sich zu tragen. (Lacht) Wissen Sie denn, wo die Kompassuhr nicht funktioniert?
Wenn ich im Physikunterricht richtig aufgepasst habe, am Nordpol.
(Lacht wieder) Sie haben recht, aber auch nicht. Der Kompass zeigt Ihnen nichts an. Aber die Zeit können Sie weiterhin ablesen. Also erfüllt die Kompassuhr doch überall ihren Zweck.
Da kann ich Ihnen nicht widersprechen. Für die bis 1986 produzierte Referenz 3510 verwendeten Sie ein grün oder schwarz beschichteten Gehäuse aus gehärtetem Aluminium. Da gibt bei strapazierender Nutzung auch irgendwann der Lack ab.
Mitunter muss man einen Tod sterben. Mit Titan waren wir noch nicht so weit. Das komplexe Gehäuse konnten wir erst 1991 aus diesem amagnetischen Material fertigen.
Ferdinand Alexander Porsche
Womit wir bei Titan angekommen wären, einem ihrer Lieblings-Werkstoffe, Herr Porsche. Beim 1980 vorgestellten Titan-Chronograph wurden Ihre Träume wahr, nehme ich an.
So ist es. Über die Summe positiver Eigenschaften von Titan muss ich Ihnen als Uhrenspezialisten nichts sagen. Viele Dinge existieren in der Phantasie, aber die Technologien zur Realisierung sind noch nicht hinreichend entwickelt. Genauso verhielt es sich mit Titan. Aber mit Günter Blümlein hatte ich einen vorzüglichen Sparringspartner. Er besaß Visionen und den unternehmerischen Mut, auch Dinge anzupacken, die am Ende vielleicht auch hätten scheitern können. Wie wir alle wissen, ist das nicht geschehen. Der Titan-Chronograph hat das Gesicht von Porsche Design by IWC beispielgebend prägt.
Also erlebten Sie 1980 eine echte Sternstunde?
Lassen Sie es mich aus der Sicht eines Produktgestalters formulieren. Der Titan-Chronograph mit seinem beeindruckenden Auftritt unter anderem durch großflächige und deshalb besonders ergonomische Bedientasten verkörperte die entscheidende Annäherung an mein Ideal. Ich habe es schon betont, dass Form und Material unbedingt der Funktion zu folgen haben. Design als Mittler zwischen Funktion und Technik führte bei IWC zur Ocean Taucheruhr und anderen ultraleichten Uhren für das tägliche Leben. Uhren für technik-affine Männer, aber auch für anspruchsvolle Frauen, wie Lady-Titan belegt.
Damit kommen wir zum Oktober des Jahrs 1995, welcher mit dem Erwerb der Schweizer Traditionsmarke Eterna das Ende einer langen Partnerschaft und gleichzeitig eine neue Ära einläutete. Die Uhrenbranche hat jedenfalls aufgehorcht.
Für uns oder besser die F.A.P. Beteiligungen GmbH boten sich mit der Möglichkeit, die Uhrenmarke Eterna zu kaufen, vielfältige Chancen. Mit Eterna erwarben wir lange Tradition, Erfahrung und Kompetenz
Herr Porsche, fühlen Sie sich durch die Re-Edition eigentlich geehrt?
25 Jahre nach der Erstauflage des schwarzen Orfina Chronographen fühle ich mich durch diese Armbanduhr bestätigt. Damals habe ich für gute Ablesbarkeit lange an gestalterischen Details dieser Armbanduhr gearbeitet. Konsequent eliminierten wir alles, was nicht zwingend nötig ist und deshalb weggelassen werden konnte. Auf diese Weise gab es keine Ablenkung vom Essentiellen, was einen funktionalen Armband-Chronographen ausmacht. Heute ist die damals teilweise stark kritisierte Revolution anerkannte Normalität. Somit darf ich mich schon auch geehrt fühlen.
Wird Porsche Design bei Eterna die bewährte Tugend beibehalten, die Form der Funktion folgen zu lassen. Oder setzen Sie als Uhrenfabrikanten mit Porsche Design als ein Standbein verstärkt auf trendige Optik zugeliefert aus Zell am See?
Ferdinand Alexander Porsche: Nach meinen Ausführungen sollte klar geworden sein, dass wir der Funktionalität von Porsche Design Uhren, egal ob von Orfina, IWC oder nun Eterna produziert, stets sehr hohen Stellenwert bemessen. So betrachtet kann sich Funktionalität wie beim ersten Porsche Design Chronographen mit sehr klarer Zifferblattgestaltung verknüpfen oder mit durchdachten Zusatzfunktionen wie z. B. bei der Kompassuhr von 1978.
Es spricht aber auch nichts dagegen, neue Porsche Design Modelle mit offiziell geprüfter Ganggenauigkeit oder hohem Wiedererkennungswert auf den Markt zu bringen. Porsche Design steht für Produktinnovation. An diesem Credo wird auch Porsche Design manufactured by Eterna nichts ändern. Form ist kein Zufall. Form ist gutes, funktionelles Design und damit das krasse Gegenteil von bloßer Kosmetik.
Das Ferdinand Alexander Porsche Interview war eines der raren persönlichen Aussagen von F. A. Porsche über die Hintergründe und Entstehungsgeschichte des ikonographischen Porsche Design Chronographen. In der Klarheit und Kompromisslosigkeit des gestalterischen Ansatzes hat Ferdinand Alexander Porsche dabei eine Wirkung erzielt, die weit über die Gestaltung von Chronographen hinausgeht und sich bis heute in der Formsprache von Alltagsgegenständen wiederfindet.
Herzlichen Dank für diesen sehr interessanten Einblick in das Denken und Handeln einer großen Gestalterpersoenlichkeit.
Dank und liebe Grüße an Dich, Gisbert
wolfgang.