POINTtec
1987 gründete der Bäckermeister und studierte Betriebswirt Willi Birk in Ismaning bei München die Firma POINTtec, zu der aktuell Marken wie Iron Annie, Zeppelin, Bauhaus und Ruhla gehören. Jedes Jahr entstehen deutlich mehr als 100.000 Armbanduhren im Preissegment des erschwinglichen Luxus. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft und einem MBA in den USA startete Tochter Nathalie Birk 2018 zunächst als Chefin für Marketing und Verkauf. Seit Februar 2022 leitet sie die POINTtec GmbH als Geschäftsführerin.
Ladies first – Nathalie Birk
Gisbert Brunner: Ladies first. Nathalie, seit nunmehr zwei Jahren bist du nun Geschäftsführerin bei POINTtec Uhren Ismaning mit den wichtigsten Marken Zeppelin, Ruhla und Bauhaus. Du hast in Augsburg BWL studiert. Bist du kontinuierlich in eure Familienfirma hineingewachsen. Hast du das Thema Uhren sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen?
Nathalie Birk: Die Firma war in meiner Jugend allgegenwärtig, aber meine Eltern haben mich in jungen Jahren immer dabei unterstützt, meinen eigenen Weg zu finden und diese Freiheit habe ich auch genutzt. Einen Ferienjob zu finden, war für mich aber natürlich leicht. Als junges Mädchen habe ich Uhren etikettiert, Uhren verpackt etc.
Also Ferienjob beim Papa gemacht?
Ja genau, richtig. Für die Lufthansa, um einen Kunden zu nennen, habe ich damals reihenweise Uhren verpackt. Das hat mich irgendwie immer begleitet. Trotz allem habe ich damals schon stark auch versucht, irgendwie meinen eigenen Weg zu gehen. Von der Schulzeit bis zum Studium und zu meinem MBA. Aber klar, Uhren sind Produkte, mit denen man sich gut identifizieren kann. Und genau das ist auch das Schöne daran. Darüber habe ich damals jedoch noch nicht so sehr nachgedacht. Für mich waren unsere Uhren schöne Produkte, und ich habe wie gesagt gelegentlich etikettiert und verpackt. Auf der anderen Seite bin ich eigentlich mehr meinen eigenen Weg gegangen. Ohne an eine Zukunft in der Geschäftsführung zu denken.
Die Firma POINTtec später zu leiten oder ganz zu übernehmen, war für dich also anfangs keine wirkliche Option?
Option irgendwie vielleicht schon. Aber nicht mit dem expliziten Willen, dass ich das jetzt konkret mache. Meinen persönlichen Weg in der Wirtschaft habe ich auch nicht unbedingt mit dem Ziel eingeschlagen, das Familienunternehmen eines Tages in Nachfolge meines Vaters zu führen. Mir ging es darum, etwas zu machen, was mich erfüllt, was ich machen will, und wo ich dann meine Berufung finde.
Mehr zur Zeppelin Atlantic GMT findet sich hier im Uhrenkosmos
Indiskrete Frage, Nathalie. Hast Nathalie Birk als studierte BWLerin irgendwann ganz still und leise eine Due Dilligence der Firma POINTtec gemacht um festzustellen, das rechnet sich, das ist attraktiv für mich, davon kann man gut von leben und so weiter?
Das ist eine spannende Frage. Im Laufe meines Wirtschaftsstudiums habe ich immer mehr realisiert und schätzen gelernt, was mein Vater hier aufgebaut hat und was die Branche so besonders macht: Das Zusammenspiel von Technik, Emotion und natürlich auch wirtschaftlichen Aspekten. Ich habe immer mehr Lust bekommen, diese Aufgabe, diese Leitungsfunktion anzunehmen und POINTtec mit Kampfgeist, Ehrgeiz und nach meinen Vorstellungen voranzubringen.
Willi Birk
Jetzt zu dir, Willi. Reden wir über die Genese der Firma POINTtec. Du kommst ja aus einer ganz anderen beruflichen Ecke und hast dich erst in einem späteren Lebensabschnitt in den Bereich Elektronik und Uhren bewegt.
Willi Birk: Lieber Gisbert, jahrelang habe ich als Bäcker gearbeitet. Mit nur 20 war ich der jüngste Bäckermeister Deutschlands. Als Bäcker braucht man zwingend auch die Zeit. In diesem Sinne hatte ich immer eine kleine Passion für Uhren.
Welche Uhr hast du damals getragen?
Damals hatte ich gar keine Uhr, weil keine gefallen hat. Erst mit 29 habe ich meine erste Uhr gekauft. Und das war eine Kontiki von Eterna.
Thor Heyerdahl …
Genau. Sie besaß ein wunderschönes blaues Zifferblatt. Nach meinem Studium habe ich nochmal als Verkaufsleiter gearbeitet. Irgendwann habe ich mir gesagt, wenn nicht jetzt, dann nie. Jetzt müssen wir es mit etwas Eigenem packen. Da war ich 31 und ich habe meine Frau Angie kennengelernt. Die war sprachen-fit, beherrschte auch die französische Sprache. Zusammen sind wir nach Frankreich gefahren, denn in Deutschland, speziell in Pforzheim lag die Uhrenindustrie schon im Absterben. Aber in Frankreich gab es noch eine komplette Infrastruktur. Dort konnte ich noch alle Abläufe sehen.
In der Gegend Besançon oder wo?
Das war im französischen Jura an oder nahe der Schweizer Grenze. Da es auch einen wunderbaren Zifferblatthersteller, der gegenüber einer Uhrenfabrik arbeitete. Dort konnte erleben, wie wird ein Zifferblatt hergestellt, ein Gehäuse gefräst wird, wie Galvanik vor sich geht, und so weiter.
Das Fundament war also gelegt
Schon vor Ort haben wir gesagt, das passt für uns. Hier sehen wir alles, von hier können wir alles mitbringen. Hier können wir unsere Uhren entwickeln und fertigen lassen.
Hattest du da schon konkrete Ideen für die eigene Uhrenfirma?
Von Anbeginn habe ich gesagt, wir müssen wir mit einer Eigenmarke arbeiten. Und das war Charles Fabien Paris, kurz CF genannt.
Ein einprägsamer Phantasiename
Ja, aber die Uhrenfabrik hatte auch eine Dependance in Paris. Somit durften wir auch die Herkunftsbezeichnung Paris auf die Zifferblätter schreiben. Und so haben wir 1987 dann begonnen.
Modisches aus Ibiza
Das waren in erster Linie Quarzuhren, oder?
Wir haben relativ früh angefangen mit Mechanik. Aber unser Anfang waren in der Tat Quarzuhren. Darf ich an dieser Stelle einen kleinen Seitensprung machen?
Sehr gerne
Als junger Mensch habe ich meinen Urlaub gerne auf Ibiza verbracht. Dort liefen hübsche Mädels am Strand auf und ab. Zur spärlichen Bekleidung gehörte auch eine riesengroße Uhr. Belegt mit Goldstaub. Und das war die Initialzündung. Diese poppigen Uhren hatten einen Durchmesser von 48 Millimeter und ein breites Band dran. Damit begann alles.
Diese Produkte mussten dann ja auch unters Volk
Damals bin ich dann zur Firma Knapp gefahren. Die warben damit, kauf die Trauringe bei Knapp. Ich habe alles eingepackt, was ich hatte. Große Gehäuse, Bänder und augenfällige Zifferblätter von einem bedeutenden Schweizer Fabrikanten.
Wie hat man bei Knapp reagiert?
Bei Knapp hat der Einkäufer die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Um Gottes Willen, was ist das denn in diesem Bauchladen? Ich habe geantwortet, dann Knapp mit meiner Hilfe eigene Uhren machen könne. Und dann hat er gesagt, jetzt muss ich auch noch mehr machen. Irgendwann fand er, dass die Uhren gar nicht so schlecht aussehen. Mein Glück war, dass auch der Einkäufer jedes Jahr auf Ibiza urlaubte und er solche Uhren auch schon gesehen habe.
Das Eis war gebrochen
Knapp hatte damals um die 75 oder 80 Ladengeschäfte. Ich schlug vor, pro Zifferblatt wenigstens hundert Stück zu produzieren. Er meinte, wir bestellen 300 oder 400, und die verkauft Knapp nur in München und Umgebung. Eine Woche nach der Lieferung bekam ich einen dringenden Anruf, dass alle Uhren verkauft waren und man dringend Nachschub brauche.
Da hast du dich sicher nicht zweimal bitten lassen
Gleich am folgenden Montag war ich wieder dort und Knapp hat 1000 oder 1500 Uhren bestellt. Sukzessive wurden es dann immer mehr. Andere sind dann auch auf dieses Pferd aufgestiegen. Im zweiten Jahr haben wir dann schon 30.000 Uhren hergestellt.
Wie kamst du denn auf den Namen POINTtec?
Der Name kommt noch aus unserer wilden Anfangszeit. Ich habe damals Bewerbungsgespräche mit Grafikern geführt und sie auch nach passenden Namen für die Firma gefragt. Eine Grafikerin meinte daraufhin, dass ich im Gespräch etwas gut auf den Punkt gebracht hätte. Zusammen mit den technisch anspruchsvollen elektronischen Uhren, die wir damals gemacht haben, wurde aus diesem Gedanken: Punkt, Point, POINTtec – das hat damals, Ende der 80er, hervorragend gepasst. Auf klassischere Uhren haben wir erst später umgeschwenkt.
Auf den Uhren für Knapp stand deren Signatur. Parallel dazu gab es solche mit Charles Fabien Paris, wenn ich recht verstanden habe. Für den sonstigen Fachhandel?
Wir haben sofort Paralleluhren mit Charles Fabien Paris hergestellt und dafür eine etwas höherwertige Kette gewählt, denn unser Zifferblattfabrikant arbeitete für sehr viele noble Schweizer Firmen und verstand sich auf Techniken wie Appliken, Prägungen und Perlen, welche sie automatisch aufbringen konnten. Das war damals die größte Zifferblattfirma in der ganzen Umgebung. Die hatte dann auch immer ein paar Spezialitäten. Oft sind wir freitags hingefahren und haben dort das Wochenende verbracht. Wir bekamen alles zu sehen, die Musterbücher und die Techniken. Die Bücher konnten wir mitnehmen und uns überlegen, wie wir das für eigene Uhren umsetzen. Auf diese Weise entstanden unsere frühen Uhren.
Wann und warum endete Charles Fabien Paris?
Nach vier oder höchstens fünf Jahren. Leider, wie es im Leben so ist, wurde der Inhaber 63. Er hat seine Montagefabrik dem Neffen übergeben. Und der Neffe war bedauerlicher Weise nicht in der Lage, diese Fabrik weiterzuführen. Einige Monate, nachdem der die Firma übernommen hat, habe ich die Geschäftsleitung der Uhrenfabrik Ruhla kennengelernt. Und die brauchte dringend Aufträge.
Lass uns den ersten Teil dieses Interviews mit dir beenden, liebe Nathalie. Aus bescheidenen Anfängen ist POINTtec zu einer international aufgestellten Firma geworden. Man könnte von einem global agierenden Familienunternehmen sprechen, oder?
Nathalie Birk: Das ist richtig. Aktuell sind wir in 35 Ländern aktiv. Und wir haben dort einen aktiven Vertrieb. In weiteren Märkten bauen wir die Marke auf. In der Tat haben wir jetzt schon eine globale Marke geschaffen.
Der nächste Teil des Interviews mit Nathalie und Willi Birk für bald schon im Uhrenkosmos
Danke für die vielen guten Berichte, die ich gerne lese.
Leider kann ich nicht auf den kleinen Fotografien die Schönheiten der Details erkennen. Es wäre deshalb sehr entgegenkommend, wenn die Bilder in den Artikeln am Handy vergrößert werden könnten.
Ich bin schon sehr auf die nächsten Artikel gespannt – Alles Gute weiterhin,
I. Bergen
Danke für den Kommentar. Einfach beim Lesen die Fotos am Handy durch spreizen der Finger groß ziehen. Geht ganz einfach.