Spieglein, Spieglein an meinem Handgelenk…
Über neue Uhren zu berichten, mache ich normalerweise nicht. Dafür braucht es meinen Letter from London nicht. Ich gehe davon aus, dass die wichtigsten Neuheiten in aller Regel von Uhrenkosmos.com und anderen Uhrenseite bestens vorgestellt werden. Aber Regeln sind dazu da, von Zeit zu Zeit gebrochen zu werden, und als Isotope Watches diese Woche die Pressemitteilung für die neue Isotope X Revolution Mercury Spiegeluhr verschickte, war mein Interesse geweckt.
Die Uhr heißt Mercury. Es handelt sich um eine limitierte Auflage, die in Zusammenarbeit mit der Uhrenseite Revolution hergestellt wird. Sie zeichnet sich durch ein komplett poliertes und verspiegeltes Erscheinungsbild aus, in dessen Mittelpunkt das weltweit erste konvex-verspiegeltes Zifferblatt steht. Das ist an sich schon etwas Besonderes. Aber es löste auch eine spontane Reaktion in meinem Gehirn aus, und ich dachte: Sind Spiegeluhren jetzt tatsächlich ein Trend?
Sie scheinen vor allem bei Revolutionwatch.com Gründer Wei Koh im Trend zu liegen, denn vor ein paar Monaten stellte er zusammen mit Sartory Billard bereits eine Spiegeluhr in limitierter Auflage vor. Diese José Miranda ist eine ziemlich interessante Uhr, zumindest auf Bildern.
Isotope x Revolution Mercury
Ich schätze, es ist schon so, dass viele Uhren zwar unpraktisch sind. Hunderte, um nicht zu sagen Aberhunderte, machen fehlende Praktikabilität mehr oder weniger zu ihrem Grundprinzip. Aber eine Uhr wie die Isotope Mercury zu nehmen und ihre gesamte Oberfläche zu einem glänzenden Spiegel zu machen, der diesen Effekt sofort verliert, sobald man ihn berührt, geschweige denn sie im Alltag trägt, scheint mir eine besondere Art von perverser, absichtlicher eingeschränkter Alltagstauglichkeit zu sein.
Dann erinnerte ich mich an die Bulgari Octo Finissimo Sejima Edition aus dem Jahr 2022 sowie die Zenith Defy Extreme Mirror von Anfang dieses Jahres und dachte mir: Hoppla! Vielleicht ist dies ein Trend, den niemand kommen sah.
Spiegeluhren
Als ich bei Mr. Porter war, haben wir mit MAD Paris an einigen maßgefertigten AP Royal Oak 37mm-Modellen gearbeitet, die ebenfalls eine glänzende, flüssige Metalloptik hatten. Als ich nun nachschaute, ob es sie noch gibt, fand ich diese punkige Nummer. Eindeutig ein Trend. Google hat mich auch auf die D1 Milano Ultra Thin Mirror aufmerksam gemacht, die so etwas wie der Vorläufer zur Audemars Piguet von Prada ist, und die Movado Museum Sapphire.
Ich habe schon seit Ewigkeiten eine Schwäche für die Movado Museum – die modernen Modelle fühlen sich ziemlich billig und unbefriedigend an, aber ein Original wäre eine sehr coole Sache, die man besitzen könnte. Wie auch immer, ich bin sicher, man wird mir von wichtigen Spiegeluhren berichten, die ich übersehen habe.
Isotope X Revolution
Um etwas mehr zur Isotope X Revolution Mercury zu erfahren, frage ich am besten José Miranda, der Isotope Watches gemeinsam mit Joana Miranda im Jahr 2016 im beschaulichen Städtchen Harpenden nördlich von London gegründet hat. Dies ist, was José zur Uhr und der Idee dahinter zu sagen hatte.
Uhrenkosmos: Was hat Sie dazu inspiriert, diese Uhr zu bauen? Sie unterscheidet sich ja sehr von den anderen Designs der Uhrenmarke Isotope.
José Miranda: Das Bedürfnis, eine sportliche, klassische Uhr in unserer Kollektion zu haben, aber mit einem gewissen Pfiff, war eine treibende Kraft. Ich mag keine langweiligen Uhren oder solche, die lediglich von anderen „inspiriert“ sind. Ich glaube fest an langsames Design und die Verwendung bestehender Designs, um Redundanzen zu vermeiden.
Es ist nicht so, dass ich andere Uhren nicht mag. Ganz im Gegenteil, aber ich bin überzeugt, dass es viele neue Möglichkeiten gibt, einzigartige, ungesehene Designlösungen zu schaffen. Das einzige Hindernis sind Budgetbeschränkungen. Sonst würden wir so originelle und komplexe Uhren wie Urwerk oder MB&F herstellen.
Die Inspiration für die Mercury war unser Isotope Lacrima Logo, das einen Tropfen symbolisiert. Eine unserer ersten Uhren war die Isotope Goutte d’Eau (und bald wird es eine Goutte d’Eau 2.0 geben). Ich hatte ein altes Quecksilberthermometer, das ich zerbrach und mit dem ich anfing zu spielen, um sicherzugehen, dass wir es sicher handhabten, so wie ich es als Kind tat.
Quecksilber hat ein eigenartiges Verhalten – seine Tröpfchen behalten ihre runde Form, wobei nur eine kleine Fläche die Basis berührt. Eben dieses Verhalten soll sich in dem Tröpfchen auf dem Zifferblatt widerspiegeln.
Wir konnten ein Tröpfchen in zwei Hälften schneiden und von dort aus zu 3D-Renderings übergehen. Durch die Vergrößerung der beiden Hälften wurden das Gehäuse und die Bandanstöße sichtbar, aber es sah zu sehr nach dem Panerai-Kissengehäuse aus. Wir suchten also nach fließenden Formen, was mich an die Entwürfe von Dreyfuss erinnerte.
Wir begannen, fließende Formen zu erforschen, die Dekoration in der Räucherkammer, die Radformen…, es ist Kunst in Bewegung, und selbst wenn sie statisch ist, sieht alles aus, als würde es sich bewegen. Die Idee des Gehäuses war wiederum anders zu sein. Aber in Maßen, so dass man die Isotope X Revolution Mercury täglich tragen kann – fließend, schlank, diskret und nur etwas für Kenner.
Uhrenkosmos: Was ist mit dem Zifferblatt? Das klingt nach Kopfschmerzen
José Miranda: Wir haben zahlreiche grüne, schwarze und lachsfarbene Zifferblätter getestet, und eines Tages hatte ich ein Videomeeting mit Wei Koh von Revolution. Ich zeigte ihm die Renderings, und er schlug vor, die Uhr mit einem Spiegelzifferblatt herauszubringen, was mir sehr gefiel. Ich stimmte zu, ohne zu wissen, dass bisher noch niemand ein konvexes Spiegelzifferblatt hergestellt hatte.
Ich konsultierte viele Lieferanten, darunter einige der besten in der Schweiz, und mir wurde zunächst gesagt, dass dies nicht möglich sei. Sechs Monate und viele Versuche später hatten wir Erfolg. Das polierte Gehäuse, die Zeiger, das gewölbte Gehäuse, die Zeiger, das Saphirglas… all das ergab Sinn. Die Sahne auf der Torte war schließlich das spiegelpolierte Zifferblatt.
Uhrenkosmos: Gibt es andere Spiegeluhren, die Sie im Hinterkopf hatten, als Sie sie entworfen haben? Die Bulgari Octo Finissimo Sejima hat mir ja gut gefallen; vielleicht hat die Idee auch etwas von Georg Jensen?
José Miranda: Ich verbringe Monate damit, Uhren von früher zu studieren und neu zu entdecken, bevor wir mit der Arbeit an unseren Designs beginnen. Das Ziel ist es, Ähnlichkeiten, Inspirationen und bestehende Lösungen zu vermeiden.
Georg Jensen leistete Pionierarbeit beim Polieren und bei der perfekten Endbearbeitung seiner traditionellen Stücke und machte die Spiegelpolitur zu einem seiner Markenzeichen. Seine Arbeit ist zwar interessant, aber sie war nicht per se eine Inspiration für unsere Entwürfe.
Was die Octo Finissimo Sejima betrifft, so arbeiten wir derzeit an unserer integrierten Uhr. Es dauert Jahre, um eine Form und Lösung zu finden, die bisher noch nicht verwendet wurden. Wir sind fast am Ziel, aber noch nicht ganz. (Mehr über die ebenso spannende Bulgari Octo Finissimo Sketch gibt es hier zu entdecken.)
Uhrenkosmos: Freuen Sie sich darauf, dass diese Uhren getragen, zerkratzt und geschlagen werden – was einen ziemlichen Kontrast zum Zifferblatt darstellen wird – oder zuckt ein Teil von Ihnen innerlich zusammen bei dem Gedanken, dass sie Gebrauchsspuren tragen, wenn man bedenkt, wie viel Arbeit in das makellose, verspiegelte Aussehen geflossen ist?
José Miranda: Unsere Uhren sind wie meine Autos – keine Garagenköniginnen. Sie sind alle dafür gemacht, getragen zu werden. Deshalb ist die Mercury auch bis zu 100 m wasserdicht und hat ein hartes Saphirglas. Wenn sie zerkratzt oder verbeult sind, kann man sie zwar reparieren, aber ich bevorzuge sie gebraucht, also mit einer eigenen Seele.
Gebrauchte Uhren haben eine Geschichte zu erzählen, und das bedeutet, dass sie geliebte, geschätzte Begleiter sind. Selbst wenn sie allzu sehr strapaziert werden – solange sie sauber sind, werden sie immer coole Uhren sein.
Uhrenkosmos: Was für ein Albtraum war es, das Modell Mercury zu fotografieren?
José Miranda: Hochglanzpolierte Oberflächen sind in der Tat ein Albtraum beim Fotografieren. Ich war die meiste Zeit meines Lebens als Executive Producer tätig und verbrachte Monate mit dem Filmen und Produzieren von Produktfotos. Ich habe mit Regisseuren und Kameraleuten wie Max Modray von Apple und Robert Dowling von Pink Floyd zusammengearbeitet.
Es war mir eine Ehre, dass unsere erste Uhr, die Jumping Hour Rider, von Robert Dowling fotografiert wurde. Wir verbrachten einen Nachmittag in Soho und fotografierten mit schwarzem Samt, Karton und Stoff zwischen den Objektiven und Lichtern, um eine ätherische Atmosphäre zu schaffen. Seine Bilder kommen ohne Photoshop aus und sehen makellos aus.
Fast zehn Jahre später werden die meisten unserer Bilder von Brad Homes aufgenommen, und die Isotope X Revolution Mercury ist da keine Ausnahme. Er verwendete auch schwarze Elemente, um die Kamera und die Umgebung zu verbergen. Es ist ein komplexer Ansatz, aber alle Uhren, die Sie in unseren Beiträgen oder Anzeigen sehen, sind echt und keine makellosen Renderings. Im Moment verwenden wir Renderings nur, um ein Konzept zu beweisen oder Ideen zu zeigen.
Uhrenkosmos: Bestehen Sie darauf, dass jeder die Uhr mit Handschuhen anfasst? Ich hoffe, es gibt ein kostenloses Polierset dazu…
José Miranda: Im Gegenteil, wir haben sie zur Windup Watch Messe in San Francisco mitgenommen, und jeder, der unseren Stand besuchte, hat sie ohne Handschuhe angefasst. Einige Leute hatten sogar Metallarmbänder am selben Handgelenk. Es tut ein bisschen weh, weil es die Nummer #000 ist, aber nur so kann man sie für alle interessant machen. Im Lieferumfang ist ein Reinigungstuch enthalten. Es poliert nicht, aber es hilft, die Uhr glänzend und sauber zu halten.
Uhrenkosmos Letter from London
Das Interview von Chris Hall, dem Gründer von The Fourth Wheel, ist im Ganzen auf seiner Substack Seite nachzulesen. Plus weitere spannende Infos und Kommentare aus der Welt der Uhren.
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