Der Weg zur Piaget Altiplano und zum Piaget Kaliber 12P dauerte viele Jahre. Denn verbissen kämpfte die Uhrenindustrie noch in den 50er Jahren bei ihren innovativen Automatikwerken um jeden Millimeter Bauhöhe. Doch notwendige Konstruktionen wie der Zentralrotor und seine Erfordernisse an Stabilität und Funktion leisteten erbitterten Widerstand. Eine Uhrwerk-Bauhöhe knapp unterhalb der 5,5-Millimeter-Marke galt bereits als außergewöhnliche Leistung. Wirklich bahnbrechend veränderte dies die Höhe eines Uhrwerks jedoch nicht.
Minimalismus mit integriertem Rotor
Um die Werkshöhe tatsächlich drastisch zu reduzierten, brauchte es deshalb innovativere Lösungen. Eine solche stellte die Uhrenmanufaktur Büren, die später von Hamilton gekauft wurde, im Jahre 1954 vor. Ihr patentiertes, nur 4,2 Millimeter hohes Automatikwerk beeindruckte durch den intelligent in die Werksebene integrierten Rotor. Der immense Verkaufserfolg rief jedoch schnell missgünstige Wettbewerber auf den Plan.
Das Drehmoment des Rotors steige mit der dritten Potenz seines Radius an, zitierten die argwöhnischen Konkurrenten theoretische Grundlagen. Dieser Theorie widersprach der Mikrorotor tatsächlich. Gleichzeitig verschwieg die Konkurrenz jedoch, dass dessen vergleichsweise winzige Schwungmasse mit weniger Verlusten rotiert. So dämpft die Zugfeder unerwünschte Schwingungen schneller und entsprechend konnte der Mikrorotor seine Arbeit verrichten.
Es dauerte kein Jahr – elf Monate um genau zu sein – bis Universal Genève beim Modell „Polerouter“ eine ganz ähnliche Konstruktion wie den Büren’schen Mikrorotor präsentierte. Den Erstanspruch erhob freilich Büren für sich – Universal konterte. Letztlich verständigten sich die Hersteller und Universal zahlte eine Lizenzgebühr. Als Piaget mit seinem Piaget Kaliber 12P schließlich ebenfalls ein Stück vom Kuchen wollte, sahnten sogar beide Parteien ab.
Das flachste Automatik-Kaliber Piaget 12P
Gelohnt hat es sich für Piaget trotzdem. Das ultraflache 2,3 Millimeter hohe Kaliber Piaget 12P verkörperte nämlich einen absoluten Superlativ und landete als flachste automatische mechanische Uhr deshalb prompt im Guinness-Buch der Rekorde.
Die ersten Pläne des Uhrwerks mit 24-karätigem, beidseitig aufziehendem Goldrotor stammten aus dem Jahr 1956. Aufgrund der extremen Komplexität der Konstruktion dauerte es jedoch drei weitere Jahre, bis das Kaliber Piaget 12P Serienreife erlangte. Im Jahr 1960 war es dann soweit und die Referenz 12103 gelangte endlich in den Fachhandel. Das feine Goldgehäuse war fast unfassbare fünf Millimeter flach. Allerdings hatte die Uhr einen damals üblichen, heute allerdings fast untragbaren Durchmesser von nur 34 Millimeter.
Ein Uhrwerk an der Grenze des Machbaren
Anfang des 21. Jahrhunderts war die Geschichte des diffizilen und aufwändig gefertigten superflachen Piaget-Kalibers 12P auserzählt. Die aufwändigen Stanzwerkzeuge aus den späten 1950er Jahren waren nach langer Nutzungsdauer ermüdet, die Komponenten des Uhrwerks mit geringstmöglicher Abweichung herzustellen wurde nahezu unmöglich. Auch die mikroskopischen Dimensionen des Kalibers hatten die Uhrmacher beständig vor Herausforderungen gestellt.
Montage und Regulierung des ultraflachen Uhrwerks gestalteten sich schwierig. Für jeden an Größe gesparten Millimeter sanken die Toleranzen nämlich überproportional. Spielraum für die Techniker? Fehlanzeige. Vielmehr musste zum Beispiel das Höhenspiel der Lagersteine auf den Hundertstelmillimeter genau eingestellt werden – von Hand. Anderenfalls wären diese superflachen Uhren-Kunstwerke schlichtweg stehen geblieben. Es war also Zeit für eine Neuentwicklung. Das Piaget Kaliber 1200P.
Zeit für einen neuen Superlativ
Zum 50. Geburtstag des legendären 12P gab es wieder einen Superlativ aus der Piaget Altiplano Reihe. Doch niemand im Management noch den Piaget Produktentwicklern stand der Sinn nach einer reine Wiederauflage des ultraflachen Uhrwerks. Immerhin hat sich in Sachen Rohwerkeproduktion, Qualität und Präzision seit den 50er Jahren schließlich einiges getan.
Entsprechend gespannt schaute die Uhrenindustrie auf das neue Piaget Kaliber 1200P. Zweifellos ähnelte dieses seinem berühmten Vorbild 12P von 1960. Technisch aber betrat Piaget damit allerdings völliges Neuland. Die Bauhöhe von 2,35 Millimeter war ein Bauhöhe des Uhrwerks, die so kein anderes Automatikwerk erreichte. Gelungen ist Piaget dieses Kunststück mit ein paar kleinen Innovationen. So ist das Zahnrad-Getriebe gerade einmal 0,12 Millimeter dick. Für diesen Hauch von einem Uhrwerk brauchte man Fertigungszentren mit einer Präzision von einem Tausendstellmillimeter. Davon konnten die Konstrukteure des Piaget 12P nur träumen. An alltagstauglicher Gangautonomie mangelte es dem knapp 30 Millimeter großen Kraftpaket übrigens nicht. Das Kaliber 1200P schafft immerhin 40 Stunden ohne Energienachschub.
Ein Tribut an die Vergangenheit
Dass Piaget mit der „Altiplano” im Design nicht in der Vergangenheit stehen geblieben ist, verdeutlicht auch der Gehäusedurchmesser. Der ist von 34 auf stattliche 43 Millimeter gewachsen. Wiedererkennungswert schafft auch die ungewöhnliche Platzierung der kleinen Sekunde.
Ein Kunstwerk par excellence ist der 34 Millimeter große Vorgänger 12P immer noch, wenn auch in die Jahre und ein wenig aus der Mode gekommen. Heute schätzen das Stück vor allem Sammler. Der modebewusste Uhrenfan wird wohl eher die „Altiplano” bevorzugen. Bekanntlich war das Bessere schon immer des Guten Feind.
Dass überdies der Rekord von heute, die Vergangenheit von morgen ist, zeigt auch der Wettstreit um die flachste mechanische Uhr der Welt zwischen Piaget und Bulgari, der sich nach der Lancierung der 1200P ergab.
Ein schönes Video von Piaget über die Entwicklung zum 50 Geburtstag der Altiplano gibt es übrigens auch.
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