Als Patek Philippe-Präsident Sie planen sicher auf allen Gebieten in die Zukunft.
Genau, bei den Werken sind wir jetzt im Jahr 2032 angekommen. Bei den Gehäusen planen wir für 2020 oder 2021. Und für die nächste Generation, sprich meine Kinder, arbeite ich jeden Tag.
Beim Wachstum sind Sie traditionsgemäß zurückhaltend. Ganz nach der Devise, nicht um jeden Preis. Lässt sich das über Generationen hinweg durchhalten?
Auf jeden Fall. Wir reden über Qualität und Qualität. Die beste Qualität erreichen wir mit einem jährlichen Wachstum von höchstens zwei bis drei Prozent. Bei einem Wachstum über drei Prozent leidet die Qualität. Aber wir müssen auch zwischen den verschiedenen Uhren in unserer Kollektion unterscheiden. Bei normalen Uhren verhält es sich logischer Weise etwas anders als bei großen Komplikationen. Hier ist größeres Wachstum schlichtweg undenkbar. Deswegen müssen wir immer aufpassen.
Drei Prozent reicht vollkommen aus. Mehr braucht es nicht. Man darf ja auch nie vergessen, dass es auch mal schlechtere Zeiten geben kann. Mein Vater hat zwei Mal große Krisen erlebt. Und da gingen die Geschäfte plötzlich um bis zu 40 Prozent zurück. Diese Möglichkeit darf man nie aus den Augen verlieren. Auf so etwas sind wir eben auch immer vorbereitet. Man darf sein Geld in guten Zeiten nicht verschleudern, sondern muss sich mit finanziellen Reserven für den schlimmsten Fall vorbereiten. Wir machen das und haben deswegen auch keine Angst.
Fürchten Sie sich vor den Smartwatches und der Möglichkeit, dass junge Leute eines Tages keine mechanischen Luxusuhren mehr wollen?
Ganz und gar nicht. Viele junge Leute haben beides. Sie besitzen eine Apple Watch und eine mechanische Uhr. Das schließt sich gegenseitig keineswegs aus. Und ich denke, dass es so bleiben wird.
Sie haben gesagt, dass die hohen Handwerkskünste in den 1970-er Jahren nicht gefragt waren. Aber Sie haben aus Leidenschaft für dieses Metier einfach zehn Jahre durchgehalten, auch wenn sich die Uhren nicht verkauften. Lässt sich das auf andere Branchen übertragen?
Das kann ich nicht sagen. Bei Patek Philippe hat es jedenfalls geklappt. Wir haben die Kompetenz bewahren können. Ich kann hier wirklich nur für Patek sprechen. Ähnlich es vielleicht mit Rotwein. In den weniger guten Zeiten muss man Entscheidungen treffen. Mein Vater hat das eiserne Weitermachen beschlossen, obwohl wir Geld verloren haben. Aber ich glaube, dass sich so etwas nicht jede Firma leisten kann. Wir haben aus diesen Erfahrungen gelernt. Das ist einer der Gründe, warum wir langsam, bedächtig, überlegt und niemals überstürzt handeln, warum wir bei den Stückzahlen zurückhaltend sind. Als Familienunternehmen müssen wir nicht schnell vorankommen. Niemand zwingt uns zu etwas.
Als Unternehmer muss ich zudem an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter denken, für die ich Verantwortung habe. Wir schreiten langsam voran, müssen dabei aber immer besser werden. Das ist gar nicht so leicht. Wir haben, wie gesagt, über Generationen hinweg bewiesen, dass man auch so gute Geschäfte machen kann. Warum sollten wir Bewährtes ändern?
Manche ihrer Kunden sind, wie wir gehört haben, aber nicht so glücklich …
… (lacht) natürlich, weil sie fünf oder mehr Jahre auf eine Nautilus warten müssen. Aber deswegen werden wir nicht mehr oder schneller produzieren.
Patek Philippe errichtet gerade ein zusätzliches großes Fabrikgebäude in Genf. Gibt es dann mehr Nautilus, wenn alles fertig ist.
(Lacht) Unter keinen Umständen. Dieses Gebäude ist nicht für größere Quantitäten gedacht. Erste Priorität hat der Kundendienst. Und dann brauchen wir Platz für Ausbildung und Training von sehr vielen Uhrmachern. Die zu bekommen ist zwar hoffnungslos, aber wir müssen es trotzdem probieren. Schließlich will ich alle Abteilungen unter einem Dach haben. Wir sind teilweise noch verstreut. Zum Beispiel in Perly, wo Gehäuse und Armbänder entstehen.
Das sind zwar nur fünf Minuten mit dem Auto, aber die dortigen Mitarbeiter gehören nicht so richtig zur Patek Philippe-Familie. Das behagt mir nicht. Ich möchte ein Gebäude, in dem jeder die gleiche Sprache spricht. Wir machen Uhren, und die müssen wir alle zusammen fertigen. Es geht nicht, dass jemand mit 200 Leuten an einem anderen Ort macht, was er möchte.
Nachverkaufs-Kundendienst ist heute extrem wichtig …
… für uns bei Patek Philippe rangiert das ganz oben in der Prioritätenliste. Wir sagen immer, dass jede unserer Uhren auch für die nächste Generation gemacht wird. Und diesem Spruch wollen wir gerecht werden. Wir können jederzeit jede Uhr warten und reparieren. Aus diesem Grund trainieren wir unsere Uhrmacher. Wir müssen Maschinen warten und kaufen. Wenn eine kaputt ist, muss eine neue her. Ganz abgesehen davon kann man eine hundert Jahre alte Uhr nicht so behandeln wie ein aktuelles Exemplar. Man kann sie natürlich einfach zum Laufen bringen, ob das Resultat dann schön aussieht, ist eine andere Sache. Wir reparieren und restaurieren unsere Uhren im Geist von Patek Philippe. Daher benötigen wir die gleiche Technik, wie sie vor hundert Jahren angewandt wurde. Und das wiederum setzt entsprechend qualifiziertes Personal voraus.
Patek Philippe Uhrenproduktion
Sie produzieren jährlich rund 60.000 Uhren, wovon, wenn man die Twenty-4 mit Quarzwerk abzieht, sind das 50.000 die ein mechanisches Uhrwerk besitzen. Und die sollten alle fünf bis sechs Jahre zum Service.
Nicht alle kommen. Wir unterhalten heute weltweit 57 Service-Stellen. Aber es werden in Zukunft etwas weniger sein, denn die Uhren lassen sich mittlerweile einfacher versenden. Und wir können nicht überall gleichermaßen gut trainieren und die Ausstattung mit den notwendigen Maschinen lässt sich auch nicht überall gleichermaßen gut bewerkstelligen. Für mich ist die Qualität genauso wichtig wie die Wartezeit. Menschen sind ungeduldiger geworden. Wenn man was im Internet bestellt, ist es in der Regel spätestens nach einer Woche da.
Auf welche Wartezeiten müssen sich die Kunden bei Patek Philippe einstellen?
Zehn Jahre (lacht), nein im Ernst, zwischen drei Monaten und bei alten Uhren kann es schon mal bis zu zwei Jahren dauern. Im letztgenannten Fall sprechen wir über eine Taschenuhr, welche wir gründlich restaurieren.
Eine klassische Nautilus oder Calatrava …
… geht relativ schnell, aber eben nicht schnell genug. Schnell bedeutet heutzutage eine Woche. Und das ist bei Patek Philippe nicht machbar, denn nach der eigentlichen Reparatur oder Wartung die einige Wochen dauert wird die fertige Uhr noch bis zu 9 Tagen in der Qualitätskontrolle geprüft. Sie dürfen jedoch die Laufzeit nicht vergessen: Der Kunde bringt die Uhr zu einem unserer Konzessionäre. Bis der sie zu Patek Philippe weiterleitet, kann eine Woche, manchmal auch mehr vergehen. Für die Rücksendung müssen Sie eine weitere Woche einplanen. Da kommt dann doch einiges an Zeit zusammen.
Wie viele Patek Philippe Uhren bereiten Ihnen denn unmittelbar nach der Produktion oder schon bald nach dem Verkauf Schwierigkeiten?
Genau sind es 2,4 Prozent. Das können mechanische und elektronische Uhren sein. Mitunter ist es nur ein Staubfussel, der die Uhr nicht einwandfrei funktionieren lässt. Auf jeden Fall sind es nur sehr wenige Uhren, die uns hier Probleme bereiten.
Genießen Reparaturen während der zweijährigen Garantiezeit Priorität.
Ja, das ist für uns normal. Aber die anderen Uhren sind für uns genauso wichtig. Wir können nicht sagen, Ihre Uhr ist fünf Jahre alt, und deshalb müssen Sie sie warten. Deswegen benötigen wir mehr Arbeitsplätze für Service- Uhrmacher, deswegen entsteht dieses neue Gebäude in Plan-Les-Ouates.
Ist es nach der Fertigstellung des neuen Gebäudes denkbar, dass Sie der Baselworld den Rücken kehren und zum Beispiel während des Genfer Uhrensalons Ihre eigene Hausmesse veranstalten?
Das ist eine politische Entscheidung. Aber wir haben gar keinen Platz für so etwas. Basel ist Basel, Plan-Les-Ouates ist für Produktion und Service. Hier in Genf ist der Raum viel zu kostbar, um eine Messe zu veranstalten.
Thierry Stern zur Basler Uhrenmesse Baselworld
Könnten Sie sich vorstellen, eines Tages am SIHH auszustellen?
Nein, der ist weg von Basel. Wir bleiben in Basel. Aber ich hoffe nicht zuletzt auch wegen der Besucher aus Asien und Übersee, dass wir eines Tages wieder das nahezu gleiche Datum haben.
Die Baselworld könnte ja problemlos auch im Januar öffnen, der SIHH kann wegen des Genfer Autosalons hingegen nicht in den März verschoben werden.
Ich wünsche mir, dass man da eine gute Lösung für alle Seiten findet. Aber man braucht Zeit und kann das nicht übers Knie brechen.
Das Interview erfolgte während der Baselworld 2019
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