Chrono Sapiens Interview Guido Terreni

Parmigiani CEO Guido Terreni: „Rich Minimalism“

Gut ein Jahr nach seinem Antritt gibt der Parmigiani CEO Guido Terreni Auskunft darüber, wie er es schaffte, den uhrmacherischen Schatz eines Michel Parmigiani mit der Kunst der modernen Markenführung und dem Entwurf einer Uhrenikone unter einen Hut zu bekommen.

von | 24.03.2022

Mit dem Parmigiani CEO Guido Terreni ein Interview zu führen, ist nicht leicht. Dafür ist der seit gut einem Jahr amtierende CEO der Luxus-Uhrenmanufaktur aus Fleurier ein viel zu gefragter Mann. Sei es im eigenen Haus, in dem er viele Dinge umgestellt und angestoßen hat. Sei es im Markt, in dem der agile Markenlenker die neue Markenphilosophie von Parmigiani Fleurier erläutert und erklärt. Ein lesenswertes, weil kluges Interview über ikonographisches Design und warum die Nische eine hervorragende Basis für eine echte Luxusmarke darstellt.

Uhrenkosmos: Sie sind jetzt als mehr als ein Jahr bei Parmigiana Fleurier und haben meiner Meinung nach einen sehr erfolgreichen Job gemacht. Wie wir von einem großen Juwelier hören, steigen auch die Umsätze in Deutschland stark an. Können Sie uns aus Ihrer Sicht einen kurzen Rückblick auf ein Jahr Parmigiani Fleurier unter Ihrer Führung eben?

Guido Terreni: Nun, es war auf eine schöne Art und Weise ein sehr intensives Jahr. Durch meine vorherigen Stationen kannte ich die Marke seit vielen Jahren und hatte mir vor meinem Antritt auch schon einige Gedanken gemacht.
Parmigiani Fleurier war zum damaligen Zeitpunkt eine sehr prestigeträchtige und hochwertige Marke, die jedoch in manchen Punkten nicht ganz den Anforderungen des heutigen Marktes entsprach. Entsprechend habe ich als erstes den Launch Plan gestoppt und versucht dem Team verständlich zu machen, worum es bei der Marke geht und wer die Kunden der Marke sind. Grundlegende Fragen, die sich jede Marke stellen sollte – auch wenn sie bereits etabliert ist. Denn der Kreis der Kunden und der Markt entwickeln sich stetig weiter.

Uhrenkosmos: Wie wichtig ist es, einen Mann wie Michel Parmigiani um sich zu haben, der die Marke vor 25 Jahren gegründet hat und der das Aushängeschild der Marke ist?

Guido Terreni: Für mich war das sehr wichtig. Denn wenn man eine Marke studiert und den Gründer nicht kennt, muss man intensiv in die Geschichte eintauchen oder mit Leuten sprechen, die ihn kennengelernt haben. Hat man stattdessen den Gründer der Marke als Quelle zur Verfügung, begreift man schnell die Seele der Marke.
Denn eine Marke wie Parmigiani Fleurier, die ja durch Michel Parmigiani gegründet wurde, hat wichtige Erkennungsmerkmale. Es sind zum einen die prägenden Faktoren wie Kultur, ein tiefes Wissen über die Uhrmacherei oder Elemente aus der Geschichte der Uhrmacherei, die in viele Details und Verbesserungenmünden. Ein anderes Erkennungsmerkmal ist das Understatement von Parmigiani. Erst wenn man diese beiden Grundpfeiler der Marke verstanden hat, kann man an der Positionierung, der Kollektion und am Stil der Marke arbeiten.

Als wir diese Fragen für uns beantwortet hatten, ging der Rest beeindruckend schnell von statten und mündete im Design der Parmigiani Tonda PF. Ich beschäftige mich immer stark mit dem Design einer Marke, denn die Seele einer Marke wird maßgeblich vom Stil geprägt. Natürlich macht die Technik einer Uhr viel aus, aber es ist der Stil einer Marke, in den man sich am Anfang verliebt. Überdies hatten wir Zugang zu den eigenen Fertigungskapazitäten des Pôle Horloger für die Herstellung von Gehäusen, Zifferblätter und Uhrwerke. Die Stärke dieser Strukturen sorgte dafür, dass wir in so kurzer Zeit etwas so Schönes und Qualitatives auf den Markt bringen konnten.

Uhrenkosmos: Was hat Sie am meisten überrascht?

Guido Terreni: Das war die Reaktionsfähigkeit der Teams, die sehr sachkundig und in der Lage waren, meinen Input und meine Intuition zu erfassen und in einem hochwertigen Produkt aufleben zu lassen. Dabei sind wir durchaus Risiken eingegangen, denn die Marke musste sich weiterentwickeln und wieder sichtbar werden. Aber alles in allem haben wir einen sehr guten Start hingelegt und die das Presseecho war ausnehmend positiv.

 

Es war der Beginn des Rich Minimalism Stils, wie wir ihn nennen. Er hat eine sehr geordnete, elegante und schlichte Wirkung, aber es ist auch reich an feinen Details der Ausführung

Guido Terreni

CEO, Parmigiani Fleurier

Uhrenkosmos: Lassen Sie uns ein wenig über die Parmigiani Tonda PF sprechen, denn nach Meinung vieler, wird diese Uhr in Zukunft eine Ikone von Parmigiani Fleurier sein. Können Sie uns ein paar Hinweise oder Hintergründe geben, wie Sie auf die Idee gekommen sind?

Guido Terreni: Nun, die erste Frage, die ich mir stellte, war abgesehen von den Kunden der Marke die Frage nach der Ästhetik, dem von außen erkennbaren Code der Marke. Er muss beeindrucken und wiedererkennbar sein. Aus diesem Grund habe ich auch in einem ersten Schritt ein neues Parmigiani Fleurier Logo gewählt.

Dieses neue Logo birgt „Parmigiani“ tief in seinem Ursprung, weil es nach den Regeln des Goldenen Schnitts gestaltet wurde, der Michel Parmigiani sehr am Herzen liegt. Das Markenlogo hat jedoch auch etwas Technisches, denn es war ursprünglich ein erkennbares Siegel, das entwickelt wurde, um mit Reisekoffern schnell durch den Zoll zu kommen. Es wurde also zunächst technisch als Poincon de Maître entworfen, entwickelte sich jedoch zu einem ästhetischen Siegel – einem Logo, dass sehr diskret und nicht protzig ist. Das war der Grund, warum ich den Schriftzug Parmigiani Fleurier auf dem Zifferblatt mit dem subtileren PF Logo getauscht habe.

Uhrenkosmos: PF ist außerdem leicht auszusprechen. Es reden auch alle von AP und nicht von Audemars Piguet.

Guido Terreni: Ja, es ist einfach und hat mit unserem diskreten Stil zu tun. Dabei war es zunächst der Verdienst der Parmigiani Tonda GT mit ihrem Design etwas zu schaffen, was es vorher nicht gab – nämlich ein integriertes Gehäuse mit einem Armband, das den Wünschen der heutigen Kunden entspricht.
Allerdings hatte ich das Gefühl, dass es ein bisschen zu sportlich werden würde. Ich wollte jedoch in puncto Feinheit des Designs die Tonda PF auf ein höheres Niveau heben.

Uhrenkosmos: Mehr Eleganz?

Guido Terreni: Ja. Dabei muss man manchmal auch Glück haben. Denn als ich mir einmal eine Detailaufnahme des Parmigiani Fleurier Hijri-Kalenders ansah, gab es einen Schatten auf dem Zifferblatt. Dadurch sah das Zifferblatt aus, als hätte es eine Ebene der Minutenskala und eine weitere in der Gehäusemitte. Es war eine optische Täuschung, doch die Idee blieb in meinem Kopf. Ich fragte mich, warum können wir nicht auf eine subtile Weise zwei Ebenen haben und die Minutenskala tiefer legen und die Indexe dagegenstellen.
Die Geschichte der Uhrmacherei respektierten wir wiederum mit dem guillochierten Zifferblatt, einer Technik, die auf das 18. und 19. Jahrhundert zurückgeht. Die Frage war nur, wie wir die Guillochierung in das 21. Jahrhundert bringen und in etwas Zeitgemäßes verwandeln könnten. Aus diesem Grund haben wir die Höhe der Guillochierung verändert. Denn je kleiner man die Guillochierung macht, desto subtiler wird sie.

All diese Elemente waren für uns der Beginn des Rich Minimalism Stils, wie wir ihn nennen. Er hat eine sehr geordnete, elegante und schlichte Wirkung, aber es ist reich an feinen Details der Ausführung. Um diesen eleganten, unaufdringlichen Stil weiter zu perfektionieren, musste auch die Farbe passen. Wir wollten kein Grau und kein Schwarz-Weiß, stattdessen macht ein leichter Brauneinschlag die Zifferblattfarbe wärmer und feiner. Alles Entscheidungen, die nicht offensichtlich sind, deren Vorzüge man jedoch entdeckt, wenn man die Uhr trägt.

Brunner: Haben Sie mit solch einem schnellen Erfolg dieser Uhr gerechnet?

Guido Terreni: Ich habe stark an diese Kollektion geglaubt und es war interessant zu sehen, wie dieser Glaube zunächst intern, dann extern wuchs. Allerdings hatten wir durch Corona die Schwierigkeit, nicht reisen zu können. Wir konnten deshalb den Verkäufern die Uhr nicht in natura vorstellen. Am 5. Juli letzten Jahres war es dann das erste Mal, dass ich den Teams die Uhr zeigen konnte. Gleichzeitig war es meist auch das erste Mal, dass sie mich als neuen CEO trafen. Es gab also jede Menge zu besprechen.

Uhrenkosmos: Aber man kennt Sie doch?

Guido Terreni: Man kennt mich, ja. Aber die Verkaufsprognose war viel niedriger als meine eigene Erwartung.
Zum Glück war die Reaktion auf die Uhr, als wir sie der Presse und den Fachleuten vorstellten sehr, so positiv. Dann begannen wir die Bestellungen entgegenzunehmen und der Glauben und das Engagement des Handels war ausnehmend positiv. Mit den ersten physischen Kunden bei den Juwelieren nahm diese Zustimmung sogar weiter zu.
Und obwohl ich im Vorfeld die Bestellmenge höher eingeschätzt hatte, reichte die Anzahl der Uhren nicht. Denn unsere Produktionskapazität ist nicht unbegrenzt ist und wir können aktuell die Nachfrage nicht sofort befriedigen.

Uhrenkosmos: Wer sind denn die Kunden von Parmigiani Fleurier?

Guido Terreni: Es sind Menschen, die sie sich mit Luxus wie mit der Herstellung von Uhren auskennen. Sie wollen bewusst eine Uhr, die nicht alle wollen. Heutzutage ist das Handelsvolumen von Luxusgütern so groß geworden, dass es mitunter zum Mainstream geworden ist. Luxus sollte jedoch das Gegenteil vom Mainstream sein. Luxus sollte sich um Exzellenz und kreative Ideen drehen. Er sollte Kunden erfreuen, die sich mit etwas Raffiniertem selbst verwöhnen möchten. Dabei kann der Lebenszyklus einer Uhr anders als bei vielen anderen Luxusgütern 100 Jahre betragen. Deshalb ist Beständigkeit bei Uhren sehr wichtig.

Uhrenkosmos:  Beschäftigt man sich mit Uhrenmarken fällt auf, dass sich viele Marken auf ein einziges erfolgreiches Modell konzentrieren. In der Vergangenheit von Parmigiani Fleurier gab es allerdings oft die Situation, dass verschiedene Produkte gleichzeitig kommuniziert wurden. Wie kam es zu dieser deutlichen Änderung der Strategie?

Guido Terreni: Nun, wir müssen uns in allem was wir tun fokussieren. In der Kommunikation, im Handel und beim Kunden müssen wir unsere Wahl treffen und wir müssen präzise sein. Gerade im Jahr 2022 gilt es konsequent zu sein, denn es ist nicht so, dass wir nur die Tonda PF auf den Markt bringen. Wir wollen gleichzeitig die Tonda PF als Markenprodukt pflegen und die Uhr zu einer Säule unseres Sortiments machen.

Uhrenkosmos: Interessant. Können Sie uns auch sagen, welches ist die erfolgreichste Referenz der Tonda PF ist?

Guido Terreni: Unsere Kollektion steht auf vier Säulen. Dies sind der Mikro-Rotor in Stahl und in Gold, der 5-Hertz-Chronograph in Stahl und Gold, der Jahreskalender und der Split-Second-Chronograph.
Vom Verkaufsvolumen geht der Mikro-Rotor am besten. Aber auch der Chronograph mit seinem höheren Preispunkt ist sehr erfolgreich. Der Jahreskalender hat natürlich ein geringeres Verkaufsvolumen, ist aber hochpreisig und kompensiert mit dem höheren Preis sein etwas geringeres Volumen. Die drei Kollektionswerke sind also recht ausgewogen.

Uhrenkosmos: Können die Kunden in diesem Jahr mit neuen Versionen der Tonda PF rechnen?

Guido Terreni: Das ist eine sehr heikle Frage. Denn es zwar den Wunsch nach verschiedenen Zifferblättern, aber wir müssen sehr klug vorgehen und müssen den Charakter der Referenzen bewahren. Gleichzeitig hat die Kollektion meiner Meinung nach jedoch noch Lücken im Preissegment zwischen den Stahlversionen von bis zu 35.000 Euro und den Goldversionen oberhalb von 50.000 Euro. Das ist eine große Preislücke, die wir füllen müssen. Hierzu werden wir mit Farben wie mit dem Uhrwerk arbeiten.

Uhrenkosmos Ein große Vorteil der Parmigiani Tonda PF ist unserer Meinung nach das Preisniveau. Man bekommt eine High-End-Luxusuhr zu einem sehr vernünftigen Preis.

Guido Terreni: Da sprechen Sie ein sehr wichtiges Thema an. Ich glaube, dass der Wert einer Uhr immer weniger mit ihrem inneren Wert zu tun hat, stattdessen mit der Begehrlichkeit der Uhr. Das lässt sich auch bei Auktionen beobachten. Denken Sie an unsere La Rose Carrée. Diese Uhr hat eine jahrhundertelange Geschichte. Die Leute sind jedoch eher bereit, viel Geld für eine kaum erhältliche Uhr zu bezahlen, denn für eine preiswertere Uhr von kulturellem Wert. Durch diesen Mainstream-Luxus geht es also mehr um die Begehrlichkeit und die Seltenheit einer Uhr als um ihren inneren Wert. Glücklicherweise gibt es immer mehr Kunden, die eine andere Wahl zu treffen.

Uhrenkosmos: Möchten Sie die Stahlversion ebenfalls seltener machen? Zum Beispiel Audemars Piguet oder A. Lange & Söhne reduzieren die Anzahl ihrer Stahluhren.

Guido Terreni: Nein, das ist nicht meine Philosophie. Unsere Knappheit geht auf unsere limitierte Produktionskapazität zurück. Sie ist nicht künstlich. Es ist jedoch keine Neuheit, dass bei Luxusprodukten die Nachfrage oft höher ist als die eigene Produktion. Von diesem Spannungsverhältnis zwischen der Anziehungskraft der Marke und ihrer Knappheit hängt die Macht der Marke ab.

Uhrenkosmos: Würde es Sie freuen, wenn Sie eines Tages auf einer Uhrenplattform eine Tonda PF aus Stahl zum doppelten Preis finden würden?

Guido Terreni: Nun, es würde mich schon freuen, aber ich möchte nicht, dass das der Grund ist, aus dem man eine Parmigiani kauft. Eine Parmigiani Fleurier Uhr muss in erster Linie ein Vergnügen für ihren Besitzer sein. Geht es nur um die Spekulation, ist es der falsche Grund. Steigt der Wert der Uhr, soll es den Kunden freuen, aber es soll nicht der Grund sein, die Uhr zu kaufen.

Uhrenkosmos: Ganz genau!

Guido Terreni: Ein Kunde von Parmigiani will nicht mit seinem Status prahlen, sondern bei der Wahl seiner Uhr mit seinem Wissen und seiner Raffinesse glänzen. Sie soll auch nicht von allen erkannt werden, aber von den richtigen Menschen. Parmigiani ist für eine Elite.

Uhrenkosmos: Sammler und Kenner schätzen auch das Restaurierung-Atelier bei Parmigiani Fleurier. Wird dies weiterführen und wird es in Zukunft den gleichen Stellenwert haben?

Guido Terreni: Die Restaurierung hat für die Marke keine entscheidende Bedeutung. Für mich hat das Restaurieren von Uhren jedoch eine hohe Bedeutung im Sinne des Uhrmacherhandwerks, dem Erbe und der Kultur der Marke, wie dem Erhalt eines besonderen Wissens.
Wir haben auch Kunden, die kommen und uns bitten, ausgesuchte mechanische Objekte zu restaurieren. Denn kaum jemand hat das Wissen und den Mut, so zu restaurieren, wie wir es tun. Wir haben etwa gerade eine einzigartige, ultradünne Taschenuhr aus dem 19. Jahrhundert repartiert, überholt und an einen Kunden geliefert. Es war eine höchst komplexe Restaurierung. Aber so erhalten wir unser Wissen und können jedes technische Problem angehen sowie neue Ideen testen. Wenn es also außergewöhnliche Stücke gibt, die ein privater Kunde von uns restaurieren lassen möchte, dann machen wir das gerne.

Parmigiani Fleurier Tonda PF Chronograph

Luxus-Manufakturuhr Parmigiani Fleurier Tonda PF Chronograph

Parmigiani Fleurier ist eine Marke, die tief in der Uhrmacherkultur verwurzelt ist

Guido Terreni

CEO, Parmigiani Fleurier

Uhrenkosmos: Gibt es auch schon Pläne für eigene Parmigiani-Boutiquen? So wie Parmigiani Fleurier wächst, könnten Sie durchaus über eigene Boutiquen nachdenken?

Guido Terreni: Alle reden davon, direkt zu verkaufen, weil sie die Gewinnspanne integrieren wollen. Es ist jedoch auch ein Vorteil bei Unternehmen mit mehreren Marken präsent zu sein, weil diese eine Kundschaft von echten Uhrenliebhaber erreichen, die nicht an eine Marke gebunden sind. Solch eine Partnerschaft ist auch ein strategischer Faktor, den ich uns erhalten möchte. Denn wenn man das Vertrauen des Partners hat und die Kunden des Vertriebspartners dem Partner vertrauen, haben wir als Marke gewonnen.

Uhrenkosmos: Das ist eine kluge und wertvolle Einsicht. Uns würde auch interessieren, was Sie vom CPO Certified Pre-Owned Markt denken. Es gibt Sammler oder Leute, die viele Uhren besitzen und eine gegen eine andere austauschen wollen. Glauben Sie, dass es hilfreich ist, im CPO-Umfeld geschäftlich aktiv zu sein?

Guido Terreni: Für mich ist das Geschäft mit zertifizierten Gebrauchtuhren extrem wichtig und es wächst. Wenn Sie eine Parallele zu Autos ziehen: Sie würden nie nur aufgrund eines günstigen Preises ein schönes altes Auto kaufen, von dem Sie nicht wissen, ob er einen Unfall hatte oder in welchem Zustand er ist. Dies gilt auch für viele Uhren im Internet, von denen man nicht weiß, woher sie kommen und in welchem Zustand sie sind. Dies kann eine sehr unangenehme Erfahrung sein.

Wenn Sie jedoch einen vertrauensvollen Händler und eine zertifizierte, gebrauchte Uhr mit einer Garantie haben, dann hat die Uhr einen Wert. Entsprechend müssen auch wir uns mit dem CPO Markt eingehend beschäftigen. Dabei sollte man scharf trennen zwischen zertifizierten Uhren und neuen, jedoch veralteten Modellen, die seit Jahren auf Lager lagen und die jemand loswerden will. Dabei wollen wir auch hier mit dem Handel zusammenarbeiten.

Uhrenkosmos: Nun steht die Watches and Wonders Uhrenmesse an. Ihre erste Watches and Wonders in der Rolle des CEO von Parmigiani. Was ist ihre Erwartung?

Guido Terreni: Nun, nach Corona, freuen sich alle darauf, sich wieder zu treffen und die Uhren physisch zu sehen und anzufassen. Ein Zoom-Treffen kann nie die Schönheit der Arbeit ausdrücken kann, die wir an einer Uhr leisten. Eine High-End-Uhr muss man anziehen, tragen, anschauen, anfassen und fühlen.

Uhrenkosmos: Unabhängig vom ungewissen Ausgang der Corona-Pandemie – wie sieht Ihr persönlicher Ausblick für das Jahr 2022 aus?

Guido Terreni: Nun, das Geschäft ist sehr gut angelaufen. Wir hatten noch nie so viele Aufträge im Haus haben…

Uhrenkosmos: Glückwunsch!

Guido Terreni: Wir sind sehr zufrieden damit. Allerdings zwingt uns der Erfolg, manche Dinge auf nächstes Jahr zu verschieben. Wir sind also vorsichtig, und wollen nicht zu viel verkünden. Denn wir müssen den Tonda PF Chronometer noch erkennbarer machen, bzw. auch das Modell Tonda GT Panda.

Uhrenkosmos: Es wird also parallel zwei Linien geben, die Tonda GT und Tonda PF?

Guido Terreni: Ja, sie sind parallel. Wir müssen gleichzeitig die Kollektion untereinander sehr konsistent machen. Ebenso müssen an den Details arbeiten. Aber ja, im Moment tragen beide Linien extrem viel zur Marke bei.

Uhrenkosmos: Im Moment wird die Marke Parmigiani Fleurier als eine eher männliche Marke gesehen. Ist das nicht eine große Chance? Sie wissen nach vielen Jahren bei Bulgari, wie groß das Potential ist, wenn sie ein gutes Angebot für Frauen hat.

Guido Terreni: Ja, sicher. Diesem Marktpotential schenken wir große Aufmerksamkeit. Ich war insbesondere positiv von der Reaktion vieler Frauen auf die Tonda PF überrascht. Sie wurde zwar als Männerprodukt geboren. Durch den Mikrorotor, die Flexibilität des Armbands, das sich dem Handgelenk anpasst und die ultradünne Gehäusegröße von 40 mm haben sich viele Frauen in diese Uhr verliebt. Wenn sie nun noch ein bisschen kleiner wäre, würde sich noch mehr Frauen für die Tonda PF interessieren. Also eine Erweiterung der Tonda PF für Frauen? Warum nicht.

Uhrenkosmos: Werden Sie die Kalpa-Linie weiterführen oder werden Sie sie einstellen?

Guido Terreni: Für mich ist die Kalpa ein sehr schönes Aushängeschild der Marke. Aber meiner persönlichen Meinung nach und nach einem Blick auf die Verkaufszahlen gehe ich davon aus, dass sie auf das Ende ihres Lebenszyklus zugeht.

Uhrenkosmos: Eine letzte Frage: Sie waren bei Bulgari für die gesamten Uhrenlinie verantwortlich. Sie haben die Octo Finissimo geschaffen, die heute schlechthin die Ikone von Bulgari ist. Worin liegt nun der Unterschied, zwischen verantwortlich für das Segment Uhren einer großen Marke oder als CEO verantwortlich für einen Hersteller und eine komplette Uhrenmarke zu sein?

Guido Terreni: Die Freiheit, eine Marke ganzheitlich zu führen, ist etwas Wunderbares. Denn das Schöne an einem Projekt, wie ich es jetzt leite ist, dass es nicht nur um die Produktstrategie und das Management der Marke geht. Auch die Entwicklung der Bulgari Octo Finissimo war nicht geradlinig. Die Finissimo war ein zähes, zähes Zusammengehen verschiedener Visionen. Ich kann Ihnen versichern, dass das nicht einfach war.

Hier bei Parmigiani Fleurier liegt der Unterschied darin, dass man nicht nur der Vordenker einer Vision ist, sondern auch alle Ebenen hat, um eine Vision vollständig umzusetzen.

Uhrenkosmos: Macht es einen Unterschied, unter dem Dach eines großen Luxuskonzerns wie LVMH oder im Auftrag einer Familienstiftung zu arbeiten?

Guido Terreni: LVMH hat eine rationale Herangehensweise für seine Marken. Denn die Marken sind der Grund, warum man ein Produkt kauft. Ich hatte auch eine großartige Zeit bei Bulgari und ich konnte Projekte durchführen, auf die ich sehr stolz bin. Aber jetzt habe ich die Seite gewechselt.

Im Unterschied zu Bulgari ist Parmigiani Fleurier eine Marke, die tief in der Uhrmacherkultur verwurzelt ist. Entsprechend widme ich mich jetzt voll und ganz der Aufgabe, die Marke Parmigiani Fleurier exklusiv zu machen. Ich glaube nämlich fest daran, dass der Trend zu Nischenmarken weiter wächst. Er war schon vor der Pandemie da war, aber die Pandemie hat diese intime Freude an Nischenmarken weiter beschleunigt. Denn wenn Sie in einer Nische sind, bedeutet das, dass Sie nicht der Masse folgen, dass Sie Persönlichkeit haben.

Uhrenkosmos: Vielen Dank für das Gespräch und viel Glück bei der Arbeit an der Marke Parmigiani Fleurier und der neuen Kollektion.

Das Interview führten Gisbert Brunner und Wolfgang Winter

 

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