Unternehmen mit Geschichte
Auch wenn man es der zeitgemäßen Gestaltung der Moser Streamliner Flyback Chronograph nicht ansieht – die Biographie der kleinen aber feinen Uhrenmanufaktur H. Moser & Cie. reicht zurück bis ins Jahr 1828. Da nämlich machte sich Heinrich Moser in St. Petersburg mit der Eröffnung eines Geschäfts am prachtvollen Newskij Prospekt selbständig. Von da an ging es kontinuierlich bergauf.
1848 kehrte der mittlerweile schwerreiche Unternehmer mit der Intention nach Schaffhausen zurück, seinen verschlafenen Geburtsort in eine Industriestadt umzuformen. Ab 1851 startete Moser die systematische Nutzung der Wasserkraft des Rheins. Weitere Großtaten: Gründung der Schweizerischen Waggonfabrik, der Schweizerischen Industriegesellschaft (SIG) sowie der Eisenbahnlinie Schaffhausen – Winterthur, an denen Moser jeweils maßgeblich beteiligt war. Als größter Triumph schrieb 1866 die Eröffnung des rund 500.000 Franken teuren Wasserkraftwerks eine Geschichte, welche bis in die Gegenwart währt und 1868 die Gründung der International Watch Company (IWC) durch den Amerikaner Florentine Ariosto Jones begünstigte.
Der begnadete Industrielle starb 1874. Heftige Streitigkeiten um den millionenschweren Nachlass führten dann jedoch schnell zum Zerfall des Imperiums. Weitere Uhr-Aktivitäten unter den Namen Heinrich Moser & Co., Hy. Moser & Cie. oder Moser & Co. resultierten aus den Verfügungen der Erben.
Nach längerer Ruhephase kehrte die H. Moser & Cie. allerdings im Jahr 2005 auf die internationale Uhrenbühne zurück. Zu den Financiers gehörte Thomas Straumann. Im Laufe einer verlustreichen Anlaufphase gelangte 2012 schließlich die MELB Holding um den früheren Audemars Piguet-CEO Georges-Henri Meylan an Bord des schlingernden Boots. Als Kapitän und Erster Offizier zugleich übernahm so dessen Sohn Edouard Meylan (rechts) in Neuhausen am Rheinfall das Steuerrad.
Nach dieser Renaissance hat sich die H. Moser & Cie. durch zahlreiche Manufakturkaliber mit manuellem oder automatischem Aufzug verdient gemacht. Darunter auch komplizierte Werke, beispielsweise mit ewigem Kalender oder Tourbillon. (Ein besonders schönes Tourbillon ist etwa das Moser Pioneer Cylindrical Tourbillon Skeleton.)
Chronographen gehören allerdings ebenso wenig zum Produktspektrum wie echte Sport-Armbanduhren. Wer solche Zeitschreiber sucht, muss ins frühe 20. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit existierten Chronographen, wie etwa dieses Exemplar von etwa 1915..
Moser Streamliner Flyback Chronograph
Mit dem Moser Streamliner Flyback Chronograph Automatic betritt H. Moser & Cie. somit in doppelter Hinsicht Neuland. Zum einen lanciert die Marke ihre erste neuzeitliche Armbanduhr mit Stoppfunktion. Zum anderen besitzt dieser Edelstahl-Chronograph mit integriertem Gliederband eine betont sportliche Note. Diese besondere, sportliche Gestaltung war auch Ausgangspunkt für die Namensgestaltung dieses Flyback Chronographen.
Auch der Ausdruck Streamliner für die Form des Moser Streamliner Flyback Chronographen kommt nicht von ungefähr. Denn was in den USA unter dem Schlagwort „streamlining“ Design-Geschichte schrieb, war eine Konsummüdigkeit in den frühen 1930-er Jahren. Zur Belebung des Verkaufs sollte deshalb ein neuer Design-Stil beitragen, der sich, abgeleitet aus den eleganten Formen des Art-Déco-Interieur, leicht auf Industrieprodukte übertragen ließ. Und da kam die Stromlinie gerade recht. Nach aerodynamischen Prinzipien gestaltete Produkte, möglichst Tropfen nachempfunden oder unter Anwendung parabolischer Kurven geformt, wurden zu Symbolen des Fortschritts.
Parallele Linienführung, abgerundete Ecken, weiche Formen und glatte Oberflächen vermittelten ein Gefühl gestalterischer Kompetenz, energetischer Effizienz und technischer Zuverlässigkeit. Obwohl sich die Industrie des Risikos eines exaltierten und daher rasch überdrüssig machenden Designs bewusst war, pushte sie das „Streamlining“ mit voller Kraft zum Symbol des Siegeszugs der Maschinen, der Stärke und der damit verbundenen positiven Zukunfts-Erwartungen. Bald war es aber des Guten zuviel und die pure Stromlinienform wurde gegen Mitte der 1940-er Jahre allmählich zu Grabe getragen wurde.
Streamline-Espressomaschine gegen 1940
Inzwischen entdecken wir bei näherer Betrachtung viele Parallelen zu den 1930-ern. Erwartungen an die Zukunft verknüpfen sich mit Technik, auch wenn sich die Vorzeichen sichtlich geändert haben. Der Strukturwandel von damals ähnelt in vielem jenem der Gegenwart. Die kontradiktorischen Begriffe Hoffnung und Furcht sind in vieler Munde. Vielleicht avancierten altehrwürdige Streamline-Artikel deshalb zu gesuchten Kult-Objekten. Aber die Begehrlichkeit resultiert sicher auch aus dem klaren Design, welches inzwischen immer häufiger als klassisch bezeichnet wird.
Womöglich hat sich Edouard Meylan bei diesem rundum augenfälligen Chronographen deshalb auf diese faszinierende Design-Epoche besonnen.
Anspruchsvolle Chronographen-Technik aus Genf
Ein Chronograph lebt von seinem Innenleben. Und das ist bei diesem Typus Zeitmesser trotz großer Verbreitung von sehr komplexer Natur.
H. Moser & Cie Kaliber HMC 902
Bei differenzierter Betrachtung stellen mechanische Uhrwerke mit integrierter Stoppfunktion beispielsweise Tourbillons weit in den Schatten. Erst das funktionale Zusammenwirken vieler Komponenten ermöglicht bei Chronographen-Kalibern das Erfassen von Zeitintervallen ohne den Verlust der laufenden Uhrzeit. Kein Wunder, dass diese hochkomplexen, präzisen Werke in der Regel auf jahrelanger Arbeit basieren. Diese Aussage gilt auch für das Automatikkaliber HMC 902.
Für seine Entwicklung, welche acht Jahre in Anspruch nahm, zeichnen Jean-Marc Wiederrecht und sein Team vom Atelier GENevois d’HORlogerie. Auf das „Agenhor“-Konto gehen dabei zahlreiche Mechanik-Kreationen, mit denen sich renommierte Uhrenmarken schmücken. Diesem Anspruch bleiben die genialen Techniker auch beim so genannten „AgenGraphe“ Kaliber treu. Das Werk findet sich im „Visionnaire Chronograph“ von Fabergé und auch im „Track 1“ von Singer Reimagined. Beide gaben übrigens 2017 ihren Einstand.
Jean-Marc Wiederrecht und Sohn Nicolas
V.l.n.r.: Fabergé Visionnaire, Singer Reimagined Track-1, H. Moser Streamliner Flyback Chronograph
Der Aufzugsrotor des „AgenGraphe“ befindet sich unter dem Zifferblatt. Dadurch ist der Blick auf das komplexe Chronographen-Schaltwerk ungetrübt.
Auch wenn es beim Blick durch den Sichtboden nicht so scheint: Das in diesem Fall aus 434 Teilen assemblierte Oeuvre besitzt einen Selbstaufzug. Die in beiden Drehrichtungen aufziehende Kugellager-Schwungmasse dreht allerdings unter dem Zifferblatt.
Sind beide Zugfedern voll gespannt, stehen so mindestens 54 Stunden Gangautonomie zur Verfügung. Die vorderseitige Positionierung des Rotors ergiebt überdies Sinn. Sie gestattet ungetrübte Blicke auf das komplexe, rückwärtig angeordnete Chronographen-Schaltwerk des 34,40 Millimeter großen und 7,3 Millimeter hoch bauenden Mikrokosmos und ein umfassendes Studium seiner Funktionen.
Chronographisches Meisterwerk: das Kaliber HMC 902
Tradition und Innovation
Neben überlieferten Elementen wie die Schaltradsteuerung der drei Funktionen Start, Stopp und Nulstellung setzt Agenhor auf Neuerungen mit durchaus revolutionärem Charakter. Zu letztgenannten gehört jene Kupplung, welche den Stoppmechanismus auf Knopfdruck mit dem eigentlichen Uhrwerk verbindet. Geläufig sind bekanntlich drei unterschiedliche Typen: die horizontale Räderkupplung, der Schwingtrieb und die vertikale Friktionskupplung. Letztere agiert energieeffizient und gestattet ruckfreies Starten, baut jedoch vergleichsweise hoch. Außerdem lässt sich das Ein- und Auskuppeln mit den Augen kaum verfolgen.
Der Schwingtrieb war Jean-Marc Wiederrecht zu simpel. Grundsätzlich liebäugelte er mit der klassischen, in allen Details optisch nachvollziehbaren Räderkupplung. Aber es störte ihn beispielsweise, dass der Chronographenzeiger einmal zu unpräzise startet und zum anderen nicht hundertprozentig gleichförmig läuft. Also machte er sich daran, diese chronographische Baugruppe so zu überarbeiten, dass die grundsätzlichen Nachteile verschwinden. Anstelle von Zahnrädern drücken bei der „AgenClutch“ nach dem Einkuppeln zwei Räder mit rauer, das heißt Reibung gewährleistender Oberfläche gegeneinander. Der Chronographenzeiger setzt sich so nicht nur akkurat in Bewegung, sondern schreitet auch so voran. Zur Sicherheit gibt es aber auch noch zwei speziell gezahnte Räder. Sollte die Friktion versagen, verhindern sie eine Fehlfunktionen.
Intelligent und innovativ: die Chronographenkupplung „Agenclutch“
Dieser ausgeklügelte Mechanismus lässt die Zeiger des „AgrenGraphe“ auf Null springen
Zum Zählen der Umläufe sind für den „AgenGraphe“ unterschiedliche Totalisatoren erhältlich. In diesem Fall reicht der zentral angeordnete Zähler bis zu 60 Minuten. Seine akkuraten Sprünge ermöglicht eine kleine Schnecke, welche alle 60 Sekunden um 360 Grad dreht. Auf ihrer Oberfläche gleitet ein Hebel, der während besagter Zeitspannen langsam angehoben wird und so die nötige Kraft sammelt. Schlagartig freigesetzt wird die erforderliche Schalt-Energie dadurch, dass das Hebelende nach der intendierten Zeitpanne über die Stufe in der Schneckenscheibe nach unten fällt.
Zurück auf Null
Nach dem Stoppen heißt es Nullstellen. Hämmer, die auf Knopfdruck gegen herzförmige Scheiben schlagen, sucht man beim „AgenGraphe“ vergebens. Zu unpräzise, zu ineffizient bekundet Jean-Marc Wiederrecht. In seinen Chronographenkalibern erfüllen Nocken und Spiralfedern diese Aufgabe nach seinen Aussagen geschmeidiger und weniger belastend für die gesamte Mechanik.
AgenGraphe Nullstellmechanismus: links inaktiv, rechts in Aktion
Die Besonderheit der von H. Moser & Cie. verbauten Version HMC 902 im Moser Streamliner Flyback Chronograph besteht in einer Flyback-Funktion für die beiden zentral angeordneten Zeiger der Stoppfunktion. Man kennt sie auch als „retour-en-vol”, „Temposchaltung“ oder „permanente Nullstellung“. Mit ihrer Hilfe lassen sich Chronographen- und Zählzeiger aus dem Lauf heraus Nullstellen und ohne weiteren Knopfdruck neu starten. Das gestattet einerseits kurze Reaktionszeiten beim Stoppen von Zeitintervallen. Zum anderen besteht allerdings auch die Gefahr versehentlicher Nullstellung ohne vorherige Dokumentation des Gestoppten.
Beim Moser Streamliner Flyback Chronograph Automatic von H. Moser & Cie drehen konstruktionsbedingt alle vier Zeiger in der Mitte. Die Schwungmasse unter dem Zifferblatt gestattet keine dezentralen Totalisatoren. Die Skalierung des Zifferblatts trägt der Unruhfrequenz Rechnung. Drei Hertz gestatten Stoppungen auf die Sechstelslunde genau.
Sportlich, sportlich
Das Edelstahlgehäuse des neuen Moser Streamliner Chronographen aus Neuhausen besitzt 42,3 Millimeter Durchmesser. Am Handgelenk trägt die Schale 14,2 Millimeter auf. Die Bedienung des Chronographen erfolgt mit Hilfe von Drückern bei „10“ und „2“. Bei der „4“ findet sich die verschraubte Aufzugs- und Zeigerstellkrone. Durch die Gehäusekonstruktion lässt sich der Stopper auch noch 120 Meter unter dem Meeresspiegel bedienen. Fachleute sprechen von einer dynamischen Wasserdichte, welche bis zu 12 bar Druck reicht.
Durch den Sichtboden des Stahlgehäuses zeigt sich das Automatikkaliber HMC 902
Natürlich besitzt das Stahlgehäuse einen Sichtboden. Zu ebenfalls stählernen Gliederband gehört eine dreiteilige Faltschließe. Nicht gerüttelt wurde am bekannten Fumé-Look des Zifferblatts. Der Höhenring trägt eine Tachymeterskala zum Ermitteln von Durchschnittsgeschwindigkeiten über einen Kilometer oder eine Meile hinweg. Insgesamt werden sich 100 Zeit-Genossen am Moser Streamliner Flyback Chronograph Automatic von H. Moser & Cie erfreuen können. Ein Exemplar kostet 38.000 Euro.
Uhrenkosmos Modell Überblick
Hersteller |
H. Moser & Cie |
Name |
Moser Streamliner Flyback Chronograph Automatic |
Referenz |
6902-1200 |
Premiere |
Januar 2020 |
Uhrwerk |
Kaliber HMC 902 (Basis Agenhor AgenGraphe) |
Aufzug |
automatisch, Rotor unter dem Zifferblatt |
Durchmesser |
34,4 Millimeter |
Bauhöhe |
7,3 Millimeter |
Komponenten |
434 |
Unruhfrequenz |
drei Hertz – 21.600 A/h |
Gangautonomie |
mindestens 54 Stunden |
Anzeige |
Stunden und Minuten |
Zusatzfunktionen |
Flyback-Chronograph mit 60-Minuten-Zähler |
Gehäuse |
Stahl |
Durchmesser |
42,3 Millimeter |
Höhe |
14,2 Millimeter |
Wasserdichte |
zwölf bar |
Armband |
Stählernes Gliederband mit Faltschließe |
Preis |
ca. 38.000 Schweizerfranken |
Limitierung |
100 Exemplare |
Noch mehr von H. Moser & Cie. gibt es hier: Die außergewöhnliche, rote Moser Pioneer Centre Seconds Swiss Mad Red.
Eine große technische Errungenschaft die Moser da präsentiert, zu schade, dass man offenbar nicht die Mittel hat, so ein Werk selbst zu entwickeln. Ist doch das HMC 200 lt. Aussage Moser eine Eigenentwicklung.
Die Uhr finde ich optisch tatsächlich mal was anderes und durchaus gefällig mit Potenzial auch in größeren Stückzahlen aufgelegt zu werden, hatte man da bei Moser nicht den Mut?
Aus Gründen der Symmetrie hätte ich mir auch ein Datum auf 6 Uhr gewünscht, wäre es doch der Gegenpart zur „60“ auf 12 Uhr.
Ob ein Darum auch noch beim Werk unterzubringen gewesen wäre, müsste dann allerdings der Werkhersteller beantworten…
Ich hätte das Zifferblatt auch selbst wenn kein Datum unterzubringen ist, zumindest den Modellnamen „Streamliner“ auf das Zifferblatt in der unteren Hälfte platziert, sieht leider so leer und unharmonisch aus, nicht passend zum Gesamteindruck.