Geschichte Hanhart

Hanhart: Entstehung und Geschichte der Uhrenmanufaktur

Uhrenliebhabern und Kennern sind Hanhart Uhren ein Begriff. Die kleine Uhrenmarke aus dem Schwarzwald bietet für moderates Geld ein breites Spektrum an Zeitmessern. Eines haben alle Chronographen, Stoppuhren und sonstigen Armbanduhren gemeinsam: Fürs Geld erhält man einen hohen Gegenwert. Darüber hinaus besitzt Hanhart eine spannende, ins Jahr 1882 zurückreichende Geschichte. Hätten Sie das gewusst?

von | 15.03.2021

Vom Uhrengeschäft zum Uhrenfabrikanten

Für Sammler militärischer Zeitmesser sind Hanhart Uhren, insbesondere der Hanhart Fliegerchronograph ein absolutes Muss und weltbekannt, denn sein markantes Design und seine Geschichte gehen zurück bis ins Jahr 1939.

Mit der langen, bis ins Jahr 1882 zurückreichenden Biographie der Uhrenmarke Hanhart verknüpfen sich allerdings ganz unterschiedliche Uhren. Teils mit, teils ohne Stoppfunktion. Was nicht Eingeweihten heute unglaubwürdig erscheinen mag, ist eine unumstößliches Tatsache: Vor etlichen Jahrzehnten waren die Uhrenfabriken Adolf Hanhart weltweit größter Fabrikant mechanischer Stoppuhren.

Die Kalender zeigten den Juli 1882, als Adolf Hanhart im kleinen Schweizer Ort Dießenhofen am Rhein die Übernahme eines Uhren- und Schmuckgeschäfts und damit die Gründung seiner eigenen Unternehmung inserierte.

In der relativ kleinen und zudem unbedeutenden Ortschaft an der Grenze zu Deutschland konnte sich der ausgeprägte Geschäftssinn des ambitionierten Uhrmachers allerdings nur unzureichend entfalten. Und so zog es ihn auf der Suche nach besseren Entwicklungsmöglichkeiten im Jahr 1902 in die aufstrebende Stadt Schwenningen am Neckar. Dort hatten sich bereits einige Unternehmen der Fein- und Uhrenmechanik angesiedelt. Adolf Hanhart nutzte das Potential und die Entwicklungsmöglichkeiten und wuchs innerhalb von nur 20 Jahren zum größten Handwerksbetrieb der Region.

Deutlich schwieriger und auch zögerlicher als der Umzug nach Deutschland gestaltete sich der Übergang zur nächsten Generation. Erst nach massivem familiären Druck erklärte sich Wilhelm Julius „Willy“ Hanhart 1920 zum Einstieg in das aufstrebende elterliche Unternehmen bereit. Von der Uhrmacherei und dem Handel mit Zeitmess-Instrumenten hielt der gerade einmal 18-jährige Spross nämlich nicht sonderlich viel. Ungeachtet dessen steuerte gerade er die Marke Hanhart in den folgenden Jahren Zug um Zug in eine überaus erfolgreiche Zukunft. Mangels preiswerter  Stoppuhren deutscher Provenienz besetzte der sportliche Juniorchef konsequent das bis dahin unentdeckte Segment.

Uhren unterschiedlicher Art 

Im Jahr 1924 debütierte deshalb bei Hanhart die erste Volks-Stoppuhr deutscher Provenienz. An hohe Handwerkskunst oder erlesene Technik dachten die Konstrukteure bei diesem Messinstrument nicht. Dafür jedoch war es zuverlässig und vor allem preiswert. Ihr Uhrwerk mit 24 Stunden Gangautonomie besaß nur eine simple Stiftanker-Hemmung. Damit erfüllte diese Stoppuhr den intendierten Zweck hinreichend präziser Kurzzeitmessung voll und ganz.

Der Nachteil dieses an sich einträglichen Geschäfts bestand jedoch in seiner saisonalen Struktur. Mit anderen Worten: Übers Jahr betrachtet lasteten Stoppuhren den neuen Fertigungsbetrieb in keiner Weise aus. Auf der Suche nach weiteren Produkten entdeckte Willy Hanhart preiswerte Uhrwerke für den Alltagsgebrauch als Absatzchance. Der Wechsel von der Taschenuhr zur Armbanduhr war gerade in vollem Gange. Entsprechend positiv gestaltete sich die Nachfrage. In diesem Sinne gesellte sich zur Fertigung von Stoppuhren auch die Fabrikation von Kalibern zum Anzeigen der Uhrzeit. Nach dem Tod des Vaters Adolf im Jahr 1932 forcierte Willy Hanhart dieses Metier. Beide Bereiche zusammen gestalteten sich nämlich weitaus einträglicher als der vom Junior niemals sonderlich geschätzte Einzelhandel. 

Hanhart 

Zum Fertigungsspektrum zählten u.a. das 10-linige Kaliber 34 mit vier Steinen und Stiftanker-Hemmung, die 19-linigen Taschenuhr-Kaliber 22 und 27 sowie das 8¾-linige Form-Kaliber 36 mit 15 Steinen und klassischer Ankerhemmung. Bedingt durch das kontinuierliche Wachstum erweiterte Willy Hanhart 1934 den Schwenninger Betrieb um eine Filiale in Gütenbach. Bald schon unterbreitete die um jeden Euro ringende, abgelegene Hochschwarzwald-Gemeinde ein wirtschaftlich ungemein verlockendes Angebot zur Verlagerung des Firmensitzes. Dieses Angebot konnte Hanhart nicht abschlagen und ab 1938 beherbergte die neu errichtete Hanhart Uhrenfabrik auch deren Administration.

Historische Aufnahmen der Hanhart Uhrenproduktion

Ausweitung der Produktpalette

Die neue Fertigungsstätte gab Wilhelm Julius Hanhart ganz neue Möglichkeiten an die Hand. Bald schon präsentierte die Hanhart Manufaktur einen neuen, erstaunlich umfangreichen Verkaufskatalog mit insgesamt 45 Armbanduhr-Modellen, sechs Taschenuhren, acht Stoppuhren, zwei Sportuhren sowie einer Etuiuhr. Dieses Druckwerk lenkte den Blick auf die künftigen Produktionsschwerpunkte. Noch im Jahr des Umzugs startete der Unternehmer die Kreation eigener Hanhart Chronographen auf Basis des Schweizer Kalibers 2 von FHF, Zweigbetrieb Landeron. 1938 debütierte das 15½-linige Kaliber 40, Durchmesser knapp 35 Millimeter. Selbiges verfügte über Ein-Drücker-Steuerung des Chronographen. Bei ihm folgen Start, Stopp und Nullstellung unmittelbar aufeinander. Additionsstoppungen sind daher nicht möglich. 

Hanhart Flieger Chronographen Ein Druecker Kaliber 40 ohne und mit Drehluenette

Der Hanhart Flieger-Chronograph, ein-Drücker-Kaliber 40, war ohne und mit Drehlünette erhältlich

Anfang der 1940-er Jahre folgte die Zwei-Drücker-Version 41. Selbige gestattete besagte Additionsstoppungen und verfügte zudem auch noch über die für Piloten immens wichtige Möglichkeit permanenter Nullstellung. Mit Letzterem ist heutzutage eine Flyback-Funktion gemeint. 

Landeron Kaliber 2 vs Hanhart Kaliber 41 C Uhrenkosmos

Die deutschen Hanhart Chronographenkaliber basieren auf dem gleich großen Kaliber 2 von FHF Landeron

Besondere Kennzeichen beider Hanhart Kaliber waren die Lépine-Bauweise, horizontale Räderkupplung und eine klassische Schaltradsteuerung. Bei den Zwei-Drücker-Kalibern stachen asymmetrisch angeordnete Bedienelemente für den Chronographen ins Auge. Zur Verwendung in Taschenuhren gab es die gleichfalls 15½-linigen und weitestgehend baugleichen Kaliber 50 und 51.

Da Hanhart mit mehreren Zulieferern arbeitete, gibt es kleine Unterschiede bei der Ausführung. Prinzipiell waren die militärischen Chronographen ohne und mit Drehlünette erhältlich. Das Modell TachyTele unterscheidet sich von den puristischen Versionen lediglich durch zwei logarithmische Skalen auf dem Zifferblatt. Die äußere Telemeterskala dient der Ermittlung von Entfernungen mit Hilfe der unterschiedlichen Ausbreitungsgeschwindigkeiten von Licht und Schall. Durch ihre spiralige Gestaltung gestattet die mittig angeordnete Tachymeterskala ein breiteres Spektrum an messbaren Durchschnittsgeschwindigkeiten.     

Hanhart Armband Chronograph TachyTele mit dem Flyback Kaliber 41

Bei ansonsten gleichem Gehäuse und Uhrwerk vom Kaliber 41 besitzt der Hanhart Armband-Chronograph TachyTele zwei logarithmische Skalen

Eine Episode rund um den Hanhart Flieger-Chronographen mit dem Kaliber 41führte zu dem bis in die heutige Zeit gepflegten roten Nullstelldrücker bei „4“. Mehr dazu in der nächsten Folge dieses mehrteiligen Artikels über Hanhart.

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