Uhrenmanufaktur Lip

Lip Uhren: Der standhafte Uhrmacher aus Besancon

Die Jurametropole und Hauptsitz der französischen Uhrenindustrie Besancon beherbergte in der Vergangenheit viele namhafte Uhrenhersteller. Lip Uhren war einer der bekanntesten Hersteller

von | 17.03.2021

Die ehemalige Hersteller der Lip Uhren besaß die schönste Lage, die man sich vorstellen kann: Drei Seiten werden von der Doubs umflossen, die vierte Seite schirmt ein recht steiler Felsen ab. Auf diesen plazierte der große französische Baumeister Vauban einst majestätisch eine Zitadelle. Jenseits des stattlichen Flusses umgeben wiederum fruchtbar Hügel die französische Stadt, von der hier die Rede ist: Besançon. Doch die Stadt hatte neben ihrer Schönheit mehr zu bieten. Sie war der Hauptsitz der französischen Uhrenindustrie.  Die Bedeutung des Uhrmacherhandwerks signalisiert unübersehbar die berühmte astronomische Uhr aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Sie befindet sich im Glockenturm und bietet auf ihren 70 Zifferblättern 1200 verschiedene Informationen.

In dieser Stadt, die man durchaus als die Wiege der französischen Uhrenindustrie bezeichnen kann, gründete Emmanuel Lipmann, Sohn eines elsässischen Uhrmachers, 1867 ein Uhren-Comptoir. 1890 beschäftigte er in seinen eigenen Räumen bereits 20 Arbeiter; 15 weitere erledigten ihre Aufträge zuhause. Irgendwann überkam Lipmann die Idee, seine Uhren mit einer eigenen Signatur zu versehen. Weil sich der sehr deutsch klingende Namen Lipmann für den französischen Markt eher schlecht eignete, verfiel Emmanuel für seine Lip Uhren auf das Markenemblem LIP.

Lip Uhren

1900 übernahmen die Söhne Camille und Ernest Lipman die Regie. Sie machten aus Lip eine Manufaktur, deren Werkstätten an der Rue des Chalets lagen. Ernest Lipmann, er war vor dem Zweiten Weltkrieg Leiter des Unternehmens, war die Präzision der Lip Uhren ein großes Anliegen. Eine seiner Uhren erreichte 1936 sogar den Präzisionsrekord des Nationalen Observatoriums Besançon. Auf seine Initiative ging auch ein Lip Armband-Tourbillon mit Formwerk zurück, das um 1948 von sich reden machte.
Zu dieser Zeit übernahm Fred Lip, ein diplomierter Uhrmacher der Uhrmacherschule Besançon und Enkel des Firmengründers, die Generaldirektion der Uhrenmanufaktur Lip. Unter der Leitung Fred Lips arbeiteten zu Beginn der fünfziger Jahre ca. 650 Menschen für Lip. Die normale Tagesproduktion lag bei etwa 1000 Uhren. Fred Lip modernisierte den Maschinenpark komplett und war stolz darauf, “eine der schönsten Ateliers der Welt” zu besitzen.

Aber das allein reichte ihm nicht und so führte Lip als erste europäische Marke die unzerbrechliche Zugfeder Elgiloy ein. Die damit ausgestatteten Armbanduhren waren höchst robust. Das bekannte Modell Lip Himalaya begleitete etwa die französischen Expeditionen u.a. 1950 und 1951 auf ihre Expeditionen. Um die überragende Qualität der Lip Elgiloy beweisen zu können, installierte LIP zwei selbstentwickelte Demonstrationsmaschinen. Sie verblüfften die Besucher des 1. Uhrensalons, der von 5. bis 30. Juni 1951 im Rahmen der Zweitausendjahrfeiern von Paris stattfand. Eine Maschine führte ein Federhaus mit normaler Zugfeder vor, die andere “Elgiloy”. Dabei brach die normale Feder viermal so schnell wie “Elgiloy”. Eine weitere Apparatur zeigte die Widerstandsfähigkeit des Materials gegen Säure. Zu diesem zweck wurden zwei komplette Uhren hochprozentige Säure getaucht. Nach wenigen Minuten war die eine Uhr komplett aufgelöst, von der zweiten blieb nur die “Elgiloy”-Feder übrig.

Der Erfolg ließ nicht lange auf sicht warten und Lip Uhren wuchs weiter. Mehr noch, man weitete die Produktionskapazität aus und gründete mit Dauphine und Souveraine weitere Uhrenmarken. Ende der 50-er Jahre war Lip bei rund 1.450 Mitarbeiter und stellte knapp 500.000 Uhren pro Jahr her. Was für ein Erfolg. 

 

1958 waren sie das erste nicht-schweizerische Unternehmen, das eine Uhrenfirma in Genf gründen durfte, und Lip Geneve wurde zu ihrer Top-Uhrenlinie. Im selben Jahr unterzeichnete Lip einen Vertrag mit Universal Geneve, um ihre Uhren in Frankreich zu vertreiben und auch den Kundendienst zu übernehmen (ich habe keine Informationen über die vertriebenen Uhren finden können).

Die Krisen

In den 1960er Jahren war es aber mit dem rasanten Wachstum und Fabelumsätzen vorbei. Der Markt wuchs zwar noch, jedoch waren viele Kunden nicht mehr bereit, viel Geld für Uhren auszugeben. Stattdessen suchten sie nach billigen, preiswerten Modellen und Lip Uhren geriet in eine Krise. Auf der Suche nach einer Lösung konnte man 1967 schließlich die Ebauches SA mit 33 % an der Firma beteiligen. Aber durch die starke Fokussierung auf den französischen Markt war der Erfolg begrenzt. Auch der Versuch, durch ein Co-Branding von Lip mit Breitling Chronographen den Umsatz zu steigern war nicht von anhaltendem Erfolg. Entsprechend suchte man durch Entlassungen und Kostenreduktionen der Situation Herr zu werden. Im Februar 1971 trat Fred Lip als Präsident des Unternehmens Lip zurück. Dies verschlimmerte die Situation jedoch nur noch und in schneller Folge wechselten das Management, die Werbekampagnen und die Finanzierungsrunden. Zusätzlich wehrte sich die Belegschaft gegen die schlechten Arbeitszustände und die erkennbare Planlosigkeit. Was folgte, waren Jahre mit Streiks, Besetzungen, Ausständen und – nicht zuletzt durch die Quarzuhren-Revolution verschärft – der Niedergang des Unternehmens. Den Schlusspunkt setzte im Jahr 1976 die Einstellung der Produktion.
Die Marke wurde verkauft und existiert heute noch. Sie ist allerdings doch recht weit vom Glanz vergangener Jahre entfernt. 

Geblieben sind wunderschöne Lip Uhren-Modelle aus der glorreichen Vergangenheit. Dazu gehört aucht die hier abgebildete Armbanduhr aus den frühen vierziger Jahren. Sie besitzt das 7 3/4 x 11 linige Kaliber T 18, welches im Gehäuse zusätzlich von einer Weicheisenkapsel überdeckt wird. Der Anker ist lateral ausgeführt, d.h. die Paletten stehen im Winkel von ca. 90 Grad zur Ankergabel. Interessantes Qualitätsmerkmal ist ferner die Verwendung einer Breguetspirale.
So erzählt diese Lip Uhr von Aufstiege und Fall der Uhrenmarke. Damit ist auch nicht erstaunlich, dass Uhrenliebhaber für ausgesuchte Stücke sehr ordentliche Preise bezahlen.

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Kommentare zu diesem Beitrag

1 Kommentar

  1. ich habe noch eine Bergmannsjubiläumsuhr aus dem Jahre 1953- mit der Gravur -Regie des Mines de la Sarre 1953,läuft immer noch auf die Minute genau.Welch eine Qualität.

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