Walter Lange Denkmal Glashütte

Walter Lange Denkmal Glashütte – Ehre, wem Ehre gebührt

2020 blickt Glashütte mit reichlich Stolz auf 175 Jahre Uhrengeschichte zurück. Im Rahmen dieses Jubiläums wurde am 18. September 2020 das Walter Lange Denkmal Glashütte eingeweiht. Wie sein Urgroßvater Ferdinand Adolph Lange hat der gelernte Uhrmacher maßgeblich zum Renommée der sächsischen Feinuhrmacherei beigetragen. Ein Interview aus dem Jahr 2004 zeigt, warum seine Arbeit von Walter Lange für A. Lange & Söhne so wichtig war.

von | 20.09.2020

 Uhrmacher und Unternehmer mit Leib und Seele

Hätte damals, am 29. Juli 1924 jemand daran gedacht, dass dem frischgeborenen Sohn Walter Lange einmal nach Zeiten großer Umbrüche die Ehre eines Walter Lange Denkmals Glashütte zuteil werden würde?
Dabei wurde Walter Lange in eine echte Glashütter Uhrmacherfamilie geboren. So leitete Vater Rudolf das Familienunternehmen A. Lange & Söhne ab 1922 zusammen mit seinen Brüdern Otto und Gerhard in der dritten Generation. 

Nach seine Uhrmacherlehre betätigte sich Walter Lange ebenfalls in der Firma.  Im Jahr 1948 zwangen ihn jedoch Enteignung und politische Verfolgung zur Flucht nach Westdeutschland. Zusammen mit seinem Bruder gründete er in Pforzheim einen Uhrengroßhandel. Das Ende des sozialistischen DDR-Regimes Mauer und die Wiedervereinigung führten am 7. Dezember 1990 zur Gründung der Lange Uhren GmbH, welche die angestammte Marke A. Lange & Söhne weltweit registrieren ließ. Nach vierjähriger Entwicklungszeit debütierten am 24. Oktober 1994 im Dresdner Residenzschloss die vier ersten Neuzeit-Armbanduhren.

Walter Lange Denkmal Glashütte

Zeitlebens kämpften Walter Lange und sein 2001 aus dem Leben geschiedener Partner Günter Blümlein für den Wirtschaftsstandort Glashütte. Dort ist A. Lange & Söhne mit rund 600 Beschäftigten der größte Arbeitgeber.
Am 17. Januar 2017 verstarb Walter Lange, der Glashütter Ehrenbürger, Träger des Sächsischen Verdienstordens und des Bundesverdienstkreuzes in Ingolstadt.
Das Bronzedenkmal auf dem Platz vor der Glashütter St.-Wolfgang-Kirche hat der Hamburger Künstler Thomas Jastram mit finanzieller Unterstützung der Lange Uhren GmbH erschaffen.

In Memoriam: Interview mit Walter Lange

Der Uhrenkosmos erinnert mit einem Interview an Walter Lange. Es fand 2004 vor seinem 80. Geburtstag mit Gisbert L. Brunner statt.

Hand aufs Herz, Herr Lange. Haben Sie vor dem Fall der Mauer insgeheim noch mit einer Renaissance von A. Lange & Söhne gerechnet?

Walter Lange: Wenn Sie mich so fragen, muss ich gestehen, dass mir der Glaube an eine Wiedergeburt unserer Familienmanufaktur während des DDR-Regimes vollkommen abhandengekommen war. Ich habe auch nicht mehr wirklich daran gedacht, jemals wieder nach Glashütte zurückkehren und dort feine Uhren fertigen zu können zu können.

Ab 1990 wurde das Unerwartete dann doch Wirklichkeit. Können Sie uns einen Sachverhalt nennen, der Sie besonders erfreut hat?

Oh ja, das schon. Unser Glück lag im Unglück begründet. Bedingt durch die politische und wirtschaftliche Situation in Ostdeutschland blieb der Markenname A. Lange & Söhne weitestgehend unbefleckt. Schließlich wurde er ja nicht benutzt und deshalb auch nicht für Minderwertiges missbraucht.

Hatte Sie in Westdeutschland denn die Sorge geplagt, dass sich andere dieses herausragenden Namens bemächtigen könnten?

Das schon. Immerhin besaß A. Lange & Söhne bei echten Kennern und Liebhabern einen überragenden Ruf für deutsche Uhrentradition, beste Qualität und höchste Handwerkskunst. Da hätte es doch irgendwie nahegelegen, dass sich irgendjemand den Namen sozusagen unter den Nagel reißt und Unfug damit anstellt. Mir waren schließlich in Pforzheim die Hände gebunden.

Durch die politischen Ereignisse nach dem Zweiten Weltkrieg und die Festschreibungen im Einigungsvertrag sind Sie und Ihre Familie quasi doppelt enteignet worden. Ich denke, das widersprach Ihrem Rechtsempfinden.

Treffender kann man es eigentlich nicht sagen. Aber das Geschehene rund um die Immobilie unseres Stammhauses in Glashütte ließ sich so oder so nicht rückgängig machen. Also musste ich es zähneknirschend akzeptieren, zumal die höchstrichterliche Entscheidung vom April 1991 eine praktisch unabänderliche Rechtsprechung darstellte.

Zum Glück hatten Sie mit der LMH-Gruppe und der späteren Mutter Mannesmann ja starke Partner im Hintergrund. Auf diese Weise konnten Sie das prachtvolle Gebäude in Glashütte ja wieder erwerben.

Beim Wort prachtvoll muss ich erst einmal lachen. Über die Jahre war das Bauwerk, welches in Vorkriegszeiten unser Familienunternehmen beherbergt hatte, total heruntergekommen. Der Zustand war eigentlich eine Schande. 1995 hatte es die Treuhandgesellschaft der Stadt Glashütte für eine symbolische D-Mark überlassen. Weil die Kommune den mit fünf Millionen veranschlagten Renovierungsaufwand nicht stemmen konnte, kamen wir schließlich zum Zuge. Was mit sehr viel Geld daraus geworden ist, kennen Sie bestens. Mich erfüllt mit Stolz, dass wir mit der Lange Uhren GmbH wieder an Ort und Stelle sind.

Gehen wir nochmals zurück in die Zeit der zweiten Firmengründung. Sie hängt sehr stark mit Günter Blümlein zusammen …

… zum Glück, denn etwas Besseres konnte mir und A. Lange nicht geschehen. Günter Blümlein war ein einzigartiger Visionär, der die Werte der Uhren mit dieser altehrwürdigen Signatur in jeder Hinsicht erkannt hatte. Für ihn waren die Lange-Uhren echte Gesamtkunstwerke, angefangen bei der Konstruktion bis hin zur handwerklichen Ausführung. Geprägt durch Tradition und Leidenschaft. Die beste Voraussetzung für eine Rückkehr in die oberste Liga der Uhrmacherkunst. Für mich war der Tod dieses Partners und Freundes ein schmerzlicher Verlust.

Wie oft haben Sie in der Anfangsphase mit Günter Blümlein gesprochen?

Nach dem Mauerfall und der ersten Kontaktaufnahme haben Günter Blümlein und ich viele Stunden miteinander verbracht. Einer unserer Treffpunkte war die Ladenmühle. In dem kleinen Hotel nahe Glashütte genossen wir oft ein Glas Rotwein. Bei dieser Gelegenheit musste ich wieder und wieder von den wie auch immer gearteten alten Zeiten berichten. Günter Blümlein war extrem wissbegierig und fragte immer wieder nach, was in der Taschenuhrenmanufaktur meiner Vorfahren vor sich gegangen war. Diese Dialoge fehlten mir nach seinem Tode sehr.

Sie sprachen von Taschenuhrmanufaktur. Auf dem Gebiet der Armbanduhren konnte A. Lange & Söhne in den 1930-er und 1940-er Jahren leider nicht an die bemerkenswerten Taschenuhr-Erfolge knüpfen. Sie verbauten in erster Linie Schweizer Uhrwerke.  

Auch wenn es mir mit Blick auf meine Vorfahren schwerfällt, muss ich Ihnen Recht geben. Irgendwie hat A. Lange & Söhne das Thema Armbanduhr verschlafen. Während des Zweiten Weltkriegs förderten militärische Zeitmesser die Geschäfte. Retrospektiv muss ich zugeben, dass unsere Firma auch ohne die schlimmen Geschehnisse nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs massive wirtschaftliche Probleme bekommen hätte. Die einst ungemeine Innovationskraft auf dem Gebiet der Taschenuhren konnten wir bei zivilen Armbanduhren leider nicht mehr vorweisen.

Waren Sie denn zum Zeitpunkt der Gründung der Lange Uhren GmbH vom Erfolg des ehrgeizigen Unternehmens überzeugt?

Wenn wir alle nicht davon überzeugt gewesen wären, hätten wir das heiße Eisen sicher nicht angepackt. Aber in der langen Zeit von den zaghaften Anfängen ab dem 7. Dezember 1990 bis hin zur Präsentation der ersten Kollektion im Oktober 1994 habe ich gelegentlich schon einmal gezweifelt, ob die Kraft für das Bevorstehende reicht. Schließlich konnten und wollten wir ja keine Kompromisse eingehen. Diese hätten der Marke nämlich nachhaltig geschadet.

Nach dem Fall der Mauer gab es in Glashütte viele Arbeitssuchende. Aber die wenigsten hatten doch eine Ahnung von Uhrmacherei auf höchstem Niveau. Oder täusche ich mich da?

Keineswegs. An Fachkräften mangelte es nicht. Aber von den etwa 1000 Mitarbeitern der Glashütter Uhrenbetriebe GUB kamen aus den von Ihnen genannten Gründen ja nur herzlich wenige in Betracht. Hinzu gesellte sich ein keineswegs leichter Rekrutierungsprozess. Wir wollten nicht, dass die Personalverwaltung der GUB wusste, wer sich für einen Job bei uns interessierte. Wenn ich mich recht entsinne, gingen damals etwa 120 Bewerbungen bei Günter Blümlein in Schaffhausen ein.

Wie wählten Sie aus?

Wir hatten zwei wesentliche Kriterien. Einmal eine echte innere Beziehung zur Herstellung hochwertiger Uhren. Und zum anderen eine gewisse erbliche Vorbelastung. Wenn der Großvater schon bei Lange gearbeitet hatte, war das eine hervorragende Ausgangslage. An einer gründlichen beruflichen Vorbereitung in der Schweiz führte aber so und so kein Weg vorbei.

Sie kennen das komplexe Metier ja selbst aus allen Blickwinkeln …

… weil ich zum einen ausgebildeter Uhrmacher bin. Hinzu kommt, dass ich diese Materie sozusagen schon mit der Muttermilch aufgesogen habe. Jeden Abend marschierte mein Vater zur finalen Kontrolle durch unseren Betrieb. Wenn immer es ging, habe ich ihn auf diesem Weg begleitet. Und schon da entwickelte sich mein späterer Berufswunsch.

Ihr Vater war also Vorbild. Welche Persönlichkeiten haben ebenfalls geprägt?

Ja. Meinen Vater betrachte ich als großes Vorbild. Ebenfalls eine wichtige Person war mein Onkel Otto Lange. Er beriet mich bei allen Fragen rund um die Uhrmacherei. Als Kind nahm er mich oft mit in die Werkstätten, wo er mir viele Dinge zeigte und erklärte.

Sind daraus Ihre Persönlichkeitsmerkmale erwachsen?

Möglicher Weise meine bekannte und gefürchtete Sturheit. Hätte ich nicht felsenfest daran geglaubt, dass sich Traditionen wiederbeleben lassen, hätte ich mich 1990 als Rentner aufs Altenteil zurückgezogen. So aber begann mit 66 ein neuer Lebensabschnitt. Das bereue ich keine Minute. Auch danach hielt ich es mit meinen alten Sturheitsprinzipien. Was mir wichtig ist, unterstütze ich mit aller verfügbaren Energie. Ich sage was mir gefällt und lege den Finger beharrlich in die Wunde, wenn mir etwas nicht behagt. Damit mache ich mir nicht immer Freunde.

Sie haben auf bittere Ereignisse zurückgeblickt. Nennen Sie doch bitte noch etwas besonders Erfreuliches.

Spontan fallen mir die positive Resonanz auf unsere erste Neuzeit-Kollektion und die überaus erfolgreiche Pressekonferenz am 24. Oktober 1994 ein. Als die Lange 1 zur Uhr des Jahres gekürt worden war, hatte ich erneut das Gefühl, die Dinge zusammen mit den Partnern richtig angepackt zu haben. Die lange Tradition, das neu gegründete Unternehmen, seine Mitarbeiter und die beispielgebende Kollektion erfüllen mich mit Stolz. Ich habe allen Grund, glücklich und zufrieden zu sein.

Bald werden Sie den 80. Geburtstag feiern. Wie sehen Sie den Erfolg von A. Lange & Söhne als Teil Ihres Lebenswerks?

Mit großem Stolz erfüllt mich das, was während beinahe 15 Jahren aus A. Lange & Söhne geworden ist. Die Manufaktur konnte nicht nur an die großartige Tradition und das von meinen Vorfahren Geleistete knüpfen, sondern auf dem Gebiet der Armbanduhren echte Meilensteine setzen. Denken Sie an die Lange 1, eine wahre Ikone, oder das Lange Tourbillon Pour le Mérite, um nur zwei Beispiele zu nennen. Mittlerweile haben sich etliche Uhrenfirmen in Glashütte angesiedelt. Dadurch entwickelte sich das Städtchen im Müglitztal wieder zum illustren Zentrum der deutschen Uhrenindustrie. Entstanden sind viele Arbeitsplätze. Und das vor allem auch dank A. Lange & Söhne. Die Manufaktur mit diesem Namen kann mit Fug und Recht als das Kraftzentrum dieser abgelegenen Region gelten.

Video der offiziellen Einweihung des Walter Lange Denkmals in Glashütte am 18. September 2020

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  1. Wilhelm Schmid: Ich wünschte mir, ganz ohne Krisen einfach nur schöne Uhren zu entwickeln  - […] Walter Lange, Gott hab ihn selig, wird das nur aus sehr weiter Ferne erleben. Fehlt er euch als Botschafter?…

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