Tintenchronograph in Taschenuhrgröße

Rieussec Tintenchronograph: Der Chronograph schrumpft und markiert mit rotierenden Zeigern

Der in einer kleinen Holzkiste verstaute Tintenchronograph mit rotierenden Scheiben tat, was man von ihm erwartete: Er markierte Zeitintervalle durch kleine Tintenkleckse auf dem Zifferblatt. Einer größeren Verbreitung standen jedoch das beträchtliche Volumen und ein hoher Preis entgegen. Also machten sich Nicolas Mathieu Rieussec und ein bedeutender Konkurrent in den 1830-er Jahren ans Verkleinern auf die Größe einer Taschenuhr. So fand der Chronograph ab etwa 1837 in die Tasche.

von | 24.07.2021

Der Tinten-Chronograph wird kleiner

Nach der Patenterteilung arbeitete Nicolas Mathieu Rieussec kontinuierlich an Optimierungen. Im Herbst 1837 beantragte er ein Tintenchronograph „Zehn-Jahres-Patent für bedeutende Verbesserungen an Chronographen.“ In seiner Dokumentation brachte der Antragsteller zum Ausdruck, dass die ersten Ausführungen seiner tintenschreibenden Chronographen zu groß gewesen seien, um sich leicht transportieren zu lassen. Ergo habe er sich bemüht, den Mechanismus so zu verkleinern, dass er auch in normale Gehäuse passe sowie zu moderaten Preisen angeboten werden könne. Das entsprechende Patent datierte auf den 16. Januar 1838.

Tintenchronograph

1837 stellte Nicolas Mathieu Rieussec seinen Tinten-Chronograph mit Zeigern vor

Neben etlichen Vereinfachungen umfasste der von Rieussec weiterentwickelte Chronograph ein festes Zifferblatt, über dem mit Tinte befüllbare Zeiger rotieren.

Funktionsweise eines Tinten-Chronographen mit rotierenden, tintengefüllten Zeigern

Bei dieser neuen Art von "Tinten-Chronograph" besitzt der untere Zeiger eine löffelförmige Gestalt zum Befüllen der Tinte. Durch ein kleines Loch im Boden drückt die Spitze des oberen Zeigers zum Markieren von Zeitintervallen ein wenig Flüssigkeit aufs Zifferblatt.

Doch damit war eine heftige Auseinandersetzung vorprogrammiert. 1850 musste sich die Akademie der Wissenschaften mit einem Streit u.a. zwischen Nicolas Rieussec und Louis Breguet beschäftigen. Der Enkel von Abraham-Louis Breguet machte geltend, dass sein Großvater den Chronographen mit festem Zifferblatt und beweglichem Zeiger erfunden habe.

Taschenuhren mit Tintenschreiber-Chronograph von Rieussec (links) und Breguet (rechts)

Im Wettbewerb: Tintenschreiber-Taschenuhren von Rieussec und Breguet (rechts)

Tintenchronograph

Nach einigem Hin und Her blieb das 1822 erteilte Patent für Tintenchronographen mit drehenden Scheiben bei Rieussec. Hingegen wurde die Chronographen-Version mit festem Zifferblatt und rotierendem Tintenzeiger zum öffentlichem Gut und damit für jedermann nutzbar.

Rieussec Tinten Chronograph Silber ca. 1835 Antiquorum

Nicolas Mathieu Rieussec Tinten-Chronograph ca. 1835, Foto Antiquorum Autionen

Tintenschreiberchronograph von John Carter, London 1840, Sammlung Gerd-Rüdiger Lang

Tinten-Chronograph mit Zeigern John Carter London, ca. 1840, Sammlung Gerd-Rüdiger Lang

Tintenchronograph mit Zeigern von Chaudé, Genf, ca. 1860

Tintenchronograph mit Zeigern von Chaudé, Genf, ca. 1860, Sammlung Gerd-Rüdiger Lang

Tinten Chronograph mit Zeigern Chaude Genf im Etui C Uhrenkosmos

Tintenschreibender Chronograph mit Zeigern von Chaudé, Genf. Im Etui finden sich Tinte und Reinigungsflüssigkeit (C) Uhrenkosmos

Tintenschreiber Chronographenfunktion einer Taschenuhr von Beyer von 1875

Tintenschreiber signiert Beyer, Zürich, ca. 1875 (C) Beyer

Patek Philippe Tinten Chronograph 1891 C Antiquorum.

Aus dem Jahr 1891 stammt dieser Tinten-Chronograph von Patek Philippe. Foto Antiquorum Auktionen

Nullstell-Stoppuhr mit Zähler und Tintenschreiber Excelsior Park 1923

Nullstell-Stoppuhr mit Zähler und Tintenschreiber von Excelsior-Park, aus Prospekt von ca. 1923. Mitzuführen waren natürlich stets Tinte zum Markieren und eine Reinigungsflüssigkeit

Excelsior Park Tinten Chronograph 1920 er Jahre Antiquorum

Dieser Tinten-Chronograph von Excelsior-Park aus den 1920-er Jahren lässt sich elektrisch aus der Ferne bedienen. Foto Antiquorum Auktionen.

Ein elektrischer Chronograph von 1922

Elektrischer Chronograph um 1922

Ein universaler Erfinder

Der bahnbrechende Tintenschreiber war freilich nur eines der vielen innovativen Produkte des gelernten Uhrmachers Nicolas Mathieu Rieussec. Am Vorabend des neuen Jahres 1830 ließ sein Bruder Nicolas Joseph wissen, dass er künftig Brennholz verkaufen wolle. Nicolas Mathieu zögerte nicht lange und beantragte im September 1832 das Patent für einen Wagen zum Transport von Brennholz. Ein weiteres betraf Fahrzeuge mit Messvorrichtung zum Verhindern von Überladung. Es folgte ein verbessertes System zum Sägen, Wiegen und Messen von Brennholz für Wohnhäuser.

Tintenchronograph von 1830 von Nicolas Mathieu Rieussec

Nicolas Mathieu Rieussec Tinten-Chronograph mit rotierenden Zeigern ca. 1830 (C) Antiquorum

Rieussec Tintenchronograph im Museum Patek Philippe

Nicolas Mathieu Rieussec Tinten-Chronograph mit Zeigern und Zähler, Museum Patek Philippe. Links geöffnet und rechts mit geschlossenem Etui

Von 1823 bis 1855 nahm Rieussec mit seinen tickenden Produkten, darunter auch eine astronomische Uhr mit Sekundenzeiger regelmäßig an französischen Industrie-Ausstellungen teil. 1839 präsentierte der Uhrmacher eine weitere Chronographen-Konstruktion, welche eine Bronzemedaille eintrug. 1844 bekam Rieussec die Silbermedaille für seine hilfreichen Erfindungen.
1851 fand man den kreativen Franzosen bei der ersten Weltausstellung in London. Die dortige Jury hätte ihm für seinen Chronographen gerne einen Ersten Preis zugestanden, aber das Reglement unterband die Würdigung mehr als 20 Jahre alter Produkte.

Weltausstellung-Paris-1855-Palais-de-lindustrie.png

Der Palais de l'Industrie der Weltausstellung in Paris im Jahr 1855

Die Krönung seines Lebenswerks brachte das Jahr 1855, als Nicolas Mathieu Rieussec im Rahmen der Pariser Weltausstellung „als Veteran der französischen Uhrmacherkunst“ eine Medaille Erster Klasse erhielt. Die Ehrung war mehr als gerechtfertigt. Immerhin hatte Rieussec als Hofuhrmacher für das königliche Möbeldepot ganz unterschiedliche Uhrwerke und Mechanismen kreiert. 

Unterschrift von Rieussec

Signatur von Nicolas Mathieu Rieussec

1866 verstarb die begnadete Erfinderpersönlichkeit zu Hause in der Pariser Avenue du Bel-Air.

Danach wurde es eher ruhig um den renommierten Namen und seine Titenchronographen. Die Würdigung des innovativen Uhrmachers erfolgte Anfang des 21. Jahrhunderts durch Montblanc und den exklusiven Rieussec Chronographen fürs Handgelenk.

Davon mehr im nächsten Teil dieser Geschichte.

Montblanc Star Legacy Rieussec Chronograph aus dem Jahr 2018

Montblanc Star Legacy Rieussec Chronograph 2018 (C) Uhrenkosmos

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Kommentare zu diesem Beitrag

1 Kommentar

  1. Guten Tag Herr Brunner
    Ich bin seit Januar Museumsleiterin im Uhrenmuseum Beyer und fasziniert von dem Tintenchronograph in unserer Sammlung. Eine Frage dazu hätte ich: Wissen Sie, wie der Tintenpunkt auf dem Zifferblatt wieder verschwindet? Wenn es bei jeder Zeitmessung neue Punkte gibt, sieht man ja irgendwann nichts mehr vor lauter Punkten. Wie muss man sich das vorstellen? Kann das Zifferblatt ausgetauscht werden?
    Freundliche Grüsse

    Antworten

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