Ohne Tinte ans Handgelenk
Als Nicolas Mathieu Rieussec im Jahr 1866 aus dem Leben schied, waren jene Chronographen bereits Realität geworden, welche korrekter Weise Chronoskope heißen müssten. Wie beim aktuellen Montblanc Star Legacy Rieussec Chronograph Automatic von 2021 dienten bereits damals nullstellbare Zeiger zum Erfassen von Zeitintervallen. Und genau diese Fähigkeit erleichterte die Kurzzeitmessung in Wissenschaft und Industrie, bei sportlichen Ereignissen sowie zu militärischen Zwecken ganz gewaltig.

Als entsprechende Instrumente gegen Ende der 19. Jahrhunderts auch noch ans Handgelenk fanden, spielten überlieferte Tintenschreiber, auch jene kleinen in Gestalt von Taschenuhren nur noch eine untergeordnete Rolle.

Allerdings produzierte die Uhrenindustrie derartige Instrumente für dokumentierende Einsatzzwecke noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts. Von Nicolas Mathieu Rieussec, dem Erfinder und Namensgeber des Chronographen sprach kaum noch jemand.

1997 betrat Montblanc, der traditionsreiche Schreibgeräte-Spezialist während des Genfer Uhrensalons SIHH die Bühne der Zeitmesskunst. In diesem Zusammenhang wollte ein Journalist wissen, wo man denn da die Tinte einfülle.
Vielleicht führte diese ketzerische Frage dazu, dass sich die Marken-Verantwortlichen intensiver mit dem historischen Hintergrund des Zeit-Schreibens beschäftigten.
Im Zuge dessen ließ sich Montblanc jedenfalls den Namen Rieussec schützen. Dessen 1822 patentiertes System rotierender Scheiben verschaffte den 2008 vorgestellten Star Nicolas Rieussec Monopusher Chronographen ein außergewöhnliches Erscheinungsbild.

Wie genau es zu Rieussec kam, ist mir rückblickend nicht mehr hundertprozentig erinnerlich. Soweit ich mich jedoch noch entsinnen kann, entdeckte jemand aus unseren Reihen den ersten Rieussec’schen Zeitschreiber von 1821 in einem Museum. Irgendwann erkannten wir, dass das System mit rotierenden Scheiben etwas für Montblanc sein könnte, weil es einfach anders ist. Und wir wollten uns ja unterscheiden. Nachdem die Zeit im frühen 21. Jahrhundert unbedingt reif war für etwas Eigenes, gaben wir die Entwicklung entsprechender Uhrwerke bei ValFleurier unter dem Siegel der Geheimhaltung in Auftrag.
ValFleurier macht’s möglich
Die Einbindung der in Buttes ansässigen ValFleurier SA ergab zum damaligen Zeitpunkt Sinn. Unter der Ägide des damaligen Chefs Eric Klein beschäftigte sich die Werkeschmiede des Richemont-Konzerns auch mit der Entwicklung von Uhrwerken für die Montblanc-Schwester Panerai. Daraus resultierten synergiebedingte Ähnlichkeiten zwischen dem Handaufzugskaliber Panerai P.2004 und den Montblanc-Kalibern namens MB Rxxx. Zum Beispiel findet sich der Drücker zum Starten, Stoppen und Nullstellen da wie dort bei „8“. Versteckt im Inneren agiert eine vertikale Reibungskupplung. Unübersehbar ist schließlich auch die stabile Unruhbrücke.



Bei Montblanc besteht das 13¾-linige Handaufzugskaliber MB R100 aus 286 Komponenten. Bei 31 mm Durchmesser beträgt die Bauhöhe 7,6 mm. Stündlich 28.800 Halbschwingungen gestatten Stoppungen auf die Achtelsekunde genau. Technisch handelt es sich um eine moderne Konstruktion mit klassischer Schaltradsteuerung der zeitschreibenden Funktionen Start, Stopp und Nullstellung. Ausdruck der Gegenwart ist auch besagte Friktionskupplung, welche weitestgehend verlustfrei arbeitet.

Die Entscheidung für einen Bediendrücker bei „8“ war dem Luminor-Gehäuse von Panerai geschuldet. Dessen opulente Brücke über der Krone und der von oben zu öffnende Andruckbügel standen der üblichen Drücker-Anordnung im Weg. Durch seine Positionierung links in der Gehäuseflanke können Rechtshänder die drei Chronographen-Funktionen bequem nacheinander mit ihrem rechten Daumen ansteuern.

Bedingt durch die spezielle Kaliber-Architektur sucht man den üblicher Weise mittig positionierten Chronographenzeiger vergebens. Dafür finden sich im unteren Zifferblattsegment zwei start-, stopp- und nullstellbare Drehscheiben. Die linke davon dient als Sekunden-Chronograph, die rechte als 30-Minuten-Totalisator. In der oberen Zifferblatthälfte spielt sich das Zeit- und Datums-Geschehen ab. Eine Permanentsekunde ist nicht vorhanden.

Im Gegensatz zum Kaliber P.2004 von Panerai mit drei Federhäusern und acht Tagen Gangautonomie besitzen die Montblanc-Uhrwerke nur zwei Energiespeicher. Selbige liefern Kraft über beruhigende 72 Stunden hinweg.
Den auf insgesamt 300 Exemplare limitierten Star Nicolas Rieussec Monopusher Chronographen mit 43 Millimetern Durchmesser und dem exklusiven Kaliber MB R100 offerierte Montblanc in Gelb-, Rot- und Weißgold zu Preisen von 21.500 bzw. 22.500 Euro.

Automatik-Rieussec
Als deutlich funktionalere Alternative offerierte Montblanc ebenfalls schon 2008 das exklusive Automatikkaliber MB R200. Bei ihn spannt ein zentral positionierter Kugellagerrotor die beiden Zugfedern.

Mit von der Partie ist ein Fensterdatum bei der „3“. Analog zum Kaliber Panerai P.2004 verfügt dieses Automatikwerk über ein hilfreiches Zeitzonen-Dispositiv. Bei Fernreisen lässt sich der obere Stundenzeiger mit Hilfe der Krone bequem in Stundenschritten verstellen. Logischer Weise folgt ihm das Fensterdatum bei „3“. Das untere, der besseren Unterscheidung wegen durchbrochen gestaltete Pendant steht in Verbindung mit der Tag-/Nacht-Anzeige bei „9“. Unterwegs bewahrt es stoisch die Heimatzeit.

Dieses Uhrwerk umfing Montblanc mit einem ebenfalls 43 Millimeter messenden Sichtboden-Stahlgehäuse. Der unlimitiert erhältliche Star Nicolas Rieussec Chronograph Automatic verlangte 2008 nach einem Investment ab 6.790 Euro.
Damit lag Montblanc übrigens deutlich unter dem Panerai Luminor 1950 8 Days Chrono Monopulsante GMT. Mit acht Tagen Gangautonomie, linearer Gangreserveanzeige und 44 mm großem Titangehäuse war dieser Stopper im Jahr 2008 für 13.900 Euro zu haben. Vive la difference!
Im Laufe der folgenden Jahre spielte Montblanc das Thema Nicolas Rieussec in schöner Regelmäßigkeit mit Variationen. Das gilt auch für modifizierte Uhrwerke welche als u.a. als MB R110 und MB R220 in die Schalen fanden.





Montblanc Star Legacy Rieussec Chronograph


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