Geschichte zur Geschichte
Diese Taschenuhr besitzt Geschichte. Genauer gesagt reicht die Geschichte der Parmigiani Fleurier La Rose Carrée sogar viel weiter zurück als jene der 1996 von Michel Parmigiani ins Leben gerufenen Manufaktur. Vor mehr als 120 Jahren fertigte Louis Elisée Piguet das Rohwerk mit der Nummer 5802. Bei Ihm handelt es sich um ein komplexes mechanisches Oeuvre mit 19 Linien Durchmesser. Umgerechnet entspricht das 42,86 Millimetern. Ohne die Stellstifte und andere einfache Teile besteht das Handaufzugswerk aus 331 Komponenten. Alles in allem sind es mehr als 450. Beim Blick auf die Rückseite wissen Kenner der Materie sofort um die Komplikationen, welche sich auf akustische Weise zu erkennen geben. Schließlich verfügt der technische Mikrokosmos über drei verschiedene Schlagwerke.
Da ist zunächst die Grande Sonnerie. Selbsttätig stellt sie zu jeder vollen Stunde die Anzahl Stunden und zu jeder Viertelstunde die Anzahl Stunden und Viertelstunden dar. Im Gegensatz dazu lässt die Petite Sonnerie selbsttätig die Anzahl der vollen Stunden und zu den Viertelstunden lediglich die Zahl der Viertelstunden erklingen. Hinzu gesellt sich eine Minutenrepetition. Nach Betätigung eines Drückers im Gehäuserand bei der „6“ tut sie die aktuelle Uhrzeit minutengenau kund. Das Spannen einer Schlagwerksfeder entfällt, weil das Uhrwerk zwei Energiespeicher besitzt. Einer davon lässt die Schraubenunruh samt zugehöriger Breguetspirale circa 32 Stunden lang stündlich 18.000 Halbschwingungen vollziehen. Das entspricht 2,5 Hertz Unruhfrequenz. Das zweite Federhaus ist einzig und allein für die drei verschiedenen Schlagwerke zuständig.
Im Grande Sonnerie-Modus reicht die Kraft etwa für 24 Stunden. Nachdem der Federspeicher auch die Minutenrepetition ablaufen lässt, sinkt die Gangautonomie ganz zwangsläufig mit dem Quantum der Nutzung über den Tag und durch die Nacht hinweg. Das Aufziehen der Uhr beiden Zugfedern gestaltet sich denkbar einfach durch Hin- und Herdrehen der Aufzugs- und Zeigestellkrone. Louis Elisée Piguet war nicht der Erfinder diese Art des Aufzugs. Für eine optimierte Ausführung konnte der Meister-Uhrmacher jedoch am 3. Mai 1895 ein Patent mit der Nummer 10183 entgegennehmen.
Das Uhrwerk 5802
Zurück zum Uhrwerk mit der ehemaligen Nummer 5802: Das Produktverzeichnis der Firma Louis Elisée Piguet lässt wissen, dass weder das Werk 5802 noch das technisch identische Werk 5801 an einen der vielen renommierten Kunden verkauft wurde. Welchen Weg die beiden Produkte nach der Fertigstellung nahmen, ist unbekannt. Nachdem die in Größen von 19 und 20 Linien sowie in Lépine- oder Savonnette-Bauweise erhältlichen Uhrwerke zu den Bestsellern von Louis Elisée Piguet gehörten, fällt ein Vergleich mit Gleichem jedoch nicht schwer.
Inklusive Steinen sowie einem Schwing- und Hemmungssystem aus dem Hause LeCoultre war ein Teilekit um 1900 ab rund 250 Schweizerfranken erhältlich. Nach sorgfältiger Feinbearbeitung aller Teile kostete eine solcherart ausgestattete Taschenuhr mit Emailzifferblatt und goldenem Sprungdeckelgehäuse ab Etablisseur etwa das Zehnfache vom Preis des kompletten Rohwerks. Gesellten sich bei Louis Elisée Piguet zu besagtem Schlagwerkskaliber auch noch ein ewiger Kalender sowie ein Schleppzeiger-Chronograph mit Zähler hinzu, kletterte der Rohwerkepreis auf beachtliche über 500 Franken. In diesem Fall sprach man schließlich mit Fug und Recht von einer Grande Complication.
Parmigiani Fleurier La Rose Carrée
Was Michel Parmigiani gegen Ende der 1990-er Jahre für das Uhrwerk mit der Nummer 5802 bezahlt hat, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall ruhte es seitdem ungenutzt in einer Schublade der Manufaktur. Mit Blick auf den 25. Parmigiani Fleurier Geburtstag im Jahr 2021 initiierte Guido Terreni, der neue CEO ein ambitioniertes Projekt auf der Grundlage der eingelagerten und dort über die Jahre hinweg logischer Weise reichlich angestaubten Mechanik.
Damit das fertige Produkt in jeder Hinsicht den hohen Ansprüchen der Jubilarin entspricht, scharte der weltweit anerkannte Meister-Restaurator ein Team ausgewiesener Spezialisten um sich. Sie alle wirkten zusammen für jene einzigartige Taschenuhr welche am 2. Dezember 2021 pünktlich zum 71. Geburtstag des Firmengründers debütiert.
Etwa ein Jahr dauerte es, das nun PF992 getaufte Uhrwerk nicht nur komplett zu restaurieren, sondern die sichtbaren Flächen der Platine, Brücken und Kloben mit dem gravierten Dekor einer Rose Carrée zu veredeln. Die von der linearen Form verwelkender Rosenblätter inspirierte quadratische Rose findet sich auch auf dem weißgoldenen Savonnette-Gehäuse. Nachdem Parmigiani Fleurier nur über das Uhrwerk verfügte, musste selbiges ebenso wie das Zifferblatt und das Zeigerset neu gestaltet und angefertigt werden.
Teamarbeit
Für die manuelle Gravur der beiden Gehäusedeckel mit dem Rose Carrée Motiv zeichnete Eddy Jaquet verantwortlich. Das gesamte Muster der quadratischen Rosen folgt der Goldenen Spirale, einer mathematischen Ableitung jenes Goldenen Schnitts, welcher bei Bäumen, Pflanzen und Muscheln, also überall in der Natur zu finden ist.
Überzogen ist das Rosendekor von transluzidem Email, das die einschlägig erfahrene Vanessa Lecci sorgfältig im mehreren Schichten aufbringt. Nach jedem Auftrag folgt das Brennen. Am Ende besitzt die symmetrische und kontextbezogene kunstvolle Gravur noch mehr Tiefe. Nicht von ungefähr kommt deshalb auch die Farbgebung. Blau bringt Emotionen zum Ausdruck, Blau ist ein Symbol für das Geheimnisvolle und das Erreichen des Unmöglichen.
Das Blau von La Rose Carrée drückt die Farbe eines Gewässers aus, wie man es vom Himmel aus sehen würde – mit all den Nuancen und subtilen Veränderungen der Blautöne je nach Tiefe.
Nach dem Öffnen des vorderen Sprungdeckels durch Betätigung des in die Krone integrierten Drückers mit blauem Saphir-Cabochon zeigt sich ein sachlich gestaltetes Zifferblatt aus schwarzem Onyx. Seine spiegelnde Politur stellte eine große Herausforderung dar. Die davor drehenden Zeiger für Stunden, Minuten und Sekunden bestehen aus massivem Weißgold.
Selbstverständlich begleitet diese 64 Millimeter messende Parmigiani Taschenuhr auch eine passende Kette mit quadratischen Gliedern, gestaltet unter Einbeziehung des Rose-Carrée-Motivs. Die komplett manuelle Anfertigung oblag Laurent Jolliet, dem letzten traditionellen Kettenmacher in der Schweiz.
Wer nun Gefallen findet an diesem Meisterwerk traditioneller und zeitgenössischer Uhrmacherkunst auf höchstem technischen und handwerklichen Niveau, muss sich vertrauensvoll an Parmigiani Fleurier wenden. Die Parmigiani Fleurier La Rose Carrée Taschenuhr ist ein echtes Unikat und lässt sich auch käuflich erwerben. Den vermutlich siebenstelligen Preis teilt die Manufaktur auf Anfrage mit. Und es ist davon auszugehen, dass der neue Eigentümer bei der Übergabe in persönlichen Kontakt mit CEO Guido Terreni treten kann.
Parmigiani Fleurier CEO Guido Terreni und Unternehmensgründer Michel Parmigiani über die Idee und Umsetzung der Parmigiani Fleurier La Rose Carrée und des Kalibers 5802
https://www.youtube.com/watch?v=rrlw3cmXjFI
Autor Gisbert L. Brunner
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