Hauseigene Chronographen seit 1999
Zweifellos ist die Odysseus von A. Lange & Söhne begehrt. So begehrt, dass Wartelisten an der Tagesordnung sind. Nichts anderes wird beim neuen Lange & Söhne Odysseus Chronograph der Fall sein. Bei dieser Armbanduhr ist die Produktion mit Stahlgehäuse zudem auf gerade einmal 100 Exemplare limitiert. Womöglich bringt die Glashütter Nobelmanufaktur analog zur Odysseus Automatik später wiederum eine Titan-Edition auf den Markt. Das wird jedoch dauern, denn 100 Chronographenwerke wollen erst einmal gefertigt werden. Und das geht unmöglich von heute auf morgen.
Wir werden das Automatikkaliber L156.1 in homöopathischen Mengen herstellen. Die 100 Exemplare sind auch deswegen nur 100, weil uns bekannt ist, dass wir sehr lange dafür brauchen werden. Ich möchte Wartelisten von mehreren Jahren vermeiden. Das ergeben in der heutigen Zeit einfach keinen Sinn mehr.
Chronographen sind für A. Lange & Söhne nichts grundsätzlich Neues. Seit dem Lancement des mittlerweile schon legendären Datograph 1999 in Basel noch unter der Ägide des 2001 verstorbenen Günter Blümlein, der im März 2023 genau 80 Jahre alt geworden wäre, entstehen mechanische Werke mit Stoppfunktion bei A. Lange & Söhne jedoch in eigener Manufaktur. Für seine früheren Taschenuhren kaufte das Unternehmen die Rohwerke mit Stoppfunktion mit Ausnahme des im Jahr 1877 patentierten und 233 mal gefertigten Lange Secundenwerk bei Schweizer Fabrikanten wie LeCoultre ein. Man wusste um die Komplexität dieses Metiers.
Beitragsinhalt
Wenn Michel Parmigiani einmal konstatierte, dass die Entwicklung eines Uhrwerks mit integriertem Chronographen um ein Vielfaches anspruchsvoller ist als die eines Tourbillons, dann muss man dem Kenner dieser Materie unbedingt Recht geben. In diesem Sinne nahm die Entwicklung des Datograph-Kalibers L951.1, wie die Kaliberbezeichnung zum Ausdruck bringt, denn auch ganze vier Jahre in Anspruch. Bekanntlich wird man aus Erfahrung klug. Dafür spricht die Tatsache, dass A. Lange & Söhne in den Jahren seit 1995 nicht weniger als 13 Chronographenkaliber aus der Taufe gehoben hat, die mit 2,5, 3 oder ab sofort auch 4 Hertz in insgesamt 33 Referenzen ticken.
Premiere mit Rotor-Selbstaufzug
Und damit ist es an der Zeit, das neuen Kaliber L156.1 Datomatic ins richtige Licht zu rücken. Im breit aufgestellten Werkeportpolio der Sachsen repräsentiert es nämlich eine weitere Premiere. Bislang gab es dort noch keinen Automatik-Chronographen. Liebhaberinnen und Liebhaber des manuellen Aufzugs werden das nicht unbedingt bedauern. Klassische Konstruktion mit Schaltradsteuerung und horizontaler Räderkupplung, auf die sich A. Lange & Söhne seit dem späten 20. Jahrhundert trefflich versteht, würden unter einem darüber kreisenden Rotor irgendwie leiden. Schließlich verdeckt er regelmäßig große Teile des aufwändigen Schaltwerks mit seinen sorgfältig anglierten und polierten Stahlteilen.
Wir haben mehr als sechs Jahre an einem Uhrwerk gearbeitet, das wir exakt für ein Uhrenmodell benützen können.
Aber zu einem Gehäuse mit Schraubkrone passt der manuelle Aufzug nun einmal nicht so richtig. Das wusste in den späten 1920-er Jahren schon Hans Wilsdorf, weshalb er die Einwicklung eines Automatikwerks für seine Rolex Oyster Perpetual mit Verve und letzten Endes auch sehr erfolgreich vorantrieb. Nicht anders denken und handeln Lange-CEO Wilhelm Schmid und sein technischer Direktor Tony de Haas. Ein Odysseus Chronograph ohne Selbstaufzug wäre nur eine halbe Sache.
Gut Ding braucht Weile
In diesem Sinn entstand über mehrere Jahre hinweg besagtes Automatikkaliber L156.1. Wie es sich für die Nummer 1 unter den deutschen Luxusmanufakturen gehört, stecken im Newcomer wieder einige Überraschungen. Mit dem allgemein Üblichen gibt man sich im abgeschiedenen Müglitztal traditionsgemäß nicht so gerne ab. Zeitschreibenden Minimalismus darf man deshalb auch nicht erwarten. Mit 34,9 Millimetern Durchmesser und 8,4 Millimeter Bauhöhe gehört das L156.1 denn auch zu den opulenteren Vertretern seiner Gattung.
Der Kugellagerrotor (die Entstehung des Kugellagerrotors haben wir hier beschrieben) besitzt ein äußeres Platinsegment mit 950/1000 Reinheitsgehalt. Er versorgt den Federspeicher in einer Drehrichtung mit frischer Energie. Nach Vollaufzug stehen rund 50 Stunden Gangautonomie zur Verfügung. Nachdem der Gangregler mit vier Hertz oszilliert, sind Stoppungen auf die Achtelsekunde möglich. Wie gehabt, kann die selbst gefertigte Unruhspirale dank vier Regulierschrauben im Unruhreif rückerfrei atmen. Die Schwanenhals-Feinregulierung dient zum Einstellen des Anker-Abfalls, sprich eines gleichförmigen Tick-Tack.
Die Ausformung der rechten Gehäuseflanke unserer Lange Odysseus kam natürlich nicht von ungefähr. Sie erfolgte schon damals mit Blick auf einen Odysseus Chronographen.
Hommage an die Optik
Verständlich, dass A. Lange & Söhne das charakteristische Erscheinungsbild der Odysseus mit gegenüberliegenden Fenstern für Datum und Wochentag beibehalten wollte. Ein exzentrisch am Zifferblatt positionierter Minuten-Totalisator hatte da nur gestört. Wenn, dann wäre dafür auch nur unterhalb der „12“ Platz gewesen. Das wiederum hätte irgendwo den Eindruck eines Valjoux 7750 hinterlassen. Also verlagerten Tony de Haas und sein Team den Zähler ins Zentrum, wo nun insgesamt vier Zeiger rotieren. Logischer Weise hebt sich das chronographische Duo farblich ganz klar voneinander ab. Rot tritt dabei die Chrono-Sekunde in Erscheinung.
Kaliber L156.1
Die einzigartige technische Besonderheite des Kalibers L156.1 besteht in der quasi kinderleichten Bedienung des Odysseus Chronographen und der dynamischen Nullstell-Funktion. Doch alles der Reihe nach:
Ein Vorbild in Sachen leichter Bedienbarkeit ist die Rolex Sky-Dweller mit ihrer patentierten Lünetten-Vorwahl. A. Lange & Söhne hat sich hingegen für eine neuartige Drücker-Dualfunktion entschieden. Ist die Krone mit dem Gehäuse verschraubt, steuern die keilförmigen Drücker in üblicher Weise Start, Stopp und Nullstellung des Stoppers. Ziegen der Krone bewirkt ein Umschalten. Nun wirken die Drücker unmittelbar auf die Datums- und Wochentagsindikation ein.
Dynamische Nullstellung sächsischer Art
Des Weiteren findet sich im Kaliber L156.1 eine dynamische Nullstellung des Chronographen. Für Laien ist das nicht ganz leicht verständlich. Im Prinzip verläuft das Rücksetzen der Stopp- und Zählzeiger immer dynamisch, indem sich Nullstellhebel auf Knopfdruck gegen Nullstellherzen bewegen, und diese unabhängig voneinander auf kürzestem Weg so bewegen, dass die Zeiger in die Senkrechte springen. Das kann also im oder entgegen dem Uhrzeigersinn erfolgen.
Beim L156.1 bleiben die beiden zentralen Zeiger der Stoppfunktion jedoch miteinander verzahnt. Folgen drehen sie sich immer in der gleichen Richtung zur senkrechten Position. Dabei gibt die Position des Totalisators die Drehrichtung vor. Bei mehr als 30 gezählten Minuten erfolgt die Rotation im, bei wenige entgegen dem Uhrzeigersinn. Steht der Zähler exakt bei 30 Minuten, kommt Genosse Zufall ins Spiel. Durch die Verzahnung dreht sich der Chrono-Zentrumzeiger genau 60mal schneller als der Minutenzähler. Im Höchstfall kommen so 30 komplette Umdrehungen zusammen, welche jedoch in Sekundenbruchteilen erfolgen. Und das ist fürwahr echtes Turbo-Tempo.
A. Lange & Söhne Odysseus Chronograph Kaliber L156.1 im Video
Kupplung und mehr
Bleibt ein weiteres wichtiges Thema, den Chronographen betreffend. Ohne Kupplung zur Verknüpfung von Uhr- und Schaltwerk geht nichts. Diesbezüglich hat A. Lange & Söhne beim L156.1 den modernen Weg eingeschlagen. Demzufolge verbaut die Manufaktur eine vertikale Reibungskupplung bei der das Schaltrad per Hebel das Kupplungsrad absenkt und so gegen eine Scheibe presst. Dieses Prinzip kommt ohne Friktionsfeder aus, unterbindet Startsprünge und sorgt für eine gleichförmige ruckfreie Vorwärtsbewegung des Chronographenzeigers.
Natürlich will so ein mechanisches Kleinod, das die Uhrmacher aus 516 Komponenten, darunter 52 funktionale Steine und vier verschraubte Goldchatons montieren, angemessen verpackt werden. Das typische Odysseus Stahlgehäuse misst 42,5 Millimeter und trägt am Handgelenk 14,2 Millimeter auf. Seine Widerstandsfähigkeit gegen den Druck des nassen Elements reicht bis zu zwölf bar.
Am Handgelenk hält das Ganze eine komfortables Gliederband, dessen Länge sich per Knopfdruck kinderleicht verstellen lässt.
Den Preis hat A. Lange & Söhne vor Beginn der Watches & Wonders 2023 ganz bewusst nicht offenbart. Angesichts der Komplexität des Uhrwerks, der mehr als sechs Jahre währenden Entwicklungsdauer und der übersichtlichen Edition von lediglich 100 Stück dürfte er sich schätzungsweise in einer Größenordnung zwischen 120.000 bis 130.000 Euro bewegen.
Die Herausforderung steigt ungemein bei der Entwicklung eines komplizierten Uhrwerks für eine Armbanduhr, deren Zifferblatt von hohem Wiedererkennungswert geprägt ist. Gleiches haben wir ja auch bei der Lange 1 und der Zeitwerk. Beim Odysseus Chronographen müssen wir die Anzeigen von Wochentag und Datum berücksichtigen, welche das Erscheinungsbild der Odysseus prägen und deshalb unbedingt beibehalten werden sollten.
Wer nun Lust bekommt auf den Odysseus Chronographen, Ref. 463.178, muss sich in Geduld üben. Die Lieferung erster Exemplare, die ausschließlich an die A. Lange & Söhne Boutiquen gehen wird, soll gegen Ende des Jahres 2024 erfolgen. Zeigen wird sich dann auch, ob der genannte Preis dann tatsächlich gilt. Es bleibt also spannend.
0 Kommentare
Trackbacks/Pingbacks