Neuer Lang & Heyne Chronograph Albert

Lang & Heyne Albert Chronograph von königlichem Format

Chronographen gehören zu den beliebtesten Zusatzfunktionen. In aller Regel besitzen sie dezentral angeordnete Totalisatoren. Anders der junge, bestechend schöne Lang & Heyne Albert Chronograph mit seinen großen Chronographen-Zeigern und dem selbst entwickelten, wunderbar finissierten Caliber IV. Es ist von seltener technischer Raffinesse.

von | 02.02.2021

Der Weg zum Zeiger-Chronographen

Streng genommen besitzt die Geschichte des Chronographen zwei völlig getrennte Kapitel. Diese beginnt nicht mit unserem vorzustellenden Lang & Heyne Albert Chronograph sondern vielmehr im Jahr 1822 mit Nicolas Mathieu Rieussec patentierten Zeitschreiber. In diesem Zusammenhang ist dem französischen Uhrmacher auch der Terminus Chronograph zu verdanken. Der erste Zeitschreiber verfügte über Scheiben.

Bei den folgenden Generationen konnte man die löffelartige und gelochte Spitze eines von zwei Zeigern mit Tinte befüllen. Ein weiterer Zeiger mit abgewinkelten Spitze erzeugte auf dem Zifferblatt einen kleinen Tintenklecks.

Solcherart geschrieben wird schon seit langem nicht mehr, sondern nur noch angezeigt. Deswegen müssten moderne Zeiger-Chronographen korrekter Weise eigentlich Chronoskop heißen, aber das nur am Rande.

Das zweite Kapitel, nämlich jenes des tintenlosen Zeiger-Chronographen beginnt 1844 mit Adolphe Nicole und der Erfindung eines geradezu genialen und deshalb bis in die Gegenwart absolut unverzichtbaren Bauteils zum unverzüglichen Nullstellen der Zeiger. Auf den 14. Oktober 1844 datiert das Patent für eine kleine, herzförmige Scheibe, deren Kurvenform den an ihrer Welle befestigten Zeiger in die gewünschte, meist senkrechte Position schnellen lässt.

Bis zum Jahr 1862 sind jedoch keine Taschenuhren mit dem so genannten Nullstellherz bekannt. Der erste Nullstell-Chronograph ist Henri Féréol Piguet, einem Mitarbeiter der im Jouxtal beheimateten Firma Nicole & Capt zu verdanken. Adolphe Nicole, einer der Inhaber meldete das Patent für diese Innovation 1862 in London an. Und am 13. November des gleichen Jahres fertigten die Behörden in der französischen Hauptstadt eine zweite Schutzschrift aus. Weil sich das nötige Schaltwerk aus technischen Gründen direkt unter dem Zifferblatt befand, nennt es sich auch Kadratur. Als weiterer Pionier kann deshalb Auguste Baud gelten. Diesem Uhrmacher ist 1868 die werksseitige Anordnung des Zusatzmechanismus mit unabhängig vom eigentlichen Uhrwerk start-, stopp- und nullstellbaren Sekundenzeiger zu verdanken.

Zur intendierten Kurzzeitmessung stellt auf Knopfdruck eine Kupplung die Verbindung zwischen Uhr- und Schaltwerk her. Bei klassischen Chronographen handelt es sich in der Regel um eine horizontal agierende, per Schaltrad ansteuerbare Wippe mit daran befestigtem Kupplungsrad. Selbiges leitet die Drehungen des auf der Welle des Sekundenrads sitzenden Mitnehmerrads an das fein verzahnte Chrono-Zentrumsrad weiter. Durch die ungerade Räderzahl bewegt sich der Chronographenzeiger in die gleiche Richtung wie der permanent laufende und deshalb als Funktionskontrolle dienende Sekundenzeiger.

Die Steuerung der drei essentiellen Funktionen Start, Stopp und Nullstellung erledigte bis in die 1930-er Jahre konsequent nacheinander ein einziger Drücker. Man kennt ihn heute unter der Bezeichnung Monopusher

Nachdem viele der frühen Kreationen lediglich einen Chronographenzeiger besaßen, konnte man damit nur bis zu 60 Sekunden stoppen. Logischer Weise schmälerte dieser Sachverhalt die Nutzungsmöglichkeiten. Die Hinzufügung eines Totalisators im späten 19. Jahrhundert lag also auf der Hand. Im Fall von Lépine-Kalibern für offene Taschenuhren dreht der ebenfalls nullstellbare Zeiger seine Runden bei „12“. Bei später meist auch in Armbanduhren verbauten Savonnette-Kalibern findet sich der bis zu 15, 30, 45 oder auch 60 Minuten reichende Zähler rechts am Zifferblatt.

Zentrums-Totalisator

Bei der Konstruktion des Lang & Heyne Chronographen-Caliber IV zu Beginn des 21. Jahrhunderts richteten Marco Lang und sein Auszubildender Johannes Jahnke ein besonderes Augenmerk auf besagten Minutenzähler. In diesem Zusammenhang blickte sie zurück bis in die Zeit um 1940. Damals trugen zahlreiche Zifferblätter der überaus beliebten Armband-Chronographen zusätzliche logarithmische Skalen zum unkomplizierten Erfassen von Durchschnittsgeschwindigkeiten, Entfernungen oder Pulsschlägen. Manche Uhrenmarken meinten es derart gut, dass sie Tachymeterskala, Telemeterskala oder Pulsometerskala auf einem Blatt vereinten

Die solcherart erzeugte Überfülle beeinträchtigte das Ablesen des Minutenzählers ganz beträchtlich. Abhilfe bestand darin, den Zähler ins Zifferblatt-Zentrum zu verlagern und ihn nach dem Starten des Chronographen simultan mit dem Großbodenrad sowie dem auf seiner Welle befestigten Minutenzeiger drehen zu lassen. Das klingt simpel, aber die Positionierung dreier Mobile im Werkzentrum bedingte einmal zusätzlichen konstruktiven Aufwand. Zum anderen verlangte der zentrale Minutenzähler viel Aufmerksamkeit bei Assemblage und Feinstellung. Nicht zuletzt deshalb machten damals nur sehr wenige Marken von dieser bestechend anmutenden Möglichkeit Gebrauch.

Zu ihnen gehörte einmal die in Saint Imier angesiedelte Manufaktur Longines. 1936 lancierte sie das 6,06 Millimeter hoch bauende Handaufzugskaliber 13ZN mit dezentralem halb springendem 30-Minuten-Zähler. 1942 gesellte sich noch eine Stundenzähler-Variante hinzu. Im Zuge dessen verlegten die Techniker den 60-Minuten-Totalisator ins Zifferblatt-Zentrum. Im gleichen Jahr 1942 war auch Mido mit dem neuen Multicenterchrono zur Stelle. Auch bei ihm drehten Stunden‑, Minuten‑, Chronographen‑ und Zählzeiger in der Mitte des Zifferblatts. Als Basis des Handaufzugskalibers 1300 diente das bewährte 13-linige VZ des Spezialisten Valjoux.

1978 erschien das einfach konstruierte aber robuste Automatikkaliber Lémania 5100 auf der chronographischen Bildfläche. Ohne Beeinträchtigung der Funktionalität kommt das bis 2002 produzierte Uhrwerk mit einem Minimum an Bauteilen aus. Zu seinen Merkmalen gehört ebenfalls ein zentral drehender 60-Minuten-Totalisator.

Lang & Heyne Caliber IV

Dieser durchaus rare Aspekt motivierte Marco Lang und Johannes Jahnke zur Schaffung eines bemerkenswerten Alleinstellungsmerkmals auf dem Gebiet exklusiver Highend-Chronographen aus eigener Manufaktur. Bei der Konstruktion des unübersehbar auf der Rückseite des Basis-Kalibers montierten Schaltwerks ließen sie sich ausnahmslos von klassischen Merkmalen leiten. Dazu gehörte selbstredend ein Schaltrad zur Steuerung der Funktion. Nichts zu rütteln gab es ferner an der horizontalen Räderkupplung.

Dieser Kupplungstyp gestattet es den stolzen Besitzern, alle Abläufe visuell bis ins letzte Detail zu verfolgen. Dafür, dass sich die beiden Konstrukteure mit allen zeitschreibenden Details auseinandergesetzt haben, spricht zum Beispiel die Lagerung der elegant gestalteten Chronographenwippe exakt über der Welle des Sekundenrads. Sie und nur sie gewährleistet den richtigen Drehpunkt und damit verknüpft eine optimale Geometrie der immens wichtigen Kupplung.

Weil ein mittig angeordneter Minutenzähler höher baut als ein dezentraler, verwendet Lang & Heyne beim Caliber IV ein zweigeschossiges Kupplungs- oder Zwischenrad. Das untere der beiden greift permanent ins antreibende Mitnehmerrad, und das obere stellt beim Starten des Chronographen die Verbindung zum Chrono-Zentrumsrad her.

Wer die Kupplungswippe genau betrachtet, erkennt zwei freie Enden. Eines touchiert das Schaltrad. Fällt es dort zwischen zwei Säulen, setzt sich der Stopper in Bewegung. Von einer Säule angehoben, beendet die Kupplungswippe ihren Job. Der Chronograph hält an. Das andere freie Ende reicht ins Zentrum des Schaltwerks.

Und dort hat es eine kraftsparende Aufgabe. Dazu muss man sich die Unterschiede zwischen konventionellem und zentralem Minutenzähler kurz vor Augen führen: Das Überlieferte besteht aus einem Rad, mit so viel Zähnen, wie Minuten gezählt werden sollen. Selbiges bewegt ein Schaltfinger nach jeder vollen Umdrehung des Chronographenzeigers um eine Position weiter. Fachleute sprechen deshalb von einem halbspringenden Minutenzähler.

Im Gegensatz dazu bewegt sich der mittig angeordnete Totalisator ebenso schleichend wie der für die Minutenindikation zuständige Zeiger. Das Rohr der mit einem Nullstellherz ausgestatteten Scheibe des Minutenzählers steckt nämlich in der Bohrung des Minutenrohrs. Nach dem Starten des Chronographen und dem Einkuppeln bewirkt Friktion den Vortrieb des Zählzählers. Wird der Chronograph angehalten, legt sich ein Blockierhebel gegen die Flanke der Zählerscheibe. Besagte Friktion wird dadurch jedoch nicht eliminiert. Also sinkt die Unruh-Amplitude. Ganz anders beim 36,6 Millimeter großen und sieben Millimeter hohen Caliber IV von Lang & Heyne.  Hier wirkt das hintere freie Ende der Kupplungswippe als eine Art Isolator, welcher besagte Minutenzählwelle vom Minutenrohr entkoppelt. Somit kann man von einem deutlich perfektionierten zentralen Minutenzähler sprechen.

Zum ausgeklügelten Chronographen-Schaltwerk des Caliber IV, welches man mit Fug und Recht als Augenweide bezeichnen kann, gehören noch zwei weitere unverzichtbare Baugruppen. Vom Blockierhebel war schon die Rede. Neben der „Backenbremse“ für den Minutenzähler besitzt er noch eine unmittelbar darüber angeordnete für das Chrono-Zentrumsrad. Das Duo bewirkt, dass sich die beiden Zeiger des angehaltenen Stoppers nicht eigenständig bewegen.

Lang Heyne Albert Chronograph Caliber IV doppelter Nullstellhebel C Uhrenkosmos

Analog zum doppelstöckigen Blockiersystem besitzt das Caliber IV auch einen Nullstellhebel mit zwei Ebenen. Der obere drückt gegen das Nullstellherz am Chrono.Zentrumsrad, der untere gegen das Pendant auf der Minuten-Zählscheibe.

Darüber hinaus braucht es natürlich auch ein ebenfalls übereinander positioniertes Paar an Nullstellhebeln. Die dritte Funktionssequenz des in die Krone integrierten Drückers sorgt dafür, dass ihr flaches Ende die beiden Nullstellherzen so lange dreht, bis die zugehörigen Zeiger in die Senkrechte gesprungen sind. Darüber hinaus gehören zum Chrono-Schaltwerk des Calibre IV selbstverständlich noch eine ganze Reihe exakt berechneter Hebel und Federn. Alle zusammen sorgen dafür, dass der Zeit-Wunsch des Dr. Faustus in Goethes Tragödie zumindest fiktiv in Erfüllung geht: „Verweile doch, du bist so schön“. 

Lang & Heyne Albert Chronograph

Wer sich nicht mit den technischen Raffinessen des aus insgesamt 231 Komponenten zusammengefügten Calibre IV beschäftigen möchte, sollte dennoch zur Lupe greifen. Sie erschließt das volle Ausmaß an sorgfältiger Handwerkskunst, das jedem Exemplar vor dem Einbau ins Gehäuse zuteil wird.

Vor der Assemblage zu jenem Ganzen, welches mehr ist als die Summe seiner Teile, erfährt ausnahmslos alles eine gleichermaßen liebevolle wie gekonnte Finissage. Auch solche Bauteile, die im Verborgenen wirken und sich so den kritischen Blicken entziehen, wird eine akribische Zuwendung zuteil. Den Zeittakt für den Chronographen liefert die majestätisch wirkende Schraubenunruh im Verbund mit einer Breguetspirale.

Entschleunigte 2,5 Hertz sorgen dafür, dass sich die Permanentsekunde und der Chronographenzeiger vor dem zweiteiligen Emailzifferblatt oder einem schwarz galvanisierten Pendant in exakten Fünftelsekundenschritten vorwärts bewegen. Weiterer Ausdruck uhrmacherischer Miniserien-Exzellenz sind der handgravierte Unruhkloben, eine elegante Schwanenhals-Feinregulierung für den Rückerzeiger, Hemmungsteile und Zahnräder aus Massivgold, 22 funktionale Steine sowie ein Diamant auf der Unruhwelle. Nach süchtig machendem Vollaufzug mit Hilfe der ergonomischen Zwiebelkrone läuft das Uhrwerk rund 46 Stunden am Stück.

Beim Blick durch den Sichtboden im 44 Millimeter großen, 12,5 Millimeter hoch bauenden Gehäuse aus Platin oder 18-karätigem Gold zeigt sich die umfassende Kompetenz einer jungen, aber ungemein ehrgeizigen sächsischen Uhrenmanufaktur.

König Albert von Sachsen, der Namensgeber, hätte seine helle Freude gehabt an dieser präzisen und funktionalen Armbanduhr, welche auf den ersten Blick Erinnerungen weckt an einen Schleppzeiger-Chronographen. Zu haben ist sie für rund 72.000 Euro.

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