Uhrenindustrie Zahlen 2020

Uhrenindustrie Exporte 2020: So hart waren die Umsatzverluste!

Bis Anfang 2020 profitierten die Uhrenmarken noch vom globalen Geschäft und dem internationalen Tourismus. Dann folgten durch die Sars-CoV-2 Einschränkungen sowie die vorübergehenden Fabrikschließungen Umsatzeinbrüche auf breiter Front. Zwar hat sich die Situation dank China inzwischen wieder gebessert, vorbei ist die Krise aber noch lange nicht.

von | 02.02.2021

„Mäßig bis mau“

Auf die Frage, wie es der Uhrenindustrie geht und wie denn das eigene Weihnachtsgeschäft gelaufen sei, antwortete ein breit aufgestellter und gut sortierter deutscher Juwelier wie aus der Pistole geschossen: „Mäßig bis mau.“ Der Grund für diese Antwort ist natürlich nicht zuletzt im massiven Lockdown der letzten Wochen des Jahres 2020 zu suchen. Denn der Kauf einer hochwertigen Uhr ist natürlich mit vielen Emotionen verknüpft. Folglich kann das Online-Geschäft die durch die Schließung der Ladengeschäfte bedingten Umsatzeinbußen in keiner Weise kompensieren. Auch die Möglichkeit, das Objekt der Begierde im Internet auszusuchen und an der Ladentür abzuholen kann die pandemiebedingten Probleme nicht einmal ansatzweise wettmachen. Denn eine Frau oder ein Mann möchte schon den ins Auge gefassten Kauf vorher am eigenen Handgelenk gesehen und gefühlt haben.
Andererseits gibt es etliche Top-Modelle von Armbanduhren, die besagtem Juwelier nach eigenem Bekunden völlig unbesehen aus der Hand gerissen werden würden. Aber die stammen von wenigen Marken und sind schlichtweg nicht lieferbar. Zum einen handelt es sich, wie unschwer zu erraten, um die Uhrenmanufaktur Rolex. Zum Hype um Rolex-Uhren muss man nicht viele Worte verlieren. Die andere Marke ist Patek Philippe. Die wiederum ließ ihre Handelspartner kürzlich wissen, dass man die stählerne Patek Philippe Nautilus, Referenz 5711/1A nicht mehr bestellen könne. Womöglich wird es im Laufe des Frühjahrs 2021 eine Titan-Version geben. Aber auch hier werden sich die Stückzahlen auf derart niedrigem Niveau liegen, dass sie bei den Konzessionären umsatzmäßig kaum ins Gewichts fallen
Begehrt und wegen niedriger Produktionszahlen nur schwer lieferbar ist des Weiteren auch die A. Lange & Söhne Odysseus in Edelstahl, Referenz 363.179. Folglich ist sie im Parallelmarkt nur mit Aufpreis erhältlich. Bleibt viertens Audemars Piguet. Unter der Leitung von François Bennahmias hat sich das Familienunternehmen inzwischen von nahezu allen Konzessionären getrennt. Folglich entfällt mittlerweile auch die erfolgreiche Royal-Oak-Familie als Umsatzbringer des klassischen Mehrmarken-Einzelhandels. Was nach Aussagen besagten Juweliers neben Tudor, wo sich 2020 lancierte Royal besonderer Beliebtheit erfreut, derzeit noch ein wenig läuft, ist Panerai. Ansonsten herrscht weitgehend Ebbe. Keine rosigen Aussichten für die Uhrenindustrie.

Patek Philippe Nautilus Ref 5711-1A

Auf die Umsätze der stählernen Nautilus werden die Patek Philippe Händler in Zukunft verzichten müssen

Uhrenindustrie

Der Rückgang der Exporte der Schweizer Uhrenindustrie in 2020 war massiv. Nun ist eine Erholung gefragt, aber in fast allen Märkten gibt es Lockdowns und Einschränkungen. D.

Blick in die Schweizer Exportstatistik

Aussagen wie diese, welche weitere Juweliere mit ähnlichem Tenor bestätigen, spiegelt auch die Exportstatistik der Schweizer Uhrenindustrie für das Jahr 2020 wider. Sars-CoV2, zwei Pandemiewellen und die damit verknüpften Maßnahmen inklusive aller Geschäftsschließungen und Reisebeschränkungen haben der eidgenössischen Uhrenindustrie einen rekordverdächtigen Einbruch beschert.
Ihre Ausfuhren liegen nur noch bei rund 17 Milliarden Franken. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das ein Minus von 21,8 Prozent. Einen ähnlichen harten Absturz erlebte die ansonsten erfolgsverwöhnte Branche im Jahr 2009 im Zuge der mit den Lehman-Brothers verknüpften Finanzkrise. Da lagen die Ausfuhrzahlen sogar bei 22,3% unter jenen des Jahres 2008.

Zurück zum Jahr 2020: Insbesondere im zweiten Quartal verzeichneten die Uhrenproduzenten Rückschläge auf historischem Niveau. Gegenüber April – Juni 2019 gaben die Exporte um 61,6% nach. Anschließend ging es zum Glück wieder aufwärts. Festland-China sei Dank, schwächten sich die Ausfuhren im vierten Quartal ungeachtet der weiterhin ungünstigen Weltlage nur noch um 4,3% ab. Denn ab Juni 2020 hatte sich im Reich der Mitte eine bemerkenswerte Erholung abgezeichnet. Ein Anstieg von plus 50,1% spricht für sich. Übers ganze Jahr verzeichnete China gar ein Wachstum von 20 Prozent. Die Erklärung ist recht einfach. Weil sich viele Chinesen ihre Uhren im Heimatland und nicht mehr während einer Reise kauften, stiegen die Umsätze im chinesischen Markt stark an. Entsprechend gebannt wie ängstlich schauen viele Uhrenhersteller auf das mit Menschenrechten nicht sehr sensibel umgehende Land und seinen Markt.
In allen anderen wichtigen Absatzgebieten war der Rückgang deutlich. Besonders negativ war die Entwicklung in der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong. Nach zwölf Jahren an der Spitze des Schweizer Uhrenexport-Rankings fiel Hongkong zurück auf Rang drei. Einfuhren in Höhe von 1.696,7 Milliarden Franken bedeuten ein gewaltiges Minus von 36,9%.

Europa wird auch 2021 leiden

Wie es derzeit aussieht, wird der internationale Tourismus auch 2021 nicht zu einer massiven Belebung der Absätze in den beliebten Reiseländern wie Frankreich, Italien oder Spanien führen. Auch der am Tourismus-Tropf hängende Schweizer Fachhandel dürfte weiterhin darben. Mittlerweile rächt es sich wohl, dass viele Aktivitäten der großen Schweizer Juweliere derart stark auf internationale Kundengruppen fokussiert waren.

Wie stark die anderen tourismustangierten Länder litten, zeigen diese Zahlen. Frankreich importierte im Jahr 2020 wertmäßig minus 37,9% , Italien minus 33%, also exakt ein Drittel weniger und Spanien minus 34,8% weniger Schweizer Uhren als im Jahr 2019. Weil sich deutsche Händler stärker an heimische Kundschaft wenden, gingen die Einfuhren nach Deutschland lediglich um 21,4% zurück. Aber auch das ist kein Anlass zum Jubeln.

Natürlich machen Armbanduhren mit 16,1 Milliarden Franken das Gros der Exporte der Schweizer Uhrenindustrie aus. Entsprechend lagen 2020 die Export-Erlöse um 21,4 Prozent unter denen des Vorjahres. Bei den Stückzahlen betrug das Minus 6,9 Millionen oder 33,3 Prozent. Summa summarum verließen 13,8 Millionen Exemplare das Land. Betroffen waren zunächst alle Preissegmente und Gehäusematerialien. Allerdings litten Uhren mit Exportpreisen unter 500 Franken am stärksten. Dieser Negativtrend lässt sich nun seit Jahren beobachten. Nicht zuletzt ist er auch den Erfolgen moderner innovativer Smartwatches geschuldet.
Deutlich besser schlugen sich hingegen die Armbanduhren im Export-Preisbereich zwischen 500 und 3.000 Schweizerfranken. Hier tummeln sich die gängigen Produkte gefragter Marken. Im Dezember legten sie stückzahlmäßig sogar um plus 17,6 % und hinsichtlich des Werts gar um 19,5 Prozent zu.

Ungewisse Zukunft

Auch wenn es nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochen wird, ist ein Veränderung abzusehen. Nicht alle Schweizer Uhrenmarken werden Covid-19 überleben und nach dem Ende der Pandemie und den damit verbundenen Marktveränderungen dürfte es wohl einige Marken weniger geben. Die Tatsache, dass zum Beispiel Rolex nicht die gewünschten Mengen liefern kann, kommt auch nicht zwangsläufig den Mitbewerbern zugute.  Uhrenliebhaber überlegen sich ihre Wahl nämlich sehr genau. Als Sieger aus dem Rennen hervorgehen werden Marken mit echten Klassikern im Portfolio und solche mit innovativen Produkten oder gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Dabei spielt für Uhrenkäufer die Chance auf Werterhalt oder in Einzelfällen Wertsteigerung eine wichtige Rolle.

Ungeachtet dessen dürften vermutlich alle Uhrenmarken rund um den Globus in ihrer 2020-er Bilanz manche mehr, manche weniger starkes Umsatzminus ausweisen. Der größere und gesündere Teil der Uhrenmarken steckt diesen Umsatzverlust schulterzuckend weg, für andere wird es eng. Aber eigentlich was das schon immer so.

LVMH 

Im breit aufgestellten LVMH-Konzern tragen die Uhrenmarken Hublot, TAG Heuer und Zenith sowie Uhren- und Schmuckmarken Bulgari, Dior, Luis Vuitton, Tiffany, Chaumet nur in relativ geringem Maße zum Umsatz bei. Insgesamt sanken die stark an den Tourismus gekoppelten LVMH Erlöse 2020 gegenüber 2019 von um minus 17 % von 53,67 Milliarden auf 44,461 Milliarden Euro. Der operative Gewinn ging um 28 Prozent von 11,5 auf 8,5 Milliarden Euro zurück.
2019 hatte der Geschäftsbereich Uhren und Schmuck noch 4,405 Milliarden Euro Umsatz ausgewiesen. Für 2020 verzeichnete der Luxusmulti in diesem Segment einen Umsatzrückgang von minus 23% auf 3,356 Milliarden Euro. Allerdings kam es im vierten Quartal mit einem Rückgang von nur noch zwei Prozent zu einer deutlichen Verbesserung. Der Gewinn aus dem operativen Geschäft des LVMH Uhren und Schmuckbereichs sank sogar um enorme minus 59 %.

Richemont

Bei der Richemont Gruppe endet das Geschäftsjahr traditionell erst am 31. März 2021. Die ersten drei Quartale ab April 2020 waren logischer Weise auch hier gekennzeichnet von den Entwicklungen im internationalen Tourismus. Während die Umsätze in der Region Asien-Pazifik beflügelt durch China (+80%) und Taiwan (+29%) insgesamt um 25% wuchsen, verringerte sich der Europa-Umsatz von Richemont um minus 20 %. Unterstützt durch relativ starke Inlandsverkäufe kletterten die Umsätze in Nord- und Südamerika um plus 3%. Im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika legten die Umsätze um plus 27% zu. Dazu bei trug zweifellos die Öffnung des Emirats Dubai für den Tourismus einiges bei.

Während die Großhandels-Umsätze bei der Belieferung klassischer Fachhändler trotz höherer Verkäufe im asiatisch-pazifischen Raum sowie im Nahen Osten und Afrika um 8% nachgaben, stiegen die Verkäufe per Online- und Offline-Einzelhandelskanal um den gleichen Wert gegenüber Vorjahr

Besonders stark ausgeprägt waren die Einzelhandelsumsätze in China, Taiwan, Russland und Saudi-Arabien. Mit einem Umsatzwachstum von 17% verzeichnete der Online-Einzelhandelskanal die stärkste relative Performance. Dadurch bestätigte sich die bereits in den Vorquartalen beobachtete Beschleunigung des Luxus-Shoppings im Internet. Besonders hoher Nachfrage erfreuten sich die Erzeugnisse unter anderem in China, Japan, den Vereinigten Staaten und Frankreich.

Die Umsätze der Juweliermarken Cartier sowie Van Cleef & Arpels kletterten in allen Regionen außer Europa und in allen Vertriebskanälen um 14%. Demgegenüber gaben die Erlöse der Uhrenspezialisten A. Lange & Söhne, Baume Mercier, IWC, Jaeger-LeCoultre, Panerai, Roger Dubuis, Vacheron Constantin in allen Regionen mit Ausnahme des asiatisch-pazifischen Raums, wo der Umsatz zweistellig wuchs, um vier Prozent nach. Summa summarum sanken die Richemont Umsätze der ersten 9 Monate bis einschließlich Dezember 2020 zu aktuellen Wechselkursen um 16 %. 

SWATCH Group

Bei konstanten Wechselkursen bilanzierte die Swatch Group im Jahr 2020 mit ihrem breit gefächerten Portfolio ein Minus von 28,7 %. Die Erlöse lagen bei 5.595 Millionen Franken. Legt man aktuelle Wechselkurse zugrunde, lag das Minus sogar bei 32,1 Prozent. Folglich betrug der währungsbedingte Umsatzverlust 286 Millionen Schweizerfranken. Nachdem die Swatch Group im Jahr 1999 noch einen Konzerngewinn von 748 Millionen SFR verbuchen konnte, beendete der Konzern das Jahr 2020 nun mit 53 Millionen Franken Verlust. Es ist abzusehen, dass die Aktionäre der Swatch Group das Markenportfolio wie die aktuelle Geschäftspolitik der Swatch Group kritisch hinterfragen werden. Diese Straffung des Portfolios und ein verstärkter Fokus auf die Umsatzbringer wird sicher einige Marken im Portfolio treffen. Der erste Kandidat scheint dabei Calvin Klein Uhren zu sein. Aber auch andere Marken werden im Moment kritisch hinterfragt.

Uhrenindustrie 

So betrachtet bietet die aktuelle Krise der Uhrenindustrie 2020 neben allen Herausforderungen auch große Chancen. Zum einen nehmen die großen Unternehmensgruppen wie kleineren Marken die Digitalisierung ernst und setzen entschlossen auf diesen neuen Vertriebskanal. Auch die internen Strukturen werden bei vielen Unternehmen verschlankt und agiler aufgestellt. Dazu kommt, dass über den Wegfall der Basler Präsenzmessen Baselworld/Houruniverse und Watches & Wonders in Genf die meisten Uhrenhersteller die digitale Kommunikation vorangetrieben haben, bzw. mehr und mehr den direkten Draht zum Konsumenten suchen. 
So betrachtet muss einem die Zukunft der Uhrenindustrie keine Sorgen bereiten. Vielmehr bahnen sich der notwendige Wandel und die allumfassende Digitalisierung ihren Weg in eine erfolgreiche Zukunft.

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