Halsbrecherisches Straßenrennen
Carrera – in den Ohren sport- und autobegeisterter Zeitgenossen klingt dieser spanische Name, welcher auf gut Deutsch nichts anderes heißt als Wettrennen, wie Musik. Uhrenfreunde werden Carrera wohl auch mit der neuen Heuer Carrera 160 Years Silver Limited Edition in Verbindung bringen. Schließlich ist Heuer im Motorsport seit Jahrzehnten präsent. Den stärksten Widerhall wird der Name Carrera jedoch für Speed-Jünger erzeugen, denken diese doch automatisch an die durchaus ausreichend motorisierten Porsche-Modelle aus Zuffenhausen.
Plakat der „Carrera Panamericana“, 1953
Möglicher Weise kennen jedoch nicht alle den Hintergrund, warum TAG Heuer nicht nur einem Chronographen-Modell, sondern Porsche gleich verschiedenen Modellen der legendären 911er-Serie den Namen Carrera verpasste.
Die Erklärung findet sich in der Neuen Welt, wo die berühmte „Carretera Panamericana”-Straße die USA mit Südamerika verbindet. Dort, ganz exakt in Mexico sorgte ab 1950 ein spektakuläres Straßenrennen über neuen Etappen und eine Distanz von 3436 km für Furore. Diese „Carrera Panamericana” stellte höchste Anforderungen an Fahrzeuge wie Menschen. Nur die allerbesten Fahrer und gutes Material besaßen damals eine Chance, die immensen Strapazen zu überstehen und mit ihrem Fahrzeug unbeschadet als Ziel zu gelangen.
Schwere Unfälle, oft auch tödliche, waren damals an der Tagesordnung. Nicht zuletzt deshalb ging 1954 die letzte Veranstaltung dieser Art über die Bühne. Seit 1988 findet die „Carrera Panamericana“ als Oldtimer-Rallye statt. Zurück zu Porsche: Nach mehreren Siegen bei der Carrera Panamericana in kleineren Klassen taufte die deutsche Sportwagenschmiede in der Regel das leistungsstärkste Porsche-Modell einer Baureihe „Carrera“. Woran sich bis heute wenig geändert hat.
Heuer und das Auto
Mit dem halsbrecherischen Etappenrennen quer durch Mexico hatte die 1860 gegründete Traditions-Uhrenmarke Heuer zunächst nichts zu tun. Aber dem Thema Automobil hatte Heuer sich schon im frühen 20. Jahrhundert genähert. Die Kalender zeigten das Jahr 1911, als das vom Uhrmacher Edouard Heuer gegründete Unternehmen mit dem „Time of Trip“ einen ersten Bord-Zeitmesser für Fahrzeuge vorstellte. Die großen, zentral angeordneten Zeiger bildeten die aktuelle Uhrzeit ab. Das kleinere Zeigerpaar bei der „12″ erfasste hingegen die Reisezeiten von bis zu zwölf Stunden.
Die Heuer „Time of Trip“ Borduhr von 1911.
Per Knopfdruck ließ sich dieses obere Zeigerpaar starten, stoppen und rückstellen. Das kleine Fenster bei „3″ diente der Funktionskontrolle: Ein roter Punkt signalisierte den Lauf, ein weißer den Stillstand.
Kam 1933 auf den Markt: Das Heuer „Autavia“ Bordinstrument für Auto- und Flugzeug-Cockpits
Auf Initiative der Enkel Charles-Edouard und Hubert entstand 1933 die Heuer „Autavia“. Der „Time of Trip“ brauchte einem adäquaten Nachfolger, welcher den veränderten Bedingungen Rechnung zu tragen hatte. Zum Beispiel stellte das exakte Einhalten enger Zeitvorgaben ein wichtiges Siegkriterium für Rallyes dar. An einem anhalt- und nullstellbaren Sekundenzeiger führte somit kein Weg vorbei. Aus diesen Überlegungen resultierte der Bord-Stopper mit 30-Minuten- und 12-Stunden-Zähler, welche in Renn- und Rallye-Fahrzeugen sowie Flugzeug-Cockpits große Verbreitung fand.
in Wunder, dass sich Jack W. Heuer, Jahrgang 1932 und Urenkel des Firmengründers, Anfang der 1960er-Jahre nicht nur für diesen klangvollen Namen begeisterte, sondern auch mit Verve an die Kreation von sportlich-markanten Armbandchronographen machte.
Im Jahr 1962 gaben dann stählerne „Autavia“- Chronographen ihren Einstand. Zunächst in Gestalt der Heuer Autavia Referenz 2446 mit 30-Minuten- und 12-Stunden-Zähler. Hinzu gesellte sich die lediglich mit einem Minuten-Totalisator ausgestatteten Heuer Referenz 3646. Beide Modelle erfuhren im Laufe der anschließenden Jahre durch Jack W. Heuer noch mehrere gestalterische Modifikationen.
Heuer Autavia Ref. 2446 Mk. 3
Mittlerweile besitzen diese Vintage Chronographen-Stopper Kultstatus und Sammler zahlen dafür Höchstbeträge.
Im Detail liegt die Raffinesse
Ein Jahr später betrat im Hause Heuer ein weiterer Armbandchronograph mit ikonographischem Potenzial die Bühne der Zeitmesskunst. Intern hatte dessen Entwicklungsgeschichte bereits in den frühen 1960er-Jahren begonnen. Weil der Juniorchef Jack W. Heuer das Thema Kurzzeitmessung wie seine Vorfahren virtuos beherrschte, wusste er exakt, worauf es ankommt. In den Augen des studierten Betriebsingenieurs spielte jedoch auch das Design von Gehäuse und Zifferblatt eine überragende Rolle.
Die Heuer Carrera, Referenz 2447S, vorgestellt 1963
Die heute weit verbreiteten Mammutgehäuse gingen seinerzeit überhaupt nicht. 36 Millimeter Durchmesser galten als Standard. Sie resultierten aus den Dimensionen der damals verbauten Handaufzugswerke. Luft oder große Werkhalteringe hatten in den Schalen nichts verloren. Neben der Bedien-Ergonomie, welche sich in griffiger Aufzugs- und Zeigerstellkrone sowie funktionalen Chronographendrückern äußerte, rangierte die Ablesbarkeit in der Prioritätenliste ganz oben. Deshalb strebte der agile junge Patron mit ausgeprägtem Faible für schnelle Automobile nicht nur ein sachlich-reduziertes, sondern auch ein möglichst großes Zifferblatt an. Und hier gelang dem 1932 Geborenen ein echter Kunstgriff. Zu Steigerung der Wasserdichtigkeit wölbte sich über dem Zifferblatt ein mit einem Metallring verstärktes, also armiertes Plexiglas.
So etwas verwendeten die Mitbewerber zwar auch, aber keiner von ihnen nutzte die schräge, dem Zifferblatt zugewandte Fläche des Spannrings. Ganz anders Jack W. Heuer: Nach einigen Experimenten ließ er diesen Teil mit der bei Chronographen immens wichtigen Skala für die Sekunden und deren Fünftel-Bruchteile bedrucken.
Diese zündende Idee vergrößerte das Zifferblatt um beinahe zwei Millimeter. Das klingt zwar nach wenig, beeinflusste die Optik damals allerdings ganz entscheidend. Doch damit nicht genug: Leicht tiefer gesetzte Nebenzifferblätter für Permanentsekunde und Totalisatoren bescherten dem ansonsten ohne jedweden Schnickschnack ausgeführten Zifferblatt eine bemerkenswerte Dreidimensionalität.
Namensfindung durch Zufall
Nach dieser gestalterischen Glanzleistung konnte sich der Chronographen-Grandseigneur eigentlich stolz auf seine Schulter klopfen. Der mittlerweile bald 88-jährige Jack W. Heuer hatte etwas wirklich Einmaliges geschaffen. Nun fehlte ihm nur noch ein treffender Name. Diesbezüglich kam 1963 dem ebenso ambitionierten, vielseitig interessierten technischen Direktor der Ed. Heuer & Co. SA ein Zufall zu Hilfe.
Persönlich habe ich zwar nie Autorennen gefahren. Zur Verkaufsförderung unserer Borduhren zu, die gerade in den USA bei den dortigen Rallyes (eher Zuverlässigkeitsfahrten) zur Standardausrüstung der Rallyefahrer gehörten, bin ich bei einigen Rallyes am Beifahrersitz gesessen. Diese wurden jeweils vom SCCA (Sport Car Club of America) organisiert, der auch die Zeitmessung bei den Zwölf Stunden von Sebring vornahm. Ich habe dann dem SCCA die Stoppuhren für Sebring einige Jahre zur Verfügung gestellt, wodurch wir offizieller Zeitnehmer wurden.
In seiner Eigenschaft als Offizieller Zeitnehmer weilte Jack W. Heuer höchstpersönlich in Sebring. „Dort lernte ich den jungen mexikanischen Autorennfahrer Pedro Rodriguez kennen, der die Carrera Panamericana gefahren war und mir in begeisterten Worten davon erzählte. Mir gefiel das spanische Wort Carrera, das ja nichts anderes als Rennen bedeutet. Daher haben wir den Namen „Heuer Carrera“ für diese neue Uhr markenrechtlich schützen lassen. Übrigens hatten schon Vater Charles und sein Bruder Hubert neuen Heuer Modellen sportlich ausgerichteten Namen wie beispielsweise Autavia, Seafarer oder Solunar verliehen. Diese Tradition habe ich immer fortgesetzt.“
Nach seiner Rückkehr in die Schweiz und dem Lancement der Heuer „Carrera“ erwies sich die Verbindung zwischen Armbandchronograph und Motorsport schnell als richtungs- und zukunftsweisende Entscheidung. Obwohl die erste Kollektion noch recht bescheiden auftrat, erfreute sie sich bereits beachtlicher Erfolge. Mitte der 1960er-Jahre gab es die Modelle „Carrera 12″ (30-Minuten- und 12-Stunden-Zähler), „Carrera 45“ (45-Minuten-Zähler zum Beispiel für Fußballspiele) „Carrera 12 oder 45 Tachy“ (mit Tachymeterskala), „Carrera 12 oder 45 Deci“ (Dezimalskala) und „Carrera 12 oder 45 Black“ (schwarzes Zifferblatt).
Heuer Carrera 45 Dato, 3147, und 2447
Hinzu gesellte sich 1965 noch eine „Carrera“- Weltpremiere: die Referenz 3147 „Carrera 45 Dato“ als erster Armbandchronograph mit digitaler Datumsanzeige durch nur einen Ring. Dem Datumsfenster bei „9“ fiel jedoch die Permanentsekunde zum Opfer. Vom darin verbauten Handaufzugskaliber Landeron 189 entstanden übrigens nur 64.920 Stück.
Auf zu neuen Ufern
In aller Munde gelangte TAG Heuer im Jahr 1992 schließlich durch die Übernahme der Offiziellen Zeitnahme aller Formel-1-Rennen. Im Jahr 1997 kehrte auch Jack W. Heuer zu TAG Heuer in allen Ehren zurück. Er hatte zuvor eine jahrelange Auszeit genommen und öffnete nun im Zuge einer intensiven Medienarbeit das umfassende Firmenarchiv für eine großformatige Heuer Biographie mit dem Titel „Die Beherrschung der Zeit“.
Heuer „Carrera“ Reedition, 1996, Referenz CS3110.BC0725
Schon im Jahr zuvor hatte sich der überfällige „Carrera“-Relaunch mit dem Handaufzugskaliber 1873 von Lémania als voller Erfolg erwiesen. Allerdings durfte der Retro-Stopper anfänglich aus rechtlichen Gründen noch nicht den altbekannten Namen tragen.
Die Bedeutung des Names Heuer hatte übrigens auch der französische LVMH-Konzern erkannt, der die traditionsreiche Sportuhrenmarke im September 1999 für knapp 1,2 Milliarden Schweizerfranken gekauft hatte. Deshalb ernannte Großaktionär und Präsident Bernard Arnault den geistigen „Vater der Carrera“ im Sommer 2001 zum Botschafter und Ehrenpräsidenten der Marke.
Als solcher durfte sich Jack W. Heuer nicht nur über weltweite Erfolge der von ihm kreierten Uhrenlinien Autavia, Carrera und Monaco freuen, sondern auch über die Investitionen in die Fertigung der Uhren und den Aufstieg der Unternehmens TAG Heuer zur echten Uhrenmanufaktur.
Heuer Carrera 160 Years
Dieser Anspruch an die Uhrwerke gilt auch bei der aktuellen Re-Edition der Carrera an das hauseigene Automatikkaliber Heuer 02 (alles zu diesem Uhrwerk mit Schaltradchronograph findet sich hier). Dieses Manufakturkaliber beseelt die auf 1860 Exemplare limitierten Modelle der Heuer Carrera 160 Years Silver Limited Edition. Die Limitierung 1860 weist dabei unmissverständlich auf das Jahr der Firmengründung durch Edouard Heuer hin.
Das Original – die erste Heuer „Carrera, Referenz 2447 von 1963 und die neue Heuer Carrera 160 Years Silver Limited Edition des Jahres 2020
Bei oberflächlicher Betrachtung lässt sich die Jubiläumsreferenz CBK221B.FC6479 kaum von der Referenz 2447 des Jahres 1963 unterscheiden. Gleichwohl sind kleine Unterschiede zu konstatieren. Als Tribut an die Gegenwart wuchs der Durchmesser von ursprünglich 36 auf jetzt 39 Millimeter. Bedingt durch die Verwendung des innovativen Manufakturkalibers Heuer 02 drehen die Permanentsekunde sowie die weiterhin bis 30 Minuten und 12 Stunden reichenden Totalisatoren an anderer Stelle als beim ursprünglich verwendeten Handaufzugskaliber Valjoux 72.
Auch weitere Details der Heuer Carrera 160 Years Silver Limited unterliegen, allerdings erst auf den zweiten Blick erkennbaren Modifikationen. Statt des aufgrund seiner radioaktiven Strahlung verbotenen Tritiums tragen die facettierten Zeiger für Stunden und Minuten sowie die Stundenindexe nun eine Leuchtmasse aus unbedenklichem Super-LumiNova.
Zwischen den Sekundenindexen finden sich auch nur drei statt einstmals vier Teilstriche. Sie tragen der Tatsache Rechnung, dass die Unruh des Kalibers Heuer 02 mit vier Hetz (28.800 A/h) oszilliert, was Achtelsekunden-Stoppungen gestattet. Beim Kaliber Valjoux 72 vollzog die Unruh hingegen 18.000 Halbschwingungen/Stunden (2,5 Hertz).
Des Weiteren konnte das einstige Plexiglas einem bombierten Saphirglas weichen. Es ist gegen Kratzer weitgehend unempfindlich. Die Freunde von hochwertigen Manufaktur-Kalibern werden sich überdies über den Sichtboden freuen, der einen Blick auf das Schaltradkaliber Heuer 02 gestattet.
Der neue TAG Heuer Carrera 160 Years Silver Edition Chronograph wird allerdings erst ab Juni 2020 zum Preis von 5.850 Euro erhältlich sein.
Die Monaco ist eine Ikone rund um den Globus, nicht nur in Europa. Aber ich schätze die Carrera ebenso. Sehen Sie, ich trage auch eine. Mir gefällt der Stil dieses Chronographen ungemein. Als ich Jack Heuer die neuen Modelle zeigte, sagte er nur Heuer ist zurück.
Heuer Carrera 160 Years Silver Limited
Hersteller | TAG Heuer |
Name | Carrera 160 Years Silver Limited Edition |
Referenz | CBK221B.FC6479 |
Premiere | Januar 2020 |
Uhrwerk | Kaliber Heuer 02 |
Aufzug | automatisch, einseitig wirkender Kugellagerrotor |
Durchmesser | 31 Millimeter |
Bauhöhe | 6,9 Millimeter |
Gangautonomie | 80 Stunden |
Unruhfrequenz | vier Hertz |
Komponenten | 233 |
Anzeige | Stunden, Minuten, Sekunden, Datum |
Zusatzfunktionen | Schaltrad-Chronograph mit 30-Minuten- und 12-Stunden-Zähler |
Gehäuse | Stahl mit Sichtboden |
Durchmesser | 39 Millimeter |
Wasserdichte | zehn bar |
Armband | Alligatorleder, Faltschließe |
Preis | 5.850 Euro |
Limitierung | 1.860 Stück, signiert „One of 1860“ |
Gibt seine Möglichkeit ein 17 steiniges Schweizer Handaufzugswerk in dem das Kürzel BYM eingraviert ist zu identifizieren ? Würde mit sehr helfen
Vielen Dank
Lieber Herr Pfeiffer-Belli,
die drei Buchstaben könnten ja nach Positionierung in Verbindung mit Uhrwerken stehen, die ins Ausland versandt wurden. Vielleicht schicken Sie uns ein Photo, dann können wir sehen, ob wir mehr darauf erkennen können.
Beste Grüße
Uhrenkosmos