Grand Seiko Kaliber 9SA5

Grand Seiko und das exklusive Kaliber 9SA5 mit Doppelimpuls-Hemmung

Die über 60-jährige Geschichte der Grand Seiko verknüpft sich mit einem breiten Spektrum an mechanischen und elektronischen Uhrwerken. Im neuesten automatischen Kaliber 9SA5 debütiert die so genannte Doppelimpuls-Hemmung. Wir zeigen die Parallelen des neuen Kalibers 9SA5 mit der Schweizer Ankerhemmung sowie Co-Axial Hemmung.

von | 16.02.2021

Kaliber 9SA5 Zum Grand Seiko Jubiläum 

Über die Geschichte der Grand Seiko, zu deutsch „Große Präzision“ haben wir ja bereits ausgiebig berichtet. Umso technisch spannender ist die Doppelimpuls-Hemmung des automatischen Kaliber 9SA5, die Seiko nun im Umfeld des 60. Geburtstags der prestigeträchtigen Top-Uhrenlinie vorgestellt hat.
Auch dieses limitierte Modell mit Manufakturkaliber ist, wie inzwischen alle Grand Seiko Modelle, in Europa erhältlich.

Grand Seiko Automatikkaliber 9SA5 1

Durch den Sichtboden betrachtet: das Grand Seiko Automatikkaliber 9SA5

Kaliber 9SA5

Beim 31,6 Millimeter großen und bemerkenswerte 5,18 Millimeter flach bauenden Automatikwerk aus Morioka im Norden Japans handelt es sich um das gegenwärtige Top-Produkt. Seine Geschichte reicht zurück bis ins Jahr 1998, als mit der Präsentation des Seiko Kalibers 9S eine neue Grand Seiko-Ära begann. Dessen konsequente Evolution führte zum neuen Kaliber 9SA5.

Beim 9SA5 handelt es sich zweifellos um das beste mechanische Kaliber, welches wir je geschaffen haben.

Grand Seiko Management

Ausdruck der Einordnung in die chronometrische Spitzenklasse des japanischen Uhr-Unternehmens, welches 2021 seinen 140. Geburtstag feiert, sind fünf Hertz Unruhfrequenz. Neu sind diese Tempo-Oszillationen bei Seiko indessen nicht. Bereits in den 1960-er Jahren hatten Techniker die Bedeutung von stündlich 36.000 Halbschwingungen für die Regulierbarkeit und Langzeitstabilität mechanischer Serienkaliber erkannt.

In diesem Sinne debütierte 1967 das 27,63 Millimeter große Hochfrequenz-Kaliber 5740C. Das klassisch aufgebaute Handaufzugswerk mit Ringunruh und Flachspirale beseelte die Lord Marvel. Und dabei handelte es sich auch um die erste Hochfrequenz-Serienarmbanduhr japanischer Provenienz.  

Tickende (R)Evolution aus Morioka

Zwischen diesen Anfängen und dem neuen Hi-Beat Kaliber 9SA5 liegen definitiv Welten. Die größten Besonderheiten des tickenden Newcomers sind in seinem Schwing- und Hemmungssystem zu sehen. Wer die Glucydur-Unruh unter einer Lupe betrachtet, erkennt vier mit Spezialwerkzeug einstellbare Masselots zum Verändern der Trägheit. 

Ein Rücker-Mechanismus, welche die aktive Länge der selbstverständlich von Seiko selbst gefertigten Unruhspirale mit hochgebogener Endkurve beeinflussen würde, ist dadurch entbehrlich. Als Pionier der frei schwingenden Unruhspirale in Armbanduhren kann übrigens Patek Philippe gelten. Bereits Ende der 1940-er Jahre hatte die dortigen Uhrmacher erkannt, dass ein fehler­haftes Einpassen der Spiralfeder zwischen den rückwärtig befestigten Rückerstiften mangelhafte Gangleistungen zur Folge haben kann.

Das führte zur 1949 und 1951 patentierten Gyromax-Unruh mit variabler Trägheit. Erst acht und nun vier Regulierelemente sowie eine völlig frei schwingende Unruhspirale führen zu deutlich höherer Präzision. 

Doppelimpuls-Hemmung

In Automatikkaliber Grand Seiko 9SA5 blockiert und überträgt eine Doppelimpuls-Hemmung

Ein kleiner Excurs zu Hemmungen

Weitaus bemerkenswerter ist die Doppelimpuls-Hemmung im Automatikkaliber 9SA5. Sie als gänzlich neu zu bezeichnen, würde den Tatsachen nicht gerecht. Aber die exklusive Konstruktion bringt eine weitere Abkehr von der klassischen Schweizer Ankerhemmung. Diese Art der freien Kolbenzahl-Hemmung ist auch bei Seiko und Grand Seiko Standard.

Anker und Ankerrad einer Schweizer Ankerrad-Hemmung

Detailansicht eines Ankers und Ankerrads einer Schweizer Ankerhemmung

Bekanntlich kommen der Hemmung im mechanischen Uhrwerk zwei prinzipiell verschiedene Aufgaben zu: Einmal hemmt sie, wie der Name dieser Baugruppe unschwer erkennen lässt, das Räderwerk am unverzüglichen Ablaufen. Zum anderen halten ihre regelmäßigen Kraftstöße die Unruhschwingungen aufrecht.

Diese Jobs erfüllen überlieferte Ankerhemmungen anhaltend zufriedenstellenden, aber keineswegs mit Bravour. Die Kritikpunkte einer Schweizer Ankerhemmung sind hoher Energieverbrauch und die Notwendigkeit regelmäßiger Wartung. Sie veranlassten den berühmten englischen Uhrmacher und Entwickler George Daniels zur Entwicklung und Erfindung seiner co-axialen Ankerhemmung.
Omega präsentierte Co-Axial-Hemmungen im Jahr 1999 erstmals in Armbanduhren. Nach gründlicher Optimierung funktionieren diese innovativen Hemmungen seit 2005 einwandfrei. 

Im Jahr 2001 wartete Ulysse Nardin mit der ankerlosen Dual-Direct-Hemmung von Ludwig Oechslin auf. Sie führte das leichte, amagnetische und infolge extrem glatter Oberflächen auch schmierfrei agierende Silizium in die mechanische Uhrmacherei ein.
Diese Silizium verwendete Patek Philippe im Jahr 2008 erstmals für die Pulsomax genannte Ankerhemmung ohne die traditionellen Palettensteine. Inzwischen haben derartige Ankerhemmungen mit Silizium-Komponenten weite Verbreitung gefunden.

Einen Mix aus Tradition und Innovation weist hingegen die Chronergy-Ankerhemmung von Rolex auf. Sie gab im Jahr 2015 ihren Einstand im Rolex Automatikkaliber 3255.

Doppelimpuls-Hemmung

Zurück zu Grand Seiko und der neuen Doppelimpuls-Hemmung. Sie weist einerseits neue Elemente und Funktionalitäten auf, bei differenzierter Auseinandersetzung sind allerdings auch gewisse Gemeinsamkeiten mit der co-axialen Hemmung nach George Daniels unverkennbar.

Die Gemeinsamkeiten beginnen mit dem lateralen Anker und enden mit der Hebelscheibe, welche eine Impulspalette trägt. Während die von Omega verbaute Co-Axial-Hemmung allerdings über insgesamt vier Paletten verfügt, kommt die Grand Seiko Doppelimpuls-Hemmung mit nur drei Paletten aus.

Der Grund ist hier im beständigen Wechsel zwischen direktem und indirektem Antriebs-Impuls zu sehen. Beim direkten Kraftstoß wirkt die Spitze eines Zahns des sternförmig gestalteten Hemmrads unmittelbar auf die in der Hebelscheibe befestigte Palette und damit die flotten Unruhschwingungen ein. Anschließend erfolgt ein indirekter Impuls via Hemmrad, Eingangspalette, Ankerkörper und Ankergabel auf den wie üblich in der Hebelscheibe montierten Hebelstein.

Solches passiert auch bei der co-axialen Ankerhemmung. Allerdings besitzt diese eine zweite, vom speziell geformten Hemmrad-Trieb angesteuerte Impuls-Palette, welche der Unruh via Ankergabel und Hebelstein einen „Kick“ erteilt. So gesehen kann man auch hier von einem indirekten Kraftstoß sprechen. Als weitere Gemeinsamkeit verfügen beide Konstruktionen über eine Ausgangspalette mit ausschließlich blockierender Funktion.

Doppelimpuls-Hemmung

High-Tech Teileproduktion

Natürlich verlangt die Herstellung derartiger Hemmungen nach Hochtechnologie. Ankerrad und Ankerkörper der neuen Grand Seiko Doppelimpuls-Hemmung entstehen mit Hilfe des so genannten MEMS-Verfahrens. Das Micro Electro Mechanical System gestattet die Herstellung komplexer und durch das Entfernen überflüssigen Materials auch leichter Bauteile auf fotolithographischem Weg aus Nickel-Werkstoff. Ein Vergleich mit der LIGA-Technologie liegt nahe. Wegen der inhärenten Bruchgefahr lehnt man die Verwendung von Silizium in Japan derzeit noch konsequent ab.

Für spiralig aufgewundene Federn, also die beiden Zugfedern des Kalibers 9SA5 und die Unruhspirale zeichnet die zur Gruppe gehörende Tono Seiki Company verantwortlich. Das verwendete Material, Spron genannt, entwickelte Seiko zusammen mit einer Forschungsabteilung der Tohoku Universität und dem Metall-Kobalt-Spezialisten Dr. H. Masumoto.

Die hochgebogene Endkurve der in diesem Highend-Automatikwerk gewählten Unruhspirale ist das Ergebnis tausender Simulationen. Dieser „atmende“ Winzling steuert neben der Unruh mit variabler Trägheit und besagter Doppelimpuls-Hemmung beträchtlich zur hohen Ganggenauigkeit des Kalibers 9SA5 bei. Darüber hinaus führen sorgfältige Assemblage und Regulierung zu Gangergebnissen, welche die Schweizer Chronometernorm übertreffen.

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Kontrolle von Grand-Seiko Uhrwerken in Morioka, Japan

Offizielle Prüfverfahren dieser Art kennt die japanische Uhrenindustrie nicht. Aber die internen Grand-Seiko-Regularien schreiben eine maximale tägliche Gangabweichung im Bereich von minus drei bis plus fünf Sekunden vor. Kompromisse werden nicht geduldet, selbst wenn der von ausgewiesenen Spezialisten durchgeführte Regulierungsprozess in sechs Lagen sowie bei Temperaturen von 8, 23 und 38 Grad Celsius lange dauert. Wegen der zusätzlichen sechsten Lage erstreckt sich das Prüfverfahren für die ganze Uhr und nicht nur ihr tickendes Innenleben über insgesamt 17 Tage. Ein Gangzeugnis dokumentiert die im Uhrmacherstudio erreichte Performance.

Wie üblich spannt der Kugellagerotor die seriell geschalteten und nebeneinander angeordneten Federhäuser in beiden Drehrichtungen. Zum Lösen der Schwungmasse braucht es ein spezielles Werkzeug. Trotz präziser, jedoch energiezehrender fünf Hertz Unruhfrequenz läuft das Kaliber 9SA5 beachtliche rund 80 Stunden am Stück. Einen wichtigen Beitrag zu dieser beachtlichen Gangautonomie der um 20 Prozent höhere Wirkungsgrad der Doppelimpuls-Hemmung.

Armbanduhren mit dem Kaliber 9SA5

Die ersten Exemplare des 9SA5 beseelten im März 2020 lediglich 100 massivgoldene Armbanduhren der Grand Seiko Referenz SLGH002. Mit Lederband war dieses Modell für rund 45.000 Euro nur in den Markenboutiquen erhältlich.

Eine zweite, wiederum limitierte Jubiläums-Edition folgte im Herbst 2020. Jede der insgesamt 1.000 stählernen Referenzen SLGH003 mit Gliederband, blauem Zifferblatt, massiven silberfarbenen Strich-Indexen und roter Zentralsekunde schlägt mit exakt 10.000 Euro zu Buche. Einzelne Exemplare hiervon sind da und dort noch im Fachhandel zu haben.

Ab Anfang März 2021 gibt es die neue Referenz SLGH005 ohne quantitative Einschränkung. Die Struktur des silberfarbenen Zifferblatts der 40 Millimeter großen und 11,7 Millimeter hoch bauenden Edelstahl-Armbanduhr erinnert an Birkenholz. In Zehntelsekunden-Schritten dreht ein blauer Sekundenzeiger seine Runden. Bei „3“ findet sich das Fensterdatum. Die Resistenz der in aufwändiger Zaratsu-Handpolitur feinbearbeiteten Sichtboden-Schale gegen Magnetfelder reicht bis 4.800 A/m, jene gegen das nasse Element bis zu zehn bar Druck. Verfügbar ist das von drei Jahren internationaler Garantie begleitete Modell für 9.500 Euro in Grand Seiko Boutiquen und bei ausgewählten Konzessionären.

Exklusives hat seinen Preis

Auch der Preis des letztgenannten Modells dürfte die eine oder andere Frage aufwerfen, übersteigt er doch jenen einer stählernen Rolex Datejust 41, Referenz 126300, mit dem ebenfalls neuen Automatikkaliber 3235 um 2.150 Euro. Wer sich jedoch näher mit Grand Seiko und der nunmehr 61 Jahre währenden Geschichte befasst, gelangt sehr schnell zur Erkenntnis, dass sich diese Armbanduhren schon immer in einer anderen Welt bewegten.
Grand Seiko kann auf eine treue japanische Fangemeinde und darüber hinaus nun auch in Europa auf auch eine wachsende Gruppe kenntnisreicher Uhrenliebhaber bauen. Alle wissen die hohe japanische Qualität, vergleichsweise geringe Stückzahlen und das nicht Alltägliche fernab vom chronometrischen Mainstream zu schätzen. Und dafür zahlen sie traditionsgemäß gerne etwas mehr. Ganz abgesehen davon lässt sich eine mechanische Grand Seiko auch zu deutlich günstigeren Preisen erwerben. Dann allerdings ohne das beste bislang von Grand Seiko hergestellte Automatikkaliber.

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