Uhrenmarkt im Wandel
Hallo Herr Platt, schön, dass Sie jetzt mit Chronext wieder aktiv im Uhrengeschäft sind. Was hat Sie dazu bewogen, jetzt im Bereich des Vertriebs beratend tätig zu werden?
Norbert Platt: Man kann ja nicht nur auf der Alster segeln und Golf spielen. Bis 2019, als ich aus dem Richemont-Aufsichtsrat ausgeschieden bin, habe ich aus Loyalität zum Konzern und seinen Marken logischerweise Beratungsmandate in den Bereichen Uhren, Luxus und Schmuck abgelehnt.
Der Uhrenmarkt ist momentan ausgesprochen bivalent, Herr Platt. Auf der einen Seite haben wir extrem erfolgreiche Marken, wie Rolex, Patek Philippe, Audemars Piguet und innerhalb relativ kurzer Zeit auch Richard Mille. Unabhängigen boomen, andere hingegen verlieren an Bedeutung.
Norbert Platt: Lassen Sie mich einen Vergleich mit der Kunst ziehen. Kunst, die bei Auktionen die besten Resultate und größte Wertsteigerung erzielt, ist eine wiedererkennbare. Nehmen Sie Jeff Koons. 2019 wurde sein „Rabbit“ für 91 Million US-Dollar versteigert. Jeder erkennt seine Werke, ob man sich für Kunst interessiert oder nicht.
Herr Man, Chronext sieht wahrscheinlich sehr deutlich, wie sich das Auf und Ab des Markenwerts bei den Konsumenten in Nachfrage und Umsatz niederschlägt.
Philipp Man: Absolut. Wir sehen das in Echtzeit. Es gibt wahrscheinlich wenige Wege, so direkt zu konstatieren, was tatsächlich bei einer Marke passiert. Einerseits, wie ist wirklich der Marktpreis und welche Modelle sind wie stark gefragt. Was man in den vergangenen Jahren deutlich erkennt, ist eine starke Polarisierung auf unabhängige Marken.
Norbert Platt: Lassen Sie mich hinzufügen, dass es nicht nur um unabhängige Marken geht. Erfolgreich sind Uhrenhersteller, die wie große Künstler auf unverwechselbare Designs setzen und nicht so viele Modelle produzieren. Klassiker in diesem Zusammenhang heißen Royal Oak, Nautilus und Daytona. Marken in den beiden großen Gruppen, also Swatch-Group und Richemont, können vielleicht weniger Klassiker dieser Art vorweisen. Zu den Ausnahmen gehört womöglich Panerai.
Dafür haben die großen Gruppen und ihre Marken viele Uhren zu verkaufen. Oder wie sehen Sie das bei Chronext?
Philipp Man: Viele Marken konzentrieren sich primär auf den asiatischen Markt. Aber die Kunden dort streben eigentlich das an, was die alten Märkte wollen, was in den USA und in den europäischen Märkten gekauft wird. Das führt dazu, dass alle auf Asien schauen, aber Asien schaut zu uns. Deswegen gehen Audemars Piguet, Patek Philippe und Rolex, die schon seit langer Zeit global eine klare Linie fahren, aus der COVID-Krise gestärkt hervor. Diese Marken besitzen eine ganz klare internationale Vision.
Nicht nur bei Chronext sind mehr und mehr Kunden hinter den so genannten Blue-Chips her. Hingegen sind die meisten anderen Uhrenmodelle immer schwieriger zu verkaufen, weil das Angebot die Nachfrage übersteigt. Wie gelangen Sie an die begehrte Ware, welche vermutlich in den vergangenen beiden Jahren wesentlich zum durchschnittlichen Wachstum von 47% beitrug.
Philipp Man: Aktuell fokussieren sich bei den Uhren 90% auf Rolex, Audemars Piguet, Patek Philippe und Richard Mille. Je rarer das Produkt, desto größer das Premium, welches der Verkäufer natürlich monetarisieren möchte. Folglich finden die Produkte fast automatisch zu uns. Kunden, welche sie beim Fachhandel nicht kriegen können, suchen online und sie kommen zu uns, weil wir einmalig positioniert sind. Das sind deutlich jüngere Käuferschichten, die sich von uns besser verstanden fühlen als vom stationären Handel. Chronext erledigt alle Aspekte der Prozesskette einschließlich Beratung per E-Mail, Telefon oder Live-Chat, dazu die Echtheitsprüfung, die Logistik und auch die Zahlungsabwicklung.
Konkret: Wie gelangen Sie dann an die entsprechenden Uhren?
Philipp Man: Die Uhren werden uns entweder von Herstellern, Händlern oder Endkunden offeriert. Die Tendenz dabei: Je seltener die Produkte, desto eher werden sie uns angeboten, um dann online verkauft zu werden.
Momentan entsteht zunehmend der Eindruck, das Produkt selbst spielt bei vielen keine überragende Rolle mehr. Es geht nur noch um Gewinnmaximierung.
Menschen sind Sammler und Jäger. Besonders wertvoll ist das, was sie nur aufwändig jagen können. Das ist ein einfacher Urinstinkt. Deswegen gibt es in der Luxusindustrie häufig den Trick, mit limitierten Editionen zu punkten oder mit sonstiger Verknappung, entweder künstlich oder infolge von Kapazitätsrestriktionen.
Philipp Man: Für mich geht es nicht nur um Gewinnmaximierung. Der Kunde möchte einfach beständige Produkte kaufen.
Bei Konzessionären, in offiziellen Online-Shops der Hersteller oder Plattformen wie Chronext.
Philipp Man: Wir sprechen vom kontrollierten Sekundärmarkt.
Dieser durchaus berechtigte Markt versorgt Menschen mit Produkten, welche sie sonst auf dem offiziellen Weg nicht unmittelbar oder gar nicht bekommen. Kauft eine stählerne Rolex Daytona für 30.000 Euro jemand, sie behalten und tragen möchte? Oder landet sie im Tresor, um dort darauf zu warten, dass sie über kurz oder lang vielleicht 40.000 Euro kostet. Irgendwie liegt hier ein Vergleich mit Immobilien in Großstädten nahe.
Philipp Man: Diese Uhren werden getragen. In meinen Augen gibt es jedoch nicht den offiziellen Markt, den Sekundär- und Parallelmarkt. Es gibt nur den Markt. Die aktuelle Distribution führt dazu, dass viele Kunden das gesuchte und angestrebte Produkt nicht direkt bekommen. Bis zu einem gewissen Grad ist das sicherlich gut, weil es Stärke und Nachhaltigkeit einer Marke widerspiegelt. Wenn dieser Effekt allerdings zu extrem ist, kreiert das auch Frustration. Das treibt den Kunden in andere Verkaufskanäle und führt sie letzten Endes auch zu uns.
In der Regel erwerben Kunden ihre Uhren nicht primär als Investment. Andererseits ist das ein zusätzlicher Rationalisierungsmechanismus, welcher den Kunden ein gutes Gefühlt gibt.
Kommen wir konkret zur angesprochenen Daytona
Philipp Man: Trotz eines Preises von 30.000 Euro und mehr kaufen Kunden die Daytona, weil sie dieses Produkt wirklich haben wollen. Es besteht eine Faszination für diese Uhr und eine gewisse Toleranz, mehr auszugeben, um sie bei Chronext schnell zu bekommen. Ein Treiber, warum Kunden zu uns kommen, besteht auch in der Frustration, immer wieder bei Konzessionären dafür belächelt zu werden, überhaupt nach einer nicht erhältlichen Daytona zu fragen.
Irgendwann gibt der Kunde einfach mehr Geld dort aus, wo er zudem einen persönlichen Service bekommt, wo er das Produkt heute schon in 13 Lokalen stationär abholen kann, wo er eine Echtheitsgarantie und ein 14-tägiges Rückgaberecht erhält. Sicherlich gibt es Ausnahmen, die primär ein Investment sehen. Der Großteil des Marktes sind jedoch Uhrenliebhaber wie Sie und ich.
Chronext
Wie sehen wir Sie ihr spezielles Geschäftsmodell im Vergleich zum Wettbewerb?
Philipp Man: Der Unterschied ist: Wir kuratieren das Angebot. Unser Ziel besteht nicht darin, in Kleinanzeigenseiten tausendmal die gleiche Rolex Submariner zu zeigen. Mit einem Inserat verdienen wir kein Geld, sondern nur, wenn Sie kaufen und zufrieden damit sind. Wir wollen sicherstellen, dass die beste und garantiert echte Ware auf der Plattform ist, deren Qualität stringent durch unsere eigenen Uhrmacher authentifiziert wurde. Wir prüfen, dass die Seriennummer nicht gestohlen ist. Dann wird die Uhr diskret und sicher verpackt sowie an Sie geschickt.
Durch diesen Standard finden und binden wir Käufer wie Verkäufer. Als unabhängige Plattform, die Ware von Endkunden, Herstellern und Händlern beziehen kann, können wir unabhängig von wie auch immer gearteter Verknappung signifikant schneller wachsen als der Markt. Das Resultat sind besagte 47 Prozent in den letzten 24 Monaten.
Dieses Wachstum bezieht sich auf den Wert.
Philipp Man: Korrekt. Seitdem wir begonnen haben, sind wir im Schnitt über 100 Prozent gewachsen.
Ihr geplanter Börsengang hat jedoch nicht in das aktuelle Marktumfeld gepasst, oder?
Philipp Man: Es gibt verschiedene Faktoren, welche so einen potenziellen Börsengang beeinflussen. Aber prinzipiell ist es so, dass wir schnell wachsen, dass der Kunde offensichtlich gut findet, was wir anbieten. Wir denken darüber nach, was der Kunde haben möchte. Wenn es eine Daytona ist, ermöglicht es unser Geschäftsmodell, dieses Produkt zum Marktpreis anzubieten. Ob jener über oder unter dem Listenpreis liegt, entscheiden nicht wir. Wir akzeptieren die Distribution so, wie sie ist. Daher ist der Börsengang nur verschoben. Wenn am Markt dafür bessere Bedingungen herrschen besteht die Möglichkeit weiter.
Darf man fragen, womit Sie 50% Ihres Umsatzes generieren? Wahrscheinlich sind das fünf oder sechs Uhrenmodelle. Darunter Rolex Daytona, Rolex Pepsi, Patek Nautilus 5711/1A etc., also aktuelle Hotspot-Armbanduhren.
Philipp Man: Tatsächlich nicht. Diese Modelle bewirken Traffic, bringen also Besucher auf die Seite, weil jeder danach sucht. Nachgeschaut wird aber auch alles andere. Sie haben also nicht so eine starke Polarisierung auf diese Modelle, sondern eine größere Bandbreite.
Der Uhrenmarkt ist ja sehr vielfältig
Philipp Man: Genau, wir sprechen gerade über neue, ungetragene Uhren. Unser Hauptfokus für die nächsten Jahre besteht jedoch darin, das Geschäft mit gebrauchten Uhren zu institutionalisieren, Wir wollen Standards schaffen, bei denen der Kunde ähnlich wie im Automobilbereich weiß, dass Uhren aus Vorbesitz nichts Minderwertiges anhaftet. Sie besitzen eine eigene Historie, sind getragen und verfügbar, obwohl es sie eigentlich nicht mehr gibt. Das ist viel spannender, als das Neuuhrengeschäft mit sehr gefragten Modellen.
Das größte Potenzial sehen wir bei gebrauchten Luxusuhren im Wert von geschätzten knapp 900 Milliarden Euro, welche zu Hause, im Bankschließfach oder auch noch an Handgelenk liegen. Sie warten darauf, sicher und vor allem auch auf bequeme Art und Weise gehandelt zu werden, wie es das heute noch nicht gibt.
Service groß geschrieben
Norbert Platt: Chronext setzt dabei einmal auf die digitale Plattform. Basierend auf globalen Daten sowie aus Angebot und Nachfrage ermitteln Algorithmen einen marktgerechten Preis. Darüber hinaus unterhält Chronext als vertrauensbildende Maßnahme auch stationäre Lounges. Bei Problemen kann ich in Hamburg, Berlin, Köln oder anderswo einen Termin vereinbaren und dort den persönlichen Kontakt pflegen. Wir kennen das doch alle: Nach dem Kauf im Internet erreichen Sie anschließend niemand mehr. So etwas geht gar nicht
Stimmt, oft meint man, das Telefon sei abgeschafft. Schicken Sie uns Ihre Anfrage per E-Mail.
Philipp Man: Bei uns existiert es weiter. 38 % der jährlichen Transaktionen gehen auf Anrufe zurück.
Reden wir über die Preisfindung bei Chronext
Philipp Man: Im Laufe der letzten acht Jahre haben wir intern eine Pricing-Engine entwickelt. Preise basieren auf historischen Fakten und Marktdaten sowohl on- als auch offline. Hinzu gesellen sich Predictive Analytics, mit denen man sozusagen Voraussagen machen kann, in welche Richtung sich der Preis entwickelt. Wir haben also eine sehr starke Expertise. Wir machen einen Preis, bei dem wir glauben, dass der Kunde ihn am fairsten findet, der aber gleichzeitig auch unter anderem Echtheitsprüfung sowie Pre-Sales-Services inklusive Anruf- und Abholmöglichkeit beinhaltet.
Unser Preis reflektiert all diese Dinge. Wir wollen nicht der Günstigste sein, wollen aber sicherstellen, dass Sie einen wirklich fairen Preis bekommen. Manchmal bedeutet das fünf Prozent, manchmal auch zehn Prozent Rabatt und mitunter 60% über Listenpreis. Das ist für jede Uhr individuell. Wir verstehen uns als Spiegel der Distributionspolitik verschiedener Uhrenmarken.
Passen Sie denn auch Ihre Preise kontinuierlich an, wenn das Produkt beispielsweise ein Vierteljahr ohne Kaufinteresse online ist?
Philipp Man: Ja. Bei uns ändern sich die Preise typischerweise jeden Tag.
Wie viel Prozent der Ihnen angebotenen Uhren übernehmen Sie?
Philipp Man: Momentan nehmen wir nur knapp zehn Prozent der uns angebotenen Uhren an. Diese Aussage bezieht sich auf das Gebrauchtuhrengeschäft mit Endkunden. Wenn Sie beispielsweise Ihre Reverso verkaufen wollen, entscheiden verschiedene Faktoren. Erstens: Wie viel Kapital wollen wir zu dem Zeitpunkt generell in eigene Ware investieren? Zweitens: Haben wir dieses Produkt schon? Und drittens: Ist der verlangte Preis aktuell attraktiv.
Die genannten Kriterien verändern sich kontinuierlich. Es gibt Zeiten, da wollen wir mehr Bestand aufbauen, zum Beispiel vor dem Weihnachtsgeschäft. Mitunter haben wir nicht genug Jaeger-LeCoultre auf Lager. Es sind also verschiedene Faktoren, welche in unsere Pricing-Engine einfließen. Diese knapp zehn Prozent sind ein Durchschnitt über die letzten Jahre hinweg, welcher in absehbarer Zeit aber steigen wird.
Wie bewerten Sie Qualität und Zustand?
Philipp Man: Wir unterhalten eine eigene Werkstatt mit gut 350 Quadratmetern und knapp 30 Uhrmachern und Uhrmacherinnen. Wir können also vieles intern aufarbeiten und warten. Das heißt, da sind wir entspannt.
Feilschen Sie, wenn Ihnen eine Universal Tri-Compax Eric Clapton für 25.000 Euro angeboten wird und Sie die Uhr gerne im Portfolio haben aber weniger bezahlen wollen.
Philipp Man: In der Regel ist es so: Je illiquider ein Produkt mit gewissem Wert ist, desto öfter bekommen wie einen Direktankaufspreis. In besagtem Fall vielleicht 15.000 Euro sofort oder 25.000 Euro in Kommission minus zehn bis zwanzig Prozent Provision. In letztgenanntem Fall heißt es halt warten, bis das Produkt verkauft wurde. Der Kunde besitzt die Möglichkeit, ein Optimum mit maximaler Bequemlichkeit zu erzielen. Er kann die Eric Clapton Tri-Compax aber auch sofort verkaufen und im Gegenzug etwas Neues zu erwerben. In diesem Fall der Inzahlungnahme kann es vielleicht 20.000 Euro geben. Chronext bietet den Kunden Flexibilität und maximale Transparenz.
Sie greifen auch direkt auf das Angebot von Marken zurück. Manche davon schätzen einen Partner, der Lagerware auf elegante Weise veräußert.
Philipp Man: Die Beweggründe, warum Marken direkt mit uns arbeiten, sind vielfältiger als nur die Vermarktung von Überkapazitäten. Prinzipiell helfen wir Marken, einen ganzheitlichen Blick auf die Distribution zu bekommen. Die alte Denke in der Industrie ist selektive Distribution. Sie führt dazu, dass sich die richtige Uhr oft am falschen Ort befindet und so nach Discount verlangt. Marken müssen den gesamten Bestand weltweit im Blick haben. Indem sie mit uns arbeiteten, sehen sie auf einmal, wie die Ware wirklich fließt, wohin, an wen und zu welchem Preis.
Die Beweggründe bestehen also nicht primär darin, am Ende eines Quartals oder Jahres einfach die Volumina hochzutreiben, sondern die potenziellen Kunden besser zu verstehen. Außerdem möchte man sich der Käuferschaft von morgen nähern, also den Millennials, der Gen Y und der Gen Z. Wenn wir mit diesen Marken arbeiten, schauen wir uns an, welche Produkte möchten sie vermarkten, wie können wir ihnen eine markenschonende Art und Weise empfehlen, welche zudem Konflikte mit den etablierten Konzessionären vermeidet.
Markt mit Potenzial
Wie sehen Sie, Herr Platt, Ihre Rolle, Ihre Kompetenz, und welchen Input liefern Sie Chronext in den nächsten Jahren?
Norbert Platt: Zunächst habe ich ganz bewusst nicht direkt im Aufsichtsrat tätig sein wollen. Ich möchte eine strategische Beratung leisten. Chronext, das ist eine tolle, junge Mannschaft. Insofern kann ich meine langjährigen Erfahrungen in Sachen Uhrenindustrie und Distributionswege sowie mein Netzwerk nutzen, um diesem Management zu helfen. Es fasziniert mich, wenn man mit gerade 30 schon so ein Unternehmen aufgebaut hat, und es auch nach gewissen Standards betreibt. Nicht nach dem Motto: Wir kaufen Restposten auf und verschleudern sie, egal, was mit den Marken passiert. Chronext weiß, dass das Handeln die Marken nicht beschädigen darf. Vielmehr sollen Marken von der Transparenz profitieren. Und genau dabei kann ich helfen.
Würden sie zustimmen, Herr Platt, dass ungetragene Uhren in einem Wert von zusammen rund 50 Milliarden Euro in irgendwelchen Vitrinen und Schubladen liegen?
Norbert Platt: Das kann durchaus sein. Es gibt viele Uhren, die zum Teil sogar unbewusst Ihres Werts in Schubladen liegen. Das unterscheidet Uhren von alten Handys. Bei erstgenannten handelt es sich um ein handwerklich produziertes Kulturgut.
Wir schätzen, dass das jährliche Gesamtvolumen aus neuen und gebrauchten Luxusuhren, welche aktiv gehandelt werden, in den nächsten fünf Jahren auf etwa 65 bis 90 Milliarden Euro kommt.
Was, Herr Man, passiert eigentlich, wenn jemand eine Uhr kauft, diese z.B. während einer Party trägt, dann zurückschickt und Sie über den Zustand staunen?
Philipp Man: Das geschieht sehr selten. Wir haben circa sieben Prozent Retouren in den letzten Jahren. Die Kunden überlegen sich den Kauf sehr gut. Wenn jemand nichtsdestotrotz mit der Uhr unterwegs war, wird die zu konstatierende Wertminderung natürlich in Rechnung gestellt.
Hat man schon mal versucht, Ihnen eine falsche Daytona unterzujubeln? Inzwischen wird ja selbst das Rolex Chronographen-Kaliber 4130 nachgebaut.
Philipp Man: Das passiert immer wieder. Mittlerweile gibt es in der Tat auch diese „Super-Clones“, welche mit dem bloßen Auge nicht mehr erkennbar sind. Wir selbst schleusen jede Woche ganz bewusst Fakes in unseren Prozess rein. Jedes dieser Produkte filtern unsere Spezialisten treffsicher raus. In den nun fast neun Chronext-Jahren haben wir noch nie eine gefälschte Uhr verkauft.
Wer ist Chronext?
Die Kalender zeigten das Jahr 2013, als Philipp Man und Ludwig Wurlitzer eine digitale Plattform zum An- und Verkauf neuer sowie betagter Luxusuhren ins Leben riefen. Die Gründer gaben ihr den Namen Chronext. Ziel war die komplette Abwicklung des Prozesses einschließlich einer Echtheitsprüfung der offerierten Ware. Und das ist auch heute noch der Fall.
Neben dem Auftritt im Internet unterhält das Unternehmen, welches alle Prozesse selbst abwickelt, weltweit elf Lounges, wo Kunden ihren Erwerb begutachten und in Empfang nehmen können. Berlin, Düsseldorf und Frankfurt sind die deutschen Standorte. Ein eigenes Service-Atelier mit qualifizierten Uhrmachern nimmt alle Uhren gründlich unter die Lupe. Darüber hinaus führt es neben der Qualitäts- und Echtheitskontrolle auch Wartungs- und Reparaturarbeiten durch. Jeden Kauf begleitet deshalb eine 24-monatige Garantie.
Auf Lager sind ungefähr 7.000 Zeitmesser. Der kleinere Teil davon befindet sich im Eigentum von Chronext, das größere Quantum ist Kommissionsware. Etwa 70 Prozent des laufenden Bestands sind übrigens neue Uhren, welche Chronext in Kooperation mit Uhrenmarken und -händlern vermarktet.
Dass mehr als 100 Millionen Umsatz, steigende Verkaufszahlen sowie ein namhaftes Team an Managern und Verwaltungsräten keine Garantie für erfolgreichen Börsengang sind, musste Chronext Anfang Oktober 2021 erfahren. Die im Zuge eine Kapitalerhöhung angebotenen 9.524.000 neuen Aktien im Preisbereich zwischen 16 und 21 Schweizerfranken stießen nicht auf das erwartete Interesse. Somit kam der intendierte Börsengang nicht zustande.
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